L 5 KR 52/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 8 Kr 138/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 52/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.1999 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1998 wird insoweit aufgehoben, als für die Monate April 1997 bis einschließlich August 1997 jeweils ein über einen Betrag von 172,22 DM hinausgehender Monatsbeitrag zur freiwilligen Krankenversicherung erhoben wird. Die Beklagte trägt die Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach Teilrücknahme der Klage nur noch um die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung vom 01.04. bis 31.08.1997.

Der am ... geborene Kläger traf mit seinem ehemaligen Arbeitgeber der Fa ... St. GmbH unter dem 18.11.1996 folgende Aufhebungsvereinbarung:
"1. Das zwischen der Firma und dem Mitarbeiter bestehende Arbeitsverhältnis wird auf Veranlassung der Firma im beiderseitigen Einvernehmen zum 31.03.1997 beendet, da sonst aus betrieblichen Gründen eine Kündigung durch den Arbeitgeber hätte erfolgen müssen.
2. Der Mitarbeiter erhält eine Abfindung gemäß §§ 9 und 10 KSchG unter Beachtung von § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von 23.800,-- DM ...
4. Mit Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erloschen."

Das Arbeitsverhältnis des Klägers fand vereinbarungsgemäß sein Ende. Für die Zeit vom 01.04. bis 31.08.1997 beantragte der Kläger, der von 1979 bis zum 31.03.1997 bei der Beklagten pflichtversichert war, die Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld sowie die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung. Seit dem 01.09.1997 bezieht der Kläger Altersrente für Schwerbehinderte.

Mit Bescheid vom 04.09.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie die freiwillige Versicherung vom 01.04.1997 an durchführe. Für die Zeit vom 01.04. bis 31.08.1997 werde zur Beitragsbemessung die vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers gezahlte Abfindung zugrunde gelegt, so daß man zu einem Monatsbeitrag in Höhe von 558,90 DM einschließlich der Pflegeversicherung gelange. Ab 01.09.1997 erfolge eine Neueinstufung der freiwilligen Versicherung. Ab diesem Zeitpunkt werde die monatliche Rente und etwaige sonstige Einkünfte des Klägers der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Eine arbeitgeberseitige Abfindungszahlung gehöre grundsätzlich zum steuerpflichtigen bzw. sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn, weil sie nach § 19 Abs. 1 EStG zu den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit zähle. Eine Abfindung wegen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sei jedoch nach § 3 Nr. 9 EStG grundsätzlich bis zu 24.000,-- DM steuer- und beitragsfrei. Aufgrund des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit seinem ehemaligen Arbeitgeber seien aus der Abfindung für die Zeit der Pflichtmitgliedschaft bis zum 31.03.1997 auch keine Beiträge berechnet worden. Nach § 240 SGB V werde die Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte durch die Satzung geregelt. Dabei sei sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Der Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei im Gesetz nicht näher geregelt. In der Begründung des Entwurfs eines Gesundheitsreformgesetzes werde dieser Begriff wie folgt beschrieben: "Bei der Beitragsgestaltung ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, d.h. alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht und verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen." Zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehöre auch eine Abfindung, die zwecks Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt worden sei. Im Gegensatz zu den beitragspflichtigen Einnahmen von Arbeitnehmern würden Abfindungen zwecks Auflösung von Arbeitsverhältnissen als Einnahmen bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung daher zugrunde gelegt. Diese Auffassung stütze man auch auf die Urteile des Bundessozialgeichts vom 28.04.1987, Az. 12 RK 50/85, und vom 23.02.1988, Az. 12 RK 34/86.

