L 5 KR 66/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 29/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 66/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.06.1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte dem Kläger Krankengeld vom 28.07.1998 bis zum 02.12.1998 unter Anrechnung der für den gleichen Zeitraum gewährten Leistungen (Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Krankengeld) zu gewähren hat. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Krankengeld auch für den Zeitraum vom 28. Juli 1998 bis zum 02. Dezember 1998 zusteht.

Der am ...1945 geborene Kläger war bis zum 30.04.1998 als Kfz-Meister versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 27.04. bis 30.04.1998 befand er sich in stationärer Behandlung des St ... H ... Anschließend bescheinigten ihm seine behandelnden Ärzte (Internist Dr. L ..., und Arzt für Allgemeinmedizin Dr. J ..., beide G ...) das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit wegen eines Zustandes nach Myocarditis und wegen eines Schulter-Arm-Syndroms.

Von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erhielt der Kläger (rückwirkend) ab 01.05.1998 Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 79,02 DM bzw. (für die Zeit vom 28.10.1998 bis 02.12.1998) in Höhe von 71,66 DM kalendertäglich. Außerdem bezog der Kläger vom 29.07. bis zum 24.09.1998 Arbeitslosengeld sowie vom 25.09. bis 27.10.1998 Krankengeld, das auf der Basis des zuvor gezahlten Arbeitslosengeldes berechnet wurde.

Die Beklagte entschied durch die Bescheide vom 21.07.1998 und 27.07.1998, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum 29.07.1998 beendet werde. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger als Arbeitsloser zumutbar auf alle seine Arbeitsfähigkeit entsprechen den Beschäftigungen verwiesen werden könne, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstünden. Nach dem in ihrem Auftrag erstatteten Gutachten des Dr. S ...-M ..., Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK) vom 21.07.1998, könne er zwar auf Dauer die Tätigkeit als Kfz-Mechaniker nicht mehr ausüben, sei jedoch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten in vollschichtigem Umfang zu leisten. Deshalb liege keine Arbeitsunfähigkeit über den 28.07.1998 hinaus mehr vor.

Im Hinblick auf den vom Kläger dagegen am 11.08.1998 eingelegten Widerspruch beauftragte die Beklagte Dr. K ..., MDK, mit einer erneuten Untersuchung und Begutachtung des Klägers. Dieser Sachverständige gelangte im Gutachten vom 09.09. ebenfalls zu dem Ergebnis, der Kläger könne noch leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Arbeiten ohne Überkopfarbeiten verrichten.

Sodann wies die Beklagte den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 12.02.1999 zurück: Arbeitsunfähigkeit liege über den 28.07.1998 hinaus nicht vor. Werde das Beschäftigungsverhältnis während der laufenden Arbeitsunfähigkeit beendet, beurteile sich das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Maßstab für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit seien vielmehr alle Arbeiten, auf die der Kläger nach dem Recht der Arbeitsförderung gemäß § 121 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) verwiesen werden könne. Da der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in vollschichtigem Umfang verrichten könne, liege Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vor.

Der Kläger hat am 23.02.1999 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben.

Er ist der Ansicht gewesen, dass es für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht auf die Frage ankomme, ob er Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Vielmehr sei insofern auf die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kfz-Meister abzustellen. Eine derartige Tätigkeit könne er aber aufgrund der bei ihm vorliegenden internistischen und orthopädischen Leiden nicht mehr leisten. Dies werde nicht zuletzt durch die Tatsache bestätigt, dass ihm ab 03.12.1998 Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 21.07.1998 und 27.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1998 zu verurteilen, ihm über den 28.07.1998 hinaus Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung festgehalten. Darüber hinaus hat sie die Auffassung vertreten, dass das dem Kläger gewährte Übergangsgeld sowie die von ihm bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 4 SGB V zum Ausschluss des Krankengeld anspruches führten.

Durch Urteil vom 24.06.1998 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 30.06.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.07.1999 Berufung eingelegt.

