L 19 RJ 553/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 405/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 553/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.06.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind zwischen den Beteiligten Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1948 in Portugal geborene Klägerin hat in Deutschland vom 10.05.1971 an als Haushaltshilfe und Raumpflegerin versicherungspflichtig gearbeitet, vom 03.10.1987 bis 29.09.1990 sind Zeiten der Arbeitslosigkeit vorgemerkt. Im August 1991 ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt.

Den Antrag der Klägerin vom 25.05.1998 auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.10.1998 und Widerspruchsbescheid vom 25.02.1999 ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht erfüllt seien. Im maßgeblichen 5-Jahres-Zeitraum (25.05.1993 bis 24.05.1998) seien keine Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt.

Gegen den am 26.03.1999 in Portugal zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 21.04.1999 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, sie sei nach ihrer Rückkehr nach Portugal beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos gemeldet gewesen. Ihr Mann habe eine freiwillige Sozialversicherung abgeschlossen, die sie aber aus finanziellen Gründen 1996 wieder hätten kündigen müssen. Auch wenn sie mit ihrem Mann in Deutschland geblieben wäre, hätte sie keine weiteren Beiträge mehr leisten können. Aber in diesem Fall wäre ihr die Rente bestimmt bewilligt worden. Außerdem legte sie eine CT-Aufnahme der unteren Lendenwirbelsäule aus dem Jahre 1987 und Röntgenbefunde der Wirbelsäule und der Knie aus dem Jahre 1999 vor. Ferner wies sie darauf hin, in letzter Zeit habe sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert.

Mit Urteil vom 02.06.2003 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) die Klage abgewiesen. Die Klage habe nicht zum Erfolg führen können, da das SG in Übereinstimmung mit der Beklagten festgestellt habe, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) nicht vorlägen. Das SG hat deshalb im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergäben sich keine Hinweise, dass die Bescheide der Beklagten rechtswidrig sein könnten. Weder die Arbeitslosmeldung in Portugal ohne Bezug von Leistungen noch die vom Ehemann abgeschlossene freiwillige Sozialversicherung seien Anrechnungszeiten iS des Gesetzes. Damit seien keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung bzw einem nachgewiesenen Leistungsfall der EU entrichtet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 17.09.2003 beim SG eingegangene Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, das Urteil berücksichtige nicht ihre wirkliche Situation. Sie sei von 1993 bis 24.05.1998 arbeitslos gewesen, so dass 41 Monate hätten angerechnet werden müssen. Eine Arbeit sei ihr nie angeboten worden. Diese Arbeitslosigkeit habe in Deutschland begonnen, wo ihr auch keine andere Arbeit angeboten worden sei. Sie sei deshalb gezwungen gewesen, nach Portugal zurückzukehren.

Die Klägerin, für die in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Würzburg vom 02.06.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.1999 zu verurteilen, ihr ab Rentenantragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Streitakten erster und zweiter Instanz und die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist aber nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 02.06.2003 zu Recht entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.

Der Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder Erwerbsunfähigkeit (EU) richtet sich bei einer Antragstellung vor dem 31.03.2001 (hier am 25.05.1998) nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF), da geltend gemacht wird, dass der Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 gesteht (vgl § 300 Abs 2 SGB VI). Für den Anspruch sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (nF) maßgebend, soweit (hilfsweise) Rente wegen Erwerbsminderung für eine Zeit beginnend nach dem 31.12.2000 begehrt wird (vgl § 300 Abs 1 SGB VI).

Rechtsgrundlage für den begehrten Rentenanspruch der Klägerin sind die §§ 43, 44 SGB VI aF. Neben der allgemeinen Wartezeit sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Fall der Klägerin letztmals zum 31.03.1992 nach § 43 Abs 1 Nr 2, Abs 3, § 44 Abs 1 Nr 2, Abs 4 SGB VI aF erfüllt, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt. Bis zum Jahre 1992 ist jedoch der Eintritt der medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht nachgewiesen. Insoweit hat die Klägerin lediglich die Befundbeschreibung einer CT-Aufnahme der unteren LWS vom 29.05.1987 vorgelegt, also aus einer Zeit, zu der die Klägerin noch versicherungspflichtig beschäftigt war. In diesem Bericht beschreibt der Arzt für Radiologie Dr.L. aus M. zwar eine umschriebene Protrusion der Bandscheibe L5/S1. Ein Bandscheibenprolaps war aber ausgeschlossen, ebenso wie bei L4/L5 und L3/L4. Weitere Unterlagen konnte die Klägerin nicht vorlegen, da sie diese nach eigenen Angaben verloren hat. Die vorgelegten Unterlagen des Röntgenologen P. aus A./Portugal betreffen Befunde aus dem Jahr 1996 und später, also aus einer Zeit, in der die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit schon nicht mehr gegeben waren.

