Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 5 VG 15/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 VG 5/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VG 4/02 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Streitig ist, ob dem Kläger Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozalgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2001 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehen.
Der im ... 1930 geborene Kläger (Altersrenter) wollte am 20. Dezember 1995 die Dienststelle der Deutschen Post AG in ... N ..., ... aufsuchen, die sich in den unteren Stockwerken des dort befindlichen Gebäudes befindet. Gegen 10.15 Uhr stellte er seinen Pkw Trabant neben dem Postgebäude in der Zufahrt zum Hof des Postgebäudes ab. Der Zeuge R ... H ... (H.), der seinerzeit mit seinen Eltern im Gebäude ... wohnte, wollte mit seiner Schwester, der Zeugin S ... H ..., den Posthof mit seinem Pkw verlassen. Zum Ablauf des weiteren Geschehens machen der Kläger und die Zeugen unterschiedliche Angaben. Im Postamt hielten sich die Zeuginnen K ... und D ...(Zustellerinnen bei der Deutschen Post AG) auf und zunächst innerhalb des Gebäudes der Vater des H., der Zeuge U ... H ...
Am gleichen Tag diagnostizierte Dr. O1., Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie in C ..., bei dem Kläger eine Kontusion des Schädels (Schwellung und größerer Bluterguss occipital rechtsseitig), einen größeren Kontusionsbezirk am Oberschenkel links lateral sowie Kontusionszeichen in der Unterbauch- und Genitalregion. Anzeichen für ein Schädel-Hirn-Trauma seien nicht vorhanden gewesen.
Ebenfalls am 20. Dezember 1995 erstattete der Kläger Strafanzeige wegen Körperverletzung beim Polizeirevier S ... Vom zuständigen Polizeirevier in S ... wurden daraufhin der Kläger, die Zeuginnen K ... und D ..., S ... H ... und H. vernommen. Wegen des Inhalts der Aussagen wird auf Bl. 3-9, 14- 28 der Ermittlungsakte (Duplikatsakte) der Staatsanwaltschaft Chemnitz (Sta) (Az.: ...) Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 04. März 1996 teilte die Sta dem Kläger mit, die Erhebung der Klage liege nicht im öffentlichen Interesse (§§ 374, 376 Strafprozessordnung - StPO). Es bleibe dahingestellt, ob der Beschuldigte (H.) sich der ihm zur Last gelegten Tat strafbar gemacht habe. Ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestehe nicht. Der Rechtsfrieden sei über den Lebenskreis der unmittelbar Beteiligten hinaus nicht gestört. Darüber hinaus hätten die Ermittlungen folgenden Sachverhalt ergeben: Der Beschuldigte habe am 20. Dezember 1995 zwischen 10.00 und 11.00 Uhr seine Schwester, die Zeugin S ... H ..., mit seinem Pkw, Marke Ford Orion (amtl. Kennzeichen: ...) zum Arzt fahren wollen. Als er aus dem Hof des Anwesens ...in ... N ... habe herausfahren wollen, habe er bemerkt, dass die Einfahrt durch zwei Pkw s blockiert gewesen sei. Da der Anzeigeerstatter an seinem Fahrzeug gestanden habe, habe er ihn gebeten, sein Fahrzeug dort wegzufahren. Der Anzeigeerstatter sei dem jedoch nicht nachgekommen, sondern habe geäußert, dass genug Platz sei. Hieraufhin habe der Beschuldigte den Anzeigeerstatter nochmals gebeten, sein Fahrzeug wegzufahren. Daraufhin sei der Anzeigeerstatter auf ihn zugekommen und habe zunächst mit dem Fuß gegen seinen Pkw getreten und ihn sodann "geschubst". Der Beschuldigte habe sich dann mit seiner Schwester entfernen wollen, sei jedoch vom Anzeigeerstatter verfolgt worden. In der Folge habe der Anzeigeerstatter sodann den Beschuldigten gegen den Oberschenkel getreten. Hierauf habe sich der Anzeigeerstatter dann zur Wehr gesetzt. Dieser Sachverhalt werde sowohl vom Beschuldigten und der Zeugin S ... H ... als auch von den neutralen Zeuginnen D ... und K ... bestätigt. Da der Anzeigeerstatter somit eine Ursache für das Geschehen gesetzt habe, sei es ihm zuzumuten, eine Bestrafung des Täters im Wege der Privatklage zu erreichen, wobei angesichts der Sach- und Beweislage mit einer Verurteilung nicht zu rechnen sei.
Dagegen erhob der Kläger - auch gegenüber dem Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen - Einwendungen. Der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen teilte dem Kläger am 26. Juni 1999 mit, er habe keinen Anlass gefunden, die Verweisung des Klägers auf den Privatklageweg bezüglich des H. zu beanstanden. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise er auf die zutreffenden Gründe der Verfügung der Sta vom 4. März 1996. Die in dem Gutachten von Dr. O1. geschilderten Verletzungen seien nicht derart erheblich, dass das öffentliche Interesse eine Erhebung der öffentlichen Klage durch die Sta erfordere. Er habe jedoch die Sta gebeten, auch gegen den Vater des H. (U ... H ...) als Beschuldigten einzutragen. Auch dagegen erhob der Kläger Einwendungen, die ohne Erfolg blieben (Schreiben des Generalstaatsanwalts vom 23. September 1996, 14. November 1996 und 28. Januar 1997). Ein Ermittlungsverfahren der Sta gegen den Zeugen U ... H ... wegen Körperverletzung (Az.: ...), in dem dieser auch polizeilich vernommen wurde und Angaben zur Sache machte, wurde mit Bescheid der Sta vom 24. September 1996 eingestellt. Einer dagegen vom Kläger eingelegten Beschwerde half der Leitende Oberstaatsanwalt nicht ab (Verfügung vom 19. November 1996).
Am 17. Januar 1996 stellte der Kläger - zunächst formlos - bei dem Beklagten einen Antrag auf Beschädigten-Versorgung nach dem OEG. Er stelle den Antrag wegen folgender gesundheitlicher Schädigungen: Schläge, Prellungen, insbesondere schwere Schläge auf Hinterkopf und Ohren, insbesondere rechtes Ohr, rechter Hinterkopf - starke Schwellung Hinterkopf. Heute lägen noch Folgen dieser gesundheitlichen Schädigungen vor: "Schmerzen Hinterkopf, Ohr rechts lief aus, auch Blut, erst nach über acht Tagen, anschließend Gehör total verloren, in ärztlicher Behandlung". Nach der Gewalttat sei er behandelt worden von Dr. O1., Dipl.-Med. S1 ... und der HNO-Fachärztin S2 ... Zum Vorgang führte er aus: Er sei am 20. Dezember 1995 gegen ca. 10.15 Uhr grundlos von einem 18-jährigen Unbekannten am Hofe des Grundstückes ... zusammengeschlagen worden. Hierzu sei noch ein zweiter Unbekannter gekommen, welcher ihn ebenfalls bedroht und geschlagen habe. Da alle Parkmöglichkeiten im Bereich der Post verstellt gewesen seien, habe er sein Fahrzeug neben einem parkenden Auto zum dortigen Hofeingang gestellt. Ein Vorbeifahren eines weiteren Pkw wäre möglich gewesen. Nach einer Minute sei er die Treppen vom Postamt heruntergekommen, habe die Tür aufgemacht, um wegzufahren, habe aber noch eine Weihnachtskarte auf seinem Sitz liegen gesehen, die er noch versucht habe, in den Briefkasten zu werfen. Dazu sei es nicht gekommen. Ein 18-jähriger hätte ihn wie ein Angestochener angebrüllt, der offenbar aus zum Hof rückwärts zur Straße herausfahren wollte. Er habe ihn sofort mit den Worten "Hau ab Alter, sonst kriegst du paar in die Sch ..." beleidigt. Dies sei in höchster Lautstärke erfolgt. Er habe ihm durch Handzeichen angeboten, herauszufahren. Dies habe nichts genützt. Er habe weiter gebrüllt "Hau ab Alter, sonst kriegst du paar in die F ...", als er ihm nochmals friedlich zurief, leicht einzuwenden. Dies alles habe nichts geholfen, er habe ihn wie irrsinnig angebrüllt, sonst "schlägt er mich zusammen ...". Daraufhin sei er ein paar Schritte auf ihn zugegangen, um ihn mit Worten zur Räson zu bringen. Dabei habe er ihm jedoch sofort ins Gesicht geschlagen. Es sei zu einem Wort-Schlagabtausch gekommen, er habe ihn dann sofort auf den Kopf geschlagen und sei einige Meter zurückgesprungen. Er habe natürlich geschimpft über solche gemeinen Angriffe. H. habe ihn geschlagen und ihn in den Unterbauch und das Bein und weiter auf seinen Kopf getreten. Er sei dann aber weggegangen, während er versuchte ihn abzuwehren, habe den Täter aber niemals getroffen oder geschlagen. Als er zurückgegangen sei, habe er ihn nochmals von hinten heran angesprungen, habe ihn mit der Faust gewaltig auf seinen Hinterkopf geschlagen. Er habe einen Schwächeanfall bekommen, es habe geschmerzt, seine Mütze habe er vom Kopf geschlagen. Er ging bzw. wollte zu seinem Fahrzeug gehen, sei aber nicht dazu gekommen. Ein zweiter Unbekannter, ca. 40 Jahre alt, habe sich ihm in den Weg gestellt und habe ihn angeschrien "Hau ab mit deiner Pappe ..., sonst kriegst du von mir genauso paar in die Gusche wie von dem Anderen ...". Da er mit diesem keinerlei "Befassung" gehabt habe, habe er darauf nur gesagt "Ihr seid doch gar nicht mehr normal, Leute grundlos zusammenzuschlagen". Daraufhin sei dieser drohend auf ihn zugekommen, dieser habe ihn mit seinen Worten vorher nur provozieren wollen, und habe ihm mit der Faust gegen den Oberkörper geschlagen. Dies habe er sich wortlos gefallen lassen, während er sich in den Eingang des Hauses ... zurückgezogen habe. Er habe um Hilfe gerufen, die Hintertür bei der Post habe offen gestanden, sei jedoch daraufhin zugeschlagen worden. Er habe bis heute Schmerzen leichterer Art im Hinterkopf, er wisse nicht, ob etwas zurückbleibe. Anfang Januar 1996 habe er festgestellt, dass aus dem Gehörgang etwas Blut ausgelaufen sei. Es bestehe die Gefahr, dass im Kopfinneren sich ein Blutgerinnsel bilde.
Der Beklagte hat daraufhin Befundberichte von Dr. O1 ... und von Dipl.-Med. S2 ..., Fachärztin für HNO-Heilkunde in C ..., eingeholt. Dr. O1. führte in seinem Befundbericht vom 27. Februar 1996 neben den o. a. Diagnosen aus, es seien ebenfalls keine Bewusstlosigkeiten, keine Schwindelerscheinungen und Sehstörungen vorhanden gewesen. Der Kläger sei von ihm entsprechend aufgeklärt worden, es sollte Bettruhe einhalten und die Kontusionsbezirke und Schwellungen mit kühlenden Umschlägen behandeln. Über Folgeschäden sei ihm nichts bekannt bzw. über noch vorhandene Schäden, da der Kläger nur einmal, nämlich am 20. Dezember 1995 nach der Verletzung in seiner ambulanten Behandlung gewesen sei. Dipl.-Med. S2 ... berichtete unter dem 29. Februar 1996, der Kläger habe sich erstmals am 16. Januar 1996 in ihrer Sprechstunde vorgestellt. Er habe angegeben, seit ca. 10 Tagen nach einem Infekt eine Gehörverschlechterung bemerkt zu haben. Die stattgefundene Gewalttat sei bereits am 20. Dezember 1995 gewesen, so dass sie einen Zusammenhang nicht für sehr wahrscheinlich halte. Er habe angegeben, auf dem rechten Ohr Schmerzen gehabt zu haben, das rechte Ohr sei ausgelaufen. HNO-Status: Trommelfell links rosa verdickt, intakt. Auf dem rechten Trommelfell seien grüne Beläge gewesen, die durch Spülung entfernt worden seien. Eine Trommelfellperforation sei nicht zu sehen gewesen. In der Erstanamnese habe der Kläger angegeben, dass um 1970 das linke Ohr ebenfalls mehrfach ausgelaufen sei und seitdem links eine geringe Hörminderung bestehe. Äußerlich sei kein Hämatom im Bereich des Kopfes sichtbar gewesen. Es habe kein Druckschmerz im Bereich des rechten Ohres bestanden. Im Tympanogramm seien die Schwingkurven beider Trommelfelle deutlich herabgesetzt. In der Annahme, dass es sich um einen postinfektiösen Prozess handele, habe der Kläger ein starkes Antibiotikum, Nasenspray und antientzündliche Tabletten erhalten. Er habe eine Mikrowellenbestrahlung - zusammen zwölfmal - erhalten. Subjektiv habe er eine Hörverbesserung angegeben. Es bestehe eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit einem Hochtonabfall und gleichzeitig noch beidseits eine Schallleistungskomponente, diese sei sicherlich noch infektbedingt. Weiterhin hat er einen Befundbericht von Dipl.-Med. S1 ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin in C ..., eingeholt. In ihrem Befundbericht vom 6. Oktober 1996 teilte sie folgende Diagnosen mit: Zustand nach traumatischer Trommelfellverletzung, HWS-Pseudoradikulärsyndrom. Der Kläger sei am 20. Dezember von zwei Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Chirurgische Diagnose: Kontusion Schädel, Kontusion Oberschenkel links lateral, Kontusion Unterbauch und Genitalorgane. Der Kläger habe sich am 21. Dezember in ihre Behandlung begeben, Mitbehandlung in HNO-traumatische Otitis media ... (unleserlich). Der Kläger befinde sich heute noch in HNO-ärztlicher Behandlung (Dr. S2 ...), letzte Behandlung 20. August 1996. Der Kläger leide noch immer an Kopfschmerzen, teils sicher durch HWS-Beschwerden. Ferner hat der Beklagte die Ermittlungsakten der Sta H. betreffend beigezogen.
