L 2 U 117/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 4/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 117/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 03.07.2000 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.1998 wird geändert. II. Es wird festgestellt, dass der Kläger infolge des Arbeitsunfalles vom 12.06.1997 an einem chronifizierten Kopfschmerzsyndrom mit Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen leidet. III. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Verletztengeld bis zum 30.03.2003 zu gewähren. IV. Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger ab dem Ende des Verletztengeldanspruchs eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v. H. zu gewähren. V. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen trägt die Beklagte. VI. Die Revision wird hinsichtlich Nr. III des Tenors zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Folgen eines Verkehrsunfalles vom 12.06.1997 und, ob die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen dieses Verkehrsunfalles Verletztengeld über den 26.10.1997 hinaus und eine Verletztenrente zu gewähren hat.

Der am 15.04.1952 geborene Kläger war seit Oktober 1992 als Verkaufsberater der H ... Deutschland GmbH tätig und in dieser Funktion zuständig für den Verkauf des gesamtes Programmes der Firma. In einem Zeugnis seines Arbeitgebers vom 31.12.2000 wird der Kläger als belastbar beschrieben. Er habe auch unter Zeitdruck die richtigen Prioritäten gesetzt, sei ein sehr guter, zuverlässiger und überdurchschnittlich arbeitender Mitarbeiter gewesen. Seine Aufgaben habe er stets zur vollsten Zufriedenheit seines Arbeitgebers erledigt.

Am 12.06.1997 erlitt der Kläger auf dem Rückweg von einem Kunden gegen 17.45 Uhr einen Verkehrsunfall, bei dem sein in diesem Moment wegen einer Baustelle stehender Pkw von einem nachfolgenden Pkw angefahren wurde. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 13.06.1997 kam es zur typischen Nickbewegung des Kopfes, zunächst nach vorn und dann nach rückwärts gegen die Kopfstützen. Nachfolgend seien Schmerzen in der Halswirbelsäule (HWS) eingetreten. Die Einweisung in das Klinikum des Kreiskrankenhauses R ...-G ... sei um 18.45 Uhr durch den Notarzt erfolgt. Die Untersuchung habe keinen Anhalt für ein Schädelhirntrauma ergeben. Es habe sich ein Druck- und Klopfschmerz über der mittleren und oberen HWS mit Bewegungseinschränkung, besonders in Linksrotation und Neigung gefunden.

Als Diagnose ist auf dem Durchgangsarztbericht eine HWS-Distorsion mit fraglicher Infraktion des Dens axis vermerkt. Der Kläger befand sich nach dem Unfall bis zum 15.07.1997 unter der Diagnose eines HWS-Schleudertraumas mit sistierenden Beschwerden in stationärer Behandlung. Aus einem Schreiben des Oberarztes Dipl.-Med. R ... vom 26.06.1997 an die Beklagte geht hervor, dass eine Fraktur des Dens axis radiologisch ausgeschlossen worden war. Primär hätten keine sensiblen Störungen, jedoch Nackenbeschwerden bestanden. Am 16.06.1997 habe der Kläger erstmals über Kopfschmerzen geklagt. In einem weiteren Arztbrief vom 14.07.1997 wird ausgeführt, dass es ab dem fünften posttraumatischen Tag zu zunehmenden Kopfschmerzen gekommen sei, die unter Schmerzmittelgabe sowie durchblutungsfördernden Maßnahmen nicht zurückgegangen seien. Wegen der fortbestehenden Beschwerden sei eine nochmalige Diagnostik mit Lumbalpunktion, EEG und MRT des Schädels und der HWS erfolgt. In der Lumbalpunktion habe sich kein pathologischer Befund gezeigt. Das MRT habe keinen Nachweis frischer Verletzungen im HWS- und Intracerebralbereich, sondern lediglich vorbestehende subligamentäre Bandscheibenprotrusionen im Bereich der Segmente C5/6 und C6/7 erbracht. Der Verlauf habe sich auf Grund einer psychischen Alteration des Klägers schwieriger gezeigt.

Nachdem der Kläger am 15.07.1997 aus der stationären Behandlung entlassen worden war, wurde vom 17.07. bis 16.08.1997 eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung durchgeführt. In der Mitteilung des Arztes der Rehabilitationseinrichtung vom 15.08.1997 wird angegeben, dass die Halskrawatte vier Tage vor der Entlassung abgesetzt worden sei. Eine zusätzliche psychische Belastung durch Mitpatienten, verbunden mit Schlafentzug, habe zur zeitweiligen Steigerung der Kopfschmerzen geführt und sei als psychosomatische Komponente des Cephalgiekomplexes eingeschätzt worden. Im Gespräch habe ein Rückzugsverhalten gegenüber Mitpatienten eruiert werden können, da intensives Kommunizieren und Gespräche den Kläger angestrengt und zur Steigerung der Kopfschmerzen geführt hätten. Der Kläger wurde arbeitsunfähig entlassen.

Der Durchgangsarzt Dr. B ... teilte am 22.08.1997 der Beklagten mit, dass der Kläger sich am 20.08.1997 bei ihm vorgestellt und über einen Rückgang, jedoch kein Verschwinden der Kopfschmerzen berichtet habe. Von Seiten der HWS habe er keine wesentlichen Probleme mehr. Zu Hause habe er wieder eine Zunahme der Kopfschmerzen bei vermehrter psychischer Belastung zu verzeichnen gehabt. Er sei vorläufig weiterhin arbeitsunfähig. In etwa vier Wochen solle mit einer Wiedereingliederung mit stundenweiser Beschäftigung im Sinne einer Belastungserprobung begonnen werden.

Im Rahmen ihrer Ermittlungen zog die Beklagte am 20.08.1997 ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers bei, aus dem hervorgeht, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.1991 bis 25.07.1997 nie arbeitsunfähig erkrankt war.

