Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 125/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 63/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Erfolgt durch das Sozialgericht gem. § 131 Abs. 5 SGG eine Zurückverweisung an die Verwaltung, ist der Rechtstreit durch die 2. Instanz analog § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG nicht vorliegen.
2. Die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG führt auch im Fall kombinierter Anfechtungs- und Leistungsklagen zu einer Reduktion des Streitgegenstands auf den Anfechtungsteil des Antrags.
2. Die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG führt auch im Fall kombinierter Anfechtungs- und Leistungsklagen zu einer Reduktion des Streitgegenstands auf den Anfechtungsteil des Antrags.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2018 aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt am Main vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten sich über die Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers als Folge der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 2301) und die Gewährung einer Rente.
Der 1956 geborene Kläger ist seit dem 22. August 1994 bei der C. AG tätig. In der Zeit vom 22. August 1994 bis zum 30. April 2002 arbeitete er als Gepäckabfertiger im Bereich Gepäckdienst/Flugzeugabfertigung und war für das Be- und Entladen von Gepäck zuständig. Seit dem 1. Mai 2002 arbeitete er als Gepäckmeister nur noch im Gepäckdienst. Zuvor war er als Werkzeugmacher mehr als 20 Jahre bei der Firma D. Formenbau tätig.
Am 10. Februar 2016 zeigte die Arbeitgeberin des Klägers der Beklagten den Verdacht des Vorliegens der BK 2301 an. Die Beklagte leitete Ermittlungen ein und befragte u.a. den Kläger, seine Arbeitgeberin und den Hausarzt des Klägers. In einem Formular teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er bei der Firma D. 30 Stunden pro Woche als Dreher und Fräser zu 100% in geschlossenen Räumen gearbeitet habe. Bei der C. AG arbeite er 35 Stunden in der Woche auf dem Vorfeld, wobei er sich zu 30% in geschlossenen Räumen und zu 70% im Freien aufhalte. In einem von Frau E. (Mitarbeiterin der Arbeitgeberin aus dem Personalbereich) ausgefüllten Formular wurde u.a. mitgeteilt, dass der Kläger als Gepäckmeister Führungskraft sei, zu 80% in geschlossenen Räumen und zu 20% im Freien arbeite und als Maschinen eine Gepäckförderanlage an 4 Stunden pro Arbeitsschicht an 16 Stunden pro Woche an ca. 4 bis 5 Tagen pro Monat genutzt werde. Es sei nicht bekannt, dass der Kläger Lärmeinwirkungen ausgesetzt sei. Als Schutzmaßnahme werde ein Gehörschutz genutzt.
In einer internen Stellungnahme des Bereichs Prävention der Beklagten zur Arbeitsplatzexposition, die unter Berücksichtigung des Akteninhalts und nach Gesprächen mit Frau E., Herrn F. (Sicherheitsfachkraft der C. AG) und dem Kläger am 23. Mai 2016 erstellt wurde, wurde ausgeführt, dass die Tätigkeit des Klägers bis zum 30. April 2002 die Aufgaben Gepäck sortieren und auf das Ankunftsband auflegen, Gepäck dem Ladeservice übergeben, Gepäck auf Position bereitstellen, Gepäck sortieren, Gepäckstücke aus GFA nehmen, Handling des Sperrgepäcks, Interlinegepäck sortieren und codieren, Ladeinfo aus Infosystem beschaffen, Leergut bereitstellen und abräumen, Rücklaufgepäck bearbeiten, Störungen an Einsatzleiter weiterleiten, Wagen und Container mit Gepäck beladen umfasst habe. Die Tätigkeiten hätten zu ca. 50% auf Abfertigungspositionen und zu 50% in geschlossenen Räumen stattgefunden. Der Tagesexpositionspegel überschreite die obere Auslöseschwelle der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung von 85 dB(A). Seit dem 1. Mai 2002 umfasse die Tätigkeit des Klägers die Beobachtung und Steuerung der zuvor genannten Aufgaben mit den dabei anfallenden Führungsaufgaben und administrativen Aufgaben. Die Tätigkeit würde zu 70% in Gebäuden, der Transferzentrale und den Gategepäckräumen und zu 30% auf Abfertigungspositionen ausgeübt. Der Tagesexpositionspegel liege geschätzt zwischen der unteren und der oberen Auslöseschwelle der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung (&8804; 85 dB(A)).
Nach Einholung eines medizinischen Gutachtens und einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Prof. Dr. G. teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30. Januar 2017 mit, dass die BK 2301 anerkannt werde. Als Folge der Berufskrankheit würde eine beginnende Hochtoninnenohr-Schwerhörigkeit beidseits bis zum Jahr 5/2002 anerkannt. Ein Anspruch auf Rente wegen der Berufskrankheit bestehe nicht. Die Erkrankung habe keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Folge. Grundlage der Entscheidung sei die Stellungnahme Prof. Dr. G. Der Kläger sei nach Mai 2002 keinem beruflichen Lärm von mehr als 85 dB(A) ausgesetzt, so dass die Zunahme der Hörminderung nicht mehr auf den beruflichen Lärm zurückgeführt werden könne. Ein Hörgerät könne nicht von der Unfallkasse bezahlt werden, da im Oktober 2004 das Einsilbenverstehen auf dem rechten Ohr noch bei 95% und links noch bei 100% gelegen habe.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er übersandte ein Schreiben von Frau E. vom 9. Juli 2015, in dem diese angab, dass der Kläger überwiegend auf dem Vorfeld und in der Transferzentrale tätig sei, die sich ebenfalls auf dem Vorfeld befinde. Dem Schreiben war eine Planstellenbeschreibung beigefügt, die jedoch keine Zeitanteile bzgl. des Arbeitsortes des Klägers enthielt. Zusätzlich führte der Kläger aus, dass er sich zu ca. 70% auf dem Vorfeld und nur zu ca. 30% in Räumen aufhalte. Diese Räume seien nicht geschlossen, so dass der Lärm auf dem Vorfeldbereich noch stark zu hören sei. Der Präventionsdienst teilte daraufhin mit, dass die in seiner Berechnung zu Grunde gelegten Zeitanteile in Absprache mit dem Kläger und Frau E. angesetzt worden seien. Er gehe davon aus, dass die im Gespräch im Mai 2016 gemachten Angaben weiterhin Bestand hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2017 änderte die Beklagte den Bescheid vom 30. Januar 2017 dahingehend ab, dass sie die bestehende beginnende Hochtoninnenohr-Schwerhörigkeit beidseits nicht nur bis zum Jahr 2002, sondern auch darüber hinaus als Berufskrankheit anerkannte. Die seit dem Jahr 2002 eingetretene Verschlimmerung des Hörverlusts werde nicht als Folge der Berufskrankheit anerkannt. Die Ermittlungen des Präventionsdienstes für die Zeit ab 2002 hätten ergeben, dass der Kläger seither auch mit der Steuerung und Beobachtung der Gepäckabfertigungstätigkeiten, mit Führungsaufgaben und administrativen Aufgaben betraut sei und sich zu 70% in Gebäuden aufhalte und die Lärmexposition deshalb bei unter 85 d(A) liege.
