Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 KR 155/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 55/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 Abs. 1 SGB V liegt auch dann vor, wenn die Krankenhauseinweisung aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses zur Feststellung des Gesundheitszustandes erfolgte.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11.04.2003 abgeändert. Es wird festgestellt, dass beim Kläger im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 eine stationäre Behandlung (§ 39 SGB V) im S ... Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie A ... erforderlich war. In Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse eine Freistellung von den Kosten für den stationären Krankenhausaufenthalt vom 20.05.1999 bis 31.05.1999.
Der am ...1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Er wurde am 20.05.1999 von der Polizei aus seinem Haus geholt und mit dem Notarztwagen in das S ... Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie A ...(im folgenden: Krankenhaus A ...) gebracht.
Mit Beschluss vom 21.05.1999 ordnete das Amtsgericht Dresden/Vormundschaftsgericht die (weitere) vorläufige Unterbringung des Klägers zur Erstellung eines Gutachtens für die Dauer von zwei Wochen, längstens bis 03.06.1999 an. Eine Behandlung ohne und/oder gegen des Willen des Klägers wurde für nicht zulässig erklärt. Nach dem ärztlichen Zeugnis der Stationsärztin Dr. T ... vom 21.05.1999 könne noch keine Diagnose gestellt werden. Es bestehe die Gefahr, dass der Kläger an einer psychischen Erkrankung leide, die zur Folge habe, dass er sich und seine Familie verletze oder töte. Hierauf deute der beim Kläger gefundene Brief hin. Auch habe sich der Kläger einer Untersuchung widersetzt. Mit weiterem Beschluss vom 21.05.1999 wurde das Krankenhaus A ... zur Prüfung einer geschlossenen Unterbringung (§ 1906 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.
Im Gutachten von Dr. T ... vom 01.06.1999 ist ausgeführt, die Ehefrau des Klägers habe seit etwa zwei bis drei Wochen an dem Kläger zunehmend fanatisch religiöse Verhaltensweisen beobachtet, die immer handlungsbestimmender geworden seien. Er habe behauptet, dass in nächster Zeit "wichtige Dinge" passieren würden, die die "Weltgeschichte" verändern würden. Er bezeichne sich selbst als "Mitheiligen von Christus" und dazu auserwählt, religiöse Botschaften zu überbringen. Er fühle sich von der AOK und der Mafia verfolgt. Am 19.05.1999 sei es, nachdem die Ehefrau das Konto gesperrt hätte, zu einer Auseinandersetzung gekommen, in der er geäußert habe: "Du kommst hier nicht mehr lebend raus". Am 20.05.1999 sei es zu einer erneuten Auseinandersetzung gekommen. Bei massiv verbal aggressiven Verhaltensweisen sei die Ehefrau mit dem Kind zu Nachbarn geflüchtet und habe Polizei und Notarzt alarmiert.
Während des stationären Aufenthalts habe sich der Kläger nicht untersuchen lassen. Psychologische Tests seien weitgehend nicht durchführbar gewesen. Bis 01.06.1999 habe der Kläger eine Nahrungsaufnahme verweigert. Über eine aufgenommene Flüssigkeitsmenge könnten keine Aussagen gemacht werden, da der Kläger in Anwesenheit des Personals nicht getrunken habe. In der Beurteilung ist festgehalten, der Kläger leide an Schizophrenie. Die ausgeprägten Wahninhalte würden zunehmend handlungsbestimmend. In Kombination mit den bereits in den letzten Jahren aufgetretenen depressiven Phasen mit Suiziddrohungen liege eine akute Eigengefährdung vor. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass der Kläger mit seinem Leben abgeschlossen habe und versuchen werde, sich zu suizidieren. Durch die krankheitsbedingte Verweigerung von Nahrung und Flüssigkeit werde er sich ohne Behandlung in eine lebensgefährliche Situation bringen. Er plane, seine Ehefrau mit in den Tod zu nehmen. Was er mit seinen Kindern vorhabe, sei nicht zu objektivieren. Es bestehe akute Selbst- und Fremdgefährdung. Eine medikamentöse Behandlung sei dringlich und unumgänglich. Eine Entlassung ohne adäquate Therapie sei aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten. Die Eigen- und Fremdgefährdung werde so lange andauern, bis das Krankheitsbild medikamentös und psychotherapeutisch ausreichend therapiert sei. Zur Abwendung dieser Gefahr sei die geschlossene Unterbringung erforderlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 01.06.1999 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 01.06.1999 verfügte das Vormundschaftsgericht die weitere vorläufige Unterbringung des Klägers in der geschlossenen Abteilung des Krankenhauses A ... für die Dauer von 4 Wochen, längstens bis 29.06.1999. Eine medikamentöse Behandlung mit Neuroleptika wurde auch ohne und/oder gegen den Willen des Klägers für zulässig erklärt.
Am 18.06.1999 hat sich der Kläger bereit erklärt, die Behandlung freiwillig weiter führen zu lassen. Am 03.08.1999 wurde der Kläger aus dem Krankenhaus A ... entlassen.
Auf die Aufnahmeanzeige des Krankenhauses A ... vom 21.05.1999, eingegangen am 25.05.1999, hat die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.1999, eingegangen beim Krankenhaus am 03.06.1999, eine Kostenzusage für die stationäre Behandlung vom 20.05.1999 bis 02.06.1999 abgegeben. Mit Schreiben vom 17.06.1999 hat die Beklagte eine Rücknahme der Kostenzusage erklärt. Es sei erst jetzt bekannt geworden, dass der Kläger aufgrund eines vorläufigen Unterbringungsbeschlusses durch das Gericht stationär aufgenommen worden sei. Die Voraussetzungen für eine stationäre Behandlung lägen damit nicht vor.
Mit Schreiben vom 30.06.1999 führte das Krankenhaus zur Geltendmachung einer Kostenübernahme gegenüber der Beklagten aus, der Kläger leide an einer schweren psychischen Erkrankung, die eine vollstationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlich mache. Der gerichtliche Unterbringungsbeschluss berühre die rechtlichen Regelungen des SGB V nicht. Die öffentlich-rechtlich Unterbringungsvorschriften würden den Anspruch gegen die Krankenkasse nicht ausschließen. Für den Zeitraum ab 01.06.1999 hat die Beklagte die Kosten des stationären Aufenthalts übernommen, weil eine Therapie erst am 01.06.1999 begonnen worden sei. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 02.08.1999, das nach Einsicht in die kompletten Behandlungsunterlagen erstattet worden sei, habe eine Behandlung im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 wegen des Gerichtsbeschlusses und auf Grund Krankheits- und Behandlungsuneinsichtigkeit des Klägers nicht stattgefunden.
Die vom Krankenhaus A ... mit den Schreiben vom 09.08.1999 und vom 27.08.1999 an das Vormundschaftsgericht gerichteten Anträge auf Übernahme der Kosten für den Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 blieben ebenso erfolglos. Nach Hinweis des Vormundschaftsgerichts mit Schreiben vom 31.08.1999 auf eine Kostentragungspflicht des Patienten nach § 36 des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) hat das Krankenhaus mit Schreiben vom 13.09.1999 die Bitte geäußert, den Beschluss vom 21.05.1999 zu überprüfen. Der Kläger sei aus ihrer Sicht vom Aufnahmetag an krankenhausbedürftig gewesen. Nachdem das Vormundschaftsgericht auf die Sachstandsanfrage keine Veranlassung zur Tätigkeit erkannt hat, wurde vom Krankenhaus A ... gegen den Freistaat Sachsen ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht. Das Amtsgericht sei zur Kostentragung für den Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 verpflichtet, weil dem Kläger die notwendige medizinische Behandlung durch den Beschluss vom 21.05.1999 verweigert worden sei. Das Oberlandesgericht Dresden hat den Antrag mit Bescheid vom 29.08.2000 zurückgewiesen. Eine Pflichtverletzung der zuständigen Richterin habe nicht vorgelegen. Eine Genehmigung zur Medikamentierung gegen den Willen des Betroffenen könne nur angeordnet werden, soweit ein Antrag des Ordnungsamtes vorliege bzw. der Betroffene nicht in der Lage sei, die Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen und danach zu handeln oder eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliege. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben gewesen. Nach dem Protokoll zur Anhörung vom 21.05.1999 habe der Vertreter des Ordnungsamtes keinen Antrag auf eine geschlossene Unterbringung gestellt, sondern lediglich einen Antrag auf Begutachtung. Eine akute Selbstgefährdung sei damals nicht zu erkennen gewesen.
Mit Schreiben vom 24.01.2000 stellte das Krankenhaus A ... dem Kläger die Kosten für den stationären Aufenthalt in Rechnung. Trotz vieler Bemühungen habe ein Kostenträger nicht gefunden werden können. Das Vormundschaftsgericht übernehme die Kosten nicht. Falls er die Rechnung nicht begleichen könne, werde auf die Möglichkeit eines Sozialhilfeantrags beim Landeswohlfahrtsverband hingewiesen.
Mit Schreiben vom 09.02.2000 verwies der vom Sozialgericht beigeladene Landeswohlfahrtsverband den Kläger darauf, seinen Anspruch gegen die Krankenkasse geltend zu machen. Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) könnten wegen des Grundsatzes der Nachrangigkeit nicht in Betracht gezogen werden. Ein Anspruch auf Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten bestehe unabhängig von der einstweiligen Anordnung über die geschlossene Unterbringung.
