Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 393/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 294/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der 1942 in Portugal geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland vom 13.11.1961 bis 13.09.1980 in einer Holzfabrik, Glasfabrik, Lackfabrik und zuletzt als Arbeiter in einer Textilfärberei versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seiner Rückkehr nach Portugal im Jahre 1980 arbeitete er noch von 1989 bis 1996 als Bäckereiangestellter.
Am 17.01.1996 beantragte der Kläger wegen der Gesundheitsstörungen Herzbeschwerden, schnelle Ermüdung, Bluthochdruck, starke Angst und Magenbeschwerden Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Beinahme eines portugiesischen ärztlichen Berichts, der auf eine Untersuchung vom 26.02.1996 zurückging, mit Bescheid vom 29.10.1996 ab, da der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne.
Im Vorverfahren machte der Kläger geltend, er leide seit den letzten zwei Jahren an Angina pectoris, weswegen er auch seine Tätigkeit in Portugal habe aufgeben müssen. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück; die Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes, nach der der Kläger eine leichte Tätigkeit vollschichtig ausüben könne, sei schlüssig und ausführlich begründet (Widerspruchsbescheid vom 13.06.1997).
Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger auf das von ihm vorgelegte Attest des Arztes T. hingewiesen, nach dem der Kläger unfähig sei zur Ausübung irgendeiner beruflichen Tätigkeit mit einem Invaliditätsgrad von über 90 %; auch leichte Arbeiten könne er angesichts der vorliegenden Koronarerkrankung nicht ausführen.
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat zur Aufklärung des Sachverhalts Begutachtungen des Klägers auf dem orthopädischen, HNO-ärztlichen und internistischen Gebiet angeordnet, zu denen zu denen der Kläger allerdings nicht erschienen ist, wiederum mit Hinweis auf ein ärztliches "Gutachten" des Arztes T. vom 21.10.1999. In den nach Aktenlage erstellten Gutachten haben die ärztlichen Sachverständigen gegenüber den Befunderhebungen in Portugal vom 26.02.1996 keine wesentlichen Änderungen nachweisen können. Festgestellt wurden die Diagnosen arterieller Bluthochdruck, hypertensive, koronare Herzerkrankung, Kardiomyopathie, Hypercholesterinämie, chronisch obstruktive Bronchitis, Durchblutungsstörungen der Beine und somatoforme Störung bei asthenischer Persönlichkeit mit ängstlich-depressiven Zügen. Der Kläger könne leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten in jeder Stellung, im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig ausüben.
Mit Urteil vom 11.11.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Sachverständigengutachten stehe fest, dass der Kläger noch leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausüben könne. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord- oder Fließbandarbeit und Nachtschicht.
Gegen das ihm am 24.01.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.04.2000 eingelegte Berufung des Klägers, wiederum gestützt auf Berichte des Arztes T ... Dieser kommt nach Aufzählung der Diagnosen wie schon früher zu dem Ergebnis, dass der Kläger unfähig sei zur Ausübung jeglichen Berufs und wegen der vorliegenden Koronarerkrankung sogar außerstande sei, leichte Arbeiten zu verrichten.
Auf Veranlassung des Senats haben der Orthopäde Dr.B. (Gutachten vom 05.08.2003), der Internist Dr.D. (Gutachten vom 10.08.2003) und der Nervenarzt Dr.B. (Gutachten vom 05.08.2003) den Kläger untersucht und sind übereinstimmend zu der Leistungsbeurteilung gelangt, dass diesem noch wenigstens leichte Tätigkeiten bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen vollschichtig zumutbar seien.
Der Kläger, für den in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Würzburg vom 11.11.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.1997 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Streitakten erster und zweiter Instanz sowie die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgereht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel des Klägers ist aber nicht begründet.
Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 11.11.1999 im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Denn der Kläger ist weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig und auch nicht voll bzw. teilweise erwerbsgemindert im Sinne des Gesetzes.
Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bei einer Antragstellung vor dem 31.03.2001 (hier am 17.01.1996) ist nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) zu beurteilen, soweit ein Anspruch aus der Zeit vor dem 01.01.2001 geltend gemacht wird (vgl § 300 Abs 2 SGB VI). Für den Anspruch sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (nF) maßgeblich, soweit (hilfsweise) Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit nach dem 31.12.2000 begehrt wird.