Zur Begründung bringt sie vor: Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB V liege vor, wenn der Versicherte infolge der Krankheit seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleichgearteten Erwerbstätigkeit überhaupt nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin nachgehen könne, seinen Gesundheitszustand zu verschlimmern. Das Bundessozialgericht habe entschieden (Urteile vom 09.12.1986, Az.: 8 RK 27/84 und 8 RK 12/85), dass Arbeitsunfähigkeit bei einem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeschlossen sei, wenn wegen Krankheit die letzte Tätigkeit auf Dauer nicht mehr ausgeübt werden könne und eine Verweisung auf andere Tätigkeiten zumutbar sei, wobei sich die Verweisbarkeit nach den Vorschriften des SGB III richte. Das Bundessozialgericht habe konkrete Hinweise zur Verweisbarkeit gegeben, die sich offensichtlich an der damaligen Zumutbarkeitsanordnung der Bundesanstalt für Arbeit vom 16.03.1982 orientierten. Diese Regelungen seien aber inzwischen neu gefasst und ab 01.04.1997 als § 103 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und später als § 121 SGB III übernommen worden. Die Vorschriften enthielten den Grundsatz, dass ein Arbeitsloser jede Arbeit annehmen und ausüben müsse, die er ausüben könne und dürfe. Nichts anderes könne gelten, wenn das Arbeitsverhältnis während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit gelöst werde und für die bisherige Tätigkeit auf Dauer Arbeitsunfähigkeit bestehe. Demzufolge könne im vorliegenden Fall die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kfz-Meister nicht mehr Maßstab für die Frage der Arbeitsunfähigkeit sein. Zudem stehe § 50 Abs. 1 Nr.4 SGB V der Zahlung von Krankengeld entgegen. Die Zahlung eines Krankengeldspitzbetrages scheitere an § 49 Abs. 3 SGB V.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.06.1998 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger über den 28.07.1998 hinaus Krankengeld zusteht.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V besteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig ist. Diese gesetzlichen Voraussetzungen haben auch nach dem 28.07.1998 bis zum 02.12.1998, bis zum Beginn der Erwerbsunfähigkeitsrente, vorgelegen.

Arbeitsunfähig ist ein Versicherter, der seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, nachgehen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSGE 5, 283, 288; 26, 288, 290; USK 90186). Wegen des beim Kläger bestehenden Zustandes nach Myocarditis sowie des Schulter-Arm-Syndroms konnte der Kläger als Kfz-Meister nicht mehr arbeiten. Das ergibt sich aus einer Würdigung der von der Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. S ...-M ... und des Dr. K ... vom MDK der Krankenversicherungen. In die gleiche Richtung deutet, dass dem Kläger bereits ab 03.12.1998 Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt und er aus einer zuvor absolvierten Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der BfA als arbeitsunfähig entlassen worden ist. Auch die Beklagte geht - ausweislich ihrer im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.01.2001 abgegebenen Erklärung - davon aus, dass der Kläger aufgrund der bei ihm vor liegenden gesundheitlichen Einschränkungen seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kfz-Meister nicht mehr ausüben konnte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger nicht etwa ab 28.07.1998 deshalb arbeitsfähig, weil er andere Tätigkeiten verrichten konnte. Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Beklagten, dass nach dem Verlust des letzten Arbeitsplatzes nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit der Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sich dahingehend ändert, dass nicht mehr auf die konkreten Verhältnisse des letzten Arbeitsplatzes maßgeblich abzustellen, sondern abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Tätigkeit abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf andere Tätigkeiten verwiesen werden, die den Bedingungen des bisherigen Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisses im wesentlichen entsprechen. Wegen der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes ist aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten jedenfalls in der ersten Blockfrist sehr eng zu ziehen. Der Versicherte kann zumutbar nur auf ähnliche oder gleichgelagerte Tätigkeiten verwiesen werden, die nach den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie der Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit im wesentlichen entsprechen. Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf verrichtet, ist eine Verweisung auf Tätigkeiten außerhalb dieses Berufs grundsätzlich ausgeschlossen. Selbst innerhalb des Ausbildungsberufs müssen sich die zuletzt verrichtete und die "Verweisungstätigkeit" im wesentlichen gleichen, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht. Nach diesen Grundsätzen, die der Senat für zutreffend hält, war der Kläger auch nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig. Die Beklagte hat in Betracht kommende Verweisungstätigkeiten für den Kläger, bei dem vom Ausbildungsberuf des Kfz-Meisters auszugehen ist, nicht benannt. Es ist auch nicht ersichtlich, welche Tätigkeiten aus dem Umfeld der Tätigkeiten eines Kfz-Meisters für den Kläger noch in Betracht kommen könnten, die er mit den gesundheitlichen Einschränkungen noch hätte leisten können.