Am 24. Juni 1997 erließ der Beklagte einen ablehnenden Bescheid. Der Kläger beanspruche Beschädigtenversorgung wegen der am 20. Dezember 1995 erlittenen Gesundheitsstörungen "Schmerzen am Hinterkopf und Hörverlust". Es könnten nur die Folgen eines rechtswidrigen Angriffs einen Versorgungsanspruch begründen. Ein rechtswidriger Angriff sei dann nicht gegeben, wenn der Täter objektiv unter den Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes und subjektiv mit Rechtfertigungswillen gehandelt habe. In seinem Fall sei die geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gewesen. Wie aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft hervorgehe, habe er selbst mit den Tätlichkeiten begonnen und habe damit eine Gegenwehr herausgefordert. Somit bestehe kein Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Dagegen legte der Kläger am 30. Juni 1997 Widerspruch ein. Die brutalen Überfälle hintereinander hätten zu einer schweren Schädigung geführt. Die Auswirkungen: Bewusstlosigkeit, starke Schmerzen Hinterkopf, Ohren, starke Anschwellung, sofortige ärztliche Inanspruchnahme von insgesamt drei Ärzten, eine Privatbehandlung zusätzlich, Röntgen, Untersuchung, nach dauernden Schmerzen totaler Gehörverlust (Gehörsturz), Auslaufen von Blut aus dem Kopfinnern über Ohr, Feststellung durch die Ärzte von Eiterung im Kopfinnern, Anordnung ins Krankenhaus; da die Ärzte nicht hätten weiterhelfen können, tägliche monatelange Behandlung durch Kurzwellenbestrahlung, Rotlichtbestrahlung täglich mehrmals, Medikamentenbehandlung, Behandlung bei der Psychotherapie, Prellungen an Kopf, Gesicht, Oberschenkel und Genitalien. Er habe in Lebensgefahr geschwebt. Er sei über drei Monate ein Pflegefall gewesen mit anschließender Weiterbehandlung durch die Ärzte. Dauerschäden seien entstanden durch Gehörverlust, durch Gefahr des Lösens von Blutgerinnseln oder Eiterabsonderungen im Kopfinnern, bei akuter Lebensgefahr. Hier lägen eindeutig die Folgen eines rechtswidrigen Angriffes vor. Wegen der übrigen Einlassungen des Klägers - auch zum Geschehensablauf - wird auf Bl. 101 bis 106 der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10. September 1997). Die Tatbestandsvoraussetzungen i.S.d. § 1 Abs. 1 OEG - vorsätzlich, rechtswidriger tätlicher Angriff - lägen bei dem Kläger nicht vor. Es werde dabei zum wiederholten Male auf die dem Beklagten zur Verfügung gestellten Akten der Sta verwiesen, aus denen unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen eindeutig hervorgehe, dass er selbst mit den Tätlichkeiten begonnen und damit folgerichtig eine Gegenwehr herausgefordert habe. Die von ihm in seinen Schreiben vom 30. Juni 1997 und 25. August 1997 vorgetragenen Argumente seien bei der Überprüfung im Vorverfahren berücksichtigt worden. Sie hätten jedoch nicht zu einer Änderung des angefochtenen Bescheides führen können. Versorgung nach dem OEG stehe ihm nicht zu.
Der Kläger erhob am 19. September 1997 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei Dr. O1. und Dipl.-Med. S1 ... Dr. O1. teilte unter dem 2. Februar 1998 unter Benennung der bereits bekannten Diagnose mit, der Kläger sei nur einmal am 20. Dezember 1995 in seiner ambulanten chirurgischen Behandlung gewesen. Dipl.-Med. S1 ... berichtete am 1. April 1998, die letzte Vorstellung hinsichtlich der Verletzung vom 20. Dezember 1995 sei am 20. Dezember 1995 erfolgt. Auf die Frage, ob neue Leiden hinzugekommen oder alte weggefallen seien bzw. wann etwaige Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten seien, antwortete sie mit "unbekannt". Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Beiziehung der Akte der Sta mit dem Aktenzeichen ... und durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen K ... und D ..., S ... H ..., U ... H ... und von H ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2001 (Bl. 127-134 SG-Akte) Bezug genommen.
Auf mündliche Verhandlung hat das SG am 23. Mai 2001 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1997 sei rechtmäßig, so dass der Kläger durch ihn nicht ungerechtfertigt beschwert sei. Der Vollbeweis, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei, könne nicht erbracht werden. Es verblieben zumindest ernste und vernünftige Zweifel daran, dass die Schädigung des Klägers rechtswidrig erfolgt sei, wobei unter Rechtswidrigkeit ein Verstoß gegen die Rechtsordnung zu verstehen sei. Denkbar seien - wenn auch mit unterschiedlichem Wahrscheinlichkeitsgrad - verschiedene Geschehensabläufe. Zwar sei nach den Darstellungen des Klägers ein vorsätzlicher und rechtswidriger Angriff durch H. denkbar. Die Darstellungen des Klägers würden jedoch von keinem der Zeugen in den wesentlichen Ausführungen bestätigt. Hier seien insbesondere die Aussagen der unbeteiligten und unabhängigen Zeugen D ... und K ... zu würdigen. Beide Zeuginnen hätten übereinstimmend dargestellt, dass H. eher in der Defensive gewesen sei und sich gewehrt habe. Insbesondere die Darstellung der Zeugin D ..., dass der Kläger H. geschubst habe und H. den Kläger verbal zu beschwichtigen versucht habe, lasse einen zwingenden Rückschluss auf ein rechtswidriges Verhalten des H. nicht zu. Beide Aussagen stimmten im Gesamtgeschehensablauf mit den Darstellungen des H. sowie der Zeugin S ... H ... überein. Eine andere Bewertung sei ebenso wenig aus der Darstellung des H. abzuleiten, er habe den Kläger bewusst in die Genitalien getreten. Dem sei nämlich nach Aussage des H. vorausgegangen, dass der Kläger den H. beschimpft und bedrängt habe. Der Kläger sei jedoch weder durch verbale Aufforderung davon abzubringen gewesen, noch habe er von H. abgelassen, nachdem letzterer dem Kläger die Mütze vom Kopf genommen und auf das Nachbargrundstück geworfen habe. Erst nach dem Tritt in den Genitalbereich habe H. nach seinen Aussagen ins Wohnhaus gelangen können. Aus diesem Geschehensablauf sei zu entnehmen, dass H. nicht rechtswidrig gehandelt habe. Vielmehr sei gerade aus der Handlungsweise erkennbar, dass er das möglichst mildeste Mittel gesucht habe, um das Zerren des Klägers an den Sachen des H. zu beenden. In der Handlung des Klägers sei für das Gericht eine Nötigung erkennbar. Der Kläger habe auf den H. physisch dahingehend eingewirkt, dass H. an seiner freien Bewegung gehindert gewesen sei. Gründe, die diese Handlung rechtfertigen könnten, seien aus den Zeugenaussagen nicht abzuleiten. Zwar stelle sich das Geschehen aus Sicht des Klägers und nach dessen Aussage anders dar. Allein diese Aussage könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Ein Rückgriff auf § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) sei nicht möglich. Vorliegend seien Zeugen vorhanden gewesen. Auch sei für das Gericht die Aussage des Klägers wenig glaubhaft. Auf der einen Seite stelle der Kläger dar, von H. geschlagen worden zu sein, auf der anderen Seite habe es ihn nach eigener Aussage hinter H. nach den jeweiligen Schlägen hergezogen. Für das Gericht sei nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb eine Person, die von einer anderen körperlich misshandelt werde, dennoch in unmittelbarem zeitlichen Abstand die räumliche Nähe suche. Hier seien für das Gericht die Darstellungen der Zeugen überzeugender, wonach der Kläger hinter H. hergelaufen sei und ihn dadurch provoziert habe. Nach der Zeugenvernehmung sei offen geblieben, wodurch der Kläger eine Prellmarke am rechten Hinterkopf erlitten habe. Auf Grund der fehlenden Glaubhaftigkeit der Aussage des Klägers sei hier hingegen ein rechtswidriger Angriff nicht als erwiesen anzusehen. Diese Schädigung könne auch im Zusammenhang mit dem im Hof stehenden Fahrrad stehen. Es sei nicht aufzuklären gewesen, weshalb das Fahrrad umgefallen sei und ob und gegebenenfalls wie der Kläger über das Fahrrad gefallen sei. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger von selbst, zum Beispiel in einem Zustand besonderer Aufregung, über das Fahrrad gefallen sei und sich dabei gegebenenfalls auch die Verletzung am rechten Hinterkopf zugezogen habe. Zwar habe sich im Rahmen der gerichtlichen Zeugenvernehmung keiner der Zeugen an einen Sturz des Klägers über das Fahrrad erinnern können, die Zeugin K ... habe jedoch ausgesagt, dass der Kläger das Fahrrad umgeworfen habe. In der polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach dem Geschehen habe sie ergänzend ausgeführt, der Kläger habe auf einem Fahrrad gelegen. Auch die Zeugin D ... habe nach den Darstellungen in der polizeilichen Vernehmung gesehen, dass der Kläger auf dem umgefallenen Fahrrad gekniet habe. Auf Grund der verschiedenen Möglichkeiten des Geschehensablaufes habe die Kammer bereits die vorsätzliche rechtswidrige Gewalttat als nicht nachweisbar ansehen müssen. Weitere Sachaufklärung sei nicht möglich gewesen. Die unmittelbaren Tatzeugen seien vom Gericht vernommen worden. Auch aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten seien keine entgegengesetzten Wertungen zu entnehmen gewesen. Mangels Nachweises einer rechtswidrigen Tat müsse dahinstehen, welche konkreten Gesundheitsschäden durch die Tat entstanden seien und welche Schädigungsfolgen daraus resultierten. Ebenso könne dahinstehen, ob gegebenenfalls Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 1. Alternative OEG auf Grund einer wesentlichen Mitverursachung der Schädigung durch den Kläger zu versagen gewesen wären.