Am 16.09.1997 gab der Durchgangsarzt gegenüber der Beklagten an, dass die für die nächsten Wochen beabsichtigte Belastungserprobung mit vier Stunden täglicher Arbeitszeit nicht durchführbar sei, da der Kläger weiterhin bei Belastungen unerträgliche Kopfschmerzen angebe. Der Versuch von Büroarbeit sei nicht zu tolerieren und der Kläger habe auch im Auto als Mitfahrer erhebliche Probleme gehabt. Die Kopfschmerzen träten im Stirn- und Scheitelbereich auf. Die Hauptproblematik sei wohl auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet zu suchen. Deshalb habe er den Kläger an die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie K ... überwiesen.

Diese teilte Dr. B ... nach einer Untersuchung am 14.10.1997 mit, dass die vom Kläger geschilderten Konzentrationsstörungen nicht objektivierbar seien. Der Kläger habe angegeben, dass ihn die höchstens noch endgradig eingeschränkte Kopfdrehung nach rechts beim Rückwärtsfahren im Auto behindere. Psychisch bestehe keine Angst, kein Anhalt für Depression, kein Anhalt für eine Wahnkrankheit. Durch den nahezu unauffälligen HWS-Befund seien die Kopfschmerzen nicht zu erklären.

Am 06.11.1997 führte Dr. B ... in einem Schreiben an die Beklagte aus, dass der Kläger bei der Vorstellung am 05.11.1997 über die vier Stunden tägliche Arbeitszeit während der ersten Phase der Belastungserprobung berichtet habe. Er habe erhebliche Probleme, die vier Stunden durchzuhalten, und starke Kopfschmerzen besonders nach Belastung. Daneben bestünden unverändert Konzentrationsstörungen und Mängel in der Merkfähigkeit. Die Belastungserprobung müsse ab 07.11.1997 abgebrochen werden.

Nachdem am 22.10.1997 eine psychologische Konsultation stattgefunden hatte, berichtete Dipl.-Psychologe Sch ... am 23.10.1997, dass der Kläger in der Lage sei, ein einfaches Wahrnehmungsfeld durchschnittlich gut zu erfassen. Allerdings sei bei seiner durchschnittlich bis leicht überdurchschnittlichen Grundintelligenz eine schnellere Erfassung des Wahrnehmungsfeldes zu erwarten. Er habe überdurchschnittlich viel Zeit gebraucht, die Komplexität für sich zu ordnen. Die Merkfähigkeit für visuell dargebotenes Material liege weit unter dem Durchschnitt, für verbal dargebotenes Material leicht unter dem Durchschnitt. Massive Defizite ließen sich im Bereich der Lernfähigkeit nachweisen. Hier sei nahezu kein Lernfortschritt erreicht worden. Die Abspeicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis sei massiv blockiert. Bei der Testung der punktuellen Belastungsfähigkeit sowie des Konzentrationsverlaufs falle ein sehr langsames Arbeiten auf. Die Sorgfaltsleistung sei jedoch leicht überdurchschnittlich. Zusammenfassend sei das Leistungsbild des Klägers geprägt durch eine langsame Arbeitsweise, ferner durch Schwierigkeiten, sich rasch auf eine neue Arbeitsaufgabe einzustellen, die sehr strukturiert sei. Die massiven Defizite im Bereich der Lernfähigkeit und die Merkfähigkeitsschwäche deuteten eigentlich auf ein hirnorganisches Geschehen hin. Ebenso behindere die Kopfschmerzproblematik den Kläger. Sie könne Mitursache dafür sein, dass der Kläger bei schwierigeren Aufgaben einfach aufgebe.

Am 18.11.1997 erstellte Prof. Dr. J ... Zentrum für Chirurgie der Universität L ..., für die Beklagte ein Gutachten, in dem ausgeführt wird, dass auf unfallchirurgischem Fachgebiet zum Untersuchungszeitpunkt keine objektivierbaren krankhaften Veränderungen vorgelegen hätten.

Vom 17.11. bis 19.12.1997 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Sächsischen Krankenhaus H ..., Abteilung für Neurologie. In der Epikrise vom 22.12.1997 werden folgende Diagnosen aufgeführt:

- Schmerzsyndrom der HWS durch multiple Blockierungen der kleinen Wirbelgelenke bei Zustand nach HWS-Distorsion (Verkehrsunfall), - Kopfschmerzsymptomatik und posttraumatische Belastungsstörung.

Die Blockierungen der kleinen Wirbelgelenke der HWS hätten beseitigt und eine Besserung der muskulären Verspannungen im Bereich der Schultergürtelmuskulatur erreicht werden können. Es bestehe jedoch weiterhin ein erhöhter Muskeltonus. Auf Grund der in der psychologischen Untersuchung aufgezeigten Leistungsdefizite und Persönlichkeitsauffälligkeiten werde eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. In einem beigefügten psychologischen Befundbericht von Diplom-Psychologin L ... vom 28.11.1997 wird beschrieben, dass sich vor allem stark unterdurchschnittliche Leistungen im Aufmerksamkeitsbereich und leicht unterdurchschnittliche Gedächtnisleistungen bei ansonsten durchschnittlichen Ergebnissen gefunden hätten. Im Vordergrund stehe eine Reaktionsverlangsamung und die generelle Minderung der Aufmerksamkeitskapazität. Die Symptomatik lasse sich möglicherweise als Folge einer Überforderung verstehen. Leistungsdefizite und zwanghaft gefärbte Krankheitsverarbeitungsstrategien schienen ineinander zu spielen.

In einem neurologischen Zusatzgutachten vom 17.04.1998 wurden als Diagnosen chronische Kopfschmerzen vom Spannungstyp, ferner ein Zustand nach Beschleunigungstrauma der HWS und ein Zustand nach fraglichem Schädelhirntrauma I. Grades gestellt. Auf neurologischem Fachgebiet lägen keine objektivierbaren krankhaften Veränderungen vor. Die derzeit bestehenden Kopfschmerzen, die am ehesten einem chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp zugeordnet werden könnten, seien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht direkt auf den Unfall vom 12.06.1997 zurückzuführen. Da allenfalls ein Schädelhirntrauma I. Grades bestanden habe, könne von einem völligen Rückgang von postcommotionellen Beschwerden ausgegangen werden. Auch das leichte HWS-Beschleunigungstrauma erkläre die Symptomatik nicht. Die Art der Schilderung der Beschwerden lasse eher daran denken, dass psychogene Mechanismen eine wesentliche Rolle bei der Unterhaltung des Beschwerdebildes spielten.