Am 15.09.1997 erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, hätte er die Aufhebungsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber nicht unterzeichnet, so hätte der Arbeitgeber ansonsten eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Die gezahlte Abfindung enthalte keinerlei Arbeitsentgelt, sondern sei in voller Höhe als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes und den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten gezahlt worden. Die von der Beklagten erwähnten Urteile des Bundessozialgerichts seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da in diesen Urteilen davon ausgegangen worden sei, daß in den Abfindungen Arbeitsentgelte enthalten seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Bemessung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Mitglieds zu berücksichtigen. Grundsätzlich seien hierbei alle Einnahmen zum Lebensunterhalt zugrunde zu legen. Der Begriff der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei nicht unbedingt mit dem der Einnahmen zum Lebensunterhalt identisch. Inhaltlich stehe er ihm aber zumindest nahe. Umfangreiche Rechtsprechung zum Begriff der Einnahmen zum Lebensunterhalt und die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen nach einheitlichen Kriterien bei allen Krankenkassen habe die Spitzenverbände der Krankenkassen dazu bewogen, in dem Gemeinsamen Rundschreiben vom 29.03.1995 zu beschreiben, welche Einnahmen letztendlich als Einnahmen zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen seien. In diesem Rundschreiben sei die Einkunftsart "Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses" als Einnahme zum Lebensunterhalt aufgelistet. Im übrigen sei die Satzung der Beklagten u.a. unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 240 SGB V erstellt worden. In § 17 Nr. 1 dieser Satzung heiße es: "Die Beiträge freiwilliger Mitglieder sind nach den beitragspflichtigen Einnahmen zu bemessen. Hierzu gehören das Arbeitsentgelt sowie alle anderen Einnahmen, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung." Diese Satzungsbestimmung entspreche in Verbindung mit § 240 SGB V geltendem Recht. Auch wenn die Abfindung als Einmalzahlung geleistet worden sei, wirke sie sich wirtschaftlich nicht anders aus, als wenn sie in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt worden wäre. Die Zweckbestimmung der Abfindung, die Bestreitung des Lebensunterhaltes über einen längeren Zeitraum, werde durch die Einmalzahlung nicht aufgehoben. Man habe von dem Abfindungsbetrag in Höhe von insgesamt 23.800,-- DM einen Beitragszuschuß zur freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung des ehemaligen Arbeitgebers in Abzug gebracht. Ein Fünftel der gerundeten Differenz in Höhe von 21.000,-- DM betrage 4.200,-- DM. Diesen Betrag habe man für die Zeit vom 01.04. bis 31.08.1997 der monatlichen Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Nach § 17 Abs. 4 der Satzung der Beklagten seien die Monatsbezüge in Höhe von 4.200,-- DM der Beitragsklasse mit dem Mittelwert 4.050,-- DM zu zuordnen. Bei einem Beitragssatz von 12,1 v.H. zur Krankenversicherung (ermäßigter Beitragssatz ohne Krankengeldanspruch) und 1,7 v.H. zur Pflegeversicherung ergebe sich ein Monatsbeitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 490,05 DM und ein solcher zur Pflegeversicherung in Höhe von 68,85 DM.

Am 11.05.1998 hat der Kläger mit der ergänzenden Begründung Klage erhoben, aus § 240 Abs. 2 SGB V ergebe sich neben einer Mindestbeitragsgrenze auch ein Wertungshinweis. Zwar solle bei der Beitragsbemessung die gesamte Leistungsfähigkeit eines freiwilligen Mitglieds berücksichtigt werden. Abfindungen gehörten aber nicht zu den Leistungen, die für den Lebensunterhalt frei zur Verfügung gestellt würden. Vielmehr seien sie zweckbestimmte Leistungen, die aus sozialpolitischen Gründen wegen eines Ausgleichs für vorhandene Defizite gezahlt würden. Abfindungen errechneten sich nicht mit Rücksicht auf eine künftige Arbeitslosigkeit, sondern den "erdienten" Bestandsschutz. Das Risiko zukünftiger Arbeitslosigkeit werde durch die Arbeitslosenversicherung abgedeckt.

Nachdem der Kläger im Hinblick auf eine künftige Unterwerfung der Beklagten unter den rechtskräftigen Ausgang des Verfahrens wegen der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung die Klage wegen der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zurückgenommen hatte, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23.04.1999 die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, daß es sich bei der Abfindung um ein Entgelt gehandelt habe, das der Kläger zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts habe nutzen können. Angesichts der weiten Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten, wonach zu den beitragspflichtigen Einnahmen alle Einnahmen gehörten, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung, habe man Bedenken, sich im vorliegenden Falle dem von der Beklagten erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.04.1987 zu folgen, wonach allein der sogenannte Entgeltanteil einer Abfindung im Gegensatz zum sogenannten Sozialanteil bei der Bemessung von freiwilligen Beiträgen zur Krankenversicherung zugrunde gelegt werden solle. Im vorliegenden Falle sei angesichts der beruflichen und sozialen Gesamtumstände nicht ersichtlich, welcher sogenannte Sozialanteil über den sogenannten Entgeltanteil der Abfindung hinaus überhaupt in Betracht kommen solle. Der vom Kläger geltend gemachte Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten sei nur geringfügigen Ausmaßes, berücksichtige man das Lebensalters des Klägers sowie den Umstand, daß bereits zum 