Grundlage für den vom Kläger am 17.01.1996 geltend gemachten Anspruch sind die §§ 43, 44 SGB VI aF. Rente wegen EU erhalten nach § 44 SGB VI aF Versicherte, die erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.
Nach den Befunderhebungen und Untersuchungsergebnissen im Berufungsverfahren ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Wesentlichen durch folgende Gesundheitsstörungen eingeschränkt: - Hals-/Brust-/Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen und Fehlhaltung mit leichter Funktionseinschränkung der HWS und deutlicher Bewegungseinschränkung der BWS ohne Nervenwurzelreizerscheinungen - Coxalgie beidseits mit konzentrischer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke - Gonalgie beidseits, beginnende degenerative Veränderungen in den Kniegelenken - Leichte Bewegungseinschränkung der Schultergelenke - Tennisellenbogen rechts - Senk-Spreizfüße - Unauffällige Narbenbildungen im rechten Unterbauch, im Steißbeinbereich und im linken Hüft-/Oberschenkelbereich - Asthenische Persönlichkeit mit ängstlich-depressiven Zügen und Somatisierungsstörung - Kombinierte Hyperlipoproteinämie Typ II b mit jetzt guter medikamentöser und diätetischer Behandlung - Arterielle Hyperthonie mit befriedigender medikamentöser Einstellung - Prostatahyperplasie mit leichten Miktionsbeschwerden. Diese Gesundheitsstörungen bedingen aber weder für sich allein noch in der Gesamtwürdigung den Leistungsfall der EU. Insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen der von ihm gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.B. , Dr.B. und Dr.D ... Danach ergaben sich auf dem orthopädischen Gebiet ein Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit unterschiedlichen Funktions- und Belastungseinschränkungen, eine Schmerzsymptomatik im Bereich der Hüft-, Knie- und Schultergelenke, aber mit nur geringen Funktionseinschränkungen, sowie des rechten Ellenbogens. Der Orthopäde Dr.B. weist aber im Gutachten vom 05.08.2003 darauf hin, dass alle Gesundheitsstörungen - es liegen auch Narbenbildungen am linken Unterschenkel, am rechten Unterbauch und im Steißbeinbereich sowie eine Senk-Spreizfußdeformierung vor - leichter Natur sind und nur eine leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit zur Folge haben, die sich auf die Schwere der Arbeit und Tätigkeiten mit besonderen Belastungen des Bewegungs- und Stützsystems beziehen.
Auf dem nervenärztlichen Gebiet zeigte sich keinerlei neurologische Auffälligkeit, während auf dem psychiatrischen Gebiet eine asthenische Primärpersönlichkeit mit ängstlich-depressiven Zügen festgestellt wurde, die zu körperbezogenen (somatoformen) Beschwerdebildern wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Wetterfühligkeit neigt. Dies erklärt nach den Ausführungen des Nervenarztes Dr.B. im Gutachten vom 05.08.2003 auch das verstärkte subjektive Schmerzempfinden des Klägers z.B. an den Gelenken, die sich orthopädisch ohne wesentlichen, über das altersgemäße Maß hinausgehenden organpathologischen Befund darstellen. Eine vitalbedrohliche psychiatrische Erkrankung oder eine relevante Hirnleistungsschwäche fand sich nicht. Sozialmedizinisch begründet diese konstitutionelle Persönlichkeitsvariante lediglich qualitative Einschränkungen hinsichtlich Tätigkeiten mit besonderen nervlichen Belastungen.
Auf dem internistischen Gebiet liegen beim Kläger die kardiovaskulären Risikofaktoren arterieller Bluthochdruck und kombinierte Hyperlipidämie vor. Eine sich hieraus ergebende manifeste Arteriosklerose konnte bislang nicht nachgewiesen werden, auch werden die genannten Risikofaktoren mittlerweile ausreichend gut behandelt. Die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit ist für das Alter des Klägers als durchschnittlich gut zu bezeichnen. Sozialmedizinisch ergeben sich hieraus nur qualitative Einschränkungen hinsichtlich der Schwere der Arbeit und besonderer nervlicher Belastungen.