Am 22. September 2017 hat der Kläger Klage mit dem Begehren erhoben, die Bescheide der Beklagten insoweit aufzuheben als die Beklagte die Feststellung der seit dem Jahr 2002 eingetretenen Verschlimmerung des Hörverlusts als Folge der BK 2301 und die Gewährung einer Rente abgelehnt hat und die Beklagte zu verpflichten, die Verschlimmerung als Folge der BK 2301 festzustellen und sie zu verurteilen, ihm eine Rente zu gewähren. Er sei auch als Gepäckmeister mindestens 7/8 seiner Arbeitszeit beruflichen Lärmeinwirkungen ausgesetzt. Im Durchschnitt sei er auf dem Vorfeld und in der Maschinenhalle. Die Flugzeuge würden dort mit laufenden Triebwerken ein- und ausfahren. In beiden Fällen läge eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) vor. Allenfalls eine Stunde pro Tag sei er keiner erhöhten Lärmexposition ausgesetzt, wenn er am PC in einem lärmgeschützten Büroraum arbeite. Mit Verfügung vom 16. November 2017 hat das Sozialgericht die Beklagte darauf hingewiesen, dass nach derzeitiger Einschätzung die Beklagte den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe. Aufgrund des Akteninhalts sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Lärmexposition, der der Kläger ausgesetzt gewesen sei, weiter durch eine erneute Rücksprache bei der Arbeitgeberin oder durch Vor-Ort-Ermittlungen zu klären. Der Stellungnahme des Präventionsdienstes könne nicht entnommen werden, in welchem Umfang Frau E. von Tätigkeiten des Klägers in geschlossenen Räumen ausgegangen sei. Der Präventionsdienst sei davon ausgegangen, dass der Kläger überwiegend in geschlossenen Räumen tätig sei. Woher er diese Erkenntnis nehme, könne nicht nachvollzogen werden. Der Kläger habe für die Zeit ab 2002 bei einem Pegel von "kleiner gleich 85 dB(A)" an der Schwelle zur Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen gestanden, so dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, weitere Ermittlungen vorzunehmen. Auch seien keine weiteren Ermittlungen zur Lärmexposition des Klägers bei seiner vorherigen Arbeitgeberin durchgeführt worden. Vor diesem Hintergrund komme es in Betracht, eine Entscheidung gem. § 131 Abs. 5 SGB V zu treffen, damit die unterbliebenen Ermittlungen nachgeholt werden könnten. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 mitgeteilt, dass die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG ihres Erachtens nicht gegeben seien. Die Stellungnahme des Präventionsdienstes sei schlüssig und zutreffend und stünde auch nicht im Widerspruch zu den Angaben der Arbeitgeberin des Klägers. Frau E. habe entsprechende schriftliche Ausführungen gemacht und es seien Gespräche – auch mit dem Kläger – erfolgt. Die Beurteilung beruhe deshalb auch auf den Angaben des Klägers. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Bescheinigung von Frau E. sei nicht widersprüchlich. Sie sei vor dem Verwaltungsverfahren erstellt worden und sehr allgemein gehalten. Die persönlichen Erhebungen vor Ort am 23. Mai 2016 seien umfangreicher und spezifischer. Im Übrigen sei nur bescheinigt worden, dass das Aufgabengebiet des Klägers überwiegend auf dem Vorfeld sowie in der Transferzentrale ausgeführt werde. Der Präventionsdienst habe dies nach den Gesprächen quantifiziert. Die Lärmexposition des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma D. sei irrelevant, weil eine Lärmexposition in der Zeit von 1971 bis 2002 berücksichtigt und in der Folge das Vorliegen einer Berufskrankheit aufgrund der beginnenden Hochtoninnenohr-Schwerhörigkeit beidseits anerkannt worden sei. Die erforderliche Lärmexposition sei zu Gunsten des Klägers unterstellt worden. Streitig sei lediglich eine ausreichende Lärmeinwirkung ab 2002. Die arbeitstechnischen Ermittlungen seien nicht qualifiziert angegriffen worden. Im Folgenden hat das Gericht den Kläger u.a. aufgefordert zum Schriftsatz der Beklagten Stellung zu nehmen und insbesondere darauf einzugehen, welche Angaben der Kläger am 23. Mai 2016 gegenüber dem Präventionsdienst gemacht habe, wie der Termin insgesamt ablief und welche Angaben Frau E. in dem Termin gemacht habe. Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 hat der Kläger lediglich sein Einverständnis mit einem Vorgehen nach § 131 Abs. 5 SGG erklärt. Nach einer mündlichen Verhandlung, an der weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter teilnahmen, hat das Gericht mit Urteil vom 9. Februar 2018 den Bescheid vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. August 2017 insoweit aufgehoben, als die Beklagte es abgelehnt hat, die seit dem Jahr 2002 eingetretene Verschlimmerung des Hörverlustes als Folge der BK 2301 festzustellen, den Kläger mit Hörgeräten zu versorgen und ihm eine Rente zu gewähren. Weiterhin hat es die Beklagte verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Anträge des Klägers festzustellen, dass der seit 2002 eingetretene Hörverlust eine Folge der BK 2301 ist, ihn mit einem Hörgerät/Hörgeräten zu versorgen und Rente zu zahlen, zu entscheiden. Es hat ausgeführt, dass die Behörde gem. § 20 Abs. 1 und 2 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen ermittle und Art und Umfang der Ermittlungen bestimme. Sie habe alle für den Einzelfall bedeutsame, auch für die Beteiligten günstige Umstände zu berücksichtigen. Aus dem Untersuchungsgrundsatz und dem daraus folgenden Recht der Behörde alle zulässigen Beweismittel zu nutzen folge, dass die Behörde das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich einer Beweisaufnahme unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände zu würdigen habe. Demzufolge habe sie nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern auch den Vortrag der Beteiligten, den Gesamteindruck aller Umstände, Zeugen und Beteiligte und amtsbekannte Tatsachen zu würdigen. Ebenso wie im gerichtlichen Verfahren dürften die Feststellungen der Behörde nur auf gewonnenen Überzeugungen beruhen. Hinsichtlich der Richtigkeit der Entscheidungsgrundlage sei keine absolute Gewissheit erforderlich, jedoch müssten alle bei vernünftiger Betrachtung zu beachtenden objektiven Zweifelsgründe des Falles durch die für die Tatsachen sprechenden Gesichtspunkte überwunden werden. Die Aktenlage lasse nach den Erkenntnissen des Gerichts eine solche Überzeugungsbildung bei der Beklagten nicht zu, da die Ermittlungen der Lärmeinwirkungen vollkommen unzureichend seien. Die Entscheidung der Beklagten beruhe auf dem Ermittlungsergebnis des Präventionsdienstes und der hierauf beruhenden Stellungnahme des Beratungsarztes. Der Präventionsdienst sei von einer Tätigkeit des Klägers mit 30% im Außenbereich und 70% in Gebäuden ausgegangen. Der Kläger habe jedoch das genaue Gegenteil angegeben. Hierüber und über die Bescheinigung vom 9. Juli 2017 sei die Beklagte unter Verweis auf persönliche anderslautende Angaben der Beteiligten gegenüber dem Präventionsdienst hinweggegangen. Die Angaben, die die Beteiligten am 23. Mai 2016 gemacht hätten, seien aber nicht dokumentiert, so dass kein Abgleich habe stattfinden können. Dabei hätten auch die Ermittlungsergebnisse des Präventionsdienstes, wonach der Kläger den Schwellenwert von 85 dB(A) sogar erfüllt habe und Prof. Dr. G., wonach die Exposition knapp unter dem Schwellenwert gelegen habe, Hinweise für eine notwendige Vertiefung der Ermittlungen gegeben. Daneben hätte auch die Stellungnahme des Arbeitgebers vom 1. April 2016 Nachfragen provozieren müssen, da der Arbeitgeber hier nicht von einer Lärmeinwirkung durch Flugzeuge, sondern von einer Lärmeinwirkung durch die Gepäckförderanlage ausgegangen sei. Auch die in diesem Zusammenhang gemachten aus sich selbst heraus nicht verständlichen Zeitangaben des Arbeitgebers hätten der weiteren Erklärung bedurft. Dass der Kläger fortwährenden arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen unterstehe und Gehörschutz trage, sei widersprüchlich zu der Angabe, dass keine beruflichen Einwirkungen bekannt seien, die die Hörminderung erklären könnten. Aus den vorliegenden Audiogrammen, die seit 2000 mit der Auflage des konsequenten Tragens von Gehörschutz versehen gewesen seien, lasse sich eine schädigende Lärmeinwirkung jedenfalls für die Jahre 2000 und 2001 ableiten. Weitere aufklärende Ermittlungen habe die Beklagte trotzdem unterlassen. Aus dem Vorgenannten ergäben sich zeitlich aufwendige Ermittlungen. Zunächst sei zu klären, was die Beteiligten bei dem Gespräch mit dem Präventionsdienst gesagt hätten, dann seien beim Arbeitgeber Audiogramme für die Zeit ab 2001 nachzufordern, und für den Fall des Fehlens die Gründe hierfür zu ermitteln. Dann seien die unterschiedlichen Angaben von Frau E. weiter aufzuklären. Es sei außerdem zu ermitteln, ob der Kläger und wenn ja wann, ab Mai 2002 Gehörschutz getragen habe, da dieser Umstand Indizwirkung für das Ausmaß der Lärmeinwirkung habe. Weiterhin sei bei einer Vor-Ort-Ermittlung die Lärmexposition in den lärmbelastenden Tätigkeitsbereichen durch geeignete Maßnahmen konkret zu ermitteln und zu dokumentieren. Sollten hiernach die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, sei bzgl. des Vorliegens eines Stützrententatbestands infolge des Arbeitsunfalls des Klägers mit Knieverletzung im Jahr 2006 zu ermitteln. Außerdem seien die Zusammenhangsfragen medizinisch zu begutachten und die MdE zu bestimmen. Die Aufhebung und Verpflichtung zur Neubescheidung sei sachdienlich, da die Beklagte die Ermittlungen schneller und effizienter als das Gericht durchführen könne. Eine Kommunikation mit dem Gericht sei dann nicht erforderlich. Außerdem stünden der Beklagten viele Mitarbeiter/innen zur Verfügung, während bei Gericht sämtliche Ermittlungen durch die Kammervorsitzende zu führen seien. Auch könne die Beklagte auf sachkundiges Personal zurückgreifen, während das Gericht Sachverständige suchen müsse.