Gegen das dem Kläger als Einschreiben am 9. Juli 2001 zur Post gegebene Urteil hat dieser am 11. Juli 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, er sei der Überzeugung, bei der Beurteilung seiner Angelegenheit seien seine Argumente und Anträge nicht genügend bzw. fast nicht beachtet worden. Den Aussagen der Zeugen, die teilweise verwandt seien, sei mehr geglaubt worden als ihm, dem Opfer. Er fühle sich durch diese Art der Sachbearbeitung ungerecht behandelt, werde dadurch als Lügner bezichtigt. Es seien fünf falsche Zeugen herangezogen worden, von denen zwei davon selbst als Beklagte oder Täter in Frage kämen, drei Familienangehörige, die natürlich nicht gegen sich aussagten, dann weitere zwei Zeugen, die ebenfalls nicht als Zeugen in Frage kämen, da sie selbst geäußert hätten, nicht "vollständiger Zeuge" zu sein und nur während ihrer Arbeit etwas gehört hätten und vielleicht durch Herauskommen in "Blitzesschnelle" keinen Zusammenhang bezeugen könnten und somit ein ganz falsches Bild zustande gekommen sei. Bei der Tat habe es sich um einen beabsichtigten, durchgeführten Mordanschlag gehandelt, bei dem der Zeuge billigend in Kauf genommen habe, dass dieser genauso hätte tödlich sein können. Gegen die Würde des Menschen als Grundrecht sei hier ganz besonders verstoßen worden. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf dessen Schriftsätze vom 21. August 2001, 03. Dezember 2001 und 08. Dezember 2001 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2001 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, als Schädigungsfolgen der Gewalttat vom 20. Dezember 1995 "teilweiser Gehörverlust beidseits", "die Gefahr eines Blutgerinnsels" sowie "Wetterfühligkeit am Hinterkopf rechts" anzuerkennen und ihm deswegen ab 1. Januar 1996 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Begründung des erstinstanzlichen Urteils für zutreffend. Das Begehren des Klägers sei in der Vorinstanz eingehend geprüft und gewürdigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Chemnitz (Az.: ...-Duplikatsakte) sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1997 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Anerkennung der Gesundheitsstörungen "teilweiser Gehörverlust beidseits", "die Gefahr eines Blutgerinnsels" sowie "Wetterfühligkeit am Hinterkopf rechts" als Schädigungsfolgen auf Grund des Geschehens am 20. Dezember 1995 und Gewährung einer Beschädigtenversorgung deswegen.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ... infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine ... Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Ebenso wie allgemein im Sozialrecht müssen auch für eine soziale Entschädigung nach dem OEG alle anspruchsbegründenden Tatsachen zur Überzeugung des Tatrichters erwiesen sein, d. h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, falls es daran fehlt, geht das zu Lasten des Klägers (objektive Beweis- oder Feststellungslast; vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34; Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: B 9 VG 3/99 R = SozR 3-3900 § 15 Nr. 3).
Unter Würdigung der Angaben des Klägers und der Aussagen der Zeuginnen K ..., D ..., S ... H ..., des Zeugen U ... H ... und des H. vor der Polizei und dem SG, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs durch H. am 20. Dezember 1995 geworden ist.
H. hat den Geschehensablauf wie folgt geschildert: Am 20. Dezember 1995 habe er seine Schwester zum Arzt fahren wollen. Als er mit seinem Fahrzeug den Hof verlassen wollte, habe er festgestellt, dass die Grundstückseinfahrt durch zwei Fahrzeuge blockiert gewesen sei. Er habe sofort gesehen, dass der Platz zum Durchfahren nicht ausreichte. An dem geparkten Trabant habe eine männliche Person gestanden. Er selbst habe noch an seinem Fahrzeug gestanden und diesen Mann gefragt, ob er sein Fahrzeug wegfahren könne. Er habe nur zur Antwort erhalten, dass er durchpassen würde. Daraufhin habe er nur gesagt, dass er es nicht schaffe und dass er sein Fahrzeug wegfahren solle. Dieser Aufforderung sei dieser aber nicht nachgekommen, sondern sei auf ihn zugekommen. Als er bei ihm am Fahrzeug gewesen sei, habe er mit dem Fuß an sein Fahrzeug getreten. Er habe dazu bloß gesagt "Was soll das." Ohne etwas zu sagen sei dieser dann zu ihm gekommen und habe ihn geschubst. Er habe daraufhin die Person ebenfalls geschubst. Seine Schwester, die auf der anderen Seite des Fahrzeugs gestanden habe, habe dann zu ihm gesagt, dass er seinen Vater holen solle. Er sei daraufhin gemeinsam mit seiner Schwester in Richtung Hauseingang gegangen. Der Mann sei ihm dann gefolgt. Dabei habe er versucht, ihn zu treten. Er habe der Sache aber aus dem Weg gehen wollen und sei weitergegangen. Durch die Person sei dann ein abgestelltes Postfahrrad umgetreten worden, anschließend habe er ihn erreicht. Er habe ihn mit dem Fuß auf den Oberschenkel getreten. Nachdem er getroffen worden sei, habe er auch zurückgetreten. Er habe nur einmal zurückgetreten. Er habe die Person nicht mit den Fäusten geschlagen, er habe ihr lediglich die Mütze vom Kopf gestoßen. Diese habe er dann über den Zaun ins Nachbargrundstück geworfen. Er habe die Person gezielt in die Genitalien getreten. Damit er erreichen wollen, dass er ihn nicht mehr verfolgen könne. Er habe ihn nicht auf den Hinterkopf geschlagen. Die Person habe überhaupt nicht auf dem Boden gelegen. Er sei nur nach dem Tritt in die Genitalien auf die Knie gefallen und in dieser Stellung verblieben. Die Person habe die Angelegenheit selbst provoziert. Er habe sich im Prinzip lediglich gewehrt. Sie habe auf seine Aufforderung zum Wegfahren überreagiert. Seine Schwester habe den größten Teil dieser Auseinandersetzung mitverfolgt. Zum Schluss sei sie dann ins Haus gegangen und habe seinen Vater geholt. Sein Vater sei auch im Hof erschienen und habe etwas zu dem Mann gesagt. Was er genau gesagt habe, wisse er nicht mehr. Er sei dann mit seiner Schwester ins Auto gestiegen und weggefahren. Da der andere Pkw weg gewesen sei, sei die Einfahrt frei gewesen. Der Mann sei noch im Hof geblieben, er habe noch gesehen, wie er mit seinem Vater gesprochen habe (Aussage des H. vom 24. Januar 1996).
Die Zeugin K ... hat am 15. Januar 1996 ausgesagt: Gegen ca. 10.30 Uhr habe sie ihre Postsendung von den Innenräumen auf die Rampe gestellt. Sie habe dabei festgestellt, dass zwei männliche Personen im Posthof, vor der Rampe, in eine Auseinandersetzung verwickelt gewesen seien. Beide Personen hätten geschrieen, sich geschubst und sich in die Beine getreten. Sie habe daraufhin ihre Kollegin, die Zeugin D ... dazugerufen. Diese sei dann ebenfalls kurz auf die Rampe gekommen, sei aber sofort wieder nach innen gegangen. Vom Ansehen her habe sie den jüngeren Mann, den Zeugen H., gekannt. Sie habe dabei nur gesehen, dass der ältere, ihr nicht bekannte Herr, H. verfolgt habe. Dabei habe er ihn an der Jacke festgehalten. Beide Personen hätten sich während dieser Auseinandersetzung auf die Haustür zu bewegt. Vorher sei noch die Schwester des H. ins Haus gerannt. Dabei habe sie ihren Vater gerufen. Sie habe nicht gesehen, dass beide Personen mit Fäusten aufeinander eingeschlagen hätten. Sie habe sich aber auch nicht die ganze Zeit auf der Rampe aufgehalten, sondern habe immer wieder ihre Sendung herausgeholt. Für sie habe es so ausgesehen, dass der ältere Herr immer wieder den H. verfolgt habe. Dieser schrie immer: "Hauen sie ab". Sie habe dann noch gesehen, wie der ältere Herr auf einem Fahrrad gelegen habe. Wie es zu dem Sturz gekommen sei, habe sie nicht gesehen. In diesem Moment sei dann der Vater des H. aus der Haustür gekommen. In diesem Moment sei sie dann wieder ins Postamt gegangen.
Unter dem 15. Januar 1996 hat die Zeugin D ... ausgesagt: Sie habe vom Hof her erregte, laute Stimmen gehört. Ihre Kollegin, die Zeugin K ... , habe dann auf einmal gesagt: "Da kloppen sich welche". Daraufhin sei sie nach draußen gegangen, auf die Rampe. Sie habe dann zwei Personen gesehen, die sich gegenseitig schubsten. Beide Personen seien ihr unbekannt gewesen. Sie habe gesehen, wie der ältere Herr den jungen Mann verfolgt habe. Dabei habe er ihn fortwährend geschubst. Sie habe nichts davon gesehen, dass sich beide Personen auch mit den Fäusten geschlagen haben. Ihr sei nur aufgefallen, dass die jüngere Person immer gesagt habe: "Lass mich in Ruhe, geh weg". Da sie sich so etwas nicht habe ansehen können, sei sie wieder in das Postgebäude zurückgegangen. Nach einer Weile habe sie nur gehört, wie eine Person gesagt habe, lass das Fahrrad stehen. Dann habe sie gehört, wie ein Fahrrad umgefallen sei. In diesem Moment sei sie nochmals auf die Rampe gegangen. Sie habe dann gesehen, wie das Fahrrad im Hof gelegen habe. Das Fahrrad habe in Richtung des jungen Mannes gelegen, der ältere habe darauf gekniet.
Die Zeugin S ... H ... hat in ihrer Zeugenvernehmung am 31. Januar 1996 ausgesagt: Am 20. Dezember 1995 habe sie mit ihrem Bruder mit seinem Pkw zum Doktor fahren wollen. Sie seien in das Fahrzeug eingestiegen und hätten dann gesehen, dass die Grundstücksausfahrt durch zwei Fahrzeuge blockiert gewesen sei. Es sei so zugestellt gewesen, dass ein Durchkommen mit dem Fahrzeug nicht möglich gewesen sei. Ihr Bruder sei wieder aus dem Fahrzeug ausgestiegen und habe zu einem Mann gesagt, dieser habe an einem Trabant gestanden, dass er wegfahren solle. Dieser Aufforderung sei dieser nicht nachgekommen. Daraufhin habe ihr Bruder ihren Vater holen wollen. Dazu sei es aber nicht gekommen, da diese Person auf sie zu gekommen sei. Als er an ihrem Fahrzeug gestanden habe, habe er einfach mit beiden Fäusten auf das Fahrzeug eingeschlagen. Anschließend sei er zu ihrem Bruder gegangen, dieser habe zu diesem Zeitpunkt ca. drei bis vier Meter vom Fahrzeug entfernt gestanden, und ihn geschubst. Sie habe gesehen, wie er ihn mit einer Hand in die Seite geschubst habe. Daraufhin habe ihr Bruder diesen Mann auch geschubst. Beide hätten sich dann angeschrien. Sie habe nicht gesehen, dass sich beide Personen mit den Fäusten schlugen oder getreten hätten. Sie habe auch nichts davon gesehen bzw. bemerkt, dass bei der Auseinandersetzung jemand gestürzt sei. Während dieser Auseinandersetzung habe sie sich dann entschlossen, ihren Vater zu holen. Sie habe erst noch die ganze Zeit im Fahrzeug gesessen, sei dann ausgestiegen und ins Haus gegangen. Zusammen mit ihrem Vater sei sie dann wieder in das Hofgrundstück gekommen. Als sie zusammen mit ihrem Vater im Hof gewesen sei, hätten sich beide noch gegenseitig geschubst. Dann seien beide schon fast am Hauseingang - vom Hof aus gesehen - gewesen. Ihr Vater habe dann etwas zu ihrem Bruder und diesem Herrn gesagt. Daraufhin sei er in sein Fahrzeug und habe es ein Stück zur Seite gefahren. Sie sei dann mit ihrem Bruder ins Fahrzeug und abgefahren. Dieser Herr sei dann im Fahrzeug geblieben. Als sie vorbeigefahren seien, habe dieser jedenfalls in seinem Pkw gesessen.