Nach den Ausführungen aller vom Senat gehörten ärztlichen Sachverständigen ist der Kläger damit noch in der Lage, vollschichtig leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten in Zwangshaltungen wie ständiges Hocken, Bücken oder Knien, ebenso ständiges Sitzen oder Stehen, Heben oder Tragen von schweren Lasten. Zu empfehlen sind Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Der Senat geht somit im Anschluss an die Ausführungen von Dr.B. , Dr.B. und Dr.D. davon aus, dass eine zeitliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit des Klägers bei durchschnittlicher Belastung und betriebsüblichen Arbeitspausen für leichte Arbeiten nicht gegeben ist. Im Hinblick auf diese Leistungseinschränkungen liegt auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Auch ist die rentenrechtlich relevante, einem Versicherten zumutbare Gehstrecke nicht eingeschränkt. Da der Kläger unter Einbeziehung aller bei ihm festgestellten Gesundheitsstörungen somit nicht an der Ausübung einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist, braucht vorliegend eine zustandsangemessene Tätigkeit weder nachgewiesen noch benannt zu werden. Denn solange ein Versicherter in der Lage ist, unter betriebsüblichen Bedingungen noch vollschichtig und regelmäßig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und der Gerichte, konkrete Arbeitsplätze und Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen. Vielmehr ist in solchen Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG 2000 § 1246 Nr 90). Der Kläger ist somit nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs 2 SGB VI aF.
Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig nach § 43 Abs 2 SGB VI aF. Er muss sich vielmehr auf entsprechende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar verweisen lassen. Denn er ist nach seinem beruflichen Werdegang als ungelernter, günstigstenfalls als angelernter Arbeitnehmer - unterer Bereich - zu beurteilen und damit nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschema uneingeschränkt auf einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Er genießt somit keinen Berufsschutz.
Auf Grund seines vollschichtigen Einsatzvermögens erfüllt der Kläger auch nicht die Voraussetzungen des durch Artikel Nr 19 des Rentenreformgesetzes 1999 neu gefassten und durch Artikel 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl I 1827 - geänderten, am 01.01.2001 in Kraft getretenen § 43 SGB VI. Nach dessen Absatz 1 hat bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wer (neben weiteren Leistungsvoraussetzungen) wegen Krankheit oder Behinderung außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine quantitative Einschränkung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich etwa acht Stunden liegt jedoch - wie bereits ausgeführt wurde - beim Kläger nicht vor.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 11.11.1999 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass auch die Berufung des Klägers ohne Erfolg blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der 1942 in Portugal geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland vom 13.11.1961 bis 13.09.1980 in einer Holzfabrik, Glasfabrik, Lackfabrik und zuletzt als Arbeiter in einer Textilfärberei versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seiner Rückkehr nach Portugal im Jahre 1980 arbeitete er noch von 1989 bis 1996 als Bäckereiangestellter.
Am 17.01.1996 beantragte der Kläger wegen der Gesundheitsstörungen Herzbeschwerden, schnelle Ermüdung, Bluthochdruck, starke Angst und Magenbeschwerden Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Beinahme eines portugiesischen ärztlichen Berichts, der auf eine Untersuchung vom 26.02.1996 zurückging, mit Bescheid vom 29.10.1996 ab, da der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne.
Im Vorverfahren machte der Kläger geltend, er leide seit den letzten zwei Jahren an Angina pectoris, weswegen er auch seine Tätigkeit in Portugal habe aufgeben müssen. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück; die Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes, nach der der Kläger eine leichte Tätigkeit vollschichtig ausüben könne, sei schlüssig und ausführlich begründet (Widerspruchsbescheid vom 13.06.1997).
Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger auf das von ihm vorgelegte Attest des Arztes T. hingewiesen, nach dem der Kläger unfähig sei zur Ausübung irgendeiner beruflichen Tätigkeit mit einem Invaliditätsgrad von über 90 %; auch leichte Arbeiten könne er angesichts der vorliegenden Koronarerkrankung nicht ausführen.
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat zur Aufklärung des Sachverhalts Begutachtungen des Klägers auf dem orthopädischen, HNO-ärztlichen und internistischen Gebiet angeordnet, zu denen zu denen der Kläger allerdings nicht erschienen ist, wiederum mit Hinweis auf ein ärztliches "Gutachten" des Arztes T. vom 21.10.1999. In den nach Aktenlage erstellten Gutachten haben die ärztlichen Sachverständigen gegenüber den Befunderhebungen in Portugal vom 26.02.1996 keine wesentlichen Änderungen nachweisen können. Festgestellt wurden die Diagnosen arterieller Bluthochdruck, hypertensive, koronare Herzerkrankung, Kardiomyopathie, Hypercholesterinämie, chronisch obstruktive Bronchitis, Durchblutungsstörungen der Beine und somatoforme Störung bei asthenischer Persönlichkeit mit ängstlich-depressiven Zügen. Der Kläger könne leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten in jeder Stellung, im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig ausüben.