Mit Schreiben vom 11.02.2000 beantragte der Kläger unter Beifügung des Schriftverkehrs mit dem Landeswohlfahrtsverband bei der Beklagten eine Freistellung von den Kosten des stationären Aufenthalts in Höhe von 3.716,04 DM (abzüglich Zuzahlung 3.548,04 DM).
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.03.2000 ab. Voraussetzung für einen Anspruch sei eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Darüber hinaus müsse der Versicherte zum Zweck der Krankenbehandlung in die Einrichtung aufgenommen gewesen sein. Hieran fehle es. Die Unterbringung im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 sei nach dem Beschluss des Vormundschaftsgerichts zur Durchführung einer Begutachtung erfolgt. Eine Therapie bzw. Krankenbehandlung habe nicht stattgefunden. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.01.1973, 3 RK 55/71) insbesondere auch dann ausgeschlossen, wenn der Versicherte ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit untergebracht werde. Diese Auffassung habe das Vormundschaftsgericht mit Schreiben vom 31.08.1999 an das Krankenhaus bestätigt. Gemäß § 36 SächsPsychKG habe der Patient die Kosten der Unterbringung zu tragen.
Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 07.06.2000). In den Befundberichten vom 01.06.1999 und vom 04.06.1999 habe Dr. T ... bestätigt, dass bis zum 31.05.1999 keine Therapie oder Behandlung stattgefunden habe. Dieser Sachverhalt sei mit dem Gutachten des MDK vom 28.07.1999 bestätigt. Bis zum 31.05.1999 habe weder eine Krankheits- noch eine Behandlungseinsicht vorgelegen. Erst ab dem 01.06.1999 seien die Medikamente eingenommen worden. Die Unterbringung eines Versicherten, die aus Verwahrungsgründen erfolge (z.B. weil infolge der Krankheit die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sich oder andere ernstlich gefährdet würden) stelle keine Krankenhausbehandlung im Sinne des SGB V dar (BSG, Urteil vom 12.11.1985, 3 RK 33/84).
Hiergegen richtete sich die am 06.07.2000 beim Sozialgericht erhobene Klage. In der Zeit vom 21.05.1999 bis 03.06.1999 seien beim Kläger verschiedene Behandlungen durchgeführt worden. Am 21.05.1999 seien Blut- und Urinentnahmen einschließlich der dazugehörigen Laboruntersuchungen erfolgt. Dem Kläger seien auch Medikamente verabreicht worden (z.B. Xinovan). Im sog. Optiplan sei eine umfangreiche Verhaltensdokumentation, ausgehend von Beobachtungen und Gesprächen des Klägers mit Ärzten und Personal, erfolgt. Neben einer Vielzahl von Einzelgesprächen habe der Kläger auch an Gruppengesprächen sowie an weiteren Beschäftigungsangeboten teilgenommen. Während der gesamten Zeit seien in Abständen (21.05., 24.05., 25.05., 31.05.) Kreislaufkontrollen (Blutdruckmessung/Puls) durchgeführt worden. Auch hätten weitere Untersuchungen durch Ärzte und Gespräche mit Psychologen stattgefunden. Der Kläger habe kaum Nahrung und Flüssigkeit zu sich genommen, so dass eine fortlaufende Überwachung und Kontrolle erforderlich gewesen sei.
Zu den in § 39 SGB V festgelegten Behandlungszielen gehöre auch die Erkennung einer Krankheit. Der Kläger sei mit dem Verdacht einer paranoiden Psychose eingeliefert worden. Der Aufenthalt sei zur Feststellung einer abschließenden Diagnose notwendig gewesen. Allein die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 21.05.1999 versagte medikamentöse Behandlung des Klägers stehe einer Krankenhausbehandlung nicht entgegen. Die Diagnosestellung sei vorrangig gewesen und habe nur durch eine möglichst lückenlose Verhaltensdokumentation unter Beteiligung von geschultem Personal und Ärzten erfolgen können.
Die Rechnung des Krankenhauses habe der Kläger aufgrund seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht begleichen können. Das Krankenhaus sei gebeten worden, bis zum Ausgang dieses Verfahrens keine kostenauslösenden Maßnahmen einzuleiten.
Die Beklagte hat erwidert, der MDK habe zur Prüfung, ob vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 eine Krankenhausbehandlung durchgeführt worden sei, eine Begutachtung im Krankenhaus unter Sichtung der kompletten Unterlagen durchgeführt. Danach sei keine Krankenhausbehandlung durchgeführt worden. Die Blut- und Urinentnahmen, Laboruntersuchungen sowie die Beobachtungen und Gespräche seien ausschließlich zur Erstattung des gerichtlich angeordneten Gutachtens erfolgt. Dieses Gutachten sei allein zur Ausführung der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Aufgaben in Auftrag gegeben worden. Der dadurch veranlasste stationäre Aufenthalt könne deshalb nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gehen. Zudem sei mit dem Beschluss eine medikamentöse Behandlung bis 31.05.1999 untersagt worden. Dieses Hinauszögern der Verweildauer verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V).
Der Beigeladene zu 1. hat sich der Auffassung des Klägers angeschlossen. Der Sozialhilfeantrag des Klägers sei mit Bescheid vom 09.02.2000 zu Recht und im Übrigen bestandskräftig abgelehnt worden.
Mit Urteil vom 11.04.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides verurteilt, die Kosten des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 zu übernehmen. Die Voraussetzungen für eine stationäre Krankenhaushandlung im Sinne von § 39 SGB V hätten vorgelegen. Der Leistungspflicht der Beklagten stehe nicht entgegen, dass die Aufnahme unterbringungsbedürftiger Personen in einer Krankenanstalt in erster Linie bezwecke, eine Gefährdung zu beseitigen. Zwar setze eine Unterbringung nicht voraus, dass auch eines der in § 39 SGB V genannten Behandlungsziele angestrebt werde und erreicht werden könne. Jedoch liege nach der Rechtsprechung des BSG auch dann auch eine Leistungspflicht der Krankenkasse vor, wenn es sich um eine medizinische Behandlung handele, die nur mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses durchgeführt werden könne, die Unterbringung also nicht allein auf der Gefährlichkeit des Versicherten und der damit verbundenen Notwendigkeit der Verwahrung beruhe (BSG, Urteil vom 23.01.1975, 3 RK 55/71).
Beim Kläger sei ab 20.05.1999 eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen. Mit dem Gutachten von Dr. T ... vom 01.06.1999 sei festgestellt, dass eine Entlassung des Klägers ohne adäquate Therapie aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten gewesen sei. Das Behandlungsziel habe damit nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden können und habe bereits ab dem Aufnahmetag eine vollstationäre Behandlung des Klägers erforderlich gemacht. Die Unterbringung habe somit nicht allein auf der Gefährlichkeit des Klägers beruht.
Nicht maßgebend sei in diesem Zusammenhang, dass eine medikamentöse Behandlung erst ab 01.06.1999 habe begonnen werden können. Der stationäre Aufenthalt habe bereits ab dem 20.05.1999 der Erkennung einer Krankheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V gedient. Aus dem nervenärztlichen Gutachten vom 01.06.1999 ergebe sich eine umfangreiche Diagnostik, die zu dem Ergebnis geführt habe, dass eine medikamentöse Behandlung dringlich und unumgänglich gewesen sei. Die Doppelfunktion des Aufenthalts - zur Erstattung des Gutachtens wie auch zur Diagnosestellung - schließe den Anspruch gegen die Krankenkasse nicht aus.
Gegen das am 24.04.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.05.2003 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie macht unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags geltend, die durchgeführte Diagnostik sei ausschließlich zur Erstattung des vom Vormundschaftsgericht angeordneten Gutachtens erfolgt. Darüber hinaus müsse auch bei einer Bewertung als Krankenhausbehandlung das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) berücksichtigt werden. Bei einer vom Amtsgericht angeordneten Behandlungsmöglichkeit hätte die Diagnose in höchstens zwei Behandlungstagen gestellt werden können. Die Tatsache der durch das Amtsgericht angeordneten 14-tägigen Unterbringung ohne Behandlungsmöglichkeit könne nicht dazu führen, dass die Krankenkasse die gesamten Kosten tragen müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11.04.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 eine stationäre Behandlung (§ 39 SGB V) im S ... Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie A ... erforderlich gewesen ist.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben keinen Antrag gestellt.
Auf richterlichen Hinweis zu der Entscheidung des BSG vom 09.10.2001 (B 3 KR 6/01 R), wonach § 13 SGB V dem Versicherten keine Handhabe biete, die Feststellung der Leistungspflicht der Krankenkasse zu betreiben und der Leistungserbringer gehalten sei, einen etwaigen Streit über die Leistungspflicht der Krankenkasse unmittelbar mit dieser auszutragen, hat der Kläger vorgebracht, die Grundsätze dieser Entscheidung seien nicht übertragbar. Bei einer Klagerücknahme würde die Entscheidung der Beklagten rechtskräftig.