In seiner Aussage vom 15. August 1996 hat der Zeuge U ... H ... folgende Angaben gemacht: Er sei durch seine Tochter verständigt worden, dass sein Sohn im Posthof eine Auseinandersetzung mit einem Mann hätte. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt in seiner Wohnung befunden. Daraufhin sei er mit seiner Tochter in den Hof gegangen. Als er dann im Hof gewesen sei, habe er seinen Sohn und eine ihm unbekannte männliche Person gesehen, welche sich angebrüllt hätten. Dabei hätten beide ca. einen Meter auseinander gestanden. Er habe nicht gesehen, dass beide aufeinander eingeschlagen hätten. Als er mitbekommen habe, um was es gegangen sei, habe er folgendes gesagt, da durch das Fahrzeug des Herrn die Einfahrt zum Posthof blockiert gewesen sei, dass er sich in seine Pappe setzen solle und die Einfahrt frei machen. Nach ca. zwei bis drei Minuten habe dann dieser Herr sein Fahrzeug weggefahren, so dass die Einfahrt frei gewesen sei. Sein Sohn sei dann mit seiner Schwester zum Arzt gefahren und in diesem Moment habe er sich dann allein im Posthof befunden. Er habe die Absicht gehabt, wieder in seine Wohnung zu gehen. Bevor er dazu gekommen sei, sei diese Person plötzlich wieder auf ihn zugekommen und habe ihn beleidigt. Er habe dabei Ausdrücke wie "Assi", "doof" und "Vogel" und Ähnliches geäußert. Diese Ausdrücke habe er dann mehrfach wiederholt. Da er gemerkt habe, dass dieser Herr aufgeregt gewesen sei, habe er nicht weiter darauf reagiert. Der Kläger hätte ihn dabei von der Rampe im Posthof bis zur Haustür verfolgt. Das seien ungefähr zehn Meter. An der Haustür habe er sich dann umgedreht und zu ihm gesagt, dass er verschwinden solle. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen. Daraufhin sei er auf diese Person zugegangen und habe mit seinem Bauch gegen seinen Körper gedrückt. Er sei dabei leicht rückwärts gegangen, er habe ihn sozusagen vor sich her geschoben. Dabei sei er aber nicht zum Sturz gekommen. Dies sei so lange gegangen, bis sie an der Rampe gewesen seien. Dort habe er ihn plötzlich gefragt, wie er seinen Hut wiederbekomme. Das habe er ihm auch gesagt, danach sei er in seine Wohnung gegangen. Er habe den Kläger nicht geschlagen oder sonst wie körperlich geschädigt. Er habe ihn nicht bedroht. Durch ihn seien nur die Äußerungen gebraucht worden, die er bereits angegeben habe. Es sei absolut nicht wahr, dass er dem Kläger eine Tracht Prügel angedroht habe bzw. geäußert habe, ihm in die "F ..." schlagen zu wollen. Nach seiner Auffassung sei dies eindeutig gelogen. Es sei absolut nicht wahr, dass er ihm einen Stoß vor die Brust gegeben habe bzw. mit der Faust auf die Brust geschlagen hätte. Er habe mit seinem Bauch den Geschädigten vor sich her geschubst, sonst nichts weiter. Für ihn sei diese Angelegenheit im Prinzip von Anfang an erledigt gewesen. Nachdem er sein Fahrzeug zur Seite gefahren habe, habe er gehen wollen. Dabei sei er aber von dem Kläger verfolgt worden und nicht umgekehrt.
Zutreffend hat das SG festgestellt, dass die Darstellungen des Klägers zum Geschehensablauf von keinem der Zeugen in den wesentlichen Ausführungen bestätigt werden. Die Zeuginnen K ... und D ... haben sowohl in ihrer polizeilichen Vernehmung als auch in ihrer uneidlichen Aussage vor dem SG übereinstimmend ausgesagt, dass der Kläger und H. sich gegenseitig schubsten, der H. aber in der Defensive gewesen sei und der Kläger den H. verfolgt habe, wobei H. immer gesagt habe: "Lass mich in Ruhe.", "Geh weg" und "Hauen sie ab." Die Zeugin K ... hat ferner ausgesagt (15. Januar 1996), beide Personen hätten sich in die Beine getreten. Dies entspricht der Aussage des H. vom 24. Januar 1996, der ausgesagt hat, der Kläger habe versucht, ihn zu treten, er habe ihn mit dem Fuß auf den Oberschenkel getreten. Darauf habe er ihn gezielt in die Genitalien getreten.
Ein rechtswidriger Angriff ist hierin jedoch nicht zu sehen. Vielmehr hat H. ersichtlich in Notwehr i.S.d. § 32 Strafgesetzbuch (StGB) gehandelt. Notwehr in diesem Sinne schließt die Rechtswidrigkeit des Angriffes i.S.d. § 1 Abs. 1 OEG aus, wobei sich der Rechtfertigungsgrund nach den Rechtsmaßstäben beurteilt, die in § 32 StGB festgelegt und ergänzend durch die Rechtsprechung entwickelt worden sind (BSG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: B 9 VG 1/98 R = SozR 3-3800 § 1 Nr. 15 = BSGE 84, 54-61). Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (§ 32 Abs. 2 StGB).
H. hat vor dem SG ausgesagt, er sei dann in Richtung Hauseingang gegangen, der Kläger sei hinter ihm her und habe dabei geschimpft. Irgendwann habe er ihn von hinten wieder erreicht, habe an seinen Sachen gezogen, so dass er sich umgedreht und ihm seine Mütze vom Kopf genommen und auf das Nachbargrundstück geworfen habe. Er habe damit erreichen wollen, dass sich der Kläger um seine Mütze kümmere und ihn in Ruhe lasse. Das habe jedoch keinen Erfolg gehabt. Der Kläger habe jedoch weiter an ihm gezerrt. Daraufhin habe er sich umgedreht und habe den Kläger einmal in die Genitalien getreten. Diese Aussage wird von der Zeugin K ... (Aussage vom 15. Januar 1996) dahingehend bestätigt, dass der Kläger H. verfolgt habe, er habe ihn dabei an der Jacke festgehalten, beide Personen hätten sich während dieser Auseinandersetzung auf die Haustür zu bewegt. Nach Auffassung des Senats hat der Kläger durch das Zerren an den Sachen des H. bzw. Festhalten an der Jacke, als sich der H. auf die Haustür zu bewegt hat, den Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) verwirklicht. Durch das Hindern des H. am Weitergehen hat der Kläger Gewalt durch Ausübung einer körperlichen Zwangswirkung auf H. ausgeübt. Rechtfertigungsgründe für das Tun des Klägers sind nicht ersichtlich. Nach dem Inhalt der Aussagen aller Zeugen ergeben sich weder Anhaltspunkte dafür, dass H. den Kläger zuerst tätlich angegriffen hat, noch ist der Nachweis für ein solches Tun vom Kläger erbracht worden. Die Anwendung der Gewalt durch den Kläger war auch zu dem angestrebten Zweck (offensichtlich war eine Zurredestellung des H. beabsichtigt) verwerflich. Dem Geschehensablauf lag - zwischen dem Kläger und H. ist dies im Übrigen unstreitig - ein vermeintliches Blockieren einer Grundstückszufahrt zu Grunde.
Ein Zurredestellenwollen eines der am Streit Beteiligten durch einen anderen durch Ausübung von Gewalt i.S.d. § 240 Abs. 1 StGB im Rahmen eines an und für sich nichtigen Anlasses ist als verwerflich i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB anzusehen. Die Abwendung des Angriffs des Klägers durch H. war auch erforderlich. Sie war nach den gesamten Umständen geeignet, den Angriff des Klägers zu beenden, H. hat sich eines adäquaten Abwehrmittels bedient, nachdem das Wegwerfen der Mütze des Klägers, um diesen abzulenken, erfolglos war. Die Verteidigungshandlung war auch geboten. Es besteht kein unerträgliches Missverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und der durch die Verteidigung herbeigeführten Verletzung. Gegenüber der Gewalteinwirkung durch den Kläger ist H. mit der Anwendung von körperlicher Gewalt begegnet.
Aus den vorliegenden Aussagen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger von H. weitere Verletzungen zugefügt worden sind. Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, an der Glaubhaftigkeit der Darstellung der Zeugen zu zweifeln. Die Zeuginnen K ... und D ..., die mit H. und auch dem Zeugen U ... H ... nicht verwandt oder verschwägert sind und auch sonst in keiner unmittelbaren Beziehung zu diesen stehen, bestätigen im Wesentlichen, soweit sie den Geschehensablauf beobachtet haben, die Aussage des H. Weitere Zeugen sind weder von H. noch dem Kläger namentlich benannt worden. Von einer erneuten Vernehmung der Zeugen hat der Senat abgesehen, da sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Zeugen nach nunmehr mehr als fünf Jahren nach dem 20. Dezember 1995 andere Aussagen machten, als bereits vor der Polizei oder vor dem SG (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, Az.: B 9 VG 2/97 R = SozR 3-1500 § 128 Nr. 12). Selbst wenn die Aussagen aller vier Zeugen sich als unwahr darstellten, bliebe allein die Aussage des Klägers übrig. Ein Nachweis für das Vorliegen der von ihm behaupteten anspruchsbegründenden Tatsachen ergibt sich allein daraus jedoch nicht.
Ebenso wenig ist ein körperlicher rechtswidriger tätlicher Angriff seitens des Zeugen U ... H ... gegen den Kläger nachgewiesen. Die Zeuginnen D ..., K ..., S ... H ... und H. haben einen tätlichen Angriff des Zeugen U ... H ... gegen den Kläger nicht beobachtet. Der Zeuge U ... H ... hat in seiner polizeilichen Vernehmung am 15. August 1996 ausgesagt, er habe den Kläger mit seinem Bauch gegen dessen Körper gedrückt, sonst nichts weiter. In seiner Aussage vor dem SG hat er angegeben, als er wieder ins Haus gehen wollte, sei ihm der Kläger hinterher gekommen und habe ihn dabei beschimpft. Er habe ihn dann mit der flachen Hand am Brustkorb zurückgestoßen und sei danach zurück ins Haus gegangen. Nach den übereinstimmenden Aussagen des Zeugen U ... H ... und des Klägers ist daher nachgewiesen, dass der Kläger einen Stoß vor die Brust von dem Zeugen U ... H ... erhalten hat. Darin mag zwar eine gesundheitliche Schädigung liegen, Folgen der Schädigung (Gesundheitsstörungen) hat der Kläger dadurch jedoch nicht zurückbehalten. Sowohl aus den von dem Beklagten eingeholten Befundberichten Dr. O1., Dipl.-Med. S2 ... und Dipl.-Med. S1 ... als auch aus den vom SG eingeholten Befundberichten von Dr. O1. und Dipl.-Med. S1 ... ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diesbezüglich eine Gesundheitsstörung zurückbehalten hat. Verletzungen, insbesondere Prellungen bzw. Quetschungen, im Brustbereich werden von den vom Kläger als behandelnde Ärzte angegebenen Medizinern nicht berichtet. Aus den vorliegenden Arztberichten ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass - wie vom Kläger vorgetragen - er sich zu irgendeinem Zeitpunkt als Folge des Geschehensablaufes am 20. Dezember 1995 in Lebensgefahr befunden hat.
Dem Kläger kommt auch nicht die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG zugute, auf den § 6 Abs. 3 OEG verweist. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, bei bestimmten Beweisschwierigkeiten der Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9 a BVg 4/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 35). Diese Beweiserleichterung greift hier jedoch nicht, weil Zeugen für den Geschehensablauf vorhanden sind. Dem Kläger kommen auch nicht die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zugute, die im sozialgerichtlichen Verfahren ebenfalls anwendbar sind (BSGE 8, 247; 12, 246; 19, 54). Der Anscheinsbeweis ermöglicht bei so genannten typischen Geschehensabläufen, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen und beruht auf Erfahrungswissen; es muss ein Hergang zu Grunde liegen, der erfahrungsgemäß in bestimmtem Sinne abläuft. Sind aber mehrere Geschehensabläufe oder Vorgänge möglich, dann ist diese Beweisregel ausgeschlossen, mag auch eine von mehreren Möglichkeiten, die für den Kläger günstig wäre, wahrscheinlicher sein als eine andere (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9 a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34). Wie dargelegt, steht der Geschehensablauf fest. Selbst wenn man den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf für möglich hielte, wäre die Beweisregel des Anscheinsbeweises ausgeschlossen.
Nach Überzeugung des Senats lässt sich insgesamt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs durch H. gewesen ist oder durch den Zeugen U ... H ... eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Es konnte daher im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger geltend gemachten Schädigungsfolgen "teilweiser Gehörverlust beidseits", "Gefahr eines Blutgerinnsels" sowie "Wetterfühligkeit am Hinterkopf rechts" als Schädigungsfolgen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG anzuerkennen sind. Es konnte im Ergebnis auch dahingestellt bleiben, ob Versagungsgründe - Verursachung der Schädigung durch den Geschädigten oder Unbilligkeit, Entschädigung zu gewähren aus sonstigen, insbesondere dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen - i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG vorliegen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehen.