Mit Urteil vom 11.11.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Sachverständigengutachten stehe fest, dass der Kläger noch leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausüben könne. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord- oder Fließbandarbeit und Nachtschicht.
Gegen das ihm am 24.01.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.04.2000 eingelegte Berufung des Klägers, wiederum gestützt auf Berichte des Arztes T ... Dieser kommt nach Aufzählung der Diagnosen wie schon früher zu dem Ergebnis, dass der Kläger unfähig sei zur Ausübung jeglichen Berufs und wegen der vorliegenden Koronarerkrankung sogar außerstande sei, leichte Arbeiten zu verrichten.
Auf Veranlassung des Senats haben der Orthopäde Dr.B. (Gutachten vom 05.08.2003), der Internist Dr.D. (Gutachten vom 10.08.2003) und der Nervenarzt Dr.B. (Gutachten vom 05.08.2003) den Kläger untersucht und sind übereinstimmend zu der Leistungsbeurteilung gelangt, dass diesem noch wenigstens leichte Tätigkeiten bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen vollschichtig zumutbar seien.
Der Kläger, für den in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Würzburg vom 11.11.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.1997 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Streitakten erster und zweiter Instanz sowie die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgereht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel des Klägers ist aber nicht begründet.
Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 11.11.1999 im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Denn der Kläger ist weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig und auch nicht voll bzw. teilweise erwerbsgemindert im Sinne des Gesetzes.
Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bei einer Antragstellung vor dem 31.03.2001 (hier am 17.01.1996) ist nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) zu beurteilen, soweit ein Anspruch aus der Zeit vor dem 01.01.2001 geltend gemacht wird (vgl § 300 Abs 2 SGB VI). Für den Anspruch sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (nF) maßgeblich, soweit (hilfsweise) Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit nach dem 31.12.2000 begehrt wird.
Grundlage für den vom Kläger am 17.01.1996 geltend gemachten Anspruch sind die §§ 43, 44 SGB VI aF. Rente wegen EU erhalten nach § 44 SGB VI aF Versicherte, die erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.
Nach den Befunderhebungen und Untersuchungsergebnissen im Berufungsverfahren ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Wesentlichen durch folgende Gesundheitsstörungen eingeschränkt: - Hals-/Brust-/Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen und Fehlhaltung mit leichter Funktionseinschränkung der HWS und deutlicher Bewegungseinschränkung der BWS ohne Nervenwurzelreizerscheinungen - Coxalgie beidseits mit konzentrischer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke - Gonalgie beidseits, beginnende degenerative Veränderungen in den Kniegelenken - Leichte Bewegungseinschränkung der Schultergelenke - Tennisellenbogen rechts - Senk-Spreizfüße - Unauffällige Narbenbildungen im rechten Unterbauch, im Steißbeinbereich und im linken Hüft-/Oberschenkelbereich - Asthenische Persönlichkeit mit ängstlich-depressiven Zügen und Somatisierungsstörung - Kombinierte Hyperlipoproteinämie Typ II b mit jetzt guter medikamentöser und diätetischer Behandlung - Arterielle Hyperthonie mit befriedigender medikamentöser Einstellung - Prostatahyperplasie mit leichten Miktionsbeschwerden. Diese Gesundheitsstörungen bedingen aber weder für sich allein noch in der Gesamtwürdigung den Leistungsfall der EU. Insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen der von ihm gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.B. , Dr.B. und Dr.D ... Danach ergaben sich auf dem orthopädischen Gebiet ein Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit unterschiedlichen Funktions- und Belastungseinschränkungen, eine Schmerzsymptomatik im Bereich der Hüft-, Knie- und Schultergelenke, aber mit nur geringen Funktionseinschränkungen, sowie des rechten Ellenbogens. Der Orthopäde Dr.B. weist aber im Gutachten vom 05.08.2003 darauf hin, dass alle Gesundheitsstörungen - es liegen auch Narbenbildungen am linken Unterschenkel, am rechten Unterbauch und im Steißbeinbereich sowie eine Senk-Spreizfußdeformierung vor - leichter Natur sind und nur eine leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit zur Folge haben, die sich auf die Schwere der Arbeit und Tätigkeiten mit besonderen Belastungen des Bewegungs- und Stützsystems beziehen.