Der als Träger des S ... Krankenhauses A ... vom Senat Beigeladene zu 2. hat ausgeführt, die Einrichtung habe die Kosten zu Recht gegenüber dem Kläger geltend gemacht. Es habe sich um Unterbringungskosten im Sinne von § 36 SächsPsychKG und nicht um Krankenhausbehandlungskosten nach § 39 SGB V gehandelt. Das Krankenhaus sei, wie vom MDK im Gutachten vom 02.08.1999 festgestellt, davon ausgegangen, dass eine Krankenhausbehandlung nicht stattgefunden habe. Eine Sachleistung nach dem Krankenversicherungsrecht, die gegenüber der Krankenkasse zu liquidieren gewesen wäre, habe damit nicht vorgelegen.
Nicht nachvollziehbar sei indes, warum der Beigeladene zu 1. den Sozialhilfeantrag des Klägers von vornherein abgelehnt und ihn auf eine Inanspruchnahme der beklagten Krankenkasse verwiesen habe. Substantiierte Feststellungen zu seiner Leistungspflicht habe er nicht getroffen. Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 SächsPsychKG sei der überörtliche Sozialhilfeträger verpflichtet, die Unterbringungskosten zu übernehmen, soweit und solange der Betroffene oder andere diese nicht unmittelbar tragen könnten. Ihm stehe ggf. ein Regressanspruch gemäß § 36 Abs. 3 Satz 2 SächsPsychKG zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Vormundschaftsgerichts Dresden (Geschäftsnummer 403 XIV L 0066/99) sowie die Sozialhilfe-Akte des Beigeladenen zu 1., deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung erfolgte gemäß § 155 Abs. 3, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Der vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachte Hauptanspruch auf Freistellung von den Kosten gegenüber dem Beigeladenen zu 2. als Träger des Krankenhauses erweist sich als unbegründet. Der vom Kläger hilfsweise erhobene Anspruch auf Feststellung einer stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 ist indes zulässig und auch begründet.
Ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Übernahme der durch den stationären Aufenthalt im Krankenhaus A ... entstandenen Kosten bzw. auf Freistellung von einer entsprechenden Verbindlichkeit besteht nicht.
Der Anspruch ist nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V zu begründen. Der Kläger ist keine Verpflichtung zur Bezahlung der Krankenhauskosten eingegangen. Erweist sich das Vorbringen einer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit als richtig (dazu noch unten), so scheitert ein Freistellungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte daran, dass die Behandlung als Sachleistung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgte. Dies lässt Vergütungsansprüche nur im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse entstehen (BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R).
Unter diesen Umständen kommt ein Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V nicht in Betracht. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Versicherte sich eine Leistung selbst beschafft hat, d.h. auf eigene Kosten beschaffen musste, weil die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen oder sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Eine solche Konstellation hat indes nicht vorgelegen. Denn insbesondere die Ärzte des Krankenhauses A ... sind davon ausgegangen, dass eine Behandlung zu Lasten der Krankenkasse gewährt worden sollte. Dem entspricht es, dass das Krankenhaus einen Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten gestellt und auch die anschließende Rechnung an diese gerichtet hat. An den Kläger hat sich das Krankenhaus erst gewandt, nachdem die Beklagte das Vorliegen einer Krankenhausbehandlungsdürftigkeit verneint und eine Kostenübernahme abgelehnt hat.
Dem Beigeladenen zu 2. als Träger des Krankenhauses A ... steht ein Anspruch auf Bezahlung der Kosten für den stationären Aufenthalt auch nach zivilrechtlichen Grundsätzen nicht zu.
Ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag (Behandlungsvertrag, Krankenhausaufnahmevertrag), in dem der Kläger sich verpflichtet hätte, für die Kosten des Aufenthalts selbst aufzukommen, ist mit dem Krankenhaus nicht abgeschlossen worden. Der Kläger selbst hat eine dahingehende Erklärung weder mündlich noch schriftlich abgegeben. Gleiches gilt für seine Ehefrau, die bei der Aufnahme im Krankenhaus schon gar nicht anwesend war. Auch ein Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten, wie etwa die Entgegennahme üblicherweise nur gegen Vergütung gewährter Leistungen, scheidet aus. Das Krankenhaus hat den Aufenthalt als Notfallbehandlung gegenüber der Beklagten angezeigt und an diese einen Kostenübernahmeantrag gerichtet. Es hat also mit der Aufnahme der Klägers und dem weiteren Aufenthalt gerade kein auf eine Entgeltverpflichtung des Klägers gerichtetes Vertragsangebot unterbreitet.
Bei der gegebenen Sachlage schuldet der Kläger dem Krankenhaus auch keine Vergütung aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 BGB) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB). Eine Behandlung als Privatpatient mit der Verpflichtung, die entstehenden Kosten selbst zu zahlen, entsprach weder dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Klägers noch seinem Interesse. Während der Zeit vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 hielt sich der Kläger - krankheitsuneinsichtig - gegen seinen Willen im Krankenhaus auf. Eine Behandlung als Privatpatient entsprach auch unter Außerachtlassung dessen nicht seinem Interesse. Bei einem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ist vielmehr davon auszugehen, dass er die Leistungen als Kassenpatient erhalten will. Ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB scheitert mithin daran, dass in diesem Fall des Mehrpersonenverhältnisses nicht das Krankenhaus, sondern die Krankenkasse Leistender ist (BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 3 KR 6/01 R).
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung ergibt sich auch nicht aus § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG. Danach hat der Patient die Kosten einer nach diesem Gesetz durchgeführten Unterbringung zu tragen. Hat eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit tatsächlich nicht vorgelegen, so ist auch eine Kostenpflicht der Krankenkasse nicht gegeben.
Bei alledem besteht eine Verbindlichkeit des Klägers, die einen Freistellungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 SGB V gegen die Beklagte begründen könnte, nicht. Dementsprechend hat auch das BSG in der Entscheidung vom 09.10.2001 (a.a.O.) herausgestellt, dass eine eigene Zahlungsverpflichtung des Versicherten, für den Fall, dass er davon ausgehen konnte, die Leistungen als Kassenpatient zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten, nicht entstehen kann. Der Leistungserbringer muss einen etwaigen Streit über die Leistungspflicht der Krankenkasse vielmehr unmittelbar mit dieser austragen. Soweit dem Versicherten in früheren Entscheidungen des BSG das Recht zugebilligt worden war, zur Vermeidung einer eigenen Inanspruchnahme die Feststellung der Leistungspflicht der Krankenkasse gegenüber dem Leistungserbringer zu betreiben, hat das BSG an dieser Rechtsprechung nicht festgehalten.
Demgegenüber ist der vom Kläger gestellte Hilfsantrag auf Feststellung einer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im streitigen Zeitraum zulässig. Denn der vorliegende Sachverhalt ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Kläger aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 21.05.1999 im Krankenhaus A ... stationär untergebracht wurde. Insoweit ist mit § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG eine Kostentragungspflicht des Patienten normiert. Auf Gesetz oder Vertrag beruhende Verpflichtungen Dritter, insbesondere eines Sozialleistungsträgers, bleiben indes unberührt (§ 36 Abs. 1 Satz 4 SächsPsychKG). Hierbei handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, weil die Verpflichtungen der Sozialleistungsträger bundesgesetzlich geregelt sind. Eine Kostentragungspflicht des Klägers nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG wäre mithin ausgeschlossen, wenn das Krankenhaus berechtigt und verpflichtet ist, die Kosten von der Beklagten zu verlangen, weil eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nach Maßgabe von § 39 SGB V vorgelegen hat. Hat das Krankenhaus - wie hier - gegenüber dem Versicherten die Kosten geltend gemacht, ist dem Kläger wegen der sich aus § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG ergebenden finanziellen Betroffenheit berechtigt - eine diesen Anspruch ausschließende - Feststellung auf Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit geltend zu machen. Hingegen kommt auch bei der hier gegebenen besonderen Konstellation einer subsidiären Kostentragungsverpflichtung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG bei einem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Freistellung von den Kosten gegenüber dem Krankenhaus nicht in Betracht. Bei einem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ist es nicht gerechtfertigt, dass der Versicherte im Interesse des Leistungserbringers dessen Zahlungsanspruch klären lässt, um diesem damit weitere Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse und insbesondere einen eigenen Prozess zu ersparen (BSG, Urteil vom 09.10.2001, a.a.O.). Der Anspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung ergibt sich aus § 39 SGB V. Vom Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versicherten sowie vom Versicherungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Versicherten, kraft dessen der Versicherte die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung verlangen kann, ist das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse zu trennen (BSG, Urteil vom 17.05.2000, B 3 KR 33/00 R = BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Offen bleiben kann deshalb auch, ob das Krankenhaus eine Zahlung von der Krankenkasse allein aufgrund der Kostenübernahmeerklärung vom 01.06.1999 verlangen kann bzw. ob deren Rücknahme mit Schreiben vom 17.06.1999 Rechtswirkungen entfaltet (vgl. zu den Wirkungen einer Kostenzusage: BSG, Urteil vom 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R = BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1, Urteil vom 12.11.2003, B 3 KR 1/03 R). Insoweit bleibt es auch weiterhin Angelegenheit des Krankenhauses, die Zahlung gegenüber der Krankenkasse nach Maßgabe von §§ 109, 112 SGB V ggf. in Verbindung dazu bestehender Sicherstellungsverträge geltend zu machen.
Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 ist auch begründet. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger aufgrund des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts vom 21.05.1999 im Krankenhaus zur Begutachtung untergebracht und eine Behandlung gegen oder ohne seinen Willen für unzulässig erklärt worden ist.
Gemäß § 39 Abs. 1 SGB V wird eine Krankenbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Erkrankung für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.
Beim Kläger war eine vollstationäre Behandlung im Krankenhaus A ... in der Zeit vom 20.05.1999 bis 30.05.1999 erforderlich. Eine Krankenhausbehandlung liegt nur vor, wenn eines der in § 27 Abs. 1 SGB V genannten Ziele verfolgt wird. Die stationäre Behandlung muss notwendig sein, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Allen genannten Behandlungszielen ist gemeinsam, dass es sich um medizinische Gründe handelt, die für die gezielte medizinische Bekämpfung der Krankheit maßgeblich sind.
Andere Gründe und Motive für eine stationäre Versorgung als die genannten Behandlungsziele können indes einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung nicht auslösen. Dies gilt z.B. dann, wenn die stationäre Unterbringung nur noch zur Pflege erforderlich ist. Ebenso genügen soziale Gründe nicht, um einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu begründen, z.B. wenn ein Pflegeplatz nicht gefunden werden kann. Auch reichen sozialpädagogische Maßnahmen ohne therapeutische Zielsetzung, Maßnahmen mit dem Ziel eine selbständigere Lebensführung zu ermöglichen oder Verwahrlosung zu verhindern, nicht aus. Eine Krankenhausbehandlung liegt auch dann nicht vor, wenn die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt zur Verwahrung erfolgt, wenn der Kranke die öffentliche Sicherheit und Ordnung, sich selbst oder andere gefährdet.
Eine Krankenhausbehandlung in den beschriebenen Fällen ist allerdings nur dann nicht gegeben, wenn ausschließlich diese Gründe für die stationäre Unterbringung maßgeblich sind. Erfordert ein Behandlungsziel im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V die stationäre Unterbringung, so ist eine Leistungspflicht der Krankenkasse nicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 26.05.1970, 3 RK 45/69 = SozR Nr. 28 zu § 184 RVO, BSG SozR Nr. 39 zu § 184 RVO). Mithin ist eine Leistungszuständigkeit der Beklagten nicht schon wegen der vom Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 21.05.1999 zur Begutachtung angeordneten Unterbringung ausgeschlossen.
Der Anspruch des Versicherten auf eine Krankenhausbehandlung setzt darüber hinaus voraus, dass die besonderen Mittel des Krankenhauses benötigt werden, um eines der genannten Behandlungsziele zu erreichen.
Zu den besonderen Mitteln des Krankenhauses gehören eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal sowie ein jederzeit rufbereiter Arzt. Dabei wird weder der notwendige Einsatz aller dieser Mittel gefordert, noch der Einsatz eines dieser Mittel stets als ausreichend angesehen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wobei den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 12.11.1985, 3 RK 33/94 = SozR 2000 § 184 Nr. 28).
Nach diesen Maßstäben ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entscheidend, dass beim Kläger im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 keine medizinische Behandlung mit therapeutischer Zielsetzung und insbesondere keine medikamentöse Behandlung erfolgte. Denn die stationäre Unterbringung war, wie das Sozialgericht zu Recht erkannt hat, zur Erkennung einer Krankheit und damit eines Behandlungsziels im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich.
Der Kläger wurde am 20.05.1999 nachts vom Notarzt in das Krankenhaus gegen seinen Willen eingewiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine psychische Erkrankung des Klägers nicht diagnostiziert. Lediglich am 17.05.1999 hatte der Kläger einen ambulant tätigen Facharzt für Psychiatrie aufgesucht, von dem er nach Schilderung seiner aktuellen Belastungssituation arbeitsunfähig geschrieben wurde. Danach verschlechterte sich der Zustand des Klägers erheblich, bis er am 20.05.1999 einen Brief an Bekannte und andere Personen und Einrichtungen schrieb, in dem er angab, bis morgen 12 Uhr keinem Menschen etwas zuleide zu tun. Dies wisse er, weil er von Gott andere Einblicke in seine Geheimnisse erhalten habe als alle anderen Personen. Es sei falsch, dass er eine Gefahr für andere Menschen darstelle. Er stelle eine Gefahr für viele Menschen dar. Seine Frau erhalte natürlich von ihm die Erlaubnis, das gemeinsame Haus bis morgen 12 Uhr zu verlassen, denn um diese Zeit werde die Welt für viele Menschen anders aussehen. Die Auseinandersetzung mit der Ehefrau am 20.05.1999, in der der Kläger in einen Erregungszustand mit hochgradiger verbaler Aggression geriet, führte schließlich zur Alarmierung der Polizei und der nachfolgenden Einweisung durch den Notarzt in das Krankenhaus A ... Von der Stationsärztin Dr. T ... wurde am 21.05.1999 als vorläufige Diagnose eine paranoide Psychose angegeben. Bei der Anhörung vom 21.05.1999 hat sie bekundet, die Belastung in den vergangenen Jahren, die Kündigung zum 31.07.1999 wie auch eine beabsichtigte Selbständigkeit habe möglicherweise zu einer Psychose geführt. Der Kläger hatte am 21.05.1999 erklärt, sich nicht untersuchen und auch nicht begutachten zu lassen. Insoweit lagen weder ausreichende Befunde vor noch war deren Erhebung möglich, so dass eine sichere Diagnose nicht gestellt werden konnte.
Zur Feststellung der Art und des Umfangs der Erkrankung des Klägers war der stationäre Aufenthalt im Krankenhaus A ... auch im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 erforderlich. Wegen der Verweigerung des Klägers im streitigen Zeitraum konnte kein allgemein klinischer Befund, keine neurologische Untersuchungen wie auch weder ein Computertomogramm oder ein Elektroencephalogramm zum Ausschluss hirnorganischer Veränderungen vorgenommen werden. Psychologische Tests waren aus dem gleichen Grund ebenso weitgehend nicht durchführbar. Möglich waren lediglich orientierende Gespräche. Eine Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr wurden vom Kläger ebenso abgelehnt. In Anwesenheit von Personal hat der Kläger keine Flüssigkeit zu sich genommen. Bei dem am 26.05.1999 erfolgten Besuch seiner Ehefrau und der Kinder hat er mit ihnen kein einziges Wort gesprochen und sie ignoriert. Erst am 01.06.1999 hat der Kläger morgens gegessen und getrunken mit der Begründung, weil heute Kindertag sei. Auch hat er an diesem Tag geäußert, er werde bald im Himmel sein und seine Frau mitzunehmen.
Mit Blick auf alle diese spezifischen Umstände war eine ständige stationär-ärztliche Präsens zur Erkennung der Krankheit des Klägers notwendig. Insbesondere die vom Kläger verweigerten Untersuchungen und Mitwirkungen an psychologischen Tests haben die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ausgeschlossen. Von sich aus hätte der Kläger keinen Arzt aufgesucht. Damit waren ambulante Behandlungsalternativen nicht möglich.
Die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im streitigen Zeitraum ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb in Frage zu stellen, weil das Vormundschaftsgericht nicht zugleich eine medikamentöse Behandlung gegen den Willen des Klägers angeordnet hat. Insoweit hat bereits das OLG Dresden in seinem Bescheid vom 29.08.2000 ausgeführt, dass das Vormundschaftsgericht eine Genehmigung zur Medikamentierung gegen den Willen des Betroffenen nur anordnen kann, soweit ein Antrag des Ordnungsamtes vorliegt bzw. der Betroffene nicht in der Lage ist die Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen und danach zu handeln oder eine akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung vorliegt. Die notwendige Begutachtung habe eine solche Maßnahme nicht gerechtfertigt. Nach dem Protokoll über die Anhörung vom 21.05.1999 habe der Vertreter des Ordnungsamtes einen solchen Antrag nicht gestellt. Eine akute Selbst- oder Eigengefährdung sei nach der Einweisung am 20.05.1999 zunächst nicht zu erkennen gewesen. Diese ist erst im Laufe des stationären Aufenthalts offenbar geworden und hat, wie im Gutachten von Dr. T ... vom 01.06.1999 ausgeführt, zu der Feststellung berechtigt, dass eine Entlassung des Klägers ohne adäquate Therapie aus ärztlicher Sicht auf keinen Fall zu vertreten war.
Auch soweit die Beklagte eingewandt hat, zur Feststellung der Diagnose hätte es nur ein bis zwei Tage, aber nicht wie mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts angeordnet, eines 2-wöchigen Zeitraums bedurft, ist damit die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nicht in Frage zu stellen. Die Zeitdauer ist maßgeblich dadurch mitbestimmt bzw. ausgeschöpft worden, dass der Kläger nicht bereit war, an Untersuchungen bzw. Tests mitzuwirken. Das Vormundschaftsgericht hat indes nicht eine Behandlung des Klägers schlechthin, sondern nur gegen seinen oder ohne seinen Willen ausgeschlossen. Eine fehlende Mitwirkung zur Verkürzung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im streitigen Zeitraum kann dem Kläger indes schon deshalb nicht vorgehalten, weil er krankheitsbedingt behandlungsuneinsichtig war.