Dem Kläge wurde Verletztengeld bis zum 08.05.1998 gewährt.

Am 10.06.1998 wurde von dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D ... ein neuropsychiatrisches Gutachten nach Aktenlage erstellt, in dem der Gutachter zu dem Ergebnis kam, dass auf Grund der vorliegenden Befunde nicht davon auszugehen sei, dass die Beschwerden des Klägers im Zusammenhang mit dem Unfall vom 12.06.1997 stünden. Weder eine Gehirnerschütterung noch eine HWS-Distorsion I. bis II. Grades seien geeignet, über mehrere Monate hinweg Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen usw. zu verursachen.

Am 24.06.1998 erließ die Beklagte einen Bescheid, in dem sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 12.06.1997 und der Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 26.10.1997 hinaus verneinte. Ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen über den 26.10.1997 hinaus sei nicht gegeben, da die HWS-Distorsion I. bis II. Grades vom 12.06.1997 eine Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nur bis zu jenem Tag bedinge. Dem Gutachten von Prof. Dr. J ... und Dr. V ... vom 18.11.1997 lasse sich zudem entnehmen, dass sich die HWS des Klägers in achsengerechter Form mit beginnenden degenerativen Veränderungen in den kleinen Wirbelgelenken dargestellt habe und ein Hinweis auf stattgehabte Wirbelbrüche nicht vorliege, so dass die bestehenden Kopfschmerzen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen seien.

Der am 21.07.1998 hiergegen eingelegte Widerspruch führte zur Einholung zweier ärztlicher Stellungnahmen. In der Stellungnahme vom 04.08.1998 kam Dr. G ... zu dem Ergebnis, dass die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sachgerecht beurteilt worden sei. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. G ...führte in einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 24.08.1998 aus, entscheidend für die Beurteilung bleibe, dass sich Hinweise für eine belangvolle Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems nicht ergeben hätten. Für die mit einer zeitlichen Latenz von vier oder fünf Tagen zum Unfall deutlich aufgetretenen und seither bestehenden Kopfschmerzen sei nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand eine unfallbedingte Gesundheitsschädigung nicht mit der für die Anerkennung von Unfallfolgen notwendigen Wahrscheinlichkeit belegbar. Diese Feststellung gelte auch dann, wenn nicht selten und mitunter aus ärztlicher Sicht auch durchaus glaubhaft anhaltende Kopfschmerzen nach leichten HWS-Verletzungen angegeben würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.06.1998 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 05.01.1999 Klage vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhoben.

Das SG hat im Rahmen seiner Ermittlungen insbesondere Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte beigezogen und ein Gutachten auf unfallchirurgischem Fachgebiet erstellen lassen. Dr. P ... hat im Gutachten vom 03.08.1999 zunächst ausgeführt, dass der Kläger über einen ständigen Stirnkopfschmerz geklagt habe, der beidseitig links und rechts sowie tags und nachts anhalte. Bei leichten Arbeiten verstärkten sich die Schmerzen, ebenso bei häufigem Drehen des Kopfes und bei Arbeiten, die eine Konzentration erforderten (z.B. schon beim Kartoffelschälen, beim Achten auf den Weg beim Gehen, beim Achten auf den Verkehr). Bereits derartige alltägliche Konzentrationen überforderten den Kläger nach dessen Angaben, was manchmal sofort, manchmal erst einige Stunden später zu einer Verstärkung der Kopfschmerzen führe. Weiterhin habe der Kläger über eine schnelle Erschöpfbarkeit geklagt, dann trete Schwindel auf und der Kopf werde beschwerdeschwer. Auch Sehbeschwerden seien dann vorhanden; der Kläger sehe alles verschwommen und müsse sich hinlegen. Alle diese Symptome seien gleich nach dem Unfall aufgetreten und immer in gleicher Weise bestehen geblieben. Der Kläger fahre nicht mehr Auto, selbst beim Mitfahren und bei Stauchungen oder Fahrten über 30 Minuten müsse wegen der sich verstärkenden Beschwerden eine Pause eingelegt werden.

Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein Syndrom verschiedener Funktionsstörungen bestehe, von denen ständige Stirnkopfschmerzen, schnelle Erschöpfbarkeit, Schwindelgefühle, Verspannungen der Muskulatur im Bereich der HWS, allgemeine Schwäche, verminderte Merkfähigkeit und Konzentrationsschwäche besonders zu nennen seien. Als primäre Unfallfolge sei eine Distorsion der HWS belegt. Fraglich erscheine die erst nachträglich in Betracht gezogene Diagnose eines leichten Schädelhirntraumas I. Grades. Es habe keine retrograde Anmesie und auch kein Erbrechen vorgelegen, so dass es sich - wenn überhaupt - nur um ein sehr geringfügiges Schädelhirntrauma gehandelt haben könne. Da im MRT, das drei Wochen nach dem Unfall angefertigt worden sei, keine unfallbedingte Strukturveränderung nachweisbar gewesen sei, seien die jetzt geklagten Beschwerden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zu beziehen. Die geringe Verschleißerkrankung der mittleren und unteren HWS mit damit verbundenen Bandscheibenprotrusionen überschreite nicht wesentlich das Maß der altersphysiologischen Abnutzung und könne nicht als relevant für das gesamte fortbestehende Krankheitsbild aufgefasst werden. Die Anerkennung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 26.10.1997 könne als korrekt angesehen werden. Nach diesem Zeitpunkt habe keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mehr vorgelegen.

Aufgrund umfangreicher Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten (vgl. hierzu Bl. 180 bis 211 SG-Akte) hat das SG unter anderem eine ergänzende Stellungnahme von Dr. P ... eingeholt, der mit Schreiben vom 02.02.2000 ausgeführt hat, dass sich nach Befundung der vorhandenen Röntgen- und MRT-Aufnahmen keine strukturellen Verletzungen finden ließen.

Von der Beklagten ist ein biomechanisches Sachverständigengutachten von Dipl.-Ing. B ..., öffentlich bestellter und beeidigter Sachverständiger für Verletzungsmechanik, Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle, vom 07.02.2000 vorgelegt worden, in dem Dr. B ... zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein leichtes HWS-Schleudertrauma als primär Uufallkausal durch den gegenständlichen Verkehrsunfall nicht auszuschließen sei. Ein schweres HWS-Schleudertrauma liege aus biomechanischer Sicht mit Sicherheit nicht vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.07.2000 hat das SG die Klage mit dem sinngemäßen Antrag, Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztengeld, über den 26.10.1997 hinaus zu leisten, abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und insbesondere auf Zahlung von Verletztengeld über den 26.10.1997 deshalb nicht gegeben sei, weil für die über den 26.10.1997 hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit der Versicherungsfall nicht die rechtlich wesentliche Ursache gewesen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P ... mit den ergänzenden Stellungnahmen und aus dem Gutachten von Dipl.-Ing. Dr. B ... Es liege zudem zweifelsfrei keine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Grade vor.

Gegen den ihm mit Einschreiben vom 21.07.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.08.2000 Berufung insbesondere mit dem Begehren eingelegt, den Unfall vom 12.06.1997 und die sich anschließende ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit als Folge des Unfalles vom 12.06.1997 anzuerkennen. Im Berufungsverfahren ist insbesondere ein für das Landgericht Dresden erstelltes Gutachten von Prof. Dr. J ..., Institut für Fahrzeugtechnik, Betrieb und Anlagen, Sozietät unabhängiger Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle und Unfallrekonstruktion, vom 01.10.2001 vorgelegt worden. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Insassenbelastungen im Fahrzeug des Klägers für eine mögliche Verletzung der HWS ausreichend seien bzw. eine entsprechende Plausibilät nicht ausgeschlossen werden könne.

Die Beklagte hat ein von dem Neurologen und Psychiater Dr. N ... am 28.01.2002 erstelltes Gutachten vorgelegt. In diesem Gutachten wird nochmals darauf hingewiesen, dass strukturelle Verletzungen nach dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen nicht hätten nachgewiesen werden können und dass entgegen dem üblichen Heilungsverlauf eine Zunahme der beim Kläger bestehenden Beschwerden zu verzeichnen gewesen sei.

Im Verfahren ist ferner ein auf Veranlassung des SG in einem Verfahren wegen Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erstelltes Gutachten vorgelegt worden. In diesem Gutachten vom 22.02.2003 hat der Facharzt für Neurochirurgie, Orthopädie, physikalische und rehabilitative Medizin R ... zunächst ausgeführt, der Kläger habe Schmerzen vom Nacken zur Stirn und zur Schläfe bis hinter die Augenregion beidseits ausstrahlend und kopfbewegungsabhängig verstärkt angegeben. Ferner bestehe eine starke Erschütterungsempfindlichkeit z.B. beim Auto fahren und bei Bahnfahrten. An Funktionsstörungen lägen Schwächegefühl im Nacken, Gangunsicherheit bei Schmerz, Konzentrationsstörungen und Gedächtnisschwäche vor. Des Weiteren leide der Kläger unter Schwindel bei Kopfbewegungen, Schwitzen bei geringsten körperlichen Leistungen und bei Anspannung, Zittrigkeit vor allem der Hände und Ungeschicklichkeit. Dr. R ... führte weiter aus, dass nach allen verfügbaren und relevanten Röntgen- und kernspintomografischen Aufnahmen seit dem Unfalltag eine eindeutige Fehlstellung des Zahnfortsatzes des zweiten Halswirbels - des Dens axis - nach links vorliege, die für sich schon auf eine Läsion des rechten Flügelbandes des Dens axis hinweise. In den Aufnahmen aus der Praxis Dr. V ... vom 16.05.2002 fänden sich eindeutige Zeichen einer Bandverletzung mit Ausdünnung und einer Signalanhebung als Residuum einer Teilruptur. Die vom Kläger beklagten Beschwerden stünden in Übereinstimmung mit diesem Befund. Ursächlich sei eine HWS-Distorsionsverletzung III. Grades bei geeignetem Unfallmechanismus, wobei sich die Graduierung aus den nachweisbaren anatomischen Läsionen und aus dem komplexen neuro-vegetativen Beschwerdebild mehr als fünf Jahre nach dem Unfallgeschehen ableite.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit am 31.03.2003 beim SG eingegangenen Schriftsatz einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 12.06.1997 anerkannt.

Ferner ist auf Veranlassung des Senats bei dem Arzt für Orthopädie Dr. O ... ein fachorthopädisches Gutachten nach Aktenlage vom 30.09.2003 eingeholt worden. Dr. O ... hat die Röntgenaufnahmen der HWS und das MRT der HWS und des Schädels sämtlich als altersentsprechend und ohne Besonderheiten beschrieben. Der Kläger habe schon frühzeitig über eine Vielzahl unspezifischer Symptome geklagt und Kopfschmerzen seien nicht erst ab dem fünften Tag eingetreten, sondern hätten sich ab diesem Zeitpunkt verstärkt. Bei dem Kläger habe es sich zum Zeitpunkt des Unfalles um einen außergewöhnlich erfolgreichen, gesundheitlich in keiner Weise beeinträchtigten und gut verdienenden Menschen mit einem Jahresgehalt von über 100.000,00 DM gehandelt. Ein spontanes Krankheitsrisiko im Juni 1997 sei bei dem Kläger lediglich in einer Größendimension anzunehmen, wie es jedem Menschen in seiner körperlichen Existenz innewohne.

Es sei absolut ungewöhnlich, dass nach einer HWS-Distorsion eine mehr als 30-tägige stationäre Behandlung in einer chirurgischen Klinik erfolge. Bei medizinischer Betrachtungsweise sei die diagnostische Unsicherheit und therapeutische Hilflosigkeit der erstbehandelnden Ärzte nicht zu übersehen, wenn nach einer HWS-Distorsion eine lumbale Liquorpunktion durchgeführt werde. Diese Untersuchung berge das Risiko, dass sich anhaltende und hartnäckige Kopfschmerzen einstellten, die dann als Behandlungsfolgen das eigentliche Unfallgeschehen ablösen könnten. Insgesamt müsse festgestellt werden, dass das lediglich unfallbedingt eingeleitete Heilverfahren nach der insofern eindeutigen Aktenlage bisher noch nicht habe beendet werden können. Der Kläger habe nachweislich erst seit dem Unfall vom 12.06.1997 über körperliche Beschwerden und sonstige Befindlichkeitsbeeinträchtigungen geklagt, die die erstbehandelnde Klinik dazu veranlasst hätten, eine über 30-tägige stationäre Behandlung durchzuführen und hierbei eine massive und auch invasive Diagnostik zu betreiben, ohne dass eine sinnvolle Erklärung für den Symptomkomplex habe gefunden werden können. Der unfallbedingt einsetzende Problem- und auch Leidensdruck des Klägers sei also immens groß gewesen. Die beim Kläger in der Akte beschriebenen psychischen Auffälligkeiten seien problemlos als Folge des Schmerzerlebens zu verstehen, für die trotz 30-tägiger stationärer Behandlung weder eine sinnvolle Erklärung noch eine erfolgreiche Therapie habe gefunden werden können und ohne dass ein absehbares Ende in Aussicht habe gestellt werden können. Insgesamt sei festzuhalten, dass der Unfall vom 12.06.1997 mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Hintergrund der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnislücken im Umgang mit derartigen Unfallfolgen die medizinisch-naturwissenschaftliche Ursache für die Erkrankung des Klägers sei. Diese Erkrankung habe auf Grund ihrer Eigendynamik das Potenzial, sich zu einem invalidisierenden Krankheitsgeschehen auszuweiten. Für die Abschätzung der individuellen Prognose könne die primäre Klassifikation des Schweregrades einer Beschleunigungsverletzung nichts beitragen. Es sei auf Grund des Vorerkrankungsverzeichnisses der DAK sowie des Zeugnisses des Arbeitgebers des Klägers mit absoluter Sicherheit davon auszugehen, dass der Kläger vor dem Unfallereignis keine sozialmedizinisch relevanten Krankheiten gehabt habe. Auch seien keine Krankheitsanlagen konkret erkennbar. Bei den frühzeitig im posttraumatischen Verlauf beschriebenen psychologischen Leistungsdefiziten müsse es sich mit absoluter Sicherheit um neue Symptome und Leistungsdefizite handeln. Die von Frau K ... im Befundbericht vom 14.10.1997 beschriebenen Veränderungen seien mit der vom Arbeitgeber attestierten beruflichen Leistungsfähigkeit nicht vereinbar. Auch der psychologische Befundbericht vom 28.11.1997 sei eine Beschreibung einer massiv eingeschränkten Leistungsfähigkeit wie sie mit dem dokumentierten prätraumatischen Leistungsstand des Klägers unvereinbar sei. Die unfallbedingte MdE betrage ab dem 12.06.1997 bis auf weiteres 100 %.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 03.07.2000 aufzuheben und den Bescheid vom 24.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.1998 zu ändern, das Kopfschmerzsyndrom nebst Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalles vom 12.06.1997 festzustellen und die Beklagte zur Gewährung von Verletztengeld bis zum 30.03.2003 und zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. nach dem Wegfall des Verletztengeldes zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat am 03.11.2003 eine fachärztliche Stellungnahme des Artzes für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. K ... vorgelegt, der zunächst ausgeführt hat, dass die Aktenlage keinen beeindruk-kenden primären Symptomkomplex bestätige. Die erfolglose Behandlung und die Beschwerdefreiheit vor dem angeschuldigten Ereignis seien kein Indiz für den Ursachenzusammenhang und es sei zudem zu berücksichtigen, dass insbesondere strebsame und intelligente Menschen zu ausschließlich psychogen bedingten Alterationen neigten. Es könne jedoch schon keine Primärschädigung benannt werden, die unverzichtbar für die Überprüfung der Folgen dieser Schädigung sei. Soweit der Kläger lediglich Schmerzen geltend gemacht gemacht habe, sei dieser, da ohne positiven krankhaften Befund, als Beweismittel ungeeignet. Sofern ein Schaden wie im konkreten Fall nicht objektivierbar sei und sofern er nicht gesicherter ärztlicher Erfahrung entspreche, sei er zwar möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich. Sofern jedoch vernünftige Zweifel verblieben, gehe dies zu Lasten des Versicherten.

Dem Senat liegen neben den Verfahrensakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtswidrig, soweit in ihnen ein chronifiziertes Kopfschmerzsyndrom mit Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen als Folge des Arbeitsunfalles vom 12.06.1997 verneint und die Gewährung von Verletztengeld über den 08.05.1998 hinaus bis zum 30.03.2002 und von Verletztenrente nach einer MdE von 40 v. H. nach dem Ende des Verletztengeldanspruches abgelehnt wird.

Der Kläger hat am 12.07.1997 einen Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1, 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erlitten, als er auf dem Weg von einem Kundenbesuch nach Hause mit seinem Pkw an einer Baustellenampel stand und ein weiterer Pkw auf den des Klägers auffuhr, wodurch er eine HWS-Distorsion ohne strukturelle Verletzungen der HWS erlitt.

Entsprechend den Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 24.06.1998 ist hierbei von einer Distorsion mit Schweregrad I - II auszugehen. Soweit Dr. R ... in seinem für die BfA erstellten Gutachten wegen des komplexen neuro-vegetativen Beschwerdebildes mehr als fünf Jahre nach dem Unfallgeschehen von einer HWS-Distorsion III. Grades mit der Begründung ausging, die bildgebenden Befunde zeigten eindeutig eine Fehlstellung des Zahnfortsatzes des zweiten Halswirbels und zudem Zeichen einer Bandverletzung, kann dem nicht gefolgt werden. Eine HWS-Distorsion III. Grades ist jedenfalls nicht als im Sinne des hier erforderlichen Vollbeweises als bewiesen anzusehen, da dem alle zeitnah zum Unfallereignis erhobenen Befunde entgegenstehen. Zudem hat nur Dr. R ... auf den Röntgenaufnahmen und sonstigen bildgebenden Befunden eindeutige Hinweise auf strukturelle Läsionen gesehen. Die erstbehandelnden Ärzte im Klinikum R ...-G ... schlossen die zunächst vermutete Fraktur des Dens axis nach Fertigung von Röntgenbildern aus. Auch Dr. O ... hat insoweit - in Kenntnis des Gutachtens von Dr. R ... - ausgeführt, dass sich röntgenologisch und nach den sonstigen bildgebenden Verfahren ein unauffälliger Befund der HWS ergebe. Auch dass der Kläger bei dem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades erlitten hat, ist mangels entsprechender zeitnaher und deutlicher Hinweise jedenfalls nicht im Sinne des Vollbeweises bewiesen.

Der Kläger leidet seit dem Unfallereignis unter einem Kopfschmerzsyndrom mit ausgeprägten Konzentrations- und Merkstörungen. Vom Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen in einem Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bedingenden Ausmaß über den 26.10.1997 hinaus ist auch die Beklagte schon im Bescheid vom 24.06.1998 ausgegangen. Dass diese Gesundheitsstörungen im weiteren Verlauf im Wesentlichen fortbestanden, ist u. a. in dem von Dr. R ... nach einer Untersuchung am 08.08.2002 erstellten Gutachten dokumentiert und von der Beklagten auch nicht bestritten worden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Arbeitsunfall vom 12.06.1997 die genannten Gesundheitsstörungen auch rechtlich wesentlich verursacht.

Hinsichtlich dieses Kausalzusammenhanges ist keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich; Wahrscheinlichkeit ist ausreichend. Das bedeutet, dass beim vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (z. B. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechende Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand 08/02, § 8 Rn. 10.1 m. w. N.).

Des Weiteren kann ein Gesundheitsschaden nur dann als infolge einer versicherten Tätigkeit eingetreten angesehen und somit entschädigt werden, wenn die beruflichen Belastungen in rechtlich wesentlicher Weise bei der Entstehung des Körperschadens mitgewirkt haben. Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Haben mehrere Ursachen (in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht) gemeinsam zum Entstehen des Körperschadens beigetragen, sind sie nebeneinander (Mit-)Ursachen im Rechtssinne, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist nicht identisch mit den Beschreibungen "überwiegend", "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er von einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Daher ist es zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige (prozentual also verhältnismäßig niedriger zu bewertende) Ursache rechtlich als "wesentlich" anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache "der Erfolg" eintreten konnte: Letztere Ursache hat dann im Verhältnis zur ersten keine überragende Bedeutung (Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO., § 8 SGB VII Rdnr. 8.2.3).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung jeder Versicherte grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt ist, bei dem er sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Eingebunden sind alle im Unfallzeitpunkt bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionell oder degenerativ bedingten Schwächen und Krankheitsdispositionen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 81 f).

Dementsprechend darf nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 02.02.1999, Az.: B 2 U 6/98 R) eine Schadensanlage als allein wesentliche Ursache nur dann gewertet werden, wenn sie so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung des akuten Krankheitsbildes keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung aus der versicherten Tätigkeit bedurft hat und wenn der Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkungen durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd gleicher Schwere entstanden wäre (siehe zusammenfassend Erlenkämper, Arbeitsunfall, Schadensanlage und Gelegenheitsursache, in SGb 1997, S. 355, 358, m.w.N.).

Zu beachten ist des Weiteren, dass ein Kausalzusammenhang auch dann bestehen kann, wenn - z. B. - vor einem Verkehrsunfall degenerative Veränderungen im Bereich der HWS festzustellen waren, ohne dass sie zu einer klinischen Symptomatik geführt haben. Eine am Maßstab des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung zu treffende richterliche Entscheidung über den Kausalzusammenhang zwischen unfallbedingtem Primärschaden und Folgeschaden hat nicht die Aufgabe, den genauen Wirkungsmechanismus einer Gesundheitsstörung nachzuvollziehen. Eine Gerichtsentscheidung vermag dies in aller Regel auch nicht zu leisten. War der Versicherte vor dem Unfall beschwerdefrei, im Sinne fehlender klinischer Symptomatik also gesund, und steht fest, dass durch den Unfall eine nicht bloß völlig unerhebliche Gesundheitsstörung eingetreten ist, dann sind bei einem nach dem Unfall nachgewiesenen Leidenskontinuum die noch bestehenden Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit kausal auf den unfallbedingten Primärschaden zurückzuführen, wenn weder für den Unfallzeitpunkt der Nachweis einer so genannten Gelegenheitsursache vorliegt noch in einem späteren Zeitabschnitt neue innere oder unfallunabhängige äußere Ursachen hinzutreten, die eine so überragende Bedeutung haben, dass sie eventuell noch vorhandene Unfallfolgen als Ursache für fortbestehende Gesundheitsstörungen völlig in den Hintergrund drängten (so schon Sächs. LSG, Urteil vom 20.02.2003, Az.: L 2 U 81/99).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus Folgendes:

Zum einen liegt in dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Eintritt der Beschwerden bzw. in der zuvor bestehenden Beschwerdefreiheit entgegen den Ausführungen der Beklagten ein Indiz dahin, dass die Beschwerden ihre Ursache in dem Unfallgeschehen haben. Zum anderen ist ein Vorschaden (z. B. degenerative Veränderungen im Bereich der HWS in einem Ausmaß, dass sie ursächlich für des bestehende Beschwerdebild sein könnten) oder eine Schadensanlage in psychischer Hinsicht nicht im Sinne des hier erforderlichen Vollbeweises bewiesen. So finden sich in den umfangreichen Akten keine Hinweise auf vorbestehende psychische oder physische Auffälligkeiten, die geeignet sein könnten, das Beschwerdebild des Klägers zu verursachen. Zwar wird in den Akten immer wieder die Diagnose einer anankastischen Persönlichkeitsstörung genannt. Jedoch ist eine solche vor dem Unfallereignis nie diagnostiziert worden, so dass selbst dann, wenn sie vor dem Unfallereignis als Schadensanlage vorhanden gewesen sein sollte, das Unfallereignis ebenfalls als rechtlich wesentlich für die Störung angesehen werden müsste. Zudem käme eine ggf. vorliegende anankastische Persönlichkeitsstörung kaum als Ursache für den beim Kläger bestehenden Beschwerdekomplex in Betracht, da sie u. a. durch übermäßigen Zweifel und Vorsicht, durch übermäßige Pedanterie und Perfektionismus und durch ständige Beschäftigung mit Details bei Rigidität und Eigensinn gekennzeichnet ist (Dilling, Mombour, Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 4. Auflage, S. 231). Degenerative Veränderungen im Bereich der HWS sind beim Kläger in nur geringem Ausmaß vorhanden und von den Gutachtern als Ursache für den Beschwerdekomplex nicht diskutiert worden. Auch war der Kläger ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses seiner Krankenkasse von Januar 1991 bis zu dem streitgegenständlichen Unfallereignis nicht arbeitsunfähig erkrankt.