Der im ... 1930 geborene Kläger (Altersrenter) wollte am 20. Dezember 1995 die Dienststelle der Deutschen Post AG in ... N ..., ... aufsuchen, die sich in den unteren Stockwerken des dort befindlichen Gebäudes befindet. Gegen 10.15 Uhr stellte er seinen Pkw Trabant neben dem Postgebäude in der Zufahrt zum Hof des Postgebäudes ab. Der Zeuge R ... H ... (H.), der seinerzeit mit seinen Eltern im Gebäude ... wohnte, wollte mit seiner Schwester, der Zeugin S ... H ..., den Posthof mit seinem Pkw verlassen. Zum Ablauf des weiteren Geschehens machen der Kläger und die Zeugen unterschiedliche Angaben. Im Postamt hielten sich die Zeuginnen K ... und D ...(Zustellerinnen bei der Deutschen Post AG) auf und zunächst innerhalb des Gebäudes der Vater des H., der Zeuge U ... H ...
Am gleichen Tag diagnostizierte Dr. O1., Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie in C ..., bei dem Kläger eine Kontusion des Schädels (Schwellung und größerer Bluterguss occipital rechtsseitig), einen größeren Kontusionsbezirk am Oberschenkel links lateral sowie Kontusionszeichen in der Unterbauch- und Genitalregion. Anzeichen für ein Schädel-Hirn-Trauma seien nicht vorhanden gewesen.
Ebenfalls am 20. Dezember 1995 erstattete der Kläger Strafanzeige wegen Körperverletzung beim Polizeirevier S ... Vom zuständigen Polizeirevier in S ... wurden daraufhin der Kläger, die Zeuginnen K ... und D ..., S ... H ... und H. vernommen. Wegen des Inhalts der Aussagen wird auf Bl. 3-9, 14- 28 der Ermittlungsakte (Duplikatsakte) der Staatsanwaltschaft Chemnitz (Sta) (Az.: ...) Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 04. März 1996 teilte die Sta dem Kläger mit, die Erhebung der Klage liege nicht im öffentlichen Interesse (§§ 374, 376 Strafprozessordnung - StPO). Es bleibe dahingestellt, ob der Beschuldigte (H.) sich der ihm zur Last gelegten Tat strafbar gemacht habe. Ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestehe nicht. Der Rechtsfrieden sei über den Lebenskreis der unmittelbar Beteiligten hinaus nicht gestört. Darüber hinaus hätten die Ermittlungen folgenden Sachverhalt ergeben: Der Beschuldigte habe am 20. Dezember 1995 zwischen 10.00 und 11.00 Uhr seine Schwester, die Zeugin S ... H ..., mit seinem Pkw, Marke Ford Orion (amtl. Kennzeichen: ...) zum Arzt fahren wollen. Als er aus dem Hof des Anwesens ...in ... N ... habe herausfahren wollen, habe er bemerkt, dass die Einfahrt durch zwei Pkw s blockiert gewesen sei. Da der Anzeigeerstatter an seinem Fahrzeug gestanden habe, habe er ihn gebeten, sein Fahrzeug dort wegzufahren. Der Anzeigeerstatter sei dem jedoch nicht nachgekommen, sondern habe geäußert, dass genug Platz sei. Hieraufhin habe der Beschuldigte den Anzeigeerstatter nochmals gebeten, sein Fahrzeug wegzufahren. Daraufhin sei der Anzeigeerstatter auf ihn zugekommen und habe zunächst mit dem Fuß gegen seinen Pkw getreten und ihn sodann "geschubst". Der Beschuldigte habe sich dann mit seiner Schwester entfernen wollen, sei jedoch vom Anzeigeerstatter verfolgt worden. In der Folge habe der Anzeigeerstatter sodann den Beschuldigten gegen den Oberschenkel getreten. Hierauf habe sich der Anzeigeerstatter dann zur Wehr gesetzt. Dieser Sachverhalt werde sowohl vom Beschuldigten und der Zeugin S ... H ... als auch von den neutralen Zeuginnen D ... und K ... bestätigt. Da der Anzeigeerstatter somit eine Ursache für das Geschehen gesetzt habe, sei es ihm zuzumuten, eine Bestrafung des Täters im Wege der Privatklage zu erreichen, wobei angesichts der Sach- und Beweislage mit einer Verurteilung nicht zu rechnen sei.
Dagegen erhob der Kläger - auch gegenüber dem Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen - Einwendungen. Der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen teilte dem Kläger am 26. Juni 1999 mit, er habe keinen Anlass gefunden, die Verweisung des Klägers auf den Privatklageweg bezüglich des H. zu beanstanden. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise er auf die zutreffenden Gründe der Verfügung der Sta vom 4. März 1996. Die in dem Gutachten von Dr. O1. geschilderten Verletzungen seien nicht derart erheblich, dass das öffentliche Interesse eine Erhebung der öffentlichen Klage durch die Sta erfordere. Er habe jedoch die Sta gebeten, auch gegen den Vater des H. (U ... H ...) als Beschuldigten einzutragen. Auch dagegen erhob der Kläger Einwendungen, die ohne Erfolg blieben (Schreiben des Generalstaatsanwalts vom 23. September 1996, 14. November 1996 und 28. Januar 1997). Ein Ermittlungsverfahren der Sta gegen den Zeugen U ... H ... wegen Körperverletzung (Az.: ...), in dem dieser auch polizeilich vernommen wurde und Angaben zur Sache machte, wurde mit Bescheid der Sta vom 24. September 1996 eingestellt. Einer dagegen vom Kläger eingelegten Beschwerde half der Leitende Oberstaatsanwalt nicht ab (Verfügung vom 19. November 1996).
Am 17. Januar 1996 stellte der Kläger - zunächst formlos - bei dem Beklagten einen Antrag auf Beschädigten-Versorgung nach dem OEG. Er stelle den Antrag wegen folgender gesundheitlicher Schädigungen: Schläge, Prellungen, insbesondere schwere Schläge auf Hinterkopf und Ohren, insbesondere rechtes Ohr, rechter Hinterkopf - starke Schwellung Hinterkopf. Heute lägen noch Folgen dieser gesundheitlichen Schädigungen vor: "Schmerzen Hinterkopf, Ohr rechts lief aus, auch Blut, erst nach über acht Tagen, anschließend Gehör total verloren, in ärztlicher Behandlung". Nach der Gewalttat sei er behandelt worden von Dr. O1., Dipl.-Med. S1 ... und der HNO-Fachärztin S2 ... Zum Vorgang führte er aus: Er sei am 20. Dezember 1995 gegen ca. 10.15 Uhr grundlos von einem 18-jährigen Unbekannten am Hofe des Grundstückes ... zusammengeschlagen worden. Hierzu sei noch ein zweiter Unbekannter gekommen, welcher ihn ebenfalls bedroht und geschlagen habe. Da alle Parkmöglichkeiten im Bereich der Post verstellt gewesen seien, habe er sein Fahrzeug neben einem parkenden Auto zum dortigen Hofeingang gestellt. Ein Vorbeifahren eines weiteren Pkw wäre möglich gewesen. Nach einer Minute sei er die Treppen vom Postamt heruntergekommen, habe die Tür aufgemacht, um wegzufahren, habe aber noch eine Weihnachtskarte auf seinem Sitz liegen gesehen, die er noch versucht habe, in den Briefkasten zu werfen. Dazu sei es nicht gekommen. Ein 18-jähriger hätte ihn wie ein Angestochener angebrüllt, der offenbar aus zum Hof rückwärts zur Straße herausfahren wollte. Er habe ihn sofort mit den Worten "Hau ab Alter, sonst kriegst du paar in die Sch ..." beleidigt. Dies sei in höchster Lautstärke erfolgt. Er habe ihm durch Handzeichen angeboten, herauszufahren. Dies habe nichts genützt. Er habe weiter gebrüllt "Hau ab Alter, sonst kriegst du paar in die F ...", als er ihm nochmals friedlich zurief, leicht einzuwenden. Dies alles habe nichts geholfen, er habe ihn wie irrsinnig angebrüllt, sonst "schlägt er mich zusammen ...". Daraufhin sei er ein paar Schritte auf ihn zugegangen, um ihn mit Worten zur Räson zu bringen. Dabei habe er ihm jedoch sofort ins Gesicht geschlagen. Es sei zu einem Wort-Schlagabtausch gekommen, er habe ihn dann sofort auf den Kopf geschlagen und sei einige Meter zurückgesprungen. Er habe natürlich geschimpft über solche gemeinen Angriffe. H. habe ihn geschlagen und ihn in den Unterbauch und das Bein und weiter auf seinen Kopf getreten. Er sei dann aber weggegangen, während er versuchte ihn abzuwehren, habe den Täter aber niemals getroffen oder geschlagen. Als er zurückgegangen sei, habe er ihn nochmals von hinten heran angesprungen, habe ihn mit der Faust gewaltig auf seinen Hinterkopf geschlagen. Er habe einen Schwächeanfall bekommen, es habe geschmerzt, seine Mütze habe er vom Kopf geschlagen. Er ging bzw. wollte zu seinem Fahrzeug gehen, sei aber nicht dazu gekommen. Ein zweiter Unbekannter, ca. 40 Jahre alt, habe sich ihm in den Weg gestellt und habe ihn angeschrien "Hau ab mit deiner Pappe ..., sonst kriegst du von mir genauso paar in die Gusche wie von dem Anderen ...". Da er mit diesem keinerlei "Befassung" gehabt habe, habe er darauf nur gesagt "Ihr seid doch gar nicht mehr normal, Leute grundlos zusammenzuschlagen". Daraufhin sei dieser drohend auf ihn zugekommen, dieser habe ihn mit seinen Worten vorher nur provozieren wollen, und habe ihm mit der Faust gegen den Oberkörper geschlagen. Dies habe er sich wortlos gefallen lassen, während er sich in den Eingang des Hauses ... zurückgezogen habe. Er habe um Hilfe gerufen, die Hintertür bei der Post habe offen gestanden, sei jedoch daraufhin zugeschlagen worden. Er habe bis heute Schmerzen leichterer Art im Hinterkopf, er wisse nicht, ob etwas zurückbleibe. Anfang Januar 1996 habe er festgestellt, dass aus dem Gehörgang etwas Blut ausgelaufen sei. Es bestehe die Gefahr, dass im Kopfinneren sich ein Blutgerinnsel bilde.
Der Beklagte hat daraufhin Befundberichte von Dr. O1 ... und von Dipl.-Med. S2 ..., Fachärztin für HNO-Heilkunde in C ..., eingeholt. Dr. O1. führte in seinem Befundbericht vom 27. Februar 1996 neben den o. a. Diagnosen aus, es seien ebenfalls keine Bewusstlosigkeiten, keine Schwindelerscheinungen und Sehstörungen vorhanden gewesen. Der Kläger sei von ihm entsprechend aufgeklärt worden, es sollte Bettruhe einhalten und die Kontusionsbezirke und Schwellungen mit kühlenden Umschlägen behandeln. Über Folgeschäden sei ihm nichts bekannt bzw. über noch vorhandene Schäden, da der Kläger nur einmal, nämlich am 20. Dezember 1995 nach der Verletzung in seiner ambulanten Behandlung gewesen sei. Dipl.-Med. S2 ... berichtete unter dem 29. Februar 1996, der Kläger habe sich erstmals am 16. Januar 1996 in ihrer Sprechstunde vorgestellt. Er habe angegeben, seit ca. 10 Tagen nach einem Infekt eine Gehörverschlechterung bemerkt zu haben. Die stattgefundene Gewalttat sei bereits am 20. Dezember 1995 gewesen, so dass sie einen Zusammenhang nicht für sehr wahrscheinlich halte. Er habe angegeben, auf dem rechten Ohr Schmerzen gehabt zu haben, das rechte Ohr sei ausgelaufen. HNO-Status: Trommelfell links rosa verdickt, intakt. Auf dem rechten Trommelfell seien grüne Beläge gewesen, die durch Spülung entfernt worden seien. Eine Trommelfellperforation sei nicht zu sehen gewesen. In der Erstanamnese habe der Kläger angegeben, dass um 1970 das linke Ohr ebenfalls mehrfach ausgelaufen sei und seitdem links eine geringe Hörminderung bestehe. Äußerlich sei kein Hämatom im Bereich des Kopfes sichtbar gewesen. Es habe kein Druckschmerz im Bereich des rechten Ohres bestanden. Im Tympanogramm seien die Schwingkurven beider Trommelfelle deutlich herabgesetzt. In der Annahme, dass es sich um einen postinfektiösen Prozess handele, habe der Kläger ein starkes Antibiotikum, Nasenspray und antientzündliche Tabletten erhalten. Er habe eine Mikrowellenbestrahlung - zusammen zwölfmal - erhalten. Subjektiv habe er eine Hörverbesserung angegeben. Es bestehe eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit einem Hochtonabfall und gleichzeitig noch beidseits eine Schallleistungskomponente, diese sei sicherlich noch infektbedingt. Weiterhin hat er einen Befundbericht von Dipl.-Med. S1 ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin in C ..., eingeholt. In ihrem Befundbericht vom 6. Oktober 1996 teilte sie folgende Diagnosen mit: Zustand nach traumatischer Trommelfellverletzung, HWS-Pseudoradikulärsyndrom. Der Kläger sei am 20. Dezember von zwei Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Chirurgische Diagnose: Kontusion Schädel, Kontusion Oberschenkel links lateral, Kontusion Unterbauch und Genitalorgane. Der Kläger habe sich am 21. Dezember in ihre Behandlung begeben, Mitbehandlung in HNO-traumatische Otitis media ... (unleserlich). Der Kläger befinde sich heute noch in HNO-ärztlicher Behandlung (Dr. S2 ...), letzte Behandlung 20. August 1996. Der Kläger leide noch immer an Kopfschmerzen, teils sicher durch HWS-Beschwerden. Ferner hat der Beklagte die Ermittlungsakten der Sta H. betreffend beigezogen.