Am 29. März 2018 hat die Beklagte Berufung gegen das am 6. März 2018 zugestellte Urteil eingelegt. Sie geht u.a. erneut auf ihre Ausführungen in der ersten Instanz ein.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2018 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Der Berufungsbeklagte und Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Das Sozialgericht sei aufgrund des Sachverhalts nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht ausreichend ermittelt worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die zum Verfahren beigezogen waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung an das Sozialgericht liegen vor.
Gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist.
Nach Auffassung des Senats ist vorliegend die Nr. 1 des § 159 Abs. 1 SGG einschlägig. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet allerdings aufgrund des Wortlauts der Vorschrift aus. § 131 Abs. 5 SGG der die Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt am Main darstellt, enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht verpflichtet ist, den anhängigen Rechtsstreit spruchreif zu machen. Ihm wird die Befugnis eingeräumt, einen Verwaltungsakt sowie den dazugehörigen Widerspruchsbescheid aufzuheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Schütz in: jurisPK, SGG, § 131, Rn. 56). Dementsprechend ist durch das Sozialgericht keine Abweisung der Klage erfolgt. Vielmehr hat es den Verwaltungsakt der Beklagten vom 30. Januar 2017 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 22. August 2017 aufgehoben und die Beklagte darüber hinaus zur Neubescheidung der Begehren des Klägers verpflichtet.
Die Aufzählung der Fälle, in denen eine Zurückverweisung gem. § 159 Abs. 1 SGG in Betracht kommt, ist grundsätzlich abschließend (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 159, Rn. 2; Lüdtke/Berchthold, SGG, 5. Auflage, § 159, Rn. 5 f.). Durch die Novelle des § 159 SGG im Jahr 2011, u.a. mit der Änderung der Nr. 2 dahingehend, dass eine Zurückverweisung nur möglich ist, wenn aufgrund des Verfahrensmangels eine umfassende und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist, hat der Gesetzgeber noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass die schnelle Erledigung des Rechtsstreits im Vordergrund stehen soll und die Stellung der 2. Instanz als weitere Tatsacheninstanz gestärkt (BT-Drs.: 17/6764, S. 27). In engen Grenzen wird jedoch eine entsprechende Anwendung weiterhin für möglich gehalten (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 159, Rn. 2; Lüdtke/Berchthold, SGG, 5. Auflage, § 159, Rn. 5 f., a.A. Adolf in: jurisPK, SGG, 1. Auflage, § 159, Rn. 15). Über ihren Wortlaut hinaus wird z.B. eine entsprechende Anwendung angenommen, wenn das Sozialgericht zwar in der Sache selbst entschieden hat, dies aber aus Gründen geschehen ist, die eine rechtliche Vorfrage betreffen und mit den eigentlichen Sachfragen nichts zu tun haben, so z.B. wenn es einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen aufgehoben, der Klage also stattgegeben hat, ohne zu den eigentlichen Fragen Stellung zu nehmen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 159 Rn. 2 b m.w.N.; zur entsprechenden Anwendung im Zusammenhang mit § 131 Abs. 5 SGG; vgl. LSG für das Saarland, Urteil vom 27. Juni 2017 - L 5 SB 45/16 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2012 - L 11 SB 45/11 - juris). Vorliegend hat das Sozialgericht zwar – gestützt auf § 131 Abs. 5 SGG – den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. August 2019 aufgehoben und die Sache an die Verwaltung zurückverwiesen und damit kein reines Prozessurteil getroffen. Es hat jedoch keine Entscheidung über das eigentliche Begehren des Klägers (Verschlimmerung seiner Schwerhörigkeit als Folge der anerkannten Berufskrankheit und Zahlung einer Rente) gefasst. Vielmehr ist eine Abweisung der Klage "im Übrigen", wie sie z.B. im Fall einer vom Kläger begehrten Ermessensleistung bei fehlender Ermessensreduzierung auf Null hätte erfolgen müssen, unterblieben. Eine derartige Entscheidung war im Hinblick auf die Regelung des § 131 Abs. 5 SGG auch nicht zu treffen. § 131 Abs. 5 SGG ermöglicht eine Aufhebung von Verwaltungsakt und Widerspruchsbescheid "ohne in der Sache selbst zu entscheiden". Die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG führt daher auch in der Situation einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu einer Reduzierung des Streitgegenstands auf den Anfechtungsteil des Antrags (vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2012 - L 11 SB 45/11 - juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. Juli 2011 - L 8 SO 10/09 - juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2017 - L 3 AS 41/14 - juris). Die entsprechende Anwendung des § 131 Abs. 3 SGG gem. § 131 Abs. 5 Satz 2 2. HS SGG bedeutet nicht, dass ein Bescheidungstenor ergehen muss, sondern nur, dass die Verwaltung nach der Zurückverweisung die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten hat (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 131, Rn. 20). Aufgrund der fehlenden Entscheidung des Sozialgerichts war eine Entscheidung des Senats in der Sache nicht möglich. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Sozialgericht die Beklagte zur erneuten "Verbescheidung" verpflichtet hat. Eine Entscheidung über die vom Kläger begehrte Verpflichtung und die von ihm begehrte Leistung ist hiermit nicht erfolgt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht die Klage im Übrigen abgewiesen hätte, wofür vorliegend kein Raum war. Eine vollständige Erledigung des Rechtsstreits in der ersten Instanz ist damit nicht eingetreten.
Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG sieht der Senat entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht als erfüllt an.
Gem. § 131 Abs. 5 SGG kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist (Satz 1). Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden (Satz 2).
Im Rechtsmittelverfahren sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, d.h. noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten uneingeschränkt überprüfbar (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, Rn. 20a m.w.N.). Bei der Auslegung und Anwendung der Vorschrift ist zu beachten, dass es sich um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter handelt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen und auf besonders gelagerte Fälle zu beschränken sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 – 9 C 2/02 – juris zu § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO, dessen Reichweite sich auf reine Anfechtungsklagen beschränkt; BSG, Urteil vom 17. April 2007 – B 5 RJ 30/05 R – juris, zur alten Fassung des § 131 Abs. 5 SGG). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Regelung des § 131 Abs. 5 SGG nicht dazu dient, dem jeweils vorherigen Entscheidungsträger das eigene Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung als verbindlich vorzuschreiben, sondern in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung des vorhergehenden Entscheidungsträgers nach weiteren Ermittlungen zu erwirken. Wenn das Sozialgericht der Meinung ist, dass für eine Entscheidung weitere Ermittlungen erforderlich sind, ist es gem. § 103 SGG verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln und so ggf. bestehende Vermittlungsdefizite zu beseitigen (so auch Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – L 3 AS 619/10 – juris).