Bei dieser Sachlage ist das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für den Eintritt von EU/BU nicht nachgewiesen.

Im Ergebnis kann dahinstehen, ob bei der Klägerin EU/BU im Jahre 1992 (nach dem 31.03.1992) oder bei Rentenantragstellung am 25.05.1998 eingetreten ist und eine Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war. Denn nach dem in den Akten befindlichen Versicherungsverlauf waren, worauf die Beklagten zu Recht verwiesen hat, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen wegen EU/BU letztmals am 31.03.1992 erfüllt. Die Klägerin hat zwar die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs 1 SGB VI), nicht aber die für die streitigen Ansprüche erforderliche Beitragsdichte der §§ 44 Abs 1 Nr 2, 43 Abs 1 Nr 2 SGB VI aF erfüllt, da der letzte Pflichtbeitrag zur deutschen Rentenversicherung am 30.09.1987 entrichtet wurde und anschließend am 29.09.1990 letztmals eine Zeit der Arbeitslosigkeit verzeichnet ist. Zu Recht ist deshalb das SG im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass im maßgebenden Zeitraum - bei einem angenommenen Leistungsfall der EU/BU bei Rentenantragstellung - vom 25.05.1993 bis 24.05.1998 kein Kalendermonat mit entsprechenden Beiträgen belegt ist. Eine Rentengewährung für einen nach dem März 1992 eingetretenen Leistungsfall der EU/BU ist deswegen ausgeschlossen. Zu Recht hat das SG auch darauf hingewiesen, dass die Zeit der Arbeitslosigkeit in Portugal keine Anrechnungszeit iS des § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI ist. Denn Zeiten der Arbeitslosigkeit im Ausland sind grundsätzlich keine Anrechnungszeiten (BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr 6). Denn ein Versicherter, der im Ausland wohnt, ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ("bei einem deutschen Arbeitsamt") nicht arbeitlos. Im Fall der Klägerin besteht kein Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen (vgl hierzu Kasseler Kommentar - Niesel - SGB VI - § 58 RdNr 26 p).

Auch die Voraussetzungen der mit Rentenreformgesetz 1992 eingeführten Übergangsvorschrift gemäß § 240 Abs 2 bzw 241 Abs 2 SGB VI sind nicht erfüllt. Danach sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der EU/BU bei Versicherten, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt haben, nicht erforderlich, wenn jeder Kalendermonat in der Zeit vom 01.01.1984 bis zu dem Kalendermonat vor Eintritt der EU/BU mit Beiträgen oder sonstigen Anwartschafterhaltungszeiten iS des § 240 Abs 2 SGB VI belegt ist. Dies ist jedoch bei der Klägerin nicht der Fall, da ihr Versicherungsverlauf am 29.09.1990 endet. Ein Rentenanspruch wegen EU/BU käme vorliegend also nur in Betracht, wenn der Leistungsfall der EU/BU bereits im März 1992 oder früher eingetreten wäre. Dies ist nicht der Fall, denn eine wesentliche Einschränkung im Leistungsvermögen der Klägerin ist - wie oben dargelegt - zu diesem Zeitpunkt nicht nachgewiesen.

Nachgewiesen ist eine Tatsache nur dann, wenn sie mit der für den vollen Beweis erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststeht. Es müssten also - bezogen auf den vorliegenden Fall - bereits im März 1992 oder früher die Erwerbsfähigkeit der Klägerin einschränkende Gesundheitsstörungen vorgelegen haben. Ein so früher Leistungsfall konnte aber durch Unterlagen nicht belegt werden. Das Gericht darf jedoch eine Leistung nur dann zusprechen, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt sind. Ein solcher Nachweis ist hinsichtlich der in §§ 43 und 44 SGB VI aF vorausgesetzten Erwerbsminderung nicht geführt. Nach den auch im sozialgerichtlichen Prozess geltenden Grundsätzen von der objektiven Beweis- und Feststellungslast (vgl Meyer-Ladewig SGG 7.Aufl, § 103 RdNr 19 a mit weiteren insbesondere Rechtsprechungsnachweisen) geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, zu seinen Lasten. Dies bedeutet: selbst wenn das Leistungsvermögen der Klägerin bereits im März 1992 oder in der Zeit davor (auf Dauer) in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt war, kann das Berufungsgericht diesen Umstand mangels ausreichender Nachweise seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

Nach alledem hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren unterlegen war.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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