Da somit Hinweise darauf, dass eine andere Ursache zu dem bestehenden Krankheitsbild beigetragen haben könnte, nicht vorhanden und schon gar nicht bewiesen sind, spricht jedenfalls mehr dafür als dagegen, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers auf dem Unfall beruhen. Auch Erwägungen dahin, dass es sich um einen für den Eintritt der beim Kläger bestehenden Beschwerden ungeeigneten Unfallhergang handeln könne, führen nicht weiter. Angesichts dessen, dass auch bei leichten Schleudertraumen ein Anteil von immerhin ca. 12 % der Betroffenen nach sechs Monaten noch nicht beschwerdefrei sind (Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, 2. Aufl. 2003, Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule) und da, wie dem Gutachten von Dr. O ... entnommen werden kann, in der medizinischen Literatur Uneinigkeit bezüglich der Gründe für die chronischen Beschwerden besteht, kann hier das Argument des geeigneten oder ungeeigneten Unfallherganges nicht herangezogen werden.

Zudem hat die Beklagte die Beschwerden des Klägers im insoweit gemäß § 77 SGG bindend gewordenen Bescheid vom 24.06.1998 bis zum 26.10.1997 als Unfallfolge anerkannt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die ab ca. Juli 1997 weitgehend gleichgebliebenen Funktionsstörungen seit dem 26.10.1997 auf anderen Ursachen beruhen. Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass sich die Diskussion eines anderweitigen Kausalzusammenhanges verbietet, wenn nicht einmal (im Sinne des Vollbeweises) innere oder unfallunabhängige äußere Ursachen gesichert sind, die geeignet sind, die jedenfalls zunächst bestehenden unfallbedingten Folgen abzulösen oder völlig in den Hintergrund zu drängen.

Der Senat hat hinsichtlich der Feststellung der Unfallfolgen auch berücksichtigt, dass allein ein zeitliches Zusammentreffen von Unfallereignis und Beschwerden nicht zwingend im Sinne der Wahrscheinlichkeit für einen Kausalzusammenhang spricht. In einem solchen zeitlichen Zusammenhang liegt jedoch immer ein Indiz für einen Kausalzusammenhang (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.03.1997 - 2 RU 23/96 -, Urteil des Senates vom 20.02.2003 - L 2 U 81/99 -). Dieses Indiz wird hier nicht dadurch widerlegt, dass (leichtere) HWS-Schleudertraumen in der Regel nach einem Zeitraum von wenigen Wochen bis Monaten folgenlos ausheilen:

Wenn ein bestimmtes Krankheitsbild nach bisherigen Erfahrungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit alsbald ausheilt, kann dies zwar gegebenenfalls dazu führen, einen Kausalzusammenhang zwischen unfallbedingtem Primärschaden und weiteren Gesundheitsstörungen nicht mehr als hinreichend wahrscheinlich anzusehen, wenn nicht im Einzelfall ergänzend besondere Gesichtspunkte ersichtlich sind, die doch für einen Kausalzusammenhang sprechen. Wenn sich aber das ursprüngliche und unfallbedingte Krankheitsbild eines Versicherten nicht wesentlich verändert und es darüber hinaus bei dem zu diskutierenden Verletzungsmechanismus (hier: HWS-Schleudertrauma) eine signifikante Zahl von abweichenden Krankheitsverläufen gibt, kann allein daraus, dass nach dem traumatologischen Erfahrungsschatz Distorsionen üblicherweise einige Wochen nach dem Unfall folgenlos ausheilen, nicht gefolgert werden, dass dieser statistische Regelverlauf so ausgeprägt ist, dass er fast als gewiss angenommen werden kann. Dr. O ... hat in seinem Gutachten vom 30.09.2003 darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Folgen von HWS-Schleudertraumen in der medizinischen Literatur und Wissenschaft kontrovers diskutiert wird; dies ist dem Senat im Übrigen auch aus anderen Verfahren bekannt (z. B. Sächs. LSG, aaO., Sächs. LSG, Urteil vom 07.11.2003, Az. L 2 U 44/00).

Damit liefert das zeitliche Zusammentreffen von Arbeitsunfall und Beschwerdebeginn jedenfalls einen nicht widerlegten Hinweis auf eine insoweit bestehende Kausalität, auch wenn der Beklagten zuzugeben ist, dass das Gutachten von Dr. O ... nicht erklären kann, aus welchen medizinischen Gründen die Gesundheitsstörungen des Klägers fortbestehen. Jedoch ist dies rechtlich unerheblich, wenn für das Krankheitsbild zum einen keine anderen Umstände im Sinne des Vollbeweises gesichert sind und zum anderen solche Umstände, soweit sie bestehen, auch nicht mit Wahrscheinlichkeit allein wesentlich die fortdauernden Gesundheitsstörungen verursacht haben. Das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt nicht, dass der Kausalzusammenhang nur dann als mit Wahrscheinlichkeit belegt anzusehen ist, wenn es in der medizinischen Wissenschaft ein allgemein anerkanntes Erklärungsmodell gibt, wenn ein Kausalzusammenhang im Einzelfall angenommen wird und andere als möglich in Betracht kommende Ursachen ausgeschlossen werden können. In diesen Fällen wird man einen Kausalzusammenhang sogar als erwiesen ansehen können. Gewissheit in dem Sinne, dass der Kausalzusammenhang medizinisch-wissenschaftlich positiv belegt und unbestreitbar sein muss, verlangt der Prüfungsmaßstab der Wahrscheinlichkeit aber nicht. Es genügt, dass andere innere und nachfolgende äußere unfallunabhängige Ursachen ihrerseits nur mit Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können, wenn zugleich gewichtige Indizien für einen Zusammenhang sprechen (Sächs. LSG, Urteil vom 20.02.2003, aaO.).