Weitere Ermittlungen durch die Beklagte waren (zumindest zum Zeitpunkt ihrer letzten Verwaltungsentscheidung am 22. August 2017) nicht erforderlich.
Die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen bestimmt sich danach, welche entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen sind und ob diese von der Behörde festgestellt wurden, da im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren gem. § 20 SGB X der Untersuchungsgrundsatz gilt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, wie sich der von der Verwaltungsentscheidung Betroffene zu den von der Behörde festgestellten Tatsachen eingelassen hat. Einem unsubstantiierten Bestreiten oder einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Tatsachenbehauptung, d.h. einer Angabe ohne hinreichende tatsächliche Anhaltpunkte, muss die Behörde nach ständiger Rechtsprechung nicht nachgehen (vgl. auch Siefert in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 20, Rn. 15 m.w.N.). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Frage ist der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, da die Behörde spätere Entwicklungen nicht bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen konnte (ebenso Sächsisches LSG, a.a.O.).
Von Relevanz für eine Entscheidung über die begehrte Anerkennung der Verschlimmerung des Hörverlustes als Folge der BK Nr. 2301 "Lärmschwerhörigkeit" und die in diesem Zusammenhang begehrte Leistungserbringung durch die Beklagte war u.a. das Vorliegen einer ausreichend hohen und ausreichend langen Lärmbelastung. Von Bedeutung ist hier u.a. die effektive Lärmdosis. Die Lärmempfindlichkeit schwankt individuell. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB (A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem 8-Stunden-Tag über viele Arbeitsjahre (vgl. zu den Einzelheiten Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 343 ff.). Die Beklagte hat zur Frage des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen zunächst den Kläger und die Arbeitgeberin Formulare ausfüllen lassen. Danach hat sie – um die weiteren Einzelheiten abzuklären – den hausinternen Präventionsdienst eingeschaltet, der am 23. Mai 2016 ein Gespräch mit Frau E. (Mitarbeiterin der Personalabteilung der Arbeitgeberin), Herrn F. (Sicherheitsfachkraft bei der Arbeitgeberin) und dem Kläger geführt hat. Auf dieser Grundlage – d.h. nach Rücksprache mit allen Beteiligten – wurde eine Beurteilung durchgeführt und Prozentsätze bzgl. der unterschiedlichen Arbeitsorte des Klägers festgelegt. Der Kläger hat zwar im Verwaltungsverfahren und auch im Widerspruchsverfahren abweichende Zahlen angegeben (Dokument 00003 Seite 9: ca. 30% in geschlossenen Räumen, ca. 70% im Freien), diese Angaben aber nicht weiter ausgeführt, sondern lediglich eine vom 9. Juli 2015 (d.h. bereits vor dem Gespräch am 23. Mai 2016 stammende) und nicht wie vom Sozialgericht in der Entscheidung angegeben vom 9. Juli 2017 allgemeine Bescheinigung der Arbeitgeberin vorgelegt, die angibt, dass das Aufgabengebiet des Klägers überwiegend auf dem Vorfeld sowie in der Transferzentrale ausgeführt werde und sich die Transferzentrale auf dem Vorfeld befinde. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger tatsächlich in einem anderen Umfang, als vom Präventionsdienst bisher angenommen, Lärm ausgesetzt war. Auch hat der Kläger zu den vom ihm angesetzten Zahlen keine zeitlichen Angaben gemacht oder sich zu dem vom Präventionsdienst als Grundlage für die arbeitstechnischen Voraussetzungen genommenen Gespräch vom 23. Mai 2016 eingelassen. Vor diesem Hintergrund musste sich die Beklagte nicht veranlasst sehen, weitere Ermittlungen in arbeitstechnischer Hinsicht vorzunehmen. Von der Notwendigkeit einer Substantiierung dieser Angaben des Klägers scheint auch das Sozialgericht ursprünglich ausgegangen zu sein, als es den Kläger mit Verfügung vom 21. Dezember 2017 u.a. aufgefordert hat mitzuteilen, welche Angaben er am 23. Mai 2016 gegenüber dem Präventionsdienst gemacht hat, wie der Termin insgesamt ablief und welche Angaben Frau E. in dem Termin gemacht hat. Im Hinblick auf das Fehlen des Tatbestandsmerkmals "Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen" lag auch das Tatbestandsmerkmal der "Erheblichkeit" nicht vor. Selbst zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts stand noch nicht fest, ob ggf. weitere erhebliche Ermittlungen durchzuführen sind. Der Kläger hat auf die Verfügung des Sozialgerichts vom 21. Dezember 2017 nicht reagiert. Eine Substantiierung seines Vortrags, dass er auch ab 2002 weiterhin einer mehr als 85 dB (A) betragenden Lärmeinwirkung ausgesetzt war bzw. eine Auseinandersetzung mit der Verfügung des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2017 steht weiterhin aus. Hiervon hängt jedoch der Umfang möglicher weiterer Ermittlungen ab.
Die Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 SGG steht grundsätzlich im Ermessen des Landessozialgerichts. Aufgrund der fehlenden Anhängigkeit des eigentlichen Begehrens des Klägers in der Rechtsmittelinstanz war dem Senat jedoch – wie bereits ausgeführt – eine endgültige Entscheidung verwehrt. Das Ermessen des Senats, ob er von der Möglichkeit der Rückverweisung Gebrauch macht, war insoweit auf Null reduziert. Selbst wenn der Senat einen Ermessensspielraum gehabt hätte, d.h. in der Sache hätte entscheiden können, hätte er vorliegend von einer Zurückverweisung Gebrauch gemacht. Im Rahmen des Ermessens ist eine Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits erforderlich (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 159, Rn. 5). Aus den Schriftsätzen und dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Berufungsklägerin und Beklagten ergab sich ein hohes Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG durch das Sozialgericht. Auch hat der Berufungsbeklagte und Kläger mit seinen Schriftsätzen nicht zu erkennen gegeben, dass er auf eine schnelle Entscheidung in der Sache drängt und eine Entscheidung des Senats zu seinem eigentlichen Begehren einer Zurückverweisung vorziehen würde. Seit Eingang der Berufung bis zur Entscheidung durch den Senat sind außerdem lediglich 10 Monate vergangen, ein Zeitraum, der im Hinblick auf die damit für beide Beteiligte erhalten bleibende zweite Tatsacheninstanz im Verhältnis zur entstehenden Verzögerung der endgültigen Erledigung des Verfahrens hinnehmbar war. Das Verfahren selbst war – zumindest für ein Verfahren im Bereich des Unfallversicherungsrechts – mit ca. 1 Jahr und 4 Monaten auch noch nicht "unangemessen" lange anhängig, so dass dem Interesse an einer möglichst schnellen Sachentscheidung der Vorzug vor dem Interesse an dem Erhalt der zweiten Tatsacheninstanz zu geben gewesen wäre.
Im Übrigen wird im Hinblick auf die erforderliche erneute Entscheidung des Sozialgerichts auf Folgendes hingewiesen: Aufgrund des Vorbringens und des Begehrens des Klägers im Rahmen des Rechtsstreits geht der Senat davon aus, dass die Ablehnung der Versorgung mit Hörgeräten durch die Beklagte nicht Streitgegenstand des Verfahrens ist, der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. August 2017 vielmehr bestandkräftig geworden ist. Der Kläger begehrt explizit lediglich eine Teilaufhebung der Bescheide und geht in keinem seiner Schriftsätze auf die Versorgung mit Hörgeräten ein. Sollte er entgegen seiner Ausführungen weiterhin auch eine Versorgung mit Hörgeräten wünschen, wäre die Klage deshalb aufgrund der Bestandskraft der Bescheide unbegründet.