Auf dem nervenärztlichen Gebiet zeigte sich keinerlei neurologische Auffälligkeit, während auf dem psychiatrischen Gebiet eine asthenische Primärpersönlichkeit mit ängstlich-depressiven Zügen festgestellt wurde, die zu körperbezogenen (somatoformen) Beschwerdebildern wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Wetterfühligkeit neigt. Dies erklärt nach den Ausführungen des Nervenarztes Dr.B. im Gutachten vom 05.08.2003 auch das verstärkte subjektive Schmerzempfinden des Klägers z.B. an den Gelenken, die sich orthopädisch ohne wesentlichen, über das altersgemäße Maß hinausgehenden organpathologischen Befund darstellen. Eine vitalbedrohliche psychiatrische Erkrankung oder eine relevante Hirnleistungsschwäche fand sich nicht. Sozialmedizinisch begründet diese konstitutionelle Persönlichkeitsvariante lediglich qualitative Einschränkungen hinsichtlich Tätigkeiten mit besonderen nervlichen Belastungen.
Auf dem internistischen Gebiet liegen beim Kläger die kardiovaskulären Risikofaktoren arterieller Bluthochdruck und kombinierte Hyperlipidämie vor. Eine sich hieraus ergebende manifeste Arteriosklerose konnte bislang nicht nachgewiesen werden, auch werden die genannten Risikofaktoren mittlerweile ausreichend gut behandelt. Die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit ist für das Alter des Klägers als durchschnittlich gut zu bezeichnen. Sozialmedizinisch ergeben sich hieraus nur qualitative Einschränkungen hinsichtlich der Schwere der Arbeit und besonderer nervlicher Belastungen.
Nach den Ausführungen aller vom Senat gehörten ärztlichen Sachverständigen ist der Kläger damit noch in der Lage, vollschichtig leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten in Zwangshaltungen wie ständiges Hocken, Bücken oder Knien, ebenso ständiges Sitzen oder Stehen, Heben oder Tragen von schweren Lasten. Zu empfehlen sind Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Der Senat geht somit im Anschluss an die Ausführungen von Dr.B. , Dr.B. und Dr.D. davon aus, dass eine zeitliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit des Klägers bei durchschnittlicher Belastung und betriebsüblichen Arbeitspausen für leichte Arbeiten nicht gegeben ist. Im Hinblick auf diese Leistungseinschränkungen liegt auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Auch ist die rentenrechtlich relevante, einem Versicherten zumutbare Gehstrecke nicht eingeschränkt. Da der Kläger unter Einbeziehung aller bei ihm festgestellten Gesundheitsstörungen somit nicht an der Ausübung einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist, braucht vorliegend eine zustandsangemessene Tätigkeit weder nachgewiesen noch benannt zu werden. Denn solange ein Versicherter in der Lage ist, unter betriebsüblichen Bedingungen noch vollschichtig und regelmäßig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und der Gerichte, konkrete Arbeitsplätze und Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen. Vielmehr ist in solchen Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG 2000 § 1246 Nr 90). Der Kläger ist somit nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs 2 SGB VI aF.
Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig nach § 43 Abs 2 SGB VI aF. Er muss sich vielmehr auf entsprechende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar verweisen lassen. Denn er ist nach seinem beruflichen Werdegang als ungelernter, günstigstenfalls als angelernter Arbeitnehmer - unterer Bereich - zu beurteilen und damit nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschema uneingeschränkt auf einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Er genießt somit keinen Berufsschutz.
Auf Grund seines vollschichtigen Einsatzvermögens erfüllt der Kläger auch nicht die Voraussetzungen des durch Artikel Nr 19 des Rentenreformgesetzes 1999 neu gefassten und durch Artikel 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl I 1827 - geänderten, am 01.01.2001 in Kraft getretenen § 43 SGB VI. Nach dessen Absatz 1 hat bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wer (neben weiteren Leistungsvoraussetzungen) wegen Krankheit oder Behinderung außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine quantitative Einschränkung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich etwa acht Stunden liegt jedoch - wie bereits ausgeführt wurde - beim Kläger nicht vor.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 11.11.1999 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass auch die Berufung des Klägers ohne Erfolg blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved