Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 17 AS 1034/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 351/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2017 sowie der Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2016 aufgehoben. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Bescheid über die Ersatzpflicht des Klägers wegen sozialwidrigen Verhaltens.
Der im xxxxx 1996 geborene Kläger bezog in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft u.a. mit Bescheid vom 5. Juli 2013 Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis zum 31. Januar 2014 und mit Bescheid vom 20. Dezember 2013 für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Juli 2014.
Im Rahmen eines Datenabgleichs nach § 52 SGB II vom 25. September 2013 erfuhr der Beklagte, dass der Kläger für das Meldejahr 2012 einen Kapitalertrag in Höhe von 322,- Euro von der H. erhalten hatte. Nachdem die Mutter des Klägers dem Beklagten hierzu keine Auskunft zu erteilen vermochte, führte der Beklagte ein Kontenabrufersuchen nach §§ 93, 93b Abgabenordnung durch. Das Bundeszentralamt für Steuern teilte im Februar 2014 mit, der Kläger sei Inhaber mehrerer Konten bei der H ... Auf Nachfrage des Beklagten gab die H. nähere Auskunft zu diesen Konten. Eines der Konten war ein am 6. September 2011 mit einem Guthaben von 20.000,- Euro errichtetes Sparkonto mit der Nummer , dessen Stand zum 31. Januar 2014 20.626,50 Euro betrug.
Mit Änderungsbescheid vom 6. Mai 2014 schloss der Beklagte den Kläger aus der Bedarfsgemeinschaft aus und bewilligte für ihn ab dem 1. Mai 2014 keine Leistungen mehr mit der Begründung, es sei Vermögen vorhanden. Am 2. Juni 2014 stellte der Kläger beim Beklagten einen eigenständigen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, der vom Beklagten nicht weiter bearbeitet wurde.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2014 wandte sich die gesetzliche Betreuerin der Mutter des Klägers an den Beklagten und teilte mit, der Kläger habe das Vermögen verspielt. Ebenfalls am 10. Juli 2014 sprach der Kläger persönlich beim Beklagten vor und teilte mit, er habe das Guthaben in Höhe von 20.642,- Euro am 19. Februar 2014 in bar abgehoben und das Sparkonto aufgelöst. Zum Nachweis legt er ein Sparbuch für das Sparkonto Nr. vor, in dem die Abbuchung und die Kontolöschung zum 19. Februar 2014 eingetragen waren. Der Kläger erklärte weiter, er habe das Geld im Februar 2014 in voller Höhe beim Glückspiel verloren.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2014 berücksichtigte der Beklagte den Kläger wieder als Teil der Bedarfsgemeinschaft und bewilligte seiner Familie Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015.
Mit zwei Schreiben vom 17. Juli 2014 und vom 18. Juli 2014 hörte der Beklagte den Kläger zum möglichen Eintritt einer Sanktion wegen Verminderung seines Vermögens bzw. zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten an. Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 hörte der Beklagte den Kläger zudem zu einer beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. April 2014 an. Der Kläger habe über Vermögenswerte in Höhe von 20.000,- Euro verfügt und sei damit nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II gewesen, weshalb kein Leistungsanspruch bestanden habe. Der Kläger äußerte sich zu allen drei Schreiben ähnlich und teilte mit, er habe gewusst, etwas von seinem Großvater geerbt zu haben. Als er achtzehn geworden sei, habe sein Vater ihm einen Umschlag gegeben, auf den sein Großvater seinen – des Klägers – Namen geschrieben sowie vermerkt habe, der Umschlag solle erst geöffnet werden, wenn er achtzehn sei. In dem Brief habe der Großvater über ein fest angelegtes Konto geschrieben. Als er, der Kläger, von zwei Freunden gehört habe, dass sich das Geld vermehren ließe, seien sie im Casino gewesen. Aufgrund seiner Lebenssituation habe er mehr aus diesem Geld machen wollen.
Am 1. Oktober 2014 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem er gestützt auf § 48 SGB X und unter Hinweis auf die Vermögensverhältnisse des Klägers die für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. April 2014 bewilligten Leistungen vollen Umfangs aufhob und erstattet verlangte. Am gleichen Tag erging ferner ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an die Mutter des Klägers, mit dem die dieser und dem jüngeren Bruder des Klägers für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. April 2014 gewährten Leistungen teilweise aufgehoben und erstattet verlangt wurden. Zur Begründung wird angeführt, da der Kläger über Vermögen verfügt habe, werde das Kindergeld als Einkommen der Mutter berücksichtigt. Als Rechtsgrundlage wurde ebenfalls § 48 SGB X genannt. Sowohl der Kläger als auch dessen Mutter erhoben Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, er habe im fraglichen Zeitraum nicht über Vermögen verfügt. Das Sparbuch sei von seinem Großvater eingerichtet worden, er selbst und seine Eltern hätten davon erst zu seinem 18. Geburtstag erfahren. Zinsbescheinigungen o.ä. seien ihm, dem Kläger, nie zugegangen Er habe daher keinerlei Verfügungsmöglichkeiten über das Guthaben gehabt. Die Voraussetzungen einer Aufhebung der Leistungsbewilligungen nach § 48 SGB X lägen nicht vor. Nachdem er das Sparbuch mit Eintritt der Volljährigkeit erhalten habe, habe er das gesamte Geld abgehoben. Ihm sei von Freunden ernsthaft und überzeugend dargelegt worden, dass sich der Betrag durch Glücksspiel schnell und einfach würde vermehren lassen. Er sei dann in bester Absicht zur Spielbank H1 gegangen und habe das gesamte Geld beim Black Jack verspielt. Mit Abhilfebescheiden vom 27. Mai 2015 hob der Beklagte die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 1. Oktober 2014 gegenüber dem Kläger und dessen Mutter auf.
Der Beklagte übersandte dem Kläger am 27. Mai 2015 erneut eine Anhörung zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten. Er führte aus, der Kläger habe möglicherweise seine Hilfebedürftigkeit im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Januar 2015 vorsätzlich oder grob fahrlässig ohne wichtigen Grund herbeigeführt, indem er sein gesamtes Vermögen von 20.000,- Euro verbraucht habe. Er könne daher nach § 34 SGB II zum Ersatz der deswegen gezahlten Leitungen verpflichtet sein. Nach den bisherigen Feststellungen seien für den genannten Zeitraum insgesamt 2.641,39 Euro zu erstatten, die Höhe des Ersatzanspruchs könne sich aber aufgrund künftiger Leistungszahlungen noch verändern.
Am 22. September 2015 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen "Bescheid über die Ersatzpflicht der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 34 SGB II". In diesem hieß es, der Kläger habe sein Einkommen oder Vermögen vermindert, weil er zum achtzehnten Geburtstag 20.000,- Euro erhalten und diese Summe in einem Casino verspielt habe. Auf die Anhörung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches nach § 34 SGB II habe der Kläger nicht geantwortet, weshalb nach Aktenlage zu entscheiden sei. Aus den vorliegenden Unterlagen sei kein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers erkennbar. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II seien vom Kläger zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Er habe durch sein Verhalten die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Er hätte erkennen können, dass dadurch Leistungen zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts und des Lebensunterhalts der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen hätten erbracht werden müssen. Er sei deshalb gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Umfang und Höhe der zu ersetzenden Leistungen würden dem Kläger in einem gesonderten Bescheid mitgeteilt.
Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 16. Oktober 2015 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, zwar habe er den in Rede stehenden Betrag tatsächlich im Casino verloren. Dies habe jedoch kein sozialwidriges Verhalten im Sinne von § 34 SGB II dargestellt. Er habe allenfalls fahrlässig, aber nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. Er sei gerade eben 18 Jahre alt gewesen und habe in der festen Überzeugung gehandelt, dass er das Geld noch würde vermehren könne, um seiner Mutter einmal etwas Positives zukommen lassen zu können. Er habe in der Absicht gehandelt, die Bedürftigkeit zu vermindern. Durch Freunde sei er davon überzeugt worden, dass man im Casino beim Black Jack erhebliche Beträge gewinnen könne. Im Übrigen würde die Geltendmachung des Ersatzanspruchs, insbesondere im Wege der Aufrechnung, eine besondere Härte darstellen. Er sei gerade in intensiver Vorbereitung seines Schulabschlusses und dringend auf die Leistungen angewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe durchaus grob fahrlässig gehandelt. Ihm habe bewusst sein müssen, dass bei Glücksspielen eine hohe Verlustwahrscheinlichkeit bestehe. Sein Einwand, er habe versucht, das Vermögen zu vermehren, führe zu keiner anderen Bewertung. Ein wichtiger Grund für das Fehlverhalten liege nicht vor. Auch eine besondere Härte im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei nicht gegeben. Eine solche könne in persönlichen oder wirtschaftlichen Umständen begründet sein. Der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, die für das Vorliegen einer Härte sprechen würden. Allein die Höhe des Ersatzanspruchs und der laufende Leistungsbezugs begründeten ebenfalls keinen Härtefall.
Am 11. März 2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend vorgetragen, er komme aus schwierigen Verhältnissen. Die Mutter sei krank, die Eltern seien geschieden. Die Elternteile hätten keinen Kontakt mehr. Er habe weder vorsätzlich noch grobfahrlässig gehandelt. Er habe bereits seit mehreren Jahren mit seinen Freunden regelmäßig Black Jack gespielt. Seiner Auffassung nach sei Black Jack ein Spiel, das durch Berechnung realistisch zu beeinflussen sei, was durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden könne. Er und seine Freunde hätten bereits viele Statistiken und Systeme erstellt gehabt und auch die Anwendung derartiger Berechnungen für längere Zeit geübt. Er habe fest daran geglaubt, dass es ihm gelingen würde, das Geld zu vermehren. In der Spielbank H1 habe man ihn ohne weiteres eingelassen und spielen lassen. Er habe dann an einem Abend das gesamte Geld verloren. Er befinde sich kurz vor dem Schulabschluss und werde demnächst Abitur machen.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 31. Juli 2017 hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Oktober 2017 abgewiesen und ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II lägen vor. Zur näheren Begründung werde auf den angegriffenen Bescheid und insbesondere den Widerspruchsbescheid verwiesen, dessen Darlegungen das Gericht sich zu Eigen mache. Ergänzend sei auszuführen, dass der Kläger auch nach Auffassung des Sozialgerichts mindestens grob fahrlässig gehandelt habe. Es habe ihm klar sein müssen, dass es sich bei Black Jack um ein Spiel handele, das auch zu erheblichen Verlusten führen könne. Der Kläger hätte zumindest im Laufe des Abends, an dem er das ganze Geld verspielt habe, feststellen müssen, dass er das Spiel eben nicht habe beeinflussen können. Insofern sei davon auszugehen, dass der Kläger zumindest nach einer Zeit mit großen Verlusten vorsätzlich gehandelt habe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob beim Black Jack der Spielverlauf durch Berechnung realistisch zu beeinflussen sei, sei nicht erforderlich gewesen.
Gegen den Gerichtsbescheid, der seiner Prozessbevollmächtigten am 16. Oktober 2017 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 15. November 2017 Berufung erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und trägt ergänzend vor, er habe sich zum Zeitpunkt seines Spielbankbesuchs in einer extremen Lage befunden. Nicht nur sei seine Mutter schwer krank gewesen, auch sein Vater sei in diesem Zeitraum an Lungenkrebs erkrankt. Er habe in der festen Überzeugung gehandelt, beim Spielen Gewinn erzielen zu können. Auch nach Eintritt von Verlusten habe er immer noch das Ziel und auch die realistische Chance gehabt, zu gewinnen. Sein Verhalten sei vergleichbar mit einer kaufmännischen Entscheidung, größere Summen oder Reserven zu investieren, in der Absicht und Hoffnung der Gewinnerzielung. Über die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch wiederholtes, systematisches Black- Jack-Spielen zu bestreiten, sei Sachverständigenbeweis zu erheben.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten über die Ersatzpflicht der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 34 SGB II vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Am 12. Oktober 2018 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem die Berichterstatterin darauf hingewiesen hat, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids deshalb bestünden, weil viel dafür spreche, dass ein die Ersatzpflicht nur dem Grunde nach feststellender Bescheid nicht zulässig sei. Dazu hat der Beklagte ausgeführt, seiner Ansicht nach sei eine Feststellung der Ersatzpflicht dem Grunde nach zulässig. An der Bestimmtheit mangele es nicht, da sich die Ersatzpflicht gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf alle nach dem SGB II gezahlten Leistungen erstrecke und der zu erstattende Betrag damit bestimmbar wäre. Die Fachlichen Weisungen des Beklagten würden den Erlass eines Feststellungsbescheides über die Ersatzpflicht dem Grunde nach vorsehen. Nach der Weisung sei ein Feststellungsbescheid geeignet, eine mögliche Anspruchsverwirkung zu verhindern, wenn nach der Ermittlung der Tatbestandsvoraussetzungen noch keine verlässliche Entscheidung über das Vorliegen einer Härte getroffen werden könne.
Am 22. November 2018 (Beklagter) bzw. 28. November 2018 (Kläger) haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist auch begründet.
Der Bescheid vom 22. September 2015 ist ein feststellender Verwaltungsakt. Eine konkrete, bezifferte Forderung wird mit ihm nicht geltend gemacht, vielmehr beschränkt sich sein Regelungsgehalt auf die Feststellung, dass ein Ersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Der Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er ist deshalb aufzuheben.
Es fehlt nämlich bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines derartigen Feststellungsbescheids (ebenso: SG Augsburg, Urteil vom 20.11.2017 – S 8 AS 1095/17; SG Oldenburg, Urteil vom 14.9.2016 – S 47 AS 422/14; Grote-Seifert, jurisPK-SGB II, § 34 Rn. 57.1; a.A. SG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2010 – S 25 AS 1128/08; Schwitzky, LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 34 Rn. 37). Ein feststellender Verwaltungsakt bedarf, jedenfalls wenn er etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hält, einer Ermächtigungsgrundlage (vgl. BSG, Urteil vom 31.1.2012 – B 2 U 12/11 R; BVerwG, Urteil vom 29.11.1985 – 8 C 105/83). Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage – die für einen die Ersatzpflicht nach § 34 SGB II feststellenden Verwaltungsakt nicht gegeben ist – ist zwar nicht erforderlich, die Ermächtigung muss sich aber jedenfalls im Wege der Auslegung ermitteln lassen. Das ist hier nicht der Fall.
Der Wortlaut des § 34 SGB II lässt nicht erkennen, dass der Leistungsträger zum Erlass eines feststellenden Bescheids ermächtigt sein soll. Die Vorschrift enthält in Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 allein Regelungen zum Leistungsbescheid, ein Feststellungsbescheid findet darin keine Erwähnung. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift von den Regelungen über die Leistungsminderung bei Pflichtverletzungen in den §§ 31 ff. SGB II, wo in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II ein feststellender Verwaltungsakt ausdrücklich vorgesehen ist ("des Verwaltungsaktes [ ], der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt").
Eine Ermächtigung zum Erlass eines Feststellungsbescheids lässt sich auch nicht als "Minus" aus der Ermächtigung zum Erlass eines Leistungsbescheids herauslesen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Die Bindungswirkung eines die Ersatzpflicht lediglich dem Grunde nach feststellenden Bescheids dürfte – so sie überhaupt besteht (vgl. zu einer Konstellation, in der eine Bindungswirkung verneint wurde, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.6.2018 – L 7 AS 178/16) – nur gering sein und sich letztlich nur auf das Vorliegen eines sozialwidrigen Verhaltens und das Fehlen eines wichtigen Grundes für dieses Verhalten beziehen. Die Kausalität zwischen sozialwidrigem Verhalten und deswegen erbrachten Leistungen ("herbeiführen") muss fortlaufend bestehen, sodass bei der Geltendmachung einer bezifferten Ersatzforderung ohnehin geprüft werden muss, ob das vorwerfbare Verhalten (noch) kausal für die konkret zurückgeforderten Leistungen war bzw. ob ein zunächst vorhandener Kausalzusammenhang durch zwischenzeitliche Ereignisse unterbrochen wurde (zu den Anforderungen an die Kausalität vgl. Schwitzky, a.a.O Rn. 19). Die Prüfung einer Härte, die der Geltendmachung des Ersatzanspruchs entgegenstehen würde (§ 34 Abs. 1 Satz 6 SGB II), ist bezogen auf den Zeitpunkt der Belastung mit der Ersatzforderung durchzuführen; zu berücksichtigen sind Ausmaß und Dauer der mit der Ersatzpflicht verbundenen Einschränkungen (vgl. Fügemann, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 34 Rn. 70 f.). Diesen Anforderungen kann nur eine Härtefallprüfung zum Zeitpunkt der Geltendmachung des konkreten Ersatzanspruchs genügen.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Bedürfnis dafür bestünde, die Ersatzpflicht dem Grunde nach durch Bescheid festzustellen. Einem Feststellungsbescheid können keinesfalls die Rechtswirkungen eines Leistungsbescheids zukommen, insbesondere unterbricht oder hemmt er nicht die Erlöschensfrist des § 34 Abs. 3 SGB II (vgl. Schwitzky, in LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 34 Rn. 37; BVerwG, Urteil vom 14.1.1982 – 5 C 70/80 zu § 92a BSHG juris Rn. 16). Dass der Erlass eines Feststellungsbescheids zur Vermeidung einer Verwirkung des Ersatzanspruchs erforderlich wäre (was nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 34 SGB II unter Rn. 34.36 als Motivation für den Erlass eines Feststellungsbescheids genannt wird), vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwar ist eine Verwirkung von Ersatzansprüchen des Sozialleistungsträgers grundsätzlich möglich, doch ist dies an enge Voraussetzungen geknüpft (vgl. hierzu und zum Folgenden Bayerisches LSG, Urteil vom 23.2.2012 – L 8 SO 113/90, juris Rn. 70). Insbesondere kann das für eine Verwirkung erforderliche Vertrauen des Ersatzverpflichteten nicht allein durch die schlichte Untätigkeit des anspruchsberechtigten Leistungsträgers geschaffen werden.
In der Gesamtschau lässt sich dem Gesetz auch im Wege der Auslegung eine Ermächtigung zum Erlass eines die Ersatzpflicht dem Grunde nach feststellenden Bescheids nicht entnehmen. Im Gegenteil ist eine Teilbarkeit der behördlichen Entscheidung in Feststellungsbescheid und späteren Leistungsbescheid wegen der Notwendigkeit einer zeitbezogenen Prüfung der Kausalität zwischen sozialwidrigem Verhalten und Leistungserbringung sowie der Frage des Vorliegens einer Härte abzulehnen (so auch SG Augsburg, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist zuzulassen, da die Frage der Zulässigkeit eines feststellenden Bescheids auf der Grundlage von § 34 SGB II grundsätzliche Bedeutung hat, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Bescheid über die Ersatzpflicht des Klägers wegen sozialwidrigen Verhaltens.