Bei alledem ist festzustellen, dass beim Kläger im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 eine stationäre Behandlung im Krankenhaus A ... erforderlich und sonach dem Begehren des Klägers im Hilfsantrag zu entsprechen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse eine Freistellung von den Kosten für den stationären Krankenhausaufenthalt vom 20.05.1999 bis 31.05.1999.
Der am ...1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Er wurde am 20.05.1999 von der Polizei aus seinem Haus geholt und mit dem Notarztwagen in das S ... Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie A ...(im folgenden: Krankenhaus A ...) gebracht.
Mit Beschluss vom 21.05.1999 ordnete das Amtsgericht Dresden/Vormundschaftsgericht die (weitere) vorläufige Unterbringung des Klägers zur Erstellung eines Gutachtens für die Dauer von zwei Wochen, längstens bis 03.06.1999 an. Eine Behandlung ohne und/oder gegen des Willen des Klägers wurde für nicht zulässig erklärt. Nach dem ärztlichen Zeugnis der Stationsärztin Dr. T ... vom 21.05.1999 könne noch keine Diagnose gestellt werden. Es bestehe die Gefahr, dass der Kläger an einer psychischen Erkrankung leide, die zur Folge habe, dass er sich und seine Familie verletze oder töte. Hierauf deute der beim Kläger gefundene Brief hin. Auch habe sich der Kläger einer Untersuchung widersetzt. Mit weiterem Beschluss vom 21.05.1999 wurde das Krankenhaus A ... zur Prüfung einer geschlossenen Unterbringung (§ 1906 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.
Im Gutachten von Dr. T ... vom 01.06.1999 ist ausgeführt, die Ehefrau des Klägers habe seit etwa zwei bis drei Wochen an dem Kläger zunehmend fanatisch religiöse Verhaltensweisen beobachtet, die immer handlungsbestimmender geworden seien. Er habe behauptet, dass in nächster Zeit "wichtige Dinge" passieren würden, die die "Weltgeschichte" verändern würden. Er bezeichne sich selbst als "Mitheiligen von Christus" und dazu auserwählt, religiöse Botschaften zu überbringen. Er fühle sich von der AOK und der Mafia verfolgt. Am 19.05.1999 sei es, nachdem die Ehefrau das Konto gesperrt hätte, zu einer Auseinandersetzung gekommen, in der er geäußert habe: "Du kommst hier nicht mehr lebend raus". Am 20.05.1999 sei es zu einer erneuten Auseinandersetzung gekommen. Bei massiv verbal aggressiven Verhaltensweisen sei die Ehefrau mit dem Kind zu Nachbarn geflüchtet und habe Polizei und Notarzt alarmiert.
Während des stationären Aufenthalts habe sich der Kläger nicht untersuchen lassen. Psychologische Tests seien weitgehend nicht durchführbar gewesen. Bis 01.06.1999 habe der Kläger eine Nahrungsaufnahme verweigert. Über eine aufgenommene Flüssigkeitsmenge könnten keine Aussagen gemacht werden, da der Kläger in Anwesenheit des Personals nicht getrunken habe. In der Beurteilung ist festgehalten, der Kläger leide an Schizophrenie. Die ausgeprägten Wahninhalte würden zunehmend handlungsbestimmend. In Kombination mit den bereits in den letzten Jahren aufgetretenen depressiven Phasen mit Suiziddrohungen liege eine akute Eigengefährdung vor. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass der Kläger mit seinem Leben abgeschlossen habe und versuchen werde, sich zu suizidieren. Durch die krankheitsbedingte Verweigerung von Nahrung und Flüssigkeit werde er sich ohne Behandlung in eine lebensgefährliche Situation bringen. Er plane, seine Ehefrau mit in den Tod zu nehmen. Was er mit seinen Kindern vorhabe, sei nicht zu objektivieren. Es bestehe akute Selbst- und Fremdgefährdung. Eine medikamentöse Behandlung sei dringlich und unumgänglich. Eine Entlassung ohne adäquate Therapie sei aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten. Die Eigen- und Fremdgefährdung werde so lange andauern, bis das Krankheitsbild medikamentös und psychotherapeutisch ausreichend therapiert sei. Zur Abwendung dieser Gefahr sei die geschlossene Unterbringung erforderlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 01.06.1999 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 01.06.1999 verfügte das Vormundschaftsgericht die weitere vorläufige Unterbringung des Klägers in der geschlossenen Abteilung des Krankenhauses A ... für die Dauer von 4 Wochen, längstens bis 29.06.1999. Eine medikamentöse Behandlung mit Neuroleptika wurde auch ohne und/oder gegen den Willen des Klägers für zulässig erklärt.
Am 18.06.1999 hat sich der Kläger bereit erklärt, die Behandlung freiwillig weiter führen zu lassen. Am 03.08.1999 wurde der Kläger aus dem Krankenhaus A ... entlassen.
Auf die Aufnahmeanzeige des Krankenhauses A ... vom 21.05.1999, eingegangen am 25.05.1999, hat die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.1999, eingegangen beim Krankenhaus am 03.06.1999, eine Kostenzusage für die stationäre Behandlung vom 20.05.1999 bis 02.06.1999 abgegeben. Mit Schreiben vom 17.06.1999 hat die Beklagte eine Rücknahme der Kostenzusage erklärt. Es sei erst jetzt bekannt geworden, dass der Kläger aufgrund eines vorläufigen Unterbringungsbeschlusses durch das Gericht stationär aufgenommen worden sei. Die Voraussetzungen für eine stationäre Behandlung lägen damit nicht vor.
Mit Schreiben vom 30.06.1999 führte das Krankenhaus zur Geltendmachung einer Kostenübernahme gegenüber der Beklagten aus, der Kläger leide an einer schweren psychischen Erkrankung, die eine vollstationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlich mache. Der gerichtliche Unterbringungsbeschluss berühre die rechtlichen Regelungen des SGB V nicht. Die öffentlich-rechtlich Unterbringungsvorschriften würden den Anspruch gegen die Krankenkasse nicht ausschließen. Für den Zeitraum ab 01.06.1999 hat die Beklagte die Kosten des stationären Aufenthalts übernommen, weil eine Therapie erst am 01.06.1999 begonnen worden sei. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 02.08.1999, das nach Einsicht in die kompletten Behandlungsunterlagen erstattet worden sei, habe eine Behandlung im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 wegen des Gerichtsbeschlusses und auf Grund Krankheits- und Behandlungsuneinsichtigkeit des Klägers nicht stattgefunden.
Die vom Krankenhaus A ... mit den Schreiben vom 09.08.1999 und vom 27.08.1999 an das Vormundschaftsgericht gerichteten Anträge auf Übernahme der Kosten für den Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 blieben ebenso erfolglos. Nach Hinweis des Vormundschaftsgerichts mit Schreiben vom 31.08.1999 auf eine Kostentragungspflicht des Patienten nach § 36 des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) hat das Krankenhaus mit Schreiben vom 13.09.1999 die Bitte geäußert, den Beschluss vom 21.05.1999 zu überprüfen. Der Kläger sei aus ihrer Sicht vom Aufnahmetag an krankenhausbedürftig gewesen. Nachdem das Vormundschaftsgericht auf die Sachstandsanfrage keine Veranlassung zur Tätigkeit erkannt hat, wurde vom Krankenhaus A ... gegen den Freistaat Sachsen ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht. Das Amtsgericht sei zur Kostentragung für den Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 verpflichtet, weil dem Kläger die notwendige medizinische Behandlung durch den Beschluss vom 21.05.1999 verweigert worden sei. Das Oberlandesgericht Dresden hat den Antrag mit Bescheid vom 29.08.2000 zurückgewiesen. Eine Pflichtverletzung der zuständigen Richterin habe nicht vorgelegen. Eine Genehmigung zur Medikamentierung gegen den Willen des Betroffenen könne nur angeordnet werden, soweit ein Antrag des Ordnungsamtes vorliege bzw. der Betroffene nicht in der Lage sei, die Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen und danach zu handeln oder eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliege. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben gewesen. Nach dem Protokoll zur Anhörung vom 21.05.1999 habe der Vertreter des Ordnungsamtes keinen Antrag auf eine geschlossene Unterbringung gestellt, sondern lediglich einen Antrag auf Begutachtung. Eine akute Selbstgefährdung sei damals nicht zu erkennen gewesen.
Mit Schreiben vom 24.01.2000 stellte das Krankenhaus A ... dem Kläger die Kosten für den stationären Aufenthalt in Rechnung. Trotz vieler Bemühungen habe ein Kostenträger nicht gefunden werden können. Das Vormundschaftsgericht übernehme die Kosten nicht. Falls er die Rechnung nicht begleichen könne, werde auf die Möglichkeit eines Sozialhilfeantrags beim Landeswohlfahrtsverband hingewiesen.
Mit Schreiben vom 09.02.2000 verwies der vom Sozialgericht beigeladene Landeswohlfahrtsverband den Kläger darauf, seinen Anspruch gegen die Krankenkasse geltend zu machen. Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) könnten wegen des Grundsatzes der Nachrangigkeit nicht in Betracht gezogen werden. Ein Anspruch auf Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten bestehe unabhängig von der einstweiligen Anordnung über die geschlossene Unterbringung.