Eine Kostenentscheidung war durch das erkennende Gericht nicht zu treffen, Diese ist der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten, da das erstinstanzliche Verfahren fortgesetzt wird (LSG NRW, Urteil vom 25. Januar 2008 L 4 R 155/07 –, juris; Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, § 159, Rn. 12; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 159, Rn. 5 f).
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt am Main vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten sich über die Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers als Folge der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 2301) und die Gewährung einer Rente.
Der 1956 geborene Kläger ist seit dem 22. August 1994 bei der C. AG tätig. In der Zeit vom 22. August 1994 bis zum 30. April 2002 arbeitete er als Gepäckabfertiger im Bereich Gepäckdienst/Flugzeugabfertigung und war für das Be- und Entladen von Gepäck zuständig. Seit dem 1. Mai 2002 arbeitete er als Gepäckmeister nur noch im Gepäckdienst. Zuvor war er als Werkzeugmacher mehr als 20 Jahre bei der Firma D. Formenbau tätig.
Am 10. Februar 2016 zeigte die Arbeitgeberin des Klägers der Beklagten den Verdacht des Vorliegens der BK 2301 an. Die Beklagte leitete Ermittlungen ein und befragte u.a. den Kläger, seine Arbeitgeberin und den Hausarzt des Klägers. In einem Formular teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er bei der Firma D. 30 Stunden pro Woche als Dreher und Fräser zu 100% in geschlossenen Räumen gearbeitet habe. Bei der C. AG arbeite er 35 Stunden in der Woche auf dem Vorfeld, wobei er sich zu 30% in geschlossenen Räumen und zu 70% im Freien aufhalte. In einem von Frau E. (Mitarbeiterin der Arbeitgeberin aus dem Personalbereich) ausgefüllten Formular wurde u.a. mitgeteilt, dass der Kläger als Gepäckmeister Führungskraft sei, zu 80% in geschlossenen Räumen und zu 20% im Freien arbeite und als Maschinen eine Gepäckförderanlage an 4 Stunden pro Arbeitsschicht an 16 Stunden pro Woche an ca. 4 bis 5 Tagen pro Monat genutzt werde. Es sei nicht bekannt, dass der Kläger Lärmeinwirkungen ausgesetzt sei. Als Schutzmaßnahme werde ein Gehörschutz genutzt.
In einer internen Stellungnahme des Bereichs Prävention der Beklagten zur Arbeitsplatzexposition, die unter Berücksichtigung des Akteninhalts und nach Gesprächen mit Frau E., Herrn F. (Sicherheitsfachkraft der C. AG) und dem Kläger am 23. Mai 2016 erstellt wurde, wurde ausgeführt, dass die Tätigkeit des Klägers bis zum 30. April 2002 die Aufgaben Gepäck sortieren und auf das Ankunftsband auflegen, Gepäck dem Ladeservice übergeben, Gepäck auf Position bereitstellen, Gepäck sortieren, Gepäckstücke aus GFA nehmen, Handling des Sperrgepäcks, Interlinegepäck sortieren und codieren, Ladeinfo aus Infosystem beschaffen, Leergut bereitstellen und abräumen, Rücklaufgepäck bearbeiten, Störungen an Einsatzleiter weiterleiten, Wagen und Container mit Gepäck beladen umfasst habe. Die Tätigkeiten hätten zu ca. 50% auf Abfertigungspositionen und zu 50% in geschlossenen Räumen stattgefunden. Der Tagesexpositionspegel überschreite die obere Auslöseschwelle der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung von 85 dB(A). Seit dem 1. Mai 2002 umfasse die Tätigkeit des Klägers die Beobachtung und Steuerung der zuvor genannten Aufgaben mit den dabei anfallenden Führungsaufgaben und administrativen Aufgaben. Die Tätigkeit würde zu 70% in Gebäuden, der Transferzentrale und den Gategepäckräumen und zu 30% auf Abfertigungspositionen ausgeübt. Der Tagesexpositionspegel liege geschätzt zwischen der unteren und der oberen Auslöseschwelle der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung (&8804; 85 dB(A)).
Nach Einholung eines medizinischen Gutachtens und einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Prof. Dr. G. teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30. Januar 2017 mit, dass die BK 2301 anerkannt werde. Als Folge der Berufskrankheit würde eine beginnende Hochtoninnenohr-Schwerhörigkeit beidseits bis zum Jahr 5/2002 anerkannt. Ein Anspruch auf Rente wegen der Berufskrankheit bestehe nicht. Die Erkrankung habe keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Folge. Grundlage der Entscheidung sei die Stellungnahme Prof. Dr. G. Der Kläger sei nach Mai 2002 keinem beruflichen Lärm von mehr als 85 dB(A) ausgesetzt, so dass die Zunahme der Hörminderung nicht mehr auf den beruflichen Lärm zurückgeführt werden könne. Ein Hörgerät könne nicht von der Unfallkasse bezahlt werden, da im Oktober 2004 das Einsilbenverstehen auf dem rechten Ohr noch bei 95% und links noch bei 100% gelegen habe.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er übersandte ein Schreiben von Frau E. vom 9. Juli 2015, in dem diese angab, dass der Kläger überwiegend auf dem Vorfeld und in der Transferzentrale tätig sei, die sich ebenfalls auf dem Vorfeld befinde. Dem Schreiben war eine Planstellenbeschreibung beigefügt, die jedoch keine Zeitanteile bzgl. des Arbeitsortes des Klägers enthielt. Zusätzlich führte der Kläger aus, dass er sich zu ca. 70% auf dem Vorfeld und nur zu ca. 30% in Räumen aufhalte. Diese Räume seien nicht geschlossen, so dass der Lärm auf dem Vorfeldbereich noch stark zu hören sei. Der Präventionsdienst teilte daraufhin mit, dass die in seiner Berechnung zu Grunde gelegten Zeitanteile in Absprache mit dem Kläger und Frau E. angesetzt worden seien. Er gehe davon aus, dass die im Gespräch im Mai 2016 gemachten Angaben weiterhin Bestand hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2017 änderte die Beklagte den Bescheid vom 30. Januar 2017 dahingehend ab, dass sie die bestehende beginnende Hochtoninnenohr-Schwerhörigkeit beidseits nicht nur bis zum Jahr 2002, sondern auch darüber hinaus als Berufskrankheit anerkannte. Die seit dem Jahr 2002 eingetretene Verschlimmerung des Hörverlusts werde nicht als Folge der Berufskrankheit anerkannt. Die Ermittlungen des Präventionsdienstes für die Zeit ab 2002 hätten ergeben, dass der Kläger seither auch mit der Steuerung und Beobachtung der Gepäckabfertigungstätigkeiten, mit Führungsaufgaben und administrativen Aufgaben betraut sei und sich zu 70% in Gebäuden aufhalte und die Lärmexposition deshalb bei unter 85 d(A) liege.
Am 22. September 2017 hat der Kläger Klage mit dem Begehren erhoben, die Bescheide der Beklagten insoweit aufzuheben als die Beklagte die Feststellung der seit dem Jahr 2002 eingetretenen Verschlimmerung des Hörverlusts als Folge der BK 2301 und die Gewährung einer Rente abgelehnt hat und die Beklagte zu verpflichten, die Verschlimmerung als Folge der BK 2301 festzustellen und sie zu verurteilen, ihm eine Rente zu gewähren. Er sei auch als Gepäckmeister mindestens 7/8 seiner Arbeitszeit beruflichen Lärmeinwirkungen ausgesetzt. Im Durchschnitt sei er auf dem Vorfeld und in der Maschinenhalle. Die Flugzeuge würden dort mit laufenden Triebwerken ein- und ausfahren. In beiden Fällen läge eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) vor. Allenfalls eine Stunde pro Tag sei er keiner erhöhten Lärmexposition ausgesetzt, wenn er am PC in einem lärmgeschützten Büroraum arbeite. Mit Verfügung vom 16. November 2017 hat das Sozialgericht die Beklagte darauf hingewiesen, dass nach derzeitiger Einschätzung die Beklagte den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe. Aufgrund des Akteninhalts sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Lärmexposition, der der Kläger ausgesetzt gewesen sei, weiter durch eine erneute Rücksprache bei der Arbeitgeberin oder durch Vor-Ort-Ermittlungen zu klären. Der Stellungnahme des Präventionsdienstes könne nicht entnommen werden, in welchem Umfang Frau E. von Tätigkeiten des Klägers in geschlossenen Räumen ausgegangen sei. Der Präventionsdienst sei davon ausgegangen, dass der Kläger überwiegend in geschlossenen Räumen tätig sei. Woher er diese Erkenntnis nehme, könne nicht nachvollzogen werden. Der Kläger habe für die Zeit ab 2002 bei einem Pegel von "kleiner gleich 85 dB(A)" an der Schwelle zur Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen gestanden, so dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, weitere Ermittlungen vorzunehmen. Auch seien keine weiteren Ermittlungen zur Lärmexposition des Klägers bei seiner vorherigen Arbeitgeberin durchgeführt worden. Vor diesem Hintergrund komme es in Betracht, eine Entscheidung gem. § 131 Abs. 5 SGB V zu treffen, damit die unterbliebenen Ermittlungen nachgeholt werden könnten. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 mitgeteilt, dass die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG ihres Erachtens nicht gegeben seien. Die Stellungnahme des Präventionsdienstes sei schlüssig und zutreffend und stünde auch nicht im Widerspruch zu den Angaben der Arbeitgeberin des Klägers. Frau E. habe entsprechende schriftliche Ausführungen gemacht und es seien Gespräche – auch mit dem Kläger – erfolgt. Die Beurteilung beruhe deshalb auch auf den Angaben des Klägers. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Bescheinigung von Frau E. sei nicht widersprüchlich. Sie sei vor dem Verwaltungsverfahren erstellt worden und sehr allgemein gehalten. Die persönlichen Erhebungen vor Ort am 23. Mai 2016 seien umfangreicher und spezifischer. Im Übrigen sei nur bescheinigt worden, dass das Aufgabengebiet des Klägers überwiegend auf dem Vorfeld sowie in der Transferzentrale ausgeführt werde. Der Präventionsdienst habe dies nach den Gesprächen quantifiziert. Die Lärmexposition des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma D. sei irrelevant, weil eine Lärmexposition in der Zeit von 1971 bis 2002 berücksichtigt und in der Folge das Vorliegen einer Berufskrankheit aufgrund der beginnenden Hochtoninnenohr-Schwerhörigkeit beidseits anerkannt worden sei. Die erforderliche Lärmexposition sei zu Gunsten des Klägers unterstellt worden. Streitig sei lediglich eine ausreichende Lärmeinwirkung ab 2002. Die arbeitstechnischen Ermittlungen seien nicht qualifiziert angegriffen worden. Im Folgenden hat das Gericht den Kläger u.a. aufgefordert zum Schriftsatz der Beklagten Stellung zu nehmen und insbesondere darauf einzugehen, welche Angaben der Kläger am 23. Mai 2016 gegenüber dem Präventionsdienst gemacht habe, wie der Termin insgesamt ablief und welche Angaben Frau E. in dem Termin gemacht habe. Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 hat der Kläger lediglich sein Einverständnis mit einem Vorgehen nach § 131 Abs. 5 SGG erklärt. Nach einer mündlichen Verhandlung, an der weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter teilnahmen, hat das Gericht mit Urteil vom 9. Februar 2018 den Bescheid vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. August 2017 insoweit aufgehoben, als die Beklagte es abgelehnt hat, die seit dem Jahr 2002 eingetretene Verschlimmerung des Hörverlustes als Folge der BK 2301 festzustellen, den Kläger mit Hörgeräten zu versorgen und ihm eine Rente zu gewähren. Weiterhin hat es die Beklagte verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Anträge des Klägers festzustellen, dass der seit 2002 eingetretene Hörverlust eine Folge der BK 2301 ist, ihn mit einem Hörgerät/Hörgeräten zu versorgen und Rente zu zahlen, zu entscheiden. Es hat ausgeführt, dass die Behörde gem. § 20 Abs. 1 und 2 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen ermittle und Art und Umfang der Ermittlungen bestimme. Sie habe alle für den Einzelfall bedeutsame, auch für die Beteiligten günstige Umstände zu berücksichtigen. Aus dem Untersuchungsgrundsatz und dem daraus folgenden Recht der Behörde alle zulässigen Beweismittel zu nutzen folge, dass die Behörde das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich einer Beweisaufnahme unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände zu würdigen habe. Demzufolge habe sie nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern auch den Vortrag der Beteiligten, den Gesamteindruck aller Umstände, Zeugen und Beteiligte und amtsbekannte Tatsachen zu würdigen. Ebenso wie im gerichtlichen Verfahren dürften die Feststellungen der Behörde nur auf gewonnenen Überzeugungen beruhen. Hinsichtlich der Richtigkeit der Entscheidungsgrundlage sei keine absolute Gewissheit erforderlich, jedoch müssten alle bei vernünftiger Betrachtung zu beachtenden objektiven Zweifelsgründe des Falles durch die für die Tatsachen sprechenden Gesichtspunkte überwunden werden. Die Aktenlage lasse nach den Erkenntnissen des Gerichts eine solche Überzeugungsbildung bei der Beklagten nicht zu, da die Ermittlungen der Lärmeinwirkungen vollkommen unzureichend seien. Die Entscheidung der Beklagten beruhe auf dem Ermittlungsergebnis des Präventionsdienstes und der hierauf beruhenden Stellungnahme des Beratungsarztes. Der Präventionsdienst sei von einer Tätigkeit des Klägers mit 30% im Außenbereich und 70% in Gebäuden ausgegangen. Der Kläger habe jedoch das genaue Gegenteil angegeben. Hierüber und über die Bescheinigung vom 9. Juli 2017 sei die Beklagte unter Verweis auf persönliche anderslautende Angaben der Beteiligten gegenüber dem Präventionsdienst hinweggegangen. Die Angaben, die die Beteiligten am 23. Mai 2016 gemacht hätten, seien aber nicht dokumentiert, so dass kein Abgleich habe stattfinden können. Dabei hätten auch die Ermittlungsergebnisse des Präventionsdienstes, wonach der Kläger den Schwellenwert von 85 dB(A) sogar erfüllt habe und Prof. Dr. G., wonach die Exposition knapp unter dem Schwellenwert gelegen habe, Hinweise für eine notwendige Vertiefung der Ermittlungen gegeben. Daneben hätte auch die Stellungnahme des Arbeitgebers vom 1. April 2016 Nachfragen provozieren müssen, da der Arbeitgeber hier nicht von einer Lärmeinwirkung durch Flugzeuge, sondern von einer Lärmeinwirkung durch die Gepäckförderanlage ausgegangen sei. Auch die in diesem Zusammenhang gemachten aus sich selbst heraus nicht verständlichen Zeitangaben des Arbeitgebers hätten der weiteren Erklärung bedurft. Dass der Kläger fortwährenden arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen unterstehe und Gehörschutz trage, sei widersprüchlich zu der Angabe, dass keine beruflichen Einwirkungen bekannt seien, die die Hörminderung erklären könnten. Aus den vorliegenden Audiogrammen, die seit 2000 mit der Auflage des konsequenten Tragens von Gehörschutz versehen gewesen seien, lasse sich eine schädigende Lärmeinwirkung jedenfalls für die Jahre 2000 und 2001 ableiten. Weitere aufklärende Ermittlungen habe die Beklagte trotzdem unterlassen. Aus dem Vorgenannten ergäben sich zeitlich aufwendige Ermittlungen. Zunächst sei zu klären, was die Beteiligten bei dem Gespräch mit dem Präventionsdienst gesagt hätten, dann seien beim Arbeitgeber Audiogramme für die Zeit ab 2001 nachzufordern, und für den Fall des Fehlens die Gründe hierfür zu ermitteln. Dann seien die unterschiedlichen Angaben von Frau E. weiter aufzuklären. Es sei außerdem zu ermitteln, ob der Kläger und wenn ja wann, ab Mai 2002 Gehörschutz getragen habe, da dieser Umstand Indizwirkung für das Ausmaß der Lärmeinwirkung habe. Weiterhin sei bei einer Vor-Ort-Ermittlung die Lärmexposition in den lärmbelastenden Tätigkeitsbereichen durch geeignete Maßnahmen konkret zu ermitteln und zu dokumentieren. Sollten hiernach die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, sei bzgl. des Vorliegens eines Stützrententatbestands infolge des Arbeitsunfalls des Klägers mit Knieverletzung im Jahr 2006 zu ermitteln. Außerdem seien die Zusammenhangsfragen medizinisch zu begutachten und die MdE zu bestimmen. Die Aufhebung und Verpflichtung zur Neubescheidung sei sachdienlich, da die Beklagte die Ermittlungen schneller und effizienter als das Gericht durchführen könne. Eine Kommunikation mit dem Gericht sei dann nicht erforderlich. Außerdem stünden der Beklagten viele Mitarbeiter/innen zur Verfügung, während bei Gericht sämtliche Ermittlungen durch die Kammervorsitzende zu führen seien. Auch könne die Beklagte auf sachkundiges Personal zurückgreifen, während das Gericht Sachverständige suchen müsse.