Für einen Zusammenhang sprechen hier somit zum einen die Beschwerdefreiheit vor dem Unfall, zum anderen die frühzeitig nach dem Unfall auftretenden Beschwerden und ihre Fortdauer ohne längeres und beschwerdefreies Intervall bei allgemein möglichem atypischen Beschwerdeverlauf.

Aufgrund der Folgen des Unfalles vom 12.06.1997 war der Kläger auf Dauer arbeitsunfähig erkrankt und hat Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld bis zum 30.03.2003.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld ist § 45 Abs. 1 SGB VII, wonach Verletztengeld erbracht wird, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig sind und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten. In Anwendung dieser Vorschrift hat die Beklagte dem Kläger Verletztengeld bis zum 08.05.1998 gewährt, obwohl sie nach den Ausführungen im Bescheid vom 24.06.1998 von einem Anspruch auf Verletztengeld nur bis zum 26.10.1997 ausging.

Die Beklagte muss dem Kläger jedoch in Anwendung der Vorschrift des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII Verletztengeld bis zum 30.03.2003 gewähren.

In dieser Norm ist geregelt, dass dann, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, das Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche endet, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII stellt keine absolute Obergrenze für die Gewährung von Verletztengeld dar, wenn die Fälle nach Nr. 1 oder Nr. 2 dieser Vorschrift nicht eingreifen. Vielmehr endet nach § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII die Gewährung von Verletztengeld nicht vor dem Tag, an dem feststeht, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und berufsfördernde Leistungen nicht zu erbringen sind. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII betrifft gerade nur den Fall, dass diese letztgenannten Voraussetzungen vorliegen und noch keine 78 Wochen verstrichen sind. Besteht in einem derartigen Fall kein Anspruch auf Verletztenrente, endet der Verletztengeldanspruch mit Ablauf der 78. Woche.

So verhält es sich hier aber nicht. Zwar war die in der Vorschrift genannte Frist von 78 Wochen am 31.03.2003 längst überschritten. Jedoch war erst am 31.03.2003, dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses bezüglich der Gewährung einer unbefristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, geklärt, dass die in der Vorschrift im Übrigen aufgeführten Voraussetzungen für eine Beendigung des Verletztengeldes - mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ist nicht zu rechnen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind nicht zu erbringen - vorlagen.

Erst mit der Abgabe des Anerkenntnisses der BfA hinsichtlich der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war abschließend geklärt, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht gerechnet werden konnte und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht (mehr) zu erbringen waren. Deshalb bestand der Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld auch über den Ablauf der 78. Woche hinaus (so auch Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2003, § 46 Rn. 16; ebenso i. E. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand August 2002, § 46 Rn. 12 a. E.).

Ein Ende des Verletztengeldanspruches gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VII kommt hier allerdings nicht in Betracht, auch wenn die tatsächlichen Umstände dazu führen würden, dass sich bei Anwendung dieser Vorschrift kein anderes Ergebnis einstellen würde. Zwar nennt § 50 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Jedoch erhält der Kläger die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wegen der Folgen des hier streitgegenständlichen Unfallereignisses, so dass die Voraussetzungen der Nr. 2 nicht erfüllt sind.

Der Kläger hat des Weiteren Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 40 v. H. ab dem Ende des Verletztengeldanspruches.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Abs. 2 S. 1 der Vorschrift regelt weiter, dass sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens richtet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (z. B. BSG, Urteil vom 18.03.2003, Az: B 2 U 31/02 R) ist neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten die Anwendung medizinischer oder sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, wobei die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet liegt. Hierbei sind in der gesetzlichen Unfallversicherung die sog. MdE-Erfahrungswerte zu berücksichtigen, die allgemeine Erfahrungssätze darstellen und in der Regel die Basis für einen Vorschlag bilden, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, wobei ihnen nicht der Rechtscharakter einer gesetzlichen Norm zukommt (BSG, Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 24/00 R). Im Streitfall liegt die Entscheidung beim Gericht.

Nach den MdE-Erfahrungswerten wird bei zentralen vegetativen Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens (etwa Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, vasomotorischen Störungen in leichter Ausprägung von einer MdE von 10 - 20 v. H. ausgegangen. Mittelgradige Störungen dieser Art bedingen hiernach eine MdE von 20 - 30 v. H. und solche mit Anfällen oder schweren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand eine MdE von 30 bis 40 v. H.(Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO., Anhang 12, J 002).

Die Gesundheitsstörungen, unter denen der Kläger leidet - chronifiziertes Kopfschmerzsyndrom mit, wie sich insbesondere aus den am 22.10.1997 durchgeführten Tests ergibt, ausgeprägten Defiziten im Bereich der Merk- und Lernfähigkeit - sind den hier genannten Störungen vergleichbar, auch wenn sie nicht als Ausdruck eines Hirndauerschadens eingetreten sind. Da der Kläger aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles auf Dauer arbeitsunfähig wurde und inzwischen deswegen eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, somit schwerste Auswirkungen auf den Allgemeinzustand des Klägers belegt sind, war die MdE mit 40 v. H. (im obersten Bereich der einschlägigen MdE-Erfahrungswerte) zu bewerten. Soweit Dr. O ... die MdE mit 100 v. H. geschätzt hat, kann dem nicht gefolgt werden, da der Gutachter die MdE-Erfahrungswerte nicht berücksichtigt und als Maßstab für die Bemessung der MdE lediglich die andauernde Arbeitsunfähigkeit und nunmehrige Erwerbsunfähigkeit des Klägers herangezogen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revision war hinsichtlich Nr. III des Urteilstenors gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Revision im Übrigen liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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