Mit Schreiben vom 11.02.2000 beantragte der Kläger unter Beifügung des Schriftverkehrs mit dem Landeswohlfahrtsverband bei der Beklagten eine Freistellung von den Kosten des stationären Aufenthalts in Höhe von 3.716,04 DM (abzüglich Zuzahlung 3.548,04 DM).
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.03.2000 ab. Voraussetzung für einen Anspruch sei eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Darüber hinaus müsse der Versicherte zum Zweck der Krankenbehandlung in die Einrichtung aufgenommen gewesen sein. Hieran fehle es. Die Unterbringung im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 sei nach dem Beschluss des Vormundschaftsgerichts zur Durchführung einer Begutachtung erfolgt. Eine Therapie bzw. Krankenbehandlung habe nicht stattgefunden. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.01.1973, 3 RK 55/71) insbesondere auch dann ausgeschlossen, wenn der Versicherte ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit untergebracht werde. Diese Auffassung habe das Vormundschaftsgericht mit Schreiben vom 31.08.1999 an das Krankenhaus bestätigt. Gemäß § 36 SächsPsychKG habe der Patient die Kosten der Unterbringung zu tragen.
Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 07.06.2000). In den Befundberichten vom 01.06.1999 und vom 04.06.1999 habe Dr. T ... bestätigt, dass bis zum 31.05.1999 keine Therapie oder Behandlung stattgefunden habe. Dieser Sachverhalt sei mit dem Gutachten des MDK vom 28.07.1999 bestätigt. Bis zum 31.05.1999 habe weder eine Krankheits- noch eine Behandlungseinsicht vorgelegen. Erst ab dem 01.06.1999 seien die Medikamente eingenommen worden. Die Unterbringung eines Versicherten, die aus Verwahrungsgründen erfolge (z.B. weil infolge der Krankheit die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sich oder andere ernstlich gefährdet würden) stelle keine Krankenhausbehandlung im Sinne des SGB V dar (BSG, Urteil vom 12.11.1985, 3 RK 33/84).
Hiergegen richtete sich die am 06.07.2000 beim Sozialgericht erhobene Klage. In der Zeit vom 21.05.1999 bis 03.06.1999 seien beim Kläger verschiedene Behandlungen durchgeführt worden. Am 21.05.1999 seien Blut- und Urinentnahmen einschließlich der dazugehörigen Laboruntersuchungen erfolgt. Dem Kläger seien auch Medikamente verabreicht worden (z.B. Xinovan). Im sog. Optiplan sei eine umfangreiche Verhaltensdokumentation, ausgehend von Beobachtungen und Gesprächen des Klägers mit Ärzten und Personal, erfolgt. Neben einer Vielzahl von Einzelgesprächen habe der Kläger auch an Gruppengesprächen sowie an weiteren Beschäftigungsangeboten teilgenommen. Während der gesamten Zeit seien in Abständen (21.05., 24.05., 25.05., 31.05.) Kreislaufkontrollen (Blutdruckmessung/Puls) durchgeführt worden. Auch hätten weitere Untersuchungen durch Ärzte und Gespräche mit Psychologen stattgefunden. Der Kläger habe kaum Nahrung und Flüssigkeit zu sich genommen, so dass eine fortlaufende Überwachung und Kontrolle erforderlich gewesen sei.
Zu den in § 39 SGB V festgelegten Behandlungszielen gehöre auch die Erkennung einer Krankheit. Der Kläger sei mit dem Verdacht einer paranoiden Psychose eingeliefert worden. Der Aufenthalt sei zur Feststellung einer abschließenden Diagnose notwendig gewesen. Allein die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 21.05.1999 versagte medikamentöse Behandlung des Klägers stehe einer Krankenhausbehandlung nicht entgegen. Die Diagnosestellung sei vorrangig gewesen und habe nur durch eine möglichst lückenlose Verhaltensdokumentation unter Beteiligung von geschultem Personal und Ärzten erfolgen können.
Die Rechnung des Krankenhauses habe der Kläger aufgrund seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht begleichen können. Das Krankenhaus sei gebeten worden, bis zum Ausgang dieses Verfahrens keine kostenauslösenden Maßnahmen einzuleiten.
Die Beklagte hat erwidert, der MDK habe zur Prüfung, ob vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 eine Krankenhausbehandlung durchgeführt worden sei, eine Begutachtung im Krankenhaus unter Sichtung der kompletten Unterlagen durchgeführt. Danach sei keine Krankenhausbehandlung durchgeführt worden. Die Blut- und Urinentnahmen, Laboruntersuchungen sowie die Beobachtungen und Gespräche seien ausschließlich zur Erstattung des gerichtlich angeordneten Gutachtens erfolgt. Dieses Gutachten sei allein zur Ausführung der dem Vormundschaftsgericht obliegenden Aufgaben in Auftrag gegeben worden. Der dadurch veranlasste stationäre Aufenthalt könne deshalb nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gehen. Zudem sei mit dem Beschluss eine medikamentöse Behandlung bis 31.05.1999 untersagt worden. Dieses Hinauszögern der Verweildauer verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V).
Der Beigeladene zu 1. hat sich der Auffassung des Klägers angeschlossen. Der Sozialhilfeantrag des Klägers sei mit Bescheid vom 09.02.2000 zu Recht und im Übrigen bestandskräftig abgelehnt worden.
Mit Urteil vom 11.04.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides verurteilt, die Kosten des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 zu übernehmen. Die Voraussetzungen für eine stationäre Krankenhaushandlung im Sinne von § 39 SGB V hätten vorgelegen. Der Leistungspflicht der Beklagten stehe nicht entgegen, dass die Aufnahme unterbringungsbedürftiger Personen in einer Krankenanstalt in erster Linie bezwecke, eine Gefährdung zu beseitigen. Zwar setze eine Unterbringung nicht voraus, dass auch eines der in § 39 SGB V genannten Behandlungsziele angestrebt werde und erreicht werden könne. Jedoch liege nach der Rechtsprechung des BSG auch dann auch eine Leistungspflicht der Krankenkasse vor, wenn es sich um eine medizinische Behandlung handele, die nur mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses durchgeführt werden könne, die Unterbringung also nicht allein auf der Gefährlichkeit des Versicherten und der damit verbundenen Notwendigkeit der Verwahrung beruhe (BSG, Urteil vom 23.01.1975, 3 RK 55/71).
Beim Kläger sei ab 20.05.1999 eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen. Mit dem Gutachten von Dr. T ... vom 01.06.1999 sei festgestellt, dass eine Entlassung des Klägers ohne adäquate Therapie aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten gewesen sei. Das Behandlungsziel habe damit nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden können und habe bereits ab dem Aufnahmetag eine vollstationäre Behandlung des Klägers erforderlich gemacht. Die Unterbringung habe somit nicht allein auf der Gefährlichkeit des Klägers beruht.
Nicht maßgebend sei in diesem Zusammenhang, dass eine medikamentöse Behandlung erst ab 01.06.1999 habe begonnen werden können. Der stationäre Aufenthalt habe bereits ab dem 20.05.1999 der Erkennung einer Krankheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V gedient. Aus dem nervenärztlichen Gutachten vom 01.06.1999 ergebe sich eine umfangreiche Diagnostik, die zu dem Ergebnis geführt habe, dass eine medikamentöse Behandlung dringlich und unumgänglich gewesen sei. Die Doppelfunktion des Aufenthalts - zur Erstattung des Gutachtens wie auch zur Diagnosestellung - schließe den Anspruch gegen die Krankenkasse nicht aus.
Gegen das am 24.04.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.05.2003 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie macht unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags geltend, die durchgeführte Diagnostik sei ausschließlich zur Erstattung des vom Vormundschaftsgericht angeordneten Gutachtens erfolgt. Darüber hinaus müsse auch bei einer Bewertung als Krankenhausbehandlung das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) berücksichtigt werden. Bei einer vom Amtsgericht angeordneten Behandlungsmöglichkeit hätte die Diagnose in höchstens zwei Behandlungstagen gestellt werden können. Die Tatsache der durch das Amtsgericht angeordneten 14-tägigen Unterbringung ohne Behandlungsmöglichkeit könne nicht dazu führen, dass die Krankenkasse die gesamten Kosten tragen müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11.04.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 eine stationäre Behandlung (§ 39 SGB V) im S ... Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie A ... erforderlich gewesen ist.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben keinen Antrag gestellt.
Auf richterlichen Hinweis zu der Entscheidung des BSG vom 09.10.2001 (B 3 KR 6/01 R), wonach § 13 SGB V dem Versicherten keine Handhabe biete, die Feststellung der Leistungspflicht der Krankenkasse zu betreiben und der Leistungserbringer gehalten sei, einen etwaigen Streit über die Leistungspflicht der Krankenkasse unmittelbar mit dieser auszutragen, hat der Kläger vorgebracht, die Grundsätze dieser Entscheidung seien nicht übertragbar. Bei einer Klagerücknahme würde die Entscheidung der Beklagten rechtskräftig.