Der im xxxxx 1996 geborene Kläger bezog in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft u.a. mit Bescheid vom 5. Juli 2013 Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis zum 31. Januar 2014 und mit Bescheid vom 20. Dezember 2013 für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Juli 2014.
Im Rahmen eines Datenabgleichs nach § 52 SGB II vom 25. September 2013 erfuhr der Beklagte, dass der Kläger für das Meldejahr 2012 einen Kapitalertrag in Höhe von 322,- Euro von der H. erhalten hatte. Nachdem die Mutter des Klägers dem Beklagten hierzu keine Auskunft zu erteilen vermochte, führte der Beklagte ein Kontenabrufersuchen nach §§ 93, 93b Abgabenordnung durch. Das Bundeszentralamt für Steuern teilte im Februar 2014 mit, der Kläger sei Inhaber mehrerer Konten bei der H ... Auf Nachfrage des Beklagten gab die H. nähere Auskunft zu diesen Konten. Eines der Konten war ein am 6. September 2011 mit einem Guthaben von 20.000,- Euro errichtetes Sparkonto mit der Nummer , dessen Stand zum 31. Januar 2014 20.626,50 Euro betrug.
Mit Änderungsbescheid vom 6. Mai 2014 schloss der Beklagte den Kläger aus der Bedarfsgemeinschaft aus und bewilligte für ihn ab dem 1. Mai 2014 keine Leistungen mehr mit der Begründung, es sei Vermögen vorhanden. Am 2. Juni 2014 stellte der Kläger beim Beklagten einen eigenständigen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, der vom Beklagten nicht weiter bearbeitet wurde.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2014 wandte sich die gesetzliche Betreuerin der Mutter des Klägers an den Beklagten und teilte mit, der Kläger habe das Vermögen verspielt. Ebenfalls am 10. Juli 2014 sprach der Kläger persönlich beim Beklagten vor und teilte mit, er habe das Guthaben in Höhe von 20.642,- Euro am 19. Februar 2014 in bar abgehoben und das Sparkonto aufgelöst. Zum Nachweis legt er ein Sparbuch für das Sparkonto Nr. vor, in dem die Abbuchung und die Kontolöschung zum 19. Februar 2014 eingetragen waren. Der Kläger erklärte weiter, er habe das Geld im Februar 2014 in voller Höhe beim Glückspiel verloren.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2014 berücksichtigte der Beklagte den Kläger wieder als Teil der Bedarfsgemeinschaft und bewilligte seiner Familie Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015.
Mit zwei Schreiben vom 17. Juli 2014 und vom 18. Juli 2014 hörte der Beklagte den Kläger zum möglichen Eintritt einer Sanktion wegen Verminderung seines Vermögens bzw. zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten an. Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 hörte der Beklagte den Kläger zudem zu einer beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. April 2014 an. Der Kläger habe über Vermögenswerte in Höhe von 20.000,- Euro verfügt und sei damit nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II gewesen, weshalb kein Leistungsanspruch bestanden habe. Der Kläger äußerte sich zu allen drei Schreiben ähnlich und teilte mit, er habe gewusst, etwas von seinem Großvater geerbt zu haben. Als er achtzehn geworden sei, habe sein Vater ihm einen Umschlag gegeben, auf den sein Großvater seinen – des Klägers – Namen geschrieben sowie vermerkt habe, der Umschlag solle erst geöffnet werden, wenn er achtzehn sei. In dem Brief habe der Großvater über ein fest angelegtes Konto geschrieben. Als er, der Kläger, von zwei Freunden gehört habe, dass sich das Geld vermehren ließe, seien sie im Casino gewesen. Aufgrund seiner Lebenssituation habe er mehr aus diesem Geld machen wollen.
Am 1. Oktober 2014 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem er gestützt auf § 48 SGB X und unter Hinweis auf die Vermögensverhältnisse des Klägers die für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. April 2014 bewilligten Leistungen vollen Umfangs aufhob und erstattet verlangte. Am gleichen Tag erging ferner ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an die Mutter des Klägers, mit dem die dieser und dem jüngeren Bruder des Klägers für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. April 2014 gewährten Leistungen teilweise aufgehoben und erstattet verlangt wurden. Zur Begründung wird angeführt, da der Kläger über Vermögen verfügt habe, werde das Kindergeld als Einkommen der Mutter berücksichtigt. Als Rechtsgrundlage wurde ebenfalls § 48 SGB X genannt. Sowohl der Kläger als auch dessen Mutter erhoben Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, er habe im fraglichen Zeitraum nicht über Vermögen verfügt. Das Sparbuch sei von seinem Großvater eingerichtet worden, er selbst und seine Eltern hätten davon erst zu seinem 18. Geburtstag erfahren. Zinsbescheinigungen o.ä. seien ihm, dem Kläger, nie zugegangen Er habe daher keinerlei Verfügungsmöglichkeiten über das Guthaben gehabt. Die Voraussetzungen einer Aufhebung der Leistungsbewilligungen nach § 48 SGB X lägen nicht vor. Nachdem er das Sparbuch mit Eintritt der Volljährigkeit erhalten habe, habe er das gesamte Geld abgehoben. Ihm sei von Freunden ernsthaft und überzeugend dargelegt worden, dass sich der Betrag durch Glücksspiel schnell und einfach würde vermehren lassen. Er sei dann in bester Absicht zur Spielbank H1 gegangen und habe das gesamte Geld beim Black Jack verspielt. Mit Abhilfebescheiden vom 27. Mai 2015 hob der Beklagte die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 1. Oktober 2014 gegenüber dem Kläger und dessen Mutter auf.
Der Beklagte übersandte dem Kläger am 27. Mai 2015 erneut eine Anhörung zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten. Er führte aus, der Kläger habe möglicherweise seine Hilfebedürftigkeit im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Januar 2015 vorsätzlich oder grob fahrlässig ohne wichtigen Grund herbeigeführt, indem er sein gesamtes Vermögen von 20.000,- Euro verbraucht habe. Er könne daher nach § 34 SGB II zum Ersatz der deswegen gezahlten Leitungen verpflichtet sein. Nach den bisherigen Feststellungen seien für den genannten Zeitraum insgesamt 2.641,39 Euro zu erstatten, die Höhe des Ersatzanspruchs könne sich aber aufgrund künftiger Leistungszahlungen noch verändern.
Am 22. September 2015 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen "Bescheid über die Ersatzpflicht der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 34 SGB II". In diesem hieß es, der Kläger habe sein Einkommen oder Vermögen vermindert, weil er zum achtzehnten Geburtstag 20.000,- Euro erhalten und diese Summe in einem Casino verspielt habe. Auf die Anhörung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches nach § 34 SGB II habe der Kläger nicht geantwortet, weshalb nach Aktenlage zu entscheiden sei. Aus den vorliegenden Unterlagen sei kein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers erkennbar. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II seien vom Kläger zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Er habe durch sein Verhalten die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Er hätte erkennen können, dass dadurch Leistungen zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts und des Lebensunterhalts der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen hätten erbracht werden müssen. Er sei deshalb gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Umfang und Höhe der zu ersetzenden Leistungen würden dem Kläger in einem gesonderten Bescheid mitgeteilt.
Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 16. Oktober 2015 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, zwar habe er den in Rede stehenden Betrag tatsächlich im Casino verloren. Dies habe jedoch kein sozialwidriges Verhalten im Sinne von § 34 SGB II dargestellt. Er habe allenfalls fahrlässig, aber nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. Er sei gerade eben 18 Jahre alt gewesen und habe in der festen Überzeugung gehandelt, dass er das Geld noch würde vermehren könne, um seiner Mutter einmal etwas Positives zukommen lassen zu können. Er habe in der Absicht gehandelt, die Bedürftigkeit zu vermindern. Durch Freunde sei er davon überzeugt worden, dass man im Casino beim Black Jack erhebliche Beträge gewinnen könne. Im Übrigen würde die Geltendmachung des Ersatzanspruchs, insbesondere im Wege der Aufrechnung, eine besondere Härte darstellen. Er sei gerade in intensiver Vorbereitung seines Schulabschlusses und dringend auf die Leistungen angewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe durchaus grob fahrlässig gehandelt. Ihm habe bewusst sein müssen, dass bei Glücksspielen eine hohe Verlustwahrscheinlichkeit bestehe. Sein Einwand, er habe versucht, das Vermögen zu vermehren, führe zu keiner anderen Bewertung. Ein wichtiger Grund für das Fehlverhalten liege nicht vor. Auch eine besondere Härte im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei nicht gegeben. Eine solche könne in persönlichen oder wirtschaftlichen Umständen begründet sein. Der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, die für das Vorliegen einer Härte sprechen würden. Allein die Höhe des Ersatzanspruchs und der laufende Leistungsbezugs begründeten ebenfalls keinen Härtefall.
Am 11. März 2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend vorgetragen, er komme aus schwierigen Verhältnissen. Die Mutter sei krank, die Eltern seien geschieden. Die Elternteile hätten keinen Kontakt mehr. Er habe weder vorsätzlich noch grobfahrlässig gehandelt. Er habe bereits seit mehreren Jahren mit seinen Freunden regelmäßig Black Jack gespielt. Seiner Auffassung nach sei Black Jack ein Spiel, das durch Berechnung realistisch zu beeinflussen sei, was durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden könne. Er und seine Freunde hätten bereits viele Statistiken und Systeme erstellt gehabt und auch die Anwendung derartiger Berechnungen für längere Zeit geübt. Er habe fest daran geglaubt, dass es ihm gelingen würde, das Geld zu vermehren. In der Spielbank H1 habe man ihn ohne weiteres eingelassen und spielen lassen. Er habe dann an einem Abend das gesamte Geld verloren. Er befinde sich kurz vor dem Schulabschluss und werde demnächst Abitur machen.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 31. Juli 2017 hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Oktober 2017 abgewiesen und ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II lägen vor. Zur näheren Begründung werde auf den angegriffenen Bescheid und insbesondere den Widerspruchsbescheid verwiesen, dessen Darlegungen das Gericht sich zu Eigen mache. Ergänzend sei auszuführen, dass der Kläger auch nach Auffassung des Sozialgerichts mindestens grob fahrlässig gehandelt habe. Es habe ihm klar sein müssen, dass es sich bei Black Jack um ein Spiel handele, das auch zu erheblichen Verlusten führen könne. Der Kläger hätte zumindest im Laufe des Abends, an dem er das ganze Geld verspielt habe, feststellen müssen, dass er das Spiel eben nicht habe beeinflussen können. Insofern sei davon auszugehen, dass der Kläger zumindest nach einer Zeit mit großen Verlusten vorsätzlich gehandelt habe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob beim Black Jack der Spielverlauf durch Berechnung realistisch zu beeinflussen sei, sei nicht erforderlich gewesen.
Gegen den Gerichtsbescheid, der seiner Prozessbevollmächtigten am 16. Oktober 2017 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 15. November 2017 Berufung erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und trägt ergänzend vor, er habe sich zum Zeitpunkt seines Spielbankbesuchs in einer extremen Lage befunden. Nicht nur sei seine Mutter schwer krank gewesen, auch sein Vater sei in diesem Zeitraum an Lungenkrebs erkrankt. Er habe in der festen Überzeugung gehandelt, beim Spielen Gewinn erzielen zu können. Auch nach Eintritt von Verlusten habe er immer noch das Ziel und auch die realistische Chance gehabt, zu gewinnen. Sein Verhalten sei vergleichbar mit einer kaufmännischen Entscheidung, größere Summen oder Reserven zu investieren, in der Absicht und Hoffnung der Gewinnerzielung. Über die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch wiederholtes, systematisches Black- Jack-Spielen zu bestreiten, sei Sachverständigenbeweis zu erheben.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten über die Ersatzpflicht der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 34 SGB II vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Am 12. Oktober 2018 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem die Berichterstatterin darauf hingewiesen hat, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids deshalb bestünden, weil viel dafür spreche, dass ein die Ersatzpflicht nur dem Grunde nach feststellender Bescheid nicht zulässig sei. Dazu hat der Beklagte ausgeführt, seiner Ansicht nach sei eine Feststellung der Ersatzpflicht dem Grunde nach zulässig. An der Bestimmtheit mangele es nicht, da sich die Ersatzpflicht gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf alle nach dem SGB II gezahlten Leistungen erstrecke und der zu erstattende Betrag damit bestimmbar wäre. Die Fachlichen Weisungen des Beklagten würden den Erlass eines Feststellungsbescheides über die Ersatzpflicht dem Grunde nach vorsehen. Nach der Weisung sei ein Feststellungsbescheid geeignet, eine mögliche Anspruchsverwirkung zu verhindern, wenn nach der Ermittlung der Tatbestandsvoraussetzungen noch keine verlässliche Entscheidung über das Vorliegen einer Härte getroffen werden könne.
Am 22. November 2018 (Beklagter) bzw. 28. November 2018 (Kläger) haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist auch begründet.
Der Bescheid vom 22. September 2015 ist ein feststellender Verwaltungsakt. Eine konkrete, bezifferte Forderung wird mit ihm nicht geltend gemacht, vielmehr beschränkt sich sein Regelungsgehalt auf die Feststellung, dass ein Ersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Der Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er ist deshalb aufzuheben.
Es fehlt nämlich bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines derartigen Feststellungsbescheids (ebenso: SG Augsburg, Urteil vom 20.11.2017 – S 8 AS 1095/17; SG Oldenburg, Urteil vom 14.9.2016 – S 47 AS 422/14; Grote-Seifert, jurisPK-SGB II, § 34 Rn. 57.1; a.A. SG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2010 – S 25 AS 1128/08; Schwitzky, LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 34 Rn. 37). Ein feststellender Verwaltungsakt bedarf, jedenfalls wenn er etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hält, einer Ermächtigungsgrundlage (vgl. BSG, Urteil vom 31.1.2012 – B 2 U 12/11 R; BVerwG, Urteil vom 29.11.1985 – 8 C 105/83). Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage – die für einen die Ersatzpflicht nach § 34 SGB II feststellenden Verwaltungsakt nicht gegeben ist – ist zwar nicht erforderlich, die Ermächtigung muss sich aber jedenfalls im Wege der Auslegung ermitteln lassen. Das ist hier nicht der Fall.
Der Wortlaut des § 34 SGB II lässt nicht erkennen, dass der Leistungsträger zum Erlass eines feststellenden Bescheids ermächtigt sein soll. Die Vorschrift enthält in Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 allein Regelungen zum Leistungsbescheid, ein Feststellungsbescheid findet darin keine Erwähnung. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift von den Regelungen über die Leistungsminderung bei Pflichtverletzungen in den §§ 31 ff. SGB II, wo in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II ein feststellender Verwaltungsakt ausdrücklich vorgesehen ist ("des Verwaltungsaktes [ ], der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt").
Eine Ermächtigung zum Erlass eines Feststellungsbescheids lässt sich auch nicht als "Minus" aus der Ermächtigung zum Erlass eines Leistungsbescheids herauslesen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Die Bindungswirkung eines die Ersatzpflicht lediglich dem Grunde nach feststellenden Bescheids dürfte – so sie überhaupt besteht (vgl. zu einer Konstellation, in der eine Bindungswirkung verneint wurde, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.6.2018 – L 7 AS 178/16) – nur gering sein und sich letztlich nur auf das Vorliegen eines sozialwidrigen Verhaltens und das Fehlen eines wichtigen Grundes für dieses Verhalten beziehen. Die Kausalität zwischen sozialwidrigem Verhalten und deswegen erbrachten Leistungen ("herbeiführen") muss fortlaufend bestehen, sodass bei der Geltendmachung einer bezifferten Ersatzforderung ohnehin geprüft werden muss, ob das vorwerfbare Verhalten (noch) kausal für die konkret zurückgeforderten Leistungen war bzw. ob ein zunächst vorhandener Kausalzusammenhang durch zwischenzeitliche Ereignisse unterbrochen wurde (zu den Anforderungen an die Kausalität vgl. Schwitzky, a.a.O Rn. 19). Die Prüfung einer Härte, die der Geltendmachung des Ersatzanspruchs entgegenstehen würde (§ 34 Abs. 1 Satz 6 SGB II), ist bezogen auf den Zeitpunkt der Belastung mit der Ersatzforderung durchzuführen; zu berücksichtigen sind Ausmaß und Dauer der mit der Ersatzpflicht verbundenen Einschränkungen (vgl. Fügemann, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 34 Rn. 70 f.). Diesen Anforderungen kann nur eine Härtefallprüfung zum Zeitpunkt der Geltendmachung des konkreten Ersatzanspruchs genügen.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Bedürfnis dafür bestünde, die Ersatzpflicht dem Grunde nach durch Bescheid festzustellen. Einem Feststellungsbescheid können keinesfalls die Rechtswirkungen eines Leistungsbescheids zukommen, insbesondere unterbricht oder hemmt er nicht die Erlöschensfrist des § 34 Abs. 3 SGB II (vgl. Schwitzky, in LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 34 Rn. 37; BVerwG, Urteil vom 14.1.1982 – 5 C 70/80 zu § 92a BSHG juris Rn. 16). Dass der Erlass eines Feststellungsbescheids zur Vermeidung einer Verwirkung des Ersatzanspruchs erforderlich wäre (was nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 34 SGB II unter Rn. 34.36 als Motivation für den Erlass eines Feststellungsbescheids genannt wird), vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwar ist eine Verwirkung von Ersatzansprüchen des Sozialleistungsträgers grundsätzlich möglich, doch ist dies an enge Voraussetzungen geknüpft (vgl. hierzu und zum Folgenden Bayerisches LSG, Urteil vom 23.2.2012 – L 8 SO 113/90, juris Rn. 70). Insbesondere kann das für eine Verwirkung erforderliche Vertrauen des Ersatzverpflichteten nicht allein durch die schlichte Untätigkeit des anspruchsberechtigten Leistungsträgers geschaffen werden.
In der Gesamtschau lässt sich dem Gesetz auch im Wege der Auslegung eine Ermächtigung zum Erlass eines die Ersatzpflicht dem Grunde nach feststellenden Bescheids nicht entnehmen. Im Gegenteil ist eine Teilbarkeit der behördlichen Entscheidung in Feststellungsbescheid und späteren Leistungsbescheid wegen der Notwendigkeit einer zeitbezogenen Prüfung der Kausalität zwischen sozialwidrigem Verhalten und Leistungserbringung sowie der Frage des Vorliegens einer Härte abzulehnen (so auch SG Augsburg, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist zuzulassen, da die Frage der Zulässigkeit eines feststellenden Bescheids auf der Grundlage von § 34 SGB II grundsätzliche Bedeutung hat, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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