Am 24. Juni 1997 erließ der Beklagte einen ablehnenden Bescheid. Der Kläger beanspruche Beschädigtenversorgung wegen der am 20. Dezember 1995 erlittenen Gesundheitsstörungen "Schmerzen am Hinterkopf und Hörverlust". Es könnten nur die Folgen eines rechtswidrigen Angriffs einen Versorgungsanspruch begründen. Ein rechtswidriger Angriff sei dann nicht gegeben, wenn der Täter objektiv unter den Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes und subjektiv mit Rechtfertigungswillen gehandelt habe. In seinem Fall sei die geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gewesen. Wie aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft hervorgehe, habe er selbst mit den Tätlichkeiten begonnen und habe damit eine Gegenwehr herausgefordert. Somit bestehe kein Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Dagegen legte der Kläger am 30. Juni 1997 Widerspruch ein. Die brutalen Überfälle hintereinander hätten zu einer schweren Schädigung geführt. Die Auswirkungen: Bewusstlosigkeit, starke Schmerzen Hinterkopf, Ohren, starke Anschwellung, sofortige ärztliche Inanspruchnahme von insgesamt drei Ärzten, eine Privatbehandlung zusätzlich, Röntgen, Untersuchung, nach dauernden Schmerzen totaler Gehörverlust (Gehörsturz), Auslaufen von Blut aus dem Kopfinnern über Ohr, Feststellung durch die Ärzte von Eiterung im Kopfinnern, Anordnung ins Krankenhaus; da die Ärzte nicht hätten weiterhelfen können, tägliche monatelange Behandlung durch Kurzwellenbestrahlung, Rotlichtbestrahlung täglich mehrmals, Medikamentenbehandlung, Behandlung bei der Psychotherapie, Prellungen an Kopf, Gesicht, Oberschenkel und Genitalien. Er habe in Lebensgefahr geschwebt. Er sei über drei Monate ein Pflegefall gewesen mit anschließender Weiterbehandlung durch die Ärzte. Dauerschäden seien entstanden durch Gehörverlust, durch Gefahr des Lösens von Blutgerinnseln oder Eiterabsonderungen im Kopfinnern, bei akuter Lebensgefahr. Hier lägen eindeutig die Folgen eines rechtswidrigen Angriffes vor. Wegen der übrigen Einlassungen des Klägers - auch zum Geschehensablauf - wird auf Bl. 101 bis 106 der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10. September 1997). Die Tatbestandsvoraussetzungen i.S.d. § 1 Abs. 1 OEG - vorsätzlich, rechtswidriger tätlicher Angriff - lägen bei dem Kläger nicht vor. Es werde dabei zum wiederholten Male auf die dem Beklagten zur Verfügung gestellten Akten der Sta verwiesen, aus denen unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen eindeutig hervorgehe, dass er selbst mit den Tätlichkeiten begonnen und damit folgerichtig eine Gegenwehr herausgefordert habe. Die von ihm in seinen Schreiben vom 30. Juni 1997 und 25. August 1997 vorgetragenen Argumente seien bei der Überprüfung im Vorverfahren berücksichtigt worden. Sie hätten jedoch nicht zu einer Änderung des angefochtenen Bescheides führen können. Versorgung nach dem OEG stehe ihm nicht zu.
Der Kläger erhob am 19. September 1997 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei Dr. O1. und Dipl.-Med. S1 ... Dr. O1. teilte unter dem 2. Februar 1998 unter Benennung der bereits bekannten Diagnose mit, der Kläger sei nur einmal am 20. Dezember 1995 in seiner ambulanten chirurgischen Behandlung gewesen. Dipl.-Med. S1 ... berichtete am 1. April 1998, die letzte Vorstellung hinsichtlich der Verletzung vom 20. Dezember 1995 sei am 20. Dezember 1995 erfolgt. Auf die Frage, ob neue Leiden hinzugekommen oder alte weggefallen seien bzw. wann etwaige Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten seien, antwortete sie mit "unbekannt". Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Beiziehung der Akte der Sta mit dem Aktenzeichen ... und durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen K ... und D ..., S ... H ..., U ... H ... und von H ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2001 (Bl. 127-134 SG-Akte) Bezug genommen.
Auf mündliche Verhandlung hat das SG am 23. Mai 2001 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1997 sei rechtmäßig, so dass der Kläger durch ihn nicht ungerechtfertigt beschwert sei. Der Vollbeweis, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei, könne nicht erbracht werden. Es verblieben zumindest ernste und vernünftige Zweifel daran, dass die Schädigung des Klägers rechtswidrig erfolgt sei, wobei unter Rechtswidrigkeit ein Verstoß gegen die Rechtsordnung zu verstehen sei. Denkbar seien - wenn auch mit unterschiedlichem Wahrscheinlichkeitsgrad - verschiedene Geschehensabläufe. Zwar sei nach den Darstellungen des Klägers ein vorsätzlicher und rechtswidriger Angriff durch H. denkbar. Die Darstellungen des Klägers würden jedoch von keinem der Zeugen in den wesentlichen Ausführungen bestätigt. Hier seien insbesondere die Aussagen der unbeteiligten und unabhängigen Zeugen D ... und K ... zu würdigen. Beide Zeuginnen hätten übereinstimmend dargestellt, dass H. eher in der Defensive gewesen sei und sich gewehrt habe. Insbesondere die Darstellung der Zeugin D ..., dass der Kläger H. geschubst habe und H. den Kläger verbal zu beschwichtigen versucht habe, lasse einen zwingenden Rückschluss auf ein rechtswidriges Verhalten des H. nicht zu. Beide Aussagen stimmten im Gesamtgeschehensablauf mit den Darstellungen des H. sowie der Zeugin S ... H ... überein. Eine andere Bewertung sei ebenso wenig aus der Darstellung des H. abzuleiten, er habe den Kläger bewusst in die Genitalien getreten. Dem sei nämlich nach Aussage des H. vorausgegangen, dass der Kläger den H. beschimpft und bedrängt habe. Der Kläger sei jedoch weder durch verbale Aufforderung davon abzubringen gewesen, noch habe er von H. abgelassen, nachdem letzterer dem Kläger die Mütze vom Kopf genommen und auf das Nachbargrundstück geworfen habe. Erst nach dem Tritt in den Genitalbereich habe H. nach seinen Aussagen ins Wohnhaus gelangen können. Aus diesem Geschehensablauf sei zu entnehmen, dass H. nicht rechtswidrig gehandelt habe. Vielmehr sei gerade aus der Handlungsweise erkennbar, dass er das möglichst mildeste Mittel gesucht habe, um das Zerren des Klägers an den Sachen des H. zu beenden. In der Handlung des Klägers sei für das Gericht eine Nötigung erkennbar. Der Kläger habe auf den H. physisch dahingehend eingewirkt, dass H. an seiner freien Bewegung gehindert gewesen sei. Gründe, die diese Handlung rechtfertigen könnten, seien aus den Zeugenaussagen nicht abzuleiten. Zwar stelle sich das Geschehen aus Sicht des Klägers und nach dessen Aussage anders dar. Allein diese Aussage könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Ein Rückgriff auf § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) sei nicht möglich. Vorliegend seien Zeugen vorhanden gewesen. Auch sei für das Gericht die Aussage des Klägers wenig glaubhaft. Auf der einen Seite stelle der Kläger dar, von H. geschlagen worden zu sein, auf der anderen Seite habe es ihn nach eigener Aussage hinter H. nach den jeweiligen Schlägen hergezogen. Für das Gericht sei nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb eine Person, die von einer anderen körperlich misshandelt werde, dennoch in unmittelbarem zeitlichen Abstand die räumliche Nähe suche. Hier seien für das Gericht die Darstellungen der Zeugen überzeugender, wonach der Kläger hinter H. hergelaufen sei und ihn dadurch provoziert habe. Nach der Zeugenvernehmung sei offen geblieben, wodurch der Kläger eine Prellmarke am rechten Hinterkopf erlitten habe. Auf Grund der fehlenden Glaubhaftigkeit der Aussage des Klägers sei hier hingegen ein rechtswidriger Angriff nicht als erwiesen anzusehen. Diese Schädigung könne auch im Zusammenhang mit dem im Hof stehenden Fahrrad stehen. Es sei nicht aufzuklären gewesen, weshalb das Fahrrad umgefallen sei und ob und gegebenenfalls wie der Kläger über das Fahrrad gefallen sei. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger von selbst, zum Beispiel in einem Zustand besonderer Aufregung, über das Fahrrad gefallen sei und sich dabei gegebenenfalls auch die Verletzung am rechten Hinterkopf zugezogen habe. Zwar habe sich im Rahmen der gerichtlichen Zeugenvernehmung keiner der Zeugen an einen Sturz des Klägers über das Fahrrad erinnern können, die Zeugin K ... habe jedoch ausgesagt, dass der Kläger das Fahrrad umgeworfen habe. In der polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach dem Geschehen habe sie ergänzend ausgeführt, der Kläger habe auf einem Fahrrad gelegen. Auch die Zeugin D ... habe nach den Darstellungen in der polizeilichen Vernehmung gesehen, dass der Kläger auf dem umgefallenen Fahrrad gekniet habe. Auf Grund der verschiedenen Möglichkeiten des Geschehensablaufes habe die Kammer bereits die vorsätzliche rechtswidrige Gewalttat als nicht nachweisbar ansehen müssen. Weitere Sachaufklärung sei nicht möglich gewesen. Die unmittelbaren Tatzeugen seien vom Gericht vernommen worden. Auch aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten seien keine entgegengesetzten Wertungen zu entnehmen gewesen. Mangels Nachweises einer rechtswidrigen Tat müsse dahinstehen, welche konkreten Gesundheitsschäden durch die Tat entstanden seien und welche Schädigungsfolgen daraus resultierten. Ebenso könne dahinstehen, ob gegebenenfalls Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 1. Alternative OEG auf Grund einer wesentlichen Mitverursachung der Schädigung durch den Kläger zu versagen gewesen wären.
Gegen das dem Kläger als Einschreiben am 9. Juli 2001 zur Post gegebene Urteil hat dieser am 11. Juli 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, er sei der Überzeugung, bei der Beurteilung seiner Angelegenheit seien seine Argumente und Anträge nicht genügend bzw. fast nicht beachtet worden. Den Aussagen der Zeugen, die teilweise verwandt seien, sei mehr geglaubt worden als ihm, dem Opfer. Er fühle sich durch diese Art der Sachbearbeitung ungerecht behandelt, werde dadurch als Lügner bezichtigt. Es seien fünf falsche Zeugen herangezogen worden, von denen zwei davon selbst als Beklagte oder Täter in Frage kämen, drei Familienangehörige, die natürlich nicht gegen sich aussagten, dann weitere zwei Zeugen, die ebenfalls nicht als Zeugen in Frage kämen, da sie selbst geäußert hätten, nicht "vollständiger Zeuge" zu sein und nur während ihrer Arbeit etwas gehört hätten und vielleicht durch Herauskommen in "Blitzesschnelle" keinen Zusammenhang bezeugen könnten und somit ein ganz falsches Bild zustande gekommen sei. Bei der Tat habe es sich um einen beabsichtigten, durchgeführten Mordanschlag gehandelt, bei dem der Zeuge billigend in Kauf genommen habe, dass dieser genauso hätte tödlich sein können. Gegen die Würde des Menschen als Grundrecht sei hier ganz besonders verstoßen worden. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf dessen Schriftsätze vom 21. August 2001, 03. Dezember 2001 und 08. Dezember 2001 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2001 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, als Schädigungsfolgen der Gewalttat vom 20. Dezember 1995 "teilweiser Gehörverlust beidseits", "die Gefahr eines Blutgerinnsels" sowie "Wetterfühligkeit am Hinterkopf rechts" anzuerkennen und ihm deswegen ab 1. Januar 1996 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Begründung des erstinstanzlichen Urteils für zutreffend. Das Begehren des Klägers sei in der Vorinstanz eingehend geprüft und gewürdigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Chemnitz (Az.: ...-Duplikatsakte) sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1997 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Anerkennung der Gesundheitsstörungen "teilweiser Gehörverlust beidseits", "die Gefahr eines Blutgerinnsels" sowie "Wetterfühligkeit am Hinterkopf rechts" als Schädigungsfolgen auf Grund des Geschehens am 20. Dezember 1995 und Gewährung einer Beschädigtenversorgung deswegen.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ... infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine ... Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Ebenso wie allgemein im Sozialrecht müssen auch für eine soziale Entschädigung nach dem OEG alle anspruchsbegründenden Tatsachen zur Überzeugung des Tatrichters erwiesen sein, d. h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, falls es daran fehlt, geht das zu Lasten des Klägers (objektive Beweis- oder Feststellungslast; vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34; Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: B 9 VG 3/99 R = SozR 3-3900 § 15 Nr. 3).
Unter Würdigung der Angaben des Klägers und der Aussagen der Zeuginnen K ..., D ..., S ... H ..., des Zeugen U ... H ... und des H. vor der Polizei und dem SG, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs durch H. am 20. Dezember 1995 geworden ist.
H. hat den Geschehensablauf wie folgt geschildert: Am 20. Dezember 1995 habe er seine Schwester zum Arzt fahren wollen. Als er mit seinem Fahrzeug den Hof verlassen wollte, habe er festgestellt, dass die Grundstückseinfahrt durch zwei Fahrzeuge blockiert gewesen sei. Er habe sofort gesehen, dass der Platz zum Durchfahren nicht ausreichte. An dem geparkten Trabant habe eine männliche Person gestanden. Er selbst habe noch an seinem Fahrzeug gestanden und diesen Mann gefragt, ob er sein Fahrzeug wegfahren könne. Er habe nur zur Antwort erhalten, dass er durchpassen würde. Daraufhin habe er nur gesagt, dass er es nicht schaffe und dass er sein Fahrzeug wegfahren solle. Dieser Aufforderung sei dieser aber nicht nachgekommen, sondern sei auf ihn zugekommen. Als er bei ihm am Fahrzeug gewesen sei, habe er mit dem Fuß an sein Fahrzeug getreten. Er habe dazu bloß gesagt "Was soll das." Ohne etwas zu sagen sei dieser dann zu ihm gekommen und habe ihn geschubst. Er habe daraufhin die Person ebenfalls geschubst. Seine Schwester, die auf der anderen Seite des Fahrzeugs gestanden habe, habe dann zu ihm gesagt, dass er seinen Vater holen solle. Er sei daraufhin gemeinsam mit seiner Schwester in Richtung Hauseingang gegangen. Der Mann sei ihm dann gefolgt. Dabei habe er versucht, ihn zu treten. Er habe der Sache aber aus dem Weg gehen wollen und sei weitergegangen. Durch die Person sei dann ein abgestelltes Postfahrrad umgetreten worden, anschließend habe er ihn erreicht. Er habe ihn mit dem Fuß auf den Oberschenkel getreten. Nachdem er getroffen worden sei, habe er auch zurückgetreten. Er habe nur einmal zurückgetreten. Er habe die Person nicht mit den Fäusten geschlagen, er habe ihr lediglich die Mütze vom Kopf gestoßen. Diese habe er dann über den Zaun ins Nachbargrundstück geworfen. Er habe die Person gezielt in die Genitalien getreten. Damit er erreichen wollen, dass er ihn nicht mehr verfolgen könne. Er habe ihn nicht auf den Hinterkopf geschlagen. Die Person habe überhaupt nicht auf dem Boden gelegen. Er sei nur nach dem Tritt in die Genitalien auf die Knie gefallen und in dieser Stellung verblieben. Die Person habe die Angelegenheit selbst provoziert. Er habe sich im Prinzip lediglich gewehrt. Sie habe auf seine Aufforderung zum Wegfahren überreagiert. Seine Schwester habe den größten Teil dieser Auseinandersetzung mitverfolgt. Zum Schluss sei sie dann ins Haus gegangen und habe seinen Vater geholt. Sein Vater sei auch im Hof erschienen und habe etwas zu dem Mann gesagt. Was er genau gesagt habe, wisse er nicht mehr. Er sei dann mit seiner Schwester ins Auto gestiegen und weggefahren. Da der andere Pkw weg gewesen sei, sei die Einfahrt frei gewesen. Der Mann sei noch im Hof geblieben, er habe noch gesehen, wie er mit seinem Vater gesprochen habe (Aussage des H. vom 24. Januar 1996).
Die Zeugin K ... hat am 15. Januar 1996 ausgesagt: Gegen ca. 10.30 Uhr habe sie ihre Postsendung von den Innenräumen auf die Rampe gestellt. Sie habe dabei festgestellt, dass zwei männliche Personen im Posthof, vor der Rampe, in eine Auseinandersetzung verwickelt gewesen seien. Beide Personen hätten geschrieen, sich geschubst und sich in die Beine getreten. Sie habe daraufhin ihre Kollegin, die Zeugin D ... dazugerufen. Diese sei dann ebenfalls kurz auf die Rampe gekommen, sei aber sofort wieder nach innen gegangen. Vom Ansehen her habe sie den jüngeren Mann, den Zeugen H., gekannt. Sie habe dabei nur gesehen, dass der ältere, ihr nicht bekannte Herr, H. verfolgt habe. Dabei habe er ihn an der Jacke festgehalten. Beide Personen hätten sich während dieser Auseinandersetzung auf die Haustür zu bewegt. Vorher sei noch die Schwester des H. ins Haus gerannt. Dabei habe sie ihren Vater gerufen. Sie habe nicht gesehen, dass beide Personen mit Fäusten aufeinander eingeschlagen hätten. Sie habe sich aber auch nicht die ganze Zeit auf der Rampe aufgehalten, sondern habe immer wieder ihre Sendung herausgeholt. Für sie habe es so ausgesehen, dass der ältere Herr immer wieder den H. verfolgt habe. Dieser schrie immer: "Hauen sie ab". Sie habe dann noch gesehen, wie der ältere Herr auf einem Fahrrad gelegen habe. Wie es zu dem Sturz gekommen sei, habe sie nicht gesehen. In diesem Moment sei dann der Vater des H. aus der Haustür gekommen. In diesem Moment sei sie dann wieder ins Postamt gegangen.
Unter dem 15. Januar 1996 hat die Zeugin D ... ausgesagt: Sie habe vom Hof her erregte, laute Stimmen gehört. Ihre Kollegin, die Zeugin K ... , habe dann auf einmal gesagt: "Da kloppen sich welche". Daraufhin sei sie nach draußen gegangen, auf die Rampe. Sie habe dann zwei Personen gesehen, die sich gegenseitig schubsten. Beide Personen seien ihr unbekannt gewesen. Sie habe gesehen, wie der ältere Herr den jungen Mann verfolgt habe. Dabei habe er ihn fortwährend geschubst. Sie habe nichts davon gesehen, dass sich beide Personen auch mit den Fäusten geschlagen haben. Ihr sei nur aufgefallen, dass die jüngere Person immer gesagt habe: "Lass mich in Ruhe, geh weg". Da sie sich so etwas nicht habe ansehen können, sei sie wieder in das Postgebäude zurückgegangen. Nach einer Weile habe sie nur gehört, wie eine Person gesagt habe, lass das Fahrrad stehen. Dann habe sie gehört, wie ein Fahrrad umgefallen sei. In diesem Moment sei sie nochmals auf die Rampe gegangen. Sie habe dann gesehen, wie das Fahrrad im Hof gelegen habe. Das Fahrrad habe in Richtung des jungen Mannes gelegen, der ältere habe darauf gekniet.
Die Zeugin S ... H ... hat in ihrer Zeugenvernehmung am 31. Januar 1996 ausgesagt: Am 20. Dezember 1995 habe sie mit ihrem Bruder mit seinem Pkw zum Doktor fahren wollen. Sie seien in das Fahrzeug eingestiegen und hätten dann gesehen, dass die Grundstücksausfahrt durch zwei Fahrzeuge blockiert gewesen sei. Es sei so zugestellt gewesen, dass ein Durchkommen mit dem Fahrzeug nicht möglich gewesen sei. Ihr Bruder sei wieder aus dem Fahrzeug ausgestiegen und habe zu einem Mann gesagt, dieser habe an einem Trabant gestanden, dass er wegfahren solle. Dieser Aufforderung sei dieser nicht nachgekommen. Daraufhin habe ihr Bruder ihren Vater holen wollen. Dazu sei es aber nicht gekommen, da diese Person auf sie zu gekommen sei. Als er an ihrem Fahrzeug gestanden habe, habe er einfach mit beiden Fäusten auf das Fahrzeug eingeschlagen. Anschließend sei er zu ihrem Bruder gegangen, dieser habe zu diesem Zeitpunkt ca. drei bis vier Meter vom Fahrzeug entfernt gestanden, und ihn geschubst. Sie habe gesehen, wie er ihn mit einer Hand in die Seite geschubst habe. Daraufhin habe ihr Bruder diesen Mann auch geschubst. Beide hätten sich dann angeschrien. Sie habe nicht gesehen, dass sich beide Personen mit den Fäusten schlugen oder getreten hätten. Sie habe auch nichts davon gesehen bzw. bemerkt, dass bei der Auseinandersetzung jemand gestürzt sei. Während dieser Auseinandersetzung habe sie sich dann entschlossen, ihren Vater zu holen. Sie habe erst noch die ganze Zeit im Fahrzeug gesessen, sei dann ausgestiegen und ins Haus gegangen. Zusammen mit ihrem Vater sei sie dann wieder in das Hofgrundstück gekommen. Als sie zusammen mit ihrem Vater im Hof gewesen sei, hätten sich beide noch gegenseitig geschubst. Dann seien beide schon fast am Hauseingang - vom Hof aus gesehen - gewesen. Ihr Vater habe dann etwas zu ihrem Bruder und diesem Herrn gesagt. Daraufhin sei er in sein Fahrzeug und habe es ein Stück zur Seite gefahren. Sie sei dann mit ihrem Bruder ins Fahrzeug und abgefahren. Dieser Herr sei dann im Fahrzeug geblieben. Als sie vorbeigefahren seien, habe dieser jedenfalls in seinem Pkw gesessen.