Am 29. März 2018 hat die Beklagte Berufung gegen das am 6. März 2018 zugestellte Urteil eingelegt. Sie geht u.a. erneut auf ihre Ausführungen in der ersten Instanz ein.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2018 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Der Berufungsbeklagte und Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Das Sozialgericht sei aufgrund des Sachverhalts nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht ausreichend ermittelt worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die zum Verfahren beigezogen waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung an das Sozialgericht liegen vor.
Gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist.
Nach Auffassung des Senats ist vorliegend die Nr. 1 des § 159 Abs. 1 SGG einschlägig. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet allerdings aufgrund des Wortlauts der Vorschrift aus. § 131 Abs. 5 SGG der die Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt am Main darstellt, enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht verpflichtet ist, den anhängigen Rechtsstreit spruchreif zu machen. Ihm wird die Befugnis eingeräumt, einen Verwaltungsakt sowie den dazugehörigen Widerspruchsbescheid aufzuheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Schütz in: jurisPK, SGG, § 131, Rn. 56). Dementsprechend ist durch das Sozialgericht keine Abweisung der Klage erfolgt. Vielmehr hat es den Verwaltungsakt der Beklagten vom 30. Januar 2017 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 22. August 2017 aufgehoben und die Beklagte darüber hinaus zur Neubescheidung der Begehren des Klägers verpflichtet.
Die Aufzählung der Fälle, in denen eine Zurückverweisung gem. § 159 Abs. 1 SGG in Betracht kommt, ist grundsätzlich abschließend (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 159, Rn. 2; Lüdtke/Berchthold, SGG, 5. Auflage, § 159, Rn. 5 f.). Durch die Novelle des § 159 SGG im Jahr 2011, u.a. mit der Änderung der Nr. 2 dahingehend, dass eine Zurückverweisung nur möglich ist, wenn aufgrund des Verfahrensmangels eine umfassende und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist, hat der Gesetzgeber noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass die schnelle Erledigung des Rechtsstreits im Vordergrund stehen soll und die Stellung der 2. Instanz als weitere Tatsacheninstanz gestärkt (BT-Drs.: 17/6764, S. 27). In engen Grenzen wird jedoch eine entsprechende Anwendung weiterhin für möglich gehalten (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 159, Rn. 2; Lüdtke/Berchthold, SGG, 5. Auflage, § 159, Rn. 5 f., a.A. Adolf in: jurisPK, SGG, 1. Auflage, § 159, Rn. 15). Über ihren Wortlaut hinaus wird z.B. eine entsprechende Anwendung angenommen, wenn das Sozialgericht zwar in der Sache selbst entschieden hat, dies aber aus Gründen geschehen ist, die eine rechtliche Vorfrage betreffen und mit den eigentlichen Sachfragen nichts zu tun haben, so z.B. wenn es einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen aufgehoben, der Klage also stattgegeben hat, ohne zu den eigentlichen Fragen Stellung zu nehmen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 159 Rn. 2 b m.w.N.; zur entsprechenden Anwendung im Zusammenhang mit § 131 Abs. 5 SGG; vgl. LSG für das Saarland, Urteil vom 27. Juni 2017 - L 5 SB 45/16 – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2012 - L 11 SB 45/11 - juris). Vorliegend hat das Sozialgericht zwar – gestützt auf § 131 Abs. 5 SGG – den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. August 2019 aufgehoben und die Sache an die Verwaltung zurückverwiesen und damit kein reines Prozessurteil getroffen. Es hat jedoch keine Entscheidung über das eigentliche Begehren des Klägers (Verschlimmerung seiner Schwerhörigkeit als Folge der anerkannten Berufskrankheit und Zahlung einer Rente) gefasst. Vielmehr ist eine Abweisung der Klage "im Übrigen", wie sie z.B. im Fall einer vom Kläger begehrten Ermessensleistung bei fehlender Ermessensreduzierung auf Null hätte erfolgen müssen, unterblieben. Eine derartige Entscheidung war im Hinblick auf die Regelung des § 131 Abs. 5 SGG auch nicht zu treffen. § 131 Abs. 5 SGG ermöglicht eine Aufhebung von Verwaltungsakt und Widerspruchsbescheid "ohne in der Sache selbst zu entscheiden". Die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG führt daher auch in der Situation einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu einer Reduzierung des Streitgegenstands auf den Anfechtungsteil des Antrags (vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2012 - L 11 SB 45/11 - juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. Juli 2011 - L 8 SO 10/09 - juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2017 - L 3 AS 41/14 - juris). Die entsprechende Anwendung des § 131 Abs. 3 SGG gem. § 131 Abs. 5 Satz 2 2. HS SGG bedeutet nicht, dass ein Bescheidungstenor ergehen muss, sondern nur, dass die Verwaltung nach der Zurückverweisung die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten hat (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 131, Rn. 20). Aufgrund der fehlenden Entscheidung des Sozialgerichts war eine Entscheidung des Senats in der Sache nicht möglich. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Sozialgericht die Beklagte zur erneuten "Verbescheidung" verpflichtet hat. Eine Entscheidung über die vom Kläger begehrte Verpflichtung und die von ihm begehrte Leistung ist hiermit nicht erfolgt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht die Klage im Übrigen abgewiesen hätte, wofür vorliegend kein Raum war. Eine vollständige Erledigung des Rechtsstreits in der ersten Instanz ist damit nicht eingetreten.
Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG sieht der Senat entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht als erfüllt an.
Gem. § 131 Abs. 5 SGG kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist (Satz 1). Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden (Satz 2).
Im Rechtsmittelverfahren sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, d.h. noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten uneingeschränkt überprüfbar (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, Rn. 20a m.w.N.). Bei der Auslegung und Anwendung der Vorschrift ist zu beachten, dass es sich um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter handelt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen und auf besonders gelagerte Fälle zu beschränken sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 – 9 C 2/02 – juris zu § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO, dessen Reichweite sich auf reine Anfechtungsklagen beschränkt; BSG, Urteil vom 17. April 2007 – B 5 RJ 30/05 R – juris, zur alten Fassung des § 131 Abs. 5 SGG). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Regelung des § 131 Abs. 5 SGG nicht dazu dient, dem jeweils vorherigen Entscheidungsträger das eigene Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung als verbindlich vorzuschreiben, sondern in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung des vorhergehenden Entscheidungsträgers nach weiteren Ermittlungen zu erwirken. Wenn das Sozialgericht der Meinung ist, dass für eine Entscheidung weitere Ermittlungen erforderlich sind, ist es gem. § 103 SGG verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln und so ggf. bestehende Vermittlungsdefizite zu beseitigen (so auch Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – L 3 AS 619/10 – juris).
Weitere Ermittlungen durch die Beklagte waren (zumindest zum Zeitpunkt ihrer letzten Verwaltungsentscheidung am 22. August 2017) nicht erforderlich.
Die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen bestimmt sich danach, welche entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen sind und ob diese von der Behörde festgestellt wurden, da im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren gem. § 20 SGB X der Untersuchungsgrundsatz gilt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, wie sich der von der Verwaltungsentscheidung Betroffene zu den von der Behörde festgestellten Tatsachen eingelassen hat. Einem unsubstantiierten Bestreiten oder einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Tatsachenbehauptung, d.h. einer Angabe ohne hinreichende tatsächliche Anhaltpunkte, muss die Behörde nach ständiger Rechtsprechung nicht nachgehen (vgl. auch Siefert in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 20, Rn. 15 m.w.N.). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Frage ist der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, da die Behörde spätere Entwicklungen nicht bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen konnte (ebenso Sächsisches LSG, a.a.O.).
Von Relevanz für eine Entscheidung über die begehrte Anerkennung der Verschlimmerung des Hörverlustes als Folge der BK Nr. 2301 "Lärmschwerhörigkeit" und die in diesem Zusammenhang begehrte Leistungserbringung durch die Beklagte war u.a. das Vorliegen einer ausreichend hohen und ausreichend langen Lärmbelastung. Von Bedeutung ist hier u.a. die effektive Lärmdosis. Die Lärmempfindlichkeit schwankt individuell. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB (A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem 8-Stunden-Tag über viele Arbeitsjahre (vgl. zu den Einzelheiten Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 343 ff.). Die Beklagte hat zur Frage des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen zunächst den Kläger und die Arbeitgeberin Formulare ausfüllen lassen. Danach hat sie – um die weiteren Einzelheiten abzuklären – den hausinternen Präventionsdienst eingeschaltet, der am 23. Mai 2016 ein Gespräch mit Frau E. (Mitarbeiterin der Personalabteilung der Arbeitgeberin), Herrn F. (Sicherheitsfachkraft bei der Arbeitgeberin) und dem Kläger geführt hat. Auf dieser Grundlage – d.h. nach Rücksprache mit allen Beteiligten – wurde eine Beurteilung durchgeführt und Prozentsätze bzgl. der unterschiedlichen Arbeitsorte des Klägers festgelegt. Der Kläger hat zwar im Verwaltungsverfahren und auch im Widerspruchsverfahren abweichende Zahlen angegeben (Dokument 00003 Seite 9: ca. 30% in geschlossenen Räumen, ca. 70% im Freien), diese Angaben aber nicht weiter ausgeführt, sondern lediglich eine vom 9. Juli 2015 (d.h. bereits vor dem Gespräch am 23. Mai 2016 stammende) und nicht wie vom Sozialgericht in der Entscheidung angegeben vom 9. Juli 2017 allgemeine Bescheinigung der Arbeitgeberin vorgelegt, die angibt, dass das Aufgabengebiet des Klägers überwiegend auf dem Vorfeld sowie in der Transferzentrale ausgeführt werde und sich die Transferzentrale auf dem Vorfeld befinde. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger tatsächlich in einem anderen Umfang, als vom Präventionsdienst bisher angenommen, Lärm ausgesetzt war. Auch hat der Kläger zu den vom ihm angesetzten Zahlen keine zeitlichen Angaben gemacht oder sich zu dem vom Präventionsdienst als Grundlage für die arbeitstechnischen Voraussetzungen genommenen Gespräch vom 23. Mai 2016 eingelassen. Vor diesem Hintergrund musste sich die Beklagte nicht veranlasst sehen, weitere Ermittlungen in arbeitstechnischer Hinsicht vorzunehmen. Von der Notwendigkeit einer Substantiierung dieser Angaben des Klägers scheint auch das Sozialgericht ursprünglich ausgegangen zu sein, als es den Kläger mit Verfügung vom 21. Dezember 2017 u.a. aufgefordert hat mitzuteilen, welche Angaben er am 23. Mai 2016 gegenüber dem Präventionsdienst gemacht hat, wie der Termin insgesamt ablief und welche Angaben Frau E. in dem Termin gemacht hat. Im Hinblick auf das Fehlen des Tatbestandsmerkmals "Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen" lag auch das Tatbestandsmerkmal der "Erheblichkeit" nicht vor. Selbst zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts stand noch nicht fest, ob ggf. weitere erhebliche Ermittlungen durchzuführen sind. Der Kläger hat auf die Verfügung des Sozialgerichts vom 21. Dezember 2017 nicht reagiert. Eine Substantiierung seines Vortrags, dass er auch ab 2002 weiterhin einer mehr als 85 dB (A) betragenden Lärmeinwirkung ausgesetzt war bzw. eine Auseinandersetzung mit der Verfügung des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2017 steht weiterhin aus. Hiervon hängt jedoch der Umfang möglicher weiterer Ermittlungen ab.
Die Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 SGG steht grundsätzlich im Ermessen des Landessozialgerichts. Aufgrund der fehlenden Anhängigkeit des eigentlichen Begehrens des Klägers in der Rechtsmittelinstanz war dem Senat jedoch – wie bereits ausgeführt – eine endgültige Entscheidung verwehrt. Das Ermessen des Senats, ob er von der Möglichkeit der Rückverweisung Gebrauch macht, war insoweit auf Null reduziert. Selbst wenn der Senat einen Ermessensspielraum gehabt hätte, d.h. in der Sache hätte entscheiden können, hätte er vorliegend von einer Zurückverweisung Gebrauch gemacht. Im Rahmen des Ermessens ist eine Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits erforderlich (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 159, Rn. 5). Aus den Schriftsätzen und dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Berufungsklägerin und Beklagten ergab sich ein hohes Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG durch das Sozialgericht. Auch hat der Berufungsbeklagte und Kläger mit seinen Schriftsätzen nicht zu erkennen gegeben, dass er auf eine schnelle Entscheidung in der Sache drängt und eine Entscheidung des Senats zu seinem eigentlichen Begehren einer Zurückverweisung vorziehen würde. Seit Eingang der Berufung bis zur Entscheidung durch den Senat sind außerdem lediglich 10 Monate vergangen, ein Zeitraum, der im Hinblick auf die damit für beide Beteiligte erhalten bleibende zweite Tatsacheninstanz im Verhältnis zur entstehenden Verzögerung der endgültigen Erledigung des Verfahrens hinnehmbar war. Das Verfahren selbst war – zumindest für ein Verfahren im Bereich des Unfallversicherungsrechts – mit ca. 1 Jahr und 4 Monaten auch noch nicht "unangemessen" lange anhängig, so dass dem Interesse an einer möglichst schnellen Sachentscheidung der Vorzug vor dem Interesse an dem Erhalt der zweiten Tatsacheninstanz zu geben gewesen wäre.
Im Übrigen wird im Hinblick auf die erforderliche erneute Entscheidung des Sozialgerichts auf Folgendes hingewiesen: Aufgrund des Vorbringens und des Begehrens des Klägers im Rahmen des Rechtsstreits geht der Senat davon aus, dass die Ablehnung der Versorgung mit Hörgeräten durch die Beklagte nicht Streitgegenstand des Verfahrens ist, der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. August 2017 vielmehr bestandkräftig geworden ist. Der Kläger begehrt explizit lediglich eine Teilaufhebung der Bescheide und geht in keinem seiner Schriftsätze auf die Versorgung mit Hörgeräten ein. Sollte er entgegen seiner Ausführungen weiterhin auch eine Versorgung mit Hörgeräten wünschen, wäre die Klage deshalb aufgrund der Bestandskraft der Bescheide unbegründet.
Eine Kostenentscheidung war durch das erkennende Gericht nicht zu treffen, Diese ist der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten, da das erstinstanzliche Verfahren fortgesetzt wird (LSG NRW, Urteil vom 25. Januar 2008 L 4 R 155/07 –, juris; Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, § 159, Rn. 12; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 159, Rn. 5 f).
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
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