Entgegen der Auffassung der Beklagten entfiel die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 28.07.1998 nicht etwa deshalb, weil er auf alle nach dem Recht der Arbeitsförderung zumutbaren Beschäftigungen (§ 121 SGB III) hätte verwiesen werden können.

Weder können die Bestimmungen des Arbeitsförderungsrechts im Krankenversicherungsrecht angewandt noch kann die alleinige Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit auch für erkrankte Arbeitnehmer bei Verlust ihres Arbeitsplatzes angenommen werden.

§ 121 SGB III definiert die Zumutbarkeit von Beschäftigungen für den Arbeitslosen. Die Regelung ist vor allem für die Frage bedeutsam, ob der Arbeitslose subjektiv und objektiv der Arbeitsverwaltung zur Verfügung steht und deshalb Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen kann. Ferner ist sie von Bedeutung im Rahmen des § 144 Abs. 1 SGB III, ob ein wichtiger Grund für die Ablehnung einer angebotenen Beschäftigung oder die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses bestanden hat (vgl. Steinmeyer in: Gagel, SGB III, § 121 Rdn. 1). Schon diese Zweckbestimmung der Regelung spricht gegen ihre Anwendung im Krankenversicherungsrecht.

Die Behauptung der Beklagten, die bisherige Rechtsprechung des BSG habe sich hinsichtlich der Zumutbarkeit einer "Verweisung" offensichtlich an der bis zum 31.03.1997 geltenden Zumutbarkeits-Anordnung (vom 16.03.1982, ANBA S. 523 (Zumutbarkeits-AO)) orientiert, ist nicht nachzuvollziehen. Die Rechtsprechung des BSG bietet hierfür keine Hinweise, im Gegenteil ist offenkundig, dass die oben genannten Grundsätze für die Verweisbarkeit erkrankter Arbeitnehmer anderen Maßstäben folgen. Bereits aus der Entscheidung des BSG vom 03.11.1993 (SozR 3-2500 § 48 Nr. 5) ergibt sich, dass das BSG zwischen der Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf und der Verfügbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsgesetzes (die sich nach den zumutbaren - gegebenenfalls sogar unterwertigen - Beschäftigungen bestimmt) unterschieden hat. Die in dem genannten Urteil vorgenommene Differenzierung wäre unsinnig, wenn tatsächlich der Bezugspunkt für die Tätigkeit der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die bisherige Tätigkeit, sondern die i.S.d. Arbeitsförderungsrechts zumutbaren Beschäftigungen gewesen wäre. Auch die Rechtsprechung, wonach eine bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht entfällt, wenn sich der Versicherte mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt, solange er nicht tatsächlich eine neue berufliche Tätigkeit aufgenommen hat (BSG SozR 2500 § 182 Nr. 34, 96; USK 8309; SozR 4100 § 158 Nr. 6; Urteil vom 08.02.2000, a.a.O.), ist nur verständlich, wenn die Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf unabhängig von der Verfügbarkeit (und damit der Zumutbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts) ist. Die Arbeitsunfähigkeit kann nämlich nur weiter bestehen, wenn für die Vermittlung in Frage kommende zumutbare Beschäftigungen keine i.S.d. Krankenversicherungsrechts zumutbaren Verweisungstätigkeiten sind.

Auch der inhaltliche Vergleich mit den Kriterien der Zumutbarkeits-AO zeigt die Unrichtigkeit der Behauptung der Beklagten. Die Zumutbarkeits-AO ging von Qualifikationsstufen aus, wobei sich der Arbeitslose nach längeren erfolglosen Vermittlungsbemühungen auf Beschäftigungen der nächst niedrigeren Stufe verweisen lassen musste. Außerdem war eine Beschäftigung schon in der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit zumutbar, wenn das Arbeitsentgelt der neuen Beschäftigung 80 % der früheren Entlohnung erreichte; in der weiteren Zeit der Arbeitslosigkeit genügt es dann sogar, wenn das Nettoentgelt die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichte. Es liegt auf der Hand, dass die oben genannten Grundsätze zur Verweisung von erkrankten Versicherten nichts mit diesen Kriterien der Zumutbarkeitsanordnung zu tun haben. Bestätigt wird die Unterscheidung zwischen der Verfügbarkeit und der Zumutbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts und der Zumutbarkeit einer Verweisung im Zusammenhang mit dem Krankengeldbezug durch die "Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (in der Fassung vom 03.09.1991, BArbBl. Nr. 11 vom 31.10.1991). Diese bezeichnen ausdrücklich den Tätigkeitsbereich, der für die Vermittlung des Arbeitslosen in Betracht kommt und nicht die vor der Arbeitslosigkeit ausgeübte Tätigkeit nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach der Arbeitslosmeldung als Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit (Nr. 4 a.a.O.).

Es gibt auch keinen sachlichen Grund, für ihren bisherigen Berufarbeitsunfähige Versicherte wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes an die Bundesanstalt für Arbeit zu verweisen. Die Beklagte meint, der kranke Versicherte müsse sich bei einem Verlust des Arbeitsplatzes ohnehin beruflich neu orientieren, so dass es der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Sozialleistungsträgern entspreche, ihn mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen an das Arbeitsamt zu verweisen. Diese Argumentation wird schon dem möglichen Umstand nicht gerecht, dass sich der Gesundheitszustand und damit das Leistungsvermögen des Versicherten verbessern können, so dass eine Weitergewährung von Krankengeld gerade dessen Zweckbestimmung entspricht. Im übrigen muss es dem Versicherten überlassen bleiben, sich ungeachtet der weiterbestehenden Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf arbeitslos zu melden und sich - ins besondere bei nicht besserungsfähigem Gesundheitszustand - mit dem Restleistungsvermögen zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsverwaltung könnte dann Vermittlungsmöglichkeiten prüfen. Ein Verlust des aus der bisherigen Beschäftigung erworbenen Krankengeldanspruchs kann aber damit nicht verbunden sein, die Arbeitsunfähigkeit entfällt vielmehr erst bei tatsächlicher Aufnahme einer neuen Tätigkeit (BSG SozR 2200 §§ 182 Nr. 34, 96; USK 8309; SozR 4100 § 158 Nr. 6; Urteil vom 08.02.2000, a.a.O.). Das Argument der Beklagten, wenn man die Arbeitsunfähigkeit nach der zuletzt verrichteten Tätigkeit bestimme, werde bei Verlust des Arbeitsplatzes ein erkrankter Versicherter besser gestellt als ein gesunder Versicherter, der sich arbeitslos gemeldet habe, geht fehl. Die Beklagte übersieht, dass nach der Systematik des Systems der sozialen Sicherung bei erkrankten Arbeitnehmern allein der Krankenversicherungsträger zuständig ist, die nach den für ihn geltenden Vorschriften vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Weshalb dieser Anspruch wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes entfallen und die Zuständigkeit eines anderen Trägers begründen soll, leuchtet nicht ein. Die Rechtsprechung trägt der Tatsache, dass eine Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers auf den konkreten Arbeitsplatz nicht möglich ist, hinreichend Rechnung. Wie oben dargelegt, ändert sich der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit dahingehend, dass nunmehr auf die abstrakte Art der Beschäftigung abgestellt wird. Ferner setzt eine "Verweisung" auf eine andere Beschäftigung nicht voraus, dass ein offener Arbeitsplatz nachgewiesen wird, es genügt, wenn es eine hinreichende Zahl von Arbeitsplätzen für solche Beschäftigungen gibt (vgl. BSGE 61, 66, 74). Demgegenüber kann bei weiter bestehendem Beschäftigungsverhältnis die Arbeitsunfähigkeit nur entfallen, wenn der Arbeitgeber dem erkrankten Arbeitnehmer konkret im Rahmen seines Direktionsrechts einen anderen Arbeitsplatz anbietet (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 9).

Es besteht auch kein Bedürfnis, den Krankengeldanspruch durch Ausweitung des Kreises der zumutbaren anderen Tätigkeiten zu beschränken. Das Risiko der Beklagten ist im Rahmen des SGB V durch die Neuregelung der Wiedergewährung von Krankengeld in der zweiten und einer weiteren Blockfrist begrenzt worden. Anders als nach dem früher geltenden Recht hat das Krankengeld bei Dauererkrankungen keinen rentenähnlichen Charakter mehr. In der zweiten Blockfrist kann wegen derselben Krankheit Krankengeld nur erneut beansprucht werden, wenn eine Versicherung mit Krankengeldanspruch besteht und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit Arbeitsunfähigkeit bestand und der Versicherte entweder erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (§ 48 Abs. 2 SGB V). Ein für die bisherige Beschäftigung auf Dauer arbeitsunfähiger Versicherter, der sich mit seinem Restleistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt und dadurch einen neuen Anspruch auf Krankengeld in der zweiten Blockfrist wegen derselben Krankheit erwirbt, erhält zudem Krankengeld nur noch nach dem zuvor bezogenen Arbeitslosengeld und nicht mehr nach dem Regelentgelt, das er vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in der ersten Blockfrist hatte (BSGE 73, 121, 123 f unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung zum Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO), vgl. insoweit BSG SozR 4100 § 158 Nr. 6; USK 8415).

Dem Anspruch auf Krankengeld steht nicht entgegen, dass der Kläger sich nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung im Juli 1998 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld bzw. wegen Arbeitsunfähigkeit auch für eine andere, trotz der fortbestehenden Krankheit mögliche Erwerbstätigkeit Krankengeld in Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes bezogen hat. Zwar sieht § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V in der Fassung des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes (UVEG) vom 07.08.1996 (BGBl. I, 1254) seit dem 01.01.1997 (wieder) das Ruhen des Krankengeldanspruches vor, "solange" Arbeitslosengeld bezogen wird. Der Anwendungsbereich dieser Ruhensregelung ist aber entgegen ihrem Wortlaut eingeschränkt.

Bereits § 183 Abs. 6 RVO in der seit 01.01.1982 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22.12.1981 (BGBl. I, 1497) und § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V in der Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl. I, 2477) enthielten eine gleichlautende Regelung, die zum 01.01.1990 nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.11.1988 (BVerfGE 79, 87) durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I, 2261) durch Voranstellung des Wortes "soweit und" geändert wurde. § 183 Abs. 6 RVO hatte das BSG dahingehend ausgelegt, dass der Anspruch auf Krankengeld nur insoweit ruhte, als der Arbeitslose während des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe arbeitsunfähig wird und deshalb nach § 134 Abs. 4 i.V.m. § 105 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) a.F. Anspruch auf Leistungsfortzahlung hat (BSGE 61, 193, 196; ebenso LSG Niedersachsen, Urteil vom 07.09.1988 - L 4 KR 90/86 -). Das BSG hat dies im Einzelnen mit der Gesetzesentwicklung im Zusammenhang mit der Ruhensregelung begründet. Es hat ferner darauf hingewiesen, eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung sei nicht möglich, da das Arbeitsförderungsrecht das Ruhen von Leistungen bei Gewährung von Krankengeld vorsehe (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 AFG) und eine Regelung fehle, welcher Leistung, Krankengeld oder Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld der Vorrang zukommen solle. Sobald die Voraussetzungen für Krankengeld und die genannten Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht etwa gleichzeitig entstünden, würde § 183 Abs. 6 RVO i.V.m. § 118 Abs. 1 Nr. 2 AFG eine zögerliche Bewilligung der Leistung prämieren; derjenige Leistungsträger, der die Bewilligung und Gewährung durch den anderen Träger abwarte, könnte sich dann auf die Ruhensregelung berufen und brauchte selbst nicht zu zahlen. Diese einschränkende Auslegung der Ruhensregelung galt nach dem Urteil des BSG vom 15.12.1993 (USK 93103) auch für § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V in der Fassung des GRG, weil der Gesetzgeber die bisherige Regelung des § 183 Abs. 6 RVO vollinhaltlich in das SGB V übernommen habe.

Wenn nunmehr seit dem 01.01.1997 wieder die Gesetzesfassung gilt, die bis zum 31.12.1989 bestanden hat, spricht alles dafür, dass sie wiederum einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass das Ruhen des Krankengeldanspruchs nur in Fällen des Leistungsfortbezugs (jetzt § 126 SGB III) eingreift (ebenso Noftz in: Hauck/ Haines, SGB V, § 49 Rdn. 12, 39; KassKomm-Höfler, § 49 SGB V Rdn. 9). Die Gesetzesbegründung des UVEG gibt keinen Hinweis dar auf, dass eine Änderung der früheren Rechtslage beabsichtigt war. Die Neuregelung ist lediglich damit begründet worden, dass beim Bezug von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nicht gleichzeitig Krankengeld gezahlt werden dürfe und mit der Neuregelung Mißverständnisse vermieden werden sollten, dass ein Spitzbetrag gezahlt werden könne (Bundestags-Drucksache 13/2204, S. 124 f.). Umgekehrt sieht das Arbeitsförderungsrecht unverändert eine Ruhensregelung für das Arbeitslosengeld bei Bezug von Krankengeld vor (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), so dass wie früher die Konkurrenz beider Ruhenstatbestände gelöst werden muss. Von daher trifft immer noch der Hinweis des BSG zu, dass bei wörtlicher Anwendung der Ruhensregelungen der §§ 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V, 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die zögerliche Leistungsbewilligung eines Trägers prämiert und sogar das rechtswidrige Verhalten des Krankenversicherungsträgers honoriert würde, der - wie hier - zu Unrecht Krankengeld verweigert und dadurch erst das Entstehen des Arbeitslosengeldanspruchs ermöglicht. Da somit der Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V auf die Fälle der Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III beschränkt ist, greift die Ruhensregelung nicht ein, wenn sich ein Versicherter bei bestehender Krankengeldberechtigung arbeitslos meldet und Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhält.

Soweit der Kläger nach seiner Arbeitslosmeldung Leistungen vom Arbeitsamt erhalten hat, gilt sein Anspruch gegen die Beklagte als erfüllt (§ 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]), weil insoweit ein Erstattungsanspruch der Arbeitsverwaltung besteht (wobei dahinstehen kann, ob sich dieser aus § 103 Abs. 1 SGB X - so BSG USK 93103 - oder § 105 SGB X - so LSG für das Saarland, Urteil vom 19.10.1999 - L 2 KR 7/99 - ergibt). Soweit die Beklagte während der Arbeitslosigkeit Krankengeld auf der Grundlage des zuvor gewährten Arbeitslosengeldes gezahlt hat, kann der Kläger den Differenzbetrag zu dem nach dem Regelentgelt der letzten Beschäftigung bemessenen Krankengeld verlangen. Der Senat hat daher zur Klarstellung den Tenor neu gefasst, dass der Kläger im zuerkannten Zeitraum das Krankengeld nur unter Anrechnung der bezogenen Leistungen beanspruchen kann.

Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Krankengeldspitzbetrages während des Bezugs von Übergangsgeld auch nicht etwa an § 49 Absatz 3 SGB V. Diese Vorschrift setzt voraus, dass eine Entgelt- oder Entgeltersatzleistung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gesenkt worden ist. Dies trifft aber auf das vom Kläger während des hier fraglichen Zeitraums bezogene Übergangsgeld nicht zu. Diese Leistung ist nicht "aufgrund gesetzlicher Bestimmungen" gesenkt worden. Der hier vorliegende Sachverhalt wird vielmehr von § 49 Absatz 1 Nr. 3 SGB V erfasst, wonach ein Anspruch auf den das Übergangsgeld übersteigenden Teil des Krankengeldes ("soweit") besteht.

Schließlich ist der Anspruch des Klägers auch nicht gemäß § 50 Absatz 1 Nr.4 SGB V ausgeschlossen, weil diese Vorschrift nur Leistungen ausländischer Träger der gesetzlichen Rentenversicherung meint (vergl. Höfler in: Kasseler Kommentar, § 50 Rdnrn.3, 10).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat sowohl hinsichtlich der Auslegung des § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V als auch im Hinblick darauf, dass wohl erst eine höchstrichterliche Entscheidung die Zweifel der Krankenversicherungsträger an der Fortgeltung der Grundsätze zur "Verweisung" erkrankter "arbeitsloser" Arbeitnehmer beseitigen wird, dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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