In seiner Aussage vom 15. August 1996 hat der Zeuge U ... H ... folgende Angaben gemacht: Er sei durch seine Tochter verständigt worden, dass sein Sohn im Posthof eine Auseinandersetzung mit einem Mann hätte. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt in seiner Wohnung befunden. Daraufhin sei er mit seiner Tochter in den Hof gegangen. Als er dann im Hof gewesen sei, habe er seinen Sohn und eine ihm unbekannte männliche Person gesehen, welche sich angebrüllt hätten. Dabei hätten beide ca. einen Meter auseinander gestanden. Er habe nicht gesehen, dass beide aufeinander eingeschlagen hätten. Als er mitbekommen habe, um was es gegangen sei, habe er folgendes gesagt, da durch das Fahrzeug des Herrn die Einfahrt zum Posthof blockiert gewesen sei, dass er sich in seine Pappe setzen solle und die Einfahrt frei machen. Nach ca. zwei bis drei Minuten habe dann dieser Herr sein Fahrzeug weggefahren, so dass die Einfahrt frei gewesen sei. Sein Sohn sei dann mit seiner Schwester zum Arzt gefahren und in diesem Moment habe er sich dann allein im Posthof befunden. Er habe die Absicht gehabt, wieder in seine Wohnung zu gehen. Bevor er dazu gekommen sei, sei diese Person plötzlich wieder auf ihn zugekommen und habe ihn beleidigt. Er habe dabei Ausdrücke wie "Assi", "doof" und "Vogel" und Ähnliches geäußert. Diese Ausdrücke habe er dann mehrfach wiederholt. Da er gemerkt habe, dass dieser Herr aufgeregt gewesen sei, habe er nicht weiter darauf reagiert. Der Kläger hätte ihn dabei von der Rampe im Posthof bis zur Haustür verfolgt. Das seien ungefähr zehn Meter. An der Haustür habe er sich dann umgedreht und zu ihm gesagt, dass er verschwinden solle. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen. Daraufhin sei er auf diese Person zugegangen und habe mit seinem Bauch gegen seinen Körper gedrückt. Er sei dabei leicht rückwärts gegangen, er habe ihn sozusagen vor sich her geschoben. Dabei sei er aber nicht zum Sturz gekommen. Dies sei so lange gegangen, bis sie an der Rampe gewesen seien. Dort habe er ihn plötzlich gefragt, wie er seinen Hut wiederbekomme. Das habe er ihm auch gesagt, danach sei er in seine Wohnung gegangen. Er habe den Kläger nicht geschlagen oder sonst wie körperlich geschädigt. Er habe ihn nicht bedroht. Durch ihn seien nur die Äußerungen gebraucht worden, die er bereits angegeben habe. Es sei absolut nicht wahr, dass er dem Kläger eine Tracht Prügel angedroht habe bzw. geäußert habe, ihm in die "F ..." schlagen zu wollen. Nach seiner Auffassung sei dies eindeutig gelogen. Es sei absolut nicht wahr, dass er ihm einen Stoß vor die Brust gegeben habe bzw. mit der Faust auf die Brust geschlagen hätte. Er habe mit seinem Bauch den Geschädigten vor sich her geschubst, sonst nichts weiter. Für ihn sei diese Angelegenheit im Prinzip von Anfang an erledigt gewesen. Nachdem er sein Fahrzeug zur Seite gefahren habe, habe er gehen wollen. Dabei sei er aber von dem Kläger verfolgt worden und nicht umgekehrt.
Zutreffend hat das SG festgestellt, dass die Darstellungen des Klägers zum Geschehensablauf von keinem der Zeugen in den wesentlichen Ausführungen bestätigt werden. Die Zeuginnen K ... und D ... haben sowohl in ihrer polizeilichen Vernehmung als auch in ihrer uneidlichen Aussage vor dem SG übereinstimmend ausgesagt, dass der Kläger und H. sich gegenseitig schubsten, der H. aber in der Defensive gewesen sei und der Kläger den H. verfolgt habe, wobei H. immer gesagt habe: "Lass mich in Ruhe.", "Geh weg" und "Hauen sie ab." Die Zeugin K ... hat ferner ausgesagt (15. Januar 1996), beide Personen hätten sich in die Beine getreten. Dies entspricht der Aussage des H. vom 24. Januar 1996, der ausgesagt hat, der Kläger habe versucht, ihn zu treten, er habe ihn mit dem Fuß auf den Oberschenkel getreten. Darauf habe er ihn gezielt in die Genitalien getreten.
Ein rechtswidriger Angriff ist hierin jedoch nicht zu sehen. Vielmehr hat H. ersichtlich in Notwehr i.S.d. § 32 Strafgesetzbuch (StGB) gehandelt. Notwehr in diesem Sinne schließt die Rechtswidrigkeit des Angriffes i.S.d. § 1 Abs. 1 OEG aus, wobei sich der Rechtfertigungsgrund nach den Rechtsmaßstäben beurteilt, die in § 32 StGB festgelegt und ergänzend durch die Rechtsprechung entwickelt worden sind (BSG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: B 9 VG 1/98 R = SozR 3-3800 § 1 Nr. 15 = BSGE 84, 54-61). Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (§ 32 Abs. 2 StGB).
H. hat vor dem SG ausgesagt, er sei dann in Richtung Hauseingang gegangen, der Kläger sei hinter ihm her und habe dabei geschimpft. Irgendwann habe er ihn von hinten wieder erreicht, habe an seinen Sachen gezogen, so dass er sich umgedreht und ihm seine Mütze vom Kopf genommen und auf das Nachbargrundstück geworfen habe. Er habe damit erreichen wollen, dass sich der Kläger um seine Mütze kümmere und ihn in Ruhe lasse. Das habe jedoch keinen Erfolg gehabt. Der Kläger habe jedoch weiter an ihm gezerrt. Daraufhin habe er sich umgedreht und habe den Kläger einmal in die Genitalien getreten. Diese Aussage wird von der Zeugin K ... (Aussage vom 15. Januar 1996) dahingehend bestätigt, dass der Kläger H. verfolgt habe, er habe ihn dabei an der Jacke festgehalten, beide Personen hätten sich während dieser Auseinandersetzung auf die Haustür zu bewegt. Nach Auffassung des Senats hat der Kläger durch das Zerren an den Sachen des H. bzw. Festhalten an der Jacke, als sich der H. auf die Haustür zu bewegt hat, den Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) verwirklicht. Durch das Hindern des H. am Weitergehen hat der Kläger Gewalt durch Ausübung einer körperlichen Zwangswirkung auf H. ausgeübt. Rechtfertigungsgründe für das Tun des Klägers sind nicht ersichtlich. Nach dem Inhalt der Aussagen aller Zeugen ergeben sich weder Anhaltspunkte dafür, dass H. den Kläger zuerst tätlich angegriffen hat, noch ist der Nachweis für ein solches Tun vom Kläger erbracht worden. Die Anwendung der Gewalt durch den Kläger war auch zu dem angestrebten Zweck (offensichtlich war eine Zurredestellung des H. beabsichtigt) verwerflich. Dem Geschehensablauf lag - zwischen dem Kläger und H. ist dies im Übrigen unstreitig - ein vermeintliches Blockieren einer Grundstückszufahrt zu Grunde.
Ein Zurredestellenwollen eines der am Streit Beteiligten durch einen anderen durch Ausübung von Gewalt i.S.d. § 240 Abs. 1 StGB im Rahmen eines an und für sich nichtigen Anlasses ist als verwerflich i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB anzusehen. Die Abwendung des Angriffs des Klägers durch H. war auch erforderlich. Sie war nach den gesamten Umständen geeignet, den Angriff des Klägers zu beenden, H. hat sich eines adäquaten Abwehrmittels bedient, nachdem das Wegwerfen der Mütze des Klägers, um diesen abzulenken, erfolglos war. Die Verteidigungshandlung war auch geboten. Es besteht kein unerträgliches Missverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und der durch die Verteidigung herbeigeführten Verletzung. Gegenüber der Gewalteinwirkung durch den Kläger ist H. mit der Anwendung von körperlicher Gewalt begegnet.
Aus den vorliegenden Aussagen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger von H. weitere Verletzungen zugefügt worden sind. Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, an der Glaubhaftigkeit der Darstellung der Zeugen zu zweifeln. Die Zeuginnen K ... und D ..., die mit H. und auch dem Zeugen U ... H ... nicht verwandt oder verschwägert sind und auch sonst in keiner unmittelbaren Beziehung zu diesen stehen, bestätigen im Wesentlichen, soweit sie den Geschehensablauf beobachtet haben, die Aussage des H. Weitere Zeugen sind weder von H. noch dem Kläger namentlich benannt worden. Von einer erneuten Vernehmung der Zeugen hat der Senat abgesehen, da sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Zeugen nach nunmehr mehr als fünf Jahren nach dem 20. Dezember 1995 andere Aussagen machten, als bereits vor der Polizei oder vor dem SG (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, Az.: B 9 VG 2/97 R = SozR 3-1500 § 128 Nr. 12). Selbst wenn die Aussagen aller vier Zeugen sich als unwahr darstellten, bliebe allein die Aussage des Klägers übrig. Ein Nachweis für das Vorliegen der von ihm behaupteten anspruchsbegründenden Tatsachen ergibt sich allein daraus jedoch nicht.
Ebenso wenig ist ein körperlicher rechtswidriger tätlicher Angriff seitens des Zeugen U ... H ... gegen den Kläger nachgewiesen. Die Zeuginnen D ..., K ..., S ... H ... und H. haben einen tätlichen Angriff des Zeugen U ... H ... gegen den Kläger nicht beobachtet. Der Zeuge U ... H ... hat in seiner polizeilichen Vernehmung am 15. August 1996 ausgesagt, er habe den Kläger mit seinem Bauch gegen dessen Körper gedrückt, sonst nichts weiter. In seiner Aussage vor dem SG hat er angegeben, als er wieder ins Haus gehen wollte, sei ihm der Kläger hinterher gekommen und habe ihn dabei beschimpft. Er habe ihn dann mit der flachen Hand am Brustkorb zurückgestoßen und sei danach zurück ins Haus gegangen. Nach den übereinstimmenden Aussagen des Zeugen U ... H ... und des Klägers ist daher nachgewiesen, dass der Kläger einen Stoß vor die Brust von dem Zeugen U ... H ... erhalten hat. Darin mag zwar eine gesundheitliche Schädigung liegen, Folgen der Schädigung (Gesundheitsstörungen) hat der Kläger dadurch jedoch nicht zurückbehalten. Sowohl aus den von dem Beklagten eingeholten Befundberichten Dr. O1., Dipl.-Med. S2 ... und Dipl.-Med. S1 ... als auch aus den vom SG eingeholten Befundberichten von Dr. O1. und Dipl.-Med. S1 ... ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diesbezüglich eine Gesundheitsstörung zurückbehalten hat. Verletzungen, insbesondere Prellungen bzw. Quetschungen, im Brustbereich werden von den vom Kläger als behandelnde Ärzte angegebenen Medizinern nicht berichtet. Aus den vorliegenden Arztberichten ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass - wie vom Kläger vorgetragen - er sich zu irgendeinem Zeitpunkt als Folge des Geschehensablaufes am 20. Dezember 1995 in Lebensgefahr befunden hat.
Dem Kläger kommt auch nicht die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG zugute, auf den § 6 Abs. 3 OEG verweist. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, bei bestimmten Beweisschwierigkeiten der Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9 a BVg 4/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 35). Diese Beweiserleichterung greift hier jedoch nicht, weil Zeugen für den Geschehensablauf vorhanden sind. Dem Kläger kommen auch nicht die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zugute, die im sozialgerichtlichen Verfahren ebenfalls anwendbar sind (BSGE 8, 247; 12, 246; 19, 54). Der Anscheinsbeweis ermöglicht bei so genannten typischen Geschehensabläufen, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen und beruht auf Erfahrungswissen; es muss ein Hergang zu Grunde liegen, der erfahrungsgemäß in bestimmtem Sinne abläuft. Sind aber mehrere Geschehensabläufe oder Vorgänge möglich, dann ist diese Beweisregel ausgeschlossen, mag auch eine von mehreren Möglichkeiten, die für den Kläger günstig wäre, wahrscheinlicher sein als eine andere (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9 a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34). Wie dargelegt, steht der Geschehensablauf fest. Selbst wenn man den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf für möglich hielte, wäre die Beweisregel des Anscheinsbeweises ausgeschlossen.
Nach Überzeugung des Senats lässt sich insgesamt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs durch H. gewesen ist oder durch den Zeugen U ... H ... eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Es konnte daher im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger geltend gemachten Schädigungsfolgen "teilweiser Gehörverlust beidseits", "Gefahr eines Blutgerinnsels" sowie "Wetterfühligkeit am Hinterkopf rechts" als Schädigungsfolgen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG anzuerkennen sind. Es konnte im Ergebnis auch dahingestellt bleiben, ob Versagungsgründe - Verursachung der Schädigung durch den Geschädigten oder Unbilligkeit, Entschädigung zu gewähren aus sonstigen, insbesondere dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen - i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG vorliegen.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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