L 10 U 3957/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3957/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3957/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28.09.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.

Der am 1969 geborene Kläger erlitt am 05.05.2011 im Rahmen seiner Tätigkeit als Verpackungsmitarbeiter bei der Firma S.-E. GmbH & Co KG in L. einen Arbeitsunfall, als er beim Transport einer Palette Wurstwaren mit dem elektrisch betriebenen Hubwagen beim rückwärts Gehen mit dem linken Fuß gegen eine stehende Palette stieß, den Hubwagen nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte und den linken Fuß zwischen Hubwagen und Palette einquetschte. Der Kläger zog sich hierbei eine komplexe offene Fraktur des oberen Sprunggelenks (OSG) mit mehrfragmentärer Taluskörperfraktur (Talus = Sprungbein), nicht dislozierten Frakturen im Calcaneus (= Fersenbein) und dislozierter Trümmerfraktur der Fibulaspitze (Fibula = Wadenbein) mit ausgedehntem Weichteilschaden zu, die noch am Unfalltag im Kreiskrankenhaus L. (vgl. Behandlungsbericht vom 18.05.2011, Bl. 21 ff. VerwA) operativ versorgt wurde (Reposition der Fibula mittels Schraubenosteosynthese, Debridement des OSG, Naht mehrerer fibulärer Bänder am OSG und der Sehnenscheiden der Peronealsehnen, Reposition der Talusfraktur und Schraubenosteosynthese, zusätzlich Anlage eines Fixateur externe). Nach regelrechtem Heilverlauf und Anfertigung von maßgerechten Arbeitsschuhen nahm der Kläger seine Tätigkeit am 28.11.2011 wieder auf. Nach Metallentfernung am 23.01.2012 war der Kläger ab 20.02.2012 wieder arbeitsfähig.

Zur Prüfung eines Anspruchs auf Rente erstattete Dr. H. , Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie im Kreiskrankenhauses L. , auf Veranlassung der Beklagten nach Untersuchung des Klägers den Befundbericht vom 14.05.2012 (vgl. Bl. 160 f. VerwA), worauf die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. L. dem Kläger mit Bescheid vom 19.06.2012 unter Anerkennung des Unfalls vom 05.05.2011 als Arbeitsunfall Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) vom 26.11.2011 bis 31.05.2012 bewilligte. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers holte die Beklagte das unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. S. , Chefarzt in der chirurgischen Abteilung des St. J. F. , ein, der den Kläger im November 2012 untersuchte (vgl. Bl. 226 ff. VerwA). Auf Grund der unfallbedingten Beeinträchtigungen (Bewegungseinschränkung im OSG und unteren Sprunggelenk [USG], Muskelatrophie im Bereich des linken Ober- und Unterschenkels, persistierende Schwellneigung im OSG und USG, Hypästhesie im Bereich der medialen Fußkante links) schätzte er die MdE bis auf weiteres mit 20 v.H. ein. Anlässlich der weiteren Untersuchung im März 2013 (vgl. Bl. 266 f. VerwA) dokumentierte er Bewegungsmaße im OSG links für das Heben/Senken des Fußes von 10-0-15 (rechts: 30-0-45) und im USG links eine Gesamtbeweglichkeit von 1/3 (rechts 1/1). Er ging nunmehr von einer MdE um 20 v.H. bis zum 30.11.2013 aus, da ein Jahr nach der letzten Begutachtung eine Verbesserung eintreten sollte. Mit Bescheid vom 04.06.2013 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers unter Abänderung des Bescheids vom 19.06.2012 ab und gewährte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. über den 31.05.2012 hinaus.

Im Hinblick auf die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit erstattete Dr. H. das Zweite Rentengutachten (vgl. Bl. 342 ff. VerwA) auf Grund Untersuchung des Klägers im März 2014. Als Unfallfolgen beschrieb er eine Umfangminderung des linken Beines, eine Funktionseinschränkung im linken USG und OSG in Streckung, Beugung und Pro-/Supination, zahlreiche Narben um das linke Sprunggelenk, eine Gefühlsstörung streckseitig ab dem linken OSG zum Vorfuß sowie ein Hinken und schätzte die MdE mit 20 v.H. ein. Die Bewegungsmaße dokumentierte er wie folgt: OSG links: Heben/Senken des Fußes 10-0-20 (rechts: 20-0-30), USG links: Gesamtbeweglichkeit 1/2 (rechts 1/1). Nach Hinzuziehung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. F. und Anhörung des Klägers lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit mit Bescheid vom 25.04.2014 ab und entzog dem Kläger gleichzeitig die Rente als vorläufige Leistung ab 01.05.2014. Zur Begründung führte sie aus, dass durch die verbliebenen Unfallfolgen (Bewegungseinschränkung des OSG und des USG sowie Gefühlsstörungen des Vorfußes nach in guter Stellung verheilten Brüchen des Sprungbeins und des Außenknöchels) die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht mehr in einem rentenberechtigenden Grad gemindert sei. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.08.2014).

Am 22.08.2014 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, seine Beeinträchtigungen hätten sich nicht gebessert. Er sei weiterhin in Behandlung und komme nicht ohne Schmerzmittel aus.

Das SG hat das Gutachten des Dr. O. , Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chefarzt der R ... -Klinik B. , auf Grund Untersuchung des Klägers im Dezember 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat im linken OSG eine freie Flexion und eine im Seitenvergleich um 10 Grad reduzierte Extension (OSG links: Heben/Senken des Fußes 0-0-40; rechts: 10-0-40) sowie im USG eine seitengleiche freie Beweglichkeit beschrieben und das Vorliegen muskulärer Defizite verneint. Die MdE hat er mit 10 v.H. eingeschätzt.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.09.2017 hat das SG die Klage, gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. O. , abgewiesen. Die Unfallfolgen rechtfertigten ab 01.05.2014 nicht die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Eine MdE in diesem Umfang werde nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten bspw. bei einer Versteifung von OSG und USG in günstiger Stellung erreicht; die funktionelle Situation beim Kläger stelle sich demgegenüber deutlich günstiger dar.

Am 12.10.2017 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, sich auf die Gutachten des Prof Dr. S. und des Dr. H. gestützt und geltend gemacht, durch deren Auffassung sei die Einschätzung des Sachverständigen Dr. O. widerlegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28.09.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2014 zu verurteilen, ihm ab 01.05.2014 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und die Einschätzung des Sachverständigen in dem vom Senat eingeholten Gutachten nicht für überzeugend. Hierzu hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie, Orthopädie, Unfallchirurgie und spezielle Unfallchirurgie Dr. F. vorgelegt.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat das Gutachten des Prof. Dr. E. , Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie im Kreiskrankenhaus R ... , eingeholt, der den Kläger im Juni 2018 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine deutliche Bewegungseinschränkung im OSG links (Heben/Senken des Fußes 10-0-20, rechts: 20-0-40), eine im Vergleich zu rechts ca. um die Hälfte eingeschränkte Beweglichkeit im USG links sowie eine diffuse leichte Weichteilschwellung im linken OSG mit einer nicht signifikanten Umfangzunahme von 1 cm im Vergleich zur Gegenseite beschrieben und die MdE mit 20 v.H. eingeschätzt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte entzog zu Recht die mit Bescheid vom 04.06.2013 als vorläufige Entschädigung gewährte Rente mit Wirkung ab 01.05.2014 und lehnte die Gewährung von Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ab. Denn die gesundheitlichen Folgen des vom Kläger am 05.05.2011 erlittenen Arbeitsunfalls rechtfertigen ab 01.05.2014 nicht die Bemessung mit einer rentenberechtigenden MdE um 20 v.H.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert - was beim Kläger nicht der Fall ist - und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII), wobei Folgen eines Versicherungsfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm ursprünglich bewilligten vorläufigen Rente und begehrt die Gewährung einer Dauerrente. Hierfür ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung des angefochtenen Entziehungsbescheides würde die vorläufig gewährte Rente nach Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall schon kraft Gesetzes zur Dauerrente (st. Rechtsprechung des Senats, u.a. Urteil vom 23.02.2006, L 10 U 3518/03; ebenso BSG, Urteil vom 05.02.2008, B 2 U 6/07 R in SozR 4-1300 § 41 Nr. 1). Soweit der Kläger darüber hinaus mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Dauerrente beantragt, ist dies nach der Rechtsprechung des BSG allerdings ebenfalls zulässig (Urteil vom 05.02.2008, a.a.O.; ähnlich BSG, Urteil vom 16.03.2010, B 2 U 2/09 R in SozR 4-2700 § 62 Nr. 1).

Die Beklagte entzog die vorläufige Rente zu Recht. Rechtsgrundlage hierfür ist § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII. Denn jedenfalls ab 01.05.2014 rechtfertigten die Unfallfolgen nicht mehr die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Als Folge der vom Kläger am 05.05.2011 erlittenen komplexen offenen Sprunggelenksfraktur sind eine Bewegungseinschränkung im OSG und USG sowie Gefühlsstörungen am lateralen und medialen Fußrand verblieben, wie dies die Beklagte ihrer Beurteilung auch zu Grunde legte. In diesem Sinne äußerten sich auch der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Gutachter Dr. H. und die gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. und Prof. Dr. E. , die darüber hinaus - wie vom Kläger beklagt - belastungsabhängige Schmerzen und eine Schwellneigung dokumentierten.

Nach den oben dargelegten Grundsätzen ist es auf der Grundlage der von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze nicht gerechtfertigt, diese im Bereich des linken Sprunggelenks des Klägers verbliebenen Unfallfolgen mit einer MdE um 20 v.H. zu bemessen. Dr. H. ermittelte im März 2014 die Bewegungsfähigkeit im OSG für das Heben/Senken des Fußes mit 10-0-20 (rechts: 20-0-30) und im USG eine hälftige Einschränkung der Gesamtbeweglichkeit im Vergleich zu rechts. Im Dezember 2014 hat der Sachverständige Dr. O. eine Beweglichkeit im OSG für das Heben/Senken des Fußes von 0-0-40 (rechts: 10-0-40) und im USG eine seitengleiche freie Beweglichkeit dokumentiert, während der Sachverständige Prof. Dr. E. im Juni 2018 für das OSG mit einem Heben/Senken des Fußes von 10-0-20 (rechts: 20-0-40) und einer im Vergleich zu rechts ca. um die Hälfte eingeschränkte Beweglichkeit im USG links wiederum Befunde erhoben hat, wie sie zuvor schon Dr. H. dokumentierte.

Nach dem vom Senat bei der Bemessung der MdE regelmäßig zu Grunde gelegten Werk von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 713 f., wird eine Versteifung des OSG und USG in Funktionsstellung mit einer MdE um 25 v.H., eine Versteifung des OSG in Funktionsstellung (Neutral-0-Stellung bis 10 Grad Spitzfuß) mit einer MdE um 15 v.H. und eine Versteifung des USG in Neutral-0-Stellung mit 10 v.H. sowie bei schmerzhafter Wackelsteife mit einer MdE um 20 bis 30 v.H. bewertet. Auf dieser Grundlage ist der Sachverständige Dr. O. für den Senat überzeugend davon ausgegangen, dass mit den beim Kläger zum Untersuchungszeitpunkt dokumentierten Einschränkungen eine MdE um 20 v.H. nicht erreicht wird. Schlüssig nachvollziehbar hat der Sachverständige insoweit ausgeführt, dass sich die funktionelle Situation beim Kläger mit einer Bewegungsfähigkeit im OSG für das Heben/Senken des Fußes von 0-0-40 und einer seitengleichen freien Beweglichkeit im USG deutlich günstiger darstellt als in den dargestellten Befundsituationen, da gerade keine Sprunggelenksversteifung vorliegt, weder im OSG noch im USG. Nichts anderes gilt für den Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. H ... Auch bei dessen Untersuchung zeigte sich keine Sprunggelenksversteifung. Denn die Beweglichkeit im OSG war - selbst ausgehend von Normalmaßen von 20 bis 30 Grad für das Heben (fußrückenwärts) und 40 bis 50 Grad für das Senken (fußsohlenwärts) - mit 10-0-20 (rechts: 20-0-30) nur in etwa zur Hälfte eingeschränkt und auch im USG fand Dr. H. keine Versteifung, sondern lediglich eine hälftige Einschränkung der Gesamtbeweglichkeit im Vergleich zu rechts. Für den Senat überzeugend hat Dr. O. daraus abgeleitet, dass eine rentenberechtigende MdE nicht erreicht wird und sich eine solche darüber hinaus auch nicht mit den zahlreichen Narben und den verbliebenen Gefühlsstörungen begründen lässt. So zeigten sich die Narben jeweils reizlos und sie beschränken sich auf den Innen- und Außenknöchel, so dass sie keine funktionellen Einschränkungen verursachen. Nichts wesentlich anderes gilt im Hinblick auf die Gefühlsstörungen. Diese beschränken sich - so der Sachverständige Dr. O. weiter - auf die Region zwischen dem Innenknöchel und der Streckseite der Großzehe sowie zwischen dem Außenknöchel und der Basis der Zehen 4 und 5, so dass die wichtigen Fußbereiche, nämlich die Fußsohle, der Fersenbereich und die Zehen selbst keine Gefühlsstörungen aufweisen, weshalb von den vorhandenen Gefühlsstörungen keine wesentlichen zusätzlichen Funktionseinschränkungen ausgehen.

Soweit Prof. Dr. E. mit den von ihm im Juni 2018 - identisch zu den von Dr. H. - erhobenen Bewegungseinschränkungen die MdE gleichermaßen mit 20 v.H. bewertet hat, überzeugen den Senat die hierfür vorgebrachten Gründe nicht. Prof. Dr. E. hat seine Auffassung unter Bezugnahme auf Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 746 und die dort vorgeschlagene MdE um 30 v.H. für einen Sprunggelenksverrenkungsbruch mit sekundärer Arthrose mit wesentlicher Funktionseinschränkung damit begründet, dass die vorliegend maßgebliche Erkrankung die posttraumatische OSG-Arthrose mit einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung, persistierenden Schmerzen und Schwellneigung sowie Gangstörung sei. Ein Vergleich mit einer Versteifung des OSG und des USG sei nicht angemessen, da Versteifungen zwar selbstverständlich mit einer Bewegungseinschränkung einhergingen, jedoch "nicht in der Regel schmerzlos seien". Hinzu komme, dass eine Arthrose einen chronischen Prozess darstelle, der sich in der Regel im Verlauf verschlechtere. Zwar sei die Fibula- und Talusfraktur in einer günstigen Stellung verheilt, jedoch seien die radiologischen Arthrosezeichen eindeutig und führten zu einer nicht unbeachtlichen funktionellen Einschränkung im allgemeinen Erwerbsleben. Die bei Belastung auftretenden Schmerzen führten zu einer Minderung der möglichen Gehstrecke, dem Erfordernis entsprechende Pausen einzulegen und Schmerzmedikamente einzunehmen.

Aus diesen Darlegungen wird ersichtlich, dass Prof. Dr. E. bei der MdE-Bewertung des Dr. O. die persistierenden Schmerzzustände, die Schwellneigung und die hieraus resultierende Gangstörung nicht hinreichend berücksichtigt sieht und diese Gesichtspunkte eher durch den Erfahrungswert für einen Sprunggelenksverrenkungsbruch mit sekundärer Arthrose mit wesentlicher Funktionseinschränkung (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., so auch weiterhin in der 9. Auflage 2017, S. 712) für abgebildet erachtet, wobei er von dem entsprechenden Erfahrungswert allerdings wiederum abweicht, weil er die MdE beim Kläger statt mit dem dort vorgeschlagenen Wert von 30 v.H. lediglich mit 20 v.H. bewertet und den beim Kläger vorhandenen Zustand daher gleichwohl als weniger schwerwiegend beurteilt. Diese Überlegungen überzeugen hingegen nicht. Dies zum einen deshalb, weil der Sachverständige damit eine sekundäre Arthrose in den Mittelpunkt rückt, die er selbst lediglich als beginnend beschrieben hat (vgl. Bl. 32 LSG-Akte) und zum anderen, weil er die hieraus resultierenden wesentlichen Funktionseinschränkungen im Wesentlichen mit den Beschwerdeschilderungen des Klägers (bei Belastung zunehmende Schmerzen und Schwellungen, Ibuprofen drei- bis viermal pro Woche notwendig) begründet. Zwar hat der Senat - ebenso wenig wie der Sachverständige Prof. Dr. E. - keine Zweifel an der Richtigkeit der Beschwerdeangaben des Klägers. Allerdings lässt der Sachverständige hierbei außer Acht, dass spezifische, aus der konkreten beruflichen Tätigkeit resultierende gesundheitliche Beeinträchtigungen bei der Bemessung der MdE keine Berücksichtigung finden können. Denn die MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung orientiert sich nicht an den im Einzelfall auftretenden Auswirkungen der Unfallfolgen in der jeweils konkret ausgeübten Tätigkeit. Maßgeblich ist vielmehr - wie oben bereits näher dargelegt - der abstrakt zu bemessende Verlust von Erwerbsmöglichkeiten auf Grund des unfallbedingt verbliebenen Gesundheitsschadens. Dabei berücksichtigen die erwähnten Erfahrungssätze das Ausmaß an Tätigkeiten des allgemeinen Erwerbslebens, von denen Versicherte mit den aufgeführten Sprunggelenksverletzungen ausgeschlossen sind. Dabei handelt es sich um all jene Tätigkeiten, die mit einer besonderen Belastung für das geschädigte Sprunggelenk verbunden und dadurch nicht mehr als leidensgerecht erachtet werden.

Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist ohne Zweifel mit Belastungen für das durch den Unfall geschädigte linke Sprunggelenk verbunden. So hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. O. angegeben, dass er als Vorarbeiter vielfältige Tätigkeiten in der Logistik, im Versand, in der Lagerhaltung, als Aushilfe in der Salzerei und in der Pausenablösung seiner Mitarbeiter ausübt und bei der Arbeit den ganzen Tag auf den Beinen sei. Daher vermeide er auch nach der Arbeit und am Wochenende längere Gehstrecken. Auch der geschilderte Beschwerdeverlauf macht die Belastung der beruflichen Tätigkeit für das linke Sprunggelenk deutlich. So hat der Kläger dem Sachverständigen Dr. O. geschildert, dass er - trotz Tagesform abhängigem stark wechselndem Beschwerdebild - grundsätzlich zu Beginn der Woche nur wenig Beschwerden habe und ab der Wochenmitte Arbeiten nur möglich sei, wenn er ein- bis zweimal Ibuprofen pro Tag einnehme.

Mit dem beim Kläger auftretenden, im Wochenverlauf zunehmenden Schmerzzustand verwirklicht sich damit gerade die Gefahr, derentwegen Versicherten mit Verletzungen des Sprunggelenks insoweit belastende Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden und derentwegen ihnen für den Verlust entsprechender Erwerbsmöglichkeiten ein Ausgleich - abgebildet in der hier angenommenen MdE von 10 bis 15 v.H. - zusteht. Dies macht gleichzeitig deutlich, dass auftretende Schmerzzustände bei Ausübung einer insoweit nicht leidensgerechten Tätigkeit nicht zur Begründung für eine höhere MdE-Bemessung herangezogen werden können (Urteil des Senats vom 18.10.2012, L 10 U 5715/09 und vom 28.01.2016, L 10 U 3437/15). Denn der Versicherte ist bei Vorliegen einer solchen Fallkonstellation gerade nicht in größerem Umfang von Erwerbsmöglichkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen als Versicherte mit vergleichbaren Unfallfolgen, die entweder eine leidensgerechte Tätigkeit ausüben oder mangels leidensgerechtem Arbeitsplatz sogar gänzlich aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

Mit den beim Kläger vor dem Hintergrund der beruflichen Belastungen auftretenden Schmerz- und Schwellungszuständen lässt sich die von dem Sachverständigen Prof. Dr. E. für angemessen erachtete MdE um 20 v.H. daher nicht überzeugend begründen.

Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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