Der als Träger des S ... Krankenhauses A ... vom Senat Beigeladene zu 2. hat ausgeführt, die Einrichtung habe die Kosten zu Recht gegenüber dem Kläger geltend gemacht. Es habe sich um Unterbringungskosten im Sinne von § 36 SächsPsychKG und nicht um Krankenhausbehandlungskosten nach § 39 SGB V gehandelt. Das Krankenhaus sei, wie vom MDK im Gutachten vom 02.08.1999 festgestellt, davon ausgegangen, dass eine Krankenhausbehandlung nicht stattgefunden habe. Eine Sachleistung nach dem Krankenversicherungsrecht, die gegenüber der Krankenkasse zu liquidieren gewesen wäre, habe damit nicht vorgelegen.
Nicht nachvollziehbar sei indes, warum der Beigeladene zu 1. den Sozialhilfeantrag des Klägers von vornherein abgelehnt und ihn auf eine Inanspruchnahme der beklagten Krankenkasse verwiesen habe. Substantiierte Feststellungen zu seiner Leistungspflicht habe er nicht getroffen. Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 SächsPsychKG sei der überörtliche Sozialhilfeträger verpflichtet, die Unterbringungskosten zu übernehmen, soweit und solange der Betroffene oder andere diese nicht unmittelbar tragen könnten. Ihm stehe ggf. ein Regressanspruch gemäß § 36 Abs. 3 Satz 2 SächsPsychKG zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Vormundschaftsgerichts Dresden (Geschäftsnummer 403 XIV L 0066/99) sowie die Sozialhilfe-Akte des Beigeladenen zu 1., deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung erfolgte gemäß § 155 Abs. 3, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Der vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachte Hauptanspruch auf Freistellung von den Kosten gegenüber dem Beigeladenen zu 2. als Träger des Krankenhauses erweist sich als unbegründet. Der vom Kläger hilfsweise erhobene Anspruch auf Feststellung einer stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 ist indes zulässig und auch begründet.
Ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Übernahme der durch den stationären Aufenthalt im Krankenhaus A ... entstandenen Kosten bzw. auf Freistellung von einer entsprechenden Verbindlichkeit besteht nicht.
Der Anspruch ist nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V zu begründen. Der Kläger ist keine Verpflichtung zur Bezahlung der Krankenhauskosten eingegangen. Erweist sich das Vorbringen einer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit als richtig (dazu noch unten), so scheitert ein Freistellungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte daran, dass die Behandlung als Sachleistung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgte. Dies lässt Vergütungsansprüche nur im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse entstehen (BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R).
Unter diesen Umständen kommt ein Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V nicht in Betracht. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Versicherte sich eine Leistung selbst beschafft hat, d.h. auf eigene Kosten beschaffen musste, weil die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen oder sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Eine solche Konstellation hat indes nicht vorgelegen. Denn insbesondere die Ärzte des Krankenhauses A ... sind davon ausgegangen, dass eine Behandlung zu Lasten der Krankenkasse gewährt worden sollte. Dem entspricht es, dass das Krankenhaus einen Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten gestellt und auch die anschließende Rechnung an diese gerichtet hat. An den Kläger hat sich das Krankenhaus erst gewandt, nachdem die Beklagte das Vorliegen einer Krankenhausbehandlungsdürftigkeit verneint und eine Kostenübernahme abgelehnt hat.
Dem Beigeladenen zu 2. als Träger des Krankenhauses A ... steht ein Anspruch auf Bezahlung der Kosten für den stationären Aufenthalt auch nach zivilrechtlichen Grundsätzen nicht zu.
Ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag (Behandlungsvertrag, Krankenhausaufnahmevertrag), in dem der Kläger sich verpflichtet hätte, für die Kosten des Aufenthalts selbst aufzukommen, ist mit dem Krankenhaus nicht abgeschlossen worden. Der Kläger selbst hat eine dahingehende Erklärung weder mündlich noch schriftlich abgegeben. Gleiches gilt für seine Ehefrau, die bei der Aufnahme im Krankenhaus schon gar nicht anwesend war. Auch ein Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten, wie etwa die Entgegennahme üblicherweise nur gegen Vergütung gewährter Leistungen, scheidet aus. Das Krankenhaus hat den Aufenthalt als Notfallbehandlung gegenüber der Beklagten angezeigt und an diese einen Kostenübernahmeantrag gerichtet. Es hat also mit der Aufnahme der Klägers und dem weiteren Aufenthalt gerade kein auf eine Entgeltverpflichtung des Klägers gerichtetes Vertragsangebot unterbreitet.
Bei der gegebenen Sachlage schuldet der Kläger dem Krankenhaus auch keine Vergütung aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 BGB) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB). Eine Behandlung als Privatpatient mit der Verpflichtung, die entstehenden Kosten selbst zu zahlen, entsprach weder dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Klägers noch seinem Interesse. Während der Zeit vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 hielt sich der Kläger - krankheitsuneinsichtig - gegen seinen Willen im Krankenhaus auf. Eine Behandlung als Privatpatient entsprach auch unter Außerachtlassung dessen nicht seinem Interesse. Bei einem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ist vielmehr davon auszugehen, dass er die Leistungen als Kassenpatient erhalten will. Ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB scheitert mithin daran, dass in diesem Fall des Mehrpersonenverhältnisses nicht das Krankenhaus, sondern die Krankenkasse Leistender ist (BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 3 KR 6/01 R).
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung ergibt sich auch nicht aus § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG. Danach hat der Patient die Kosten einer nach diesem Gesetz durchgeführten Unterbringung zu tragen. Hat eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit tatsächlich nicht vorgelegen, so ist auch eine Kostenpflicht der Krankenkasse nicht gegeben.
Bei alledem besteht eine Verbindlichkeit des Klägers, die einen Freistellungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 SGB V gegen die Beklagte begründen könnte, nicht. Dementsprechend hat auch das BSG in der Entscheidung vom 09.10.2001 (a.a.O.) herausgestellt, dass eine eigene Zahlungsverpflichtung des Versicherten, für den Fall, dass er davon ausgehen konnte, die Leistungen als Kassenpatient zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten, nicht entstehen kann. Der Leistungserbringer muss einen etwaigen Streit über die Leistungspflicht der Krankenkasse vielmehr unmittelbar mit dieser austragen. Soweit dem Versicherten in früheren Entscheidungen des BSG das Recht zugebilligt worden war, zur Vermeidung einer eigenen Inanspruchnahme die Feststellung der Leistungspflicht der Krankenkasse gegenüber dem Leistungserbringer zu betreiben, hat das BSG an dieser Rechtsprechung nicht festgehalten.
Demgegenüber ist der vom Kläger gestellte Hilfsantrag auf Feststellung einer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im streitigen Zeitraum zulässig. Denn der vorliegende Sachverhalt ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Kläger aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 21.05.1999 im Krankenhaus A ... stationär untergebracht wurde. Insoweit ist mit § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG eine Kostentragungspflicht des Patienten normiert. Auf Gesetz oder Vertrag beruhende Verpflichtungen Dritter, insbesondere eines Sozialleistungsträgers, bleiben indes unberührt (§ 36 Abs. 1 Satz 4 SächsPsychKG). Hierbei handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, weil die Verpflichtungen der Sozialleistungsträger bundesgesetzlich geregelt sind. Eine Kostentragungspflicht des Klägers nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG wäre mithin ausgeschlossen, wenn das Krankenhaus berechtigt und verpflichtet ist, die Kosten von der Beklagten zu verlangen, weil eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nach Maßgabe von § 39 SGB V vorgelegen hat. Hat das Krankenhaus - wie hier - gegenüber dem Versicherten die Kosten geltend gemacht, ist dem Kläger wegen der sich aus § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG ergebenden finanziellen Betroffenheit berechtigt - eine diesen Anspruch ausschließende - Feststellung auf Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit geltend zu machen. Hingegen kommt auch bei der hier gegebenen besonderen Konstellation einer subsidiären Kostentragungsverpflichtung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG bei einem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Freistellung von den Kosten gegenüber dem Krankenhaus nicht in Betracht. Bei einem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ist es nicht gerechtfertigt, dass der Versicherte im Interesse des Leistungserbringers dessen Zahlungsanspruch klären lässt, um diesem damit weitere Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse und insbesondere einen eigenen Prozess zu ersparen (BSG, Urteil vom 09.10.2001, a.a.O.). Der Anspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung ergibt sich aus § 39 SGB V. Vom Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versicherten sowie vom Versicherungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Versicherten, kraft dessen der Versicherte die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung verlangen kann, ist das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse zu trennen (BSG, Urteil vom 17.05.2000, B 3 KR 33/00 R = BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Offen bleiben kann deshalb auch, ob das Krankenhaus eine Zahlung von der Krankenkasse allein aufgrund der Kostenübernahmeerklärung vom 01.06.1999 verlangen kann bzw. ob deren Rücknahme mit Schreiben vom 17.06.1999 Rechtswirkungen entfaltet (vgl. zu den Wirkungen einer Kostenzusage: BSG, Urteil vom 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R = BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1, Urteil vom 12.11.2003, B 3 KR 1/03 R). Insoweit bleibt es auch weiterhin Angelegenheit des Krankenhauses, die Zahlung gegenüber der Krankenkasse nach Maßgabe von §§ 109, 112 SGB V ggf. in Verbindung dazu bestehender Sicherstellungsverträge geltend zu machen.
Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 ist auch begründet. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger aufgrund des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts vom 21.05.1999 im Krankenhaus zur Begutachtung untergebracht und eine Behandlung gegen oder ohne seinen Willen für unzulässig erklärt worden ist.
Gemäß § 39 Abs. 1 SGB V wird eine Krankenbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Erkrankung für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.
Beim Kläger war eine vollstationäre Behandlung im Krankenhaus A ... in der Zeit vom 20.05.1999 bis 30.05.1999 erforderlich. Eine Krankenhausbehandlung liegt nur vor, wenn eines der in § 27 Abs. 1 SGB V genannten Ziele verfolgt wird. Die stationäre Behandlung muss notwendig sein, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Allen genannten Behandlungszielen ist gemeinsam, dass es sich um medizinische Gründe handelt, die für die gezielte medizinische Bekämpfung der Krankheit maßgeblich sind.
Andere Gründe und Motive für eine stationäre Versorgung als die genannten Behandlungsziele können indes einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung nicht auslösen. Dies gilt z.B. dann, wenn die stationäre Unterbringung nur noch zur Pflege erforderlich ist. Ebenso genügen soziale Gründe nicht, um einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu begründen, z.B. wenn ein Pflegeplatz nicht gefunden werden kann. Auch reichen sozialpädagogische Maßnahmen ohne therapeutische Zielsetzung, Maßnahmen mit dem Ziel eine selbständigere Lebensführung zu ermöglichen oder Verwahrlosung zu verhindern, nicht aus. Eine Krankenhausbehandlung liegt auch dann nicht vor, wenn die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt zur Verwahrung erfolgt, wenn der Kranke die öffentliche Sicherheit und Ordnung, sich selbst oder andere gefährdet.
Eine Krankenhausbehandlung in den beschriebenen Fällen ist allerdings nur dann nicht gegeben, wenn ausschließlich diese Gründe für die stationäre Unterbringung maßgeblich sind. Erfordert ein Behandlungsziel im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V die stationäre Unterbringung, so ist eine Leistungspflicht der Krankenkasse nicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 26.05.1970, 3 RK 45/69 = SozR Nr. 28 zu § 184 RVO, BSG SozR Nr. 39 zu § 184 RVO). Mithin ist eine Leistungszuständigkeit der Beklagten nicht schon wegen der vom Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 21.05.1999 zur Begutachtung angeordneten Unterbringung ausgeschlossen.
Der Anspruch des Versicherten auf eine Krankenhausbehandlung setzt darüber hinaus voraus, dass die besonderen Mittel des Krankenhauses benötigt werden, um eines der genannten Behandlungsziele zu erreichen.
Zu den besonderen Mitteln des Krankenhauses gehören eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal sowie ein jederzeit rufbereiter Arzt. Dabei wird weder der notwendige Einsatz aller dieser Mittel gefordert, noch der Einsatz eines dieser Mittel stets als ausreichend angesehen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wobei den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 12.11.1985, 3 RK 33/94 = SozR 2000 § 184 Nr. 28).
Nach diesen Maßstäben ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entscheidend, dass beim Kläger im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 keine medizinische Behandlung mit therapeutischer Zielsetzung und insbesondere keine medikamentöse Behandlung erfolgte. Denn die stationäre Unterbringung war, wie das Sozialgericht zu Recht erkannt hat, zur Erkennung einer Krankheit und damit eines Behandlungsziels im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich.
Der Kläger wurde am 20.05.1999 nachts vom Notarzt in das Krankenhaus gegen seinen Willen eingewiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine psychische Erkrankung des Klägers nicht diagnostiziert. Lediglich am 17.05.1999 hatte der Kläger einen ambulant tätigen Facharzt für Psychiatrie aufgesucht, von dem er nach Schilderung seiner aktuellen Belastungssituation arbeitsunfähig geschrieben wurde. Danach verschlechterte sich der Zustand des Klägers erheblich, bis er am 20.05.1999 einen Brief an Bekannte und andere Personen und Einrichtungen schrieb, in dem er angab, bis morgen 12 Uhr keinem Menschen etwas zuleide zu tun. Dies wisse er, weil er von Gott andere Einblicke in seine Geheimnisse erhalten habe als alle anderen Personen. Es sei falsch, dass er eine Gefahr für andere Menschen darstelle. Er stelle eine Gefahr für viele Menschen dar. Seine Frau erhalte natürlich von ihm die Erlaubnis, das gemeinsame Haus bis morgen 12 Uhr zu verlassen, denn um diese Zeit werde die Welt für viele Menschen anders aussehen. Die Auseinandersetzung mit der Ehefrau am 20.05.1999, in der der Kläger in einen Erregungszustand mit hochgradiger verbaler Aggression geriet, führte schließlich zur Alarmierung der Polizei und der nachfolgenden Einweisung durch den Notarzt in das Krankenhaus A ... Von der Stationsärztin Dr. T ... wurde am 21.05.1999 als vorläufige Diagnose eine paranoide Psychose angegeben. Bei der Anhörung vom 21.05.1999 hat sie bekundet, die Belastung in den vergangenen Jahren, die Kündigung zum 31.07.1999 wie auch eine beabsichtigte Selbständigkeit habe möglicherweise zu einer Psychose geführt. Der Kläger hatte am 21.05.1999 erklärt, sich nicht untersuchen und auch nicht begutachten zu lassen. Insoweit lagen weder ausreichende Befunde vor noch war deren Erhebung möglich, so dass eine sichere Diagnose nicht gestellt werden konnte.
Zur Feststellung der Art und des Umfangs der Erkrankung des Klägers war der stationäre Aufenthalt im Krankenhaus A ... auch im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 erforderlich. Wegen der Verweigerung des Klägers im streitigen Zeitraum konnte kein allgemein klinischer Befund, keine neurologische Untersuchungen wie auch weder ein Computertomogramm oder ein Elektroencephalogramm zum Ausschluss hirnorganischer Veränderungen vorgenommen werden. Psychologische Tests waren aus dem gleichen Grund ebenso weitgehend nicht durchführbar. Möglich waren lediglich orientierende Gespräche. Eine Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr wurden vom Kläger ebenso abgelehnt. In Anwesenheit von Personal hat der Kläger keine Flüssigkeit zu sich genommen. Bei dem am 26.05.1999 erfolgten Besuch seiner Ehefrau und der Kinder hat er mit ihnen kein einziges Wort gesprochen und sie ignoriert. Erst am 01.06.1999 hat der Kläger morgens gegessen und getrunken mit der Begründung, weil heute Kindertag sei. Auch hat er an diesem Tag geäußert, er werde bald im Himmel sein und seine Frau mitzunehmen.
Mit Blick auf alle diese spezifischen Umstände war eine ständige stationär-ärztliche Präsens zur Erkennung der Krankheit des Klägers notwendig. Insbesondere die vom Kläger verweigerten Untersuchungen und Mitwirkungen an psychologischen Tests haben die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ausgeschlossen. Von sich aus hätte der Kläger keinen Arzt aufgesucht. Damit waren ambulante Behandlungsalternativen nicht möglich.
Die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im streitigen Zeitraum ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb in Frage zu stellen, weil das Vormundschaftsgericht nicht zugleich eine medikamentöse Behandlung gegen den Willen des Klägers angeordnet hat. Insoweit hat bereits das OLG Dresden in seinem Bescheid vom 29.08.2000 ausgeführt, dass das Vormundschaftsgericht eine Genehmigung zur Medikamentierung gegen den Willen des Betroffenen nur anordnen kann, soweit ein Antrag des Ordnungsamtes vorliegt bzw. der Betroffene nicht in der Lage ist die Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen und danach zu handeln oder eine akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung vorliegt. Die notwendige Begutachtung habe eine solche Maßnahme nicht gerechtfertigt. Nach dem Protokoll über die Anhörung vom 21.05.1999 habe der Vertreter des Ordnungsamtes einen solchen Antrag nicht gestellt. Eine akute Selbst- oder Eigengefährdung sei nach der Einweisung am 20.05.1999 zunächst nicht zu erkennen gewesen. Diese ist erst im Laufe des stationären Aufenthalts offenbar geworden und hat, wie im Gutachten von Dr. T ... vom 01.06.1999 ausgeführt, zu der Feststellung berechtigt, dass eine Entlassung des Klägers ohne adäquate Therapie aus ärztlicher Sicht auf keinen Fall zu vertreten war.
Auch soweit die Beklagte eingewandt hat, zur Feststellung der Diagnose hätte es nur ein bis zwei Tage, aber nicht wie mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts angeordnet, eines 2-wöchigen Zeitraums bedurft, ist damit die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nicht in Frage zu stellen. Die Zeitdauer ist maßgeblich dadurch mitbestimmt bzw. ausgeschöpft worden, dass der Kläger nicht bereit war, an Untersuchungen bzw. Tests mitzuwirken. Das Vormundschaftsgericht hat indes nicht eine Behandlung des Klägers schlechthin, sondern nur gegen seinen oder ohne seinen Willen ausgeschlossen. Eine fehlende Mitwirkung zur Verkürzung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im streitigen Zeitraum kann dem Kläger indes schon deshalb nicht vorgehalten, weil er krankheitsbedingt behandlungsuneinsichtig war.
Bei alledem ist festzustellen, dass beim Kläger im Zeitraum vom 20.05.1999 bis 31.05.1999 eine stationäre Behandlung im Krankenhaus A ... erforderlich und sonach dem Begehren des Klägers im Hilfsantrag zu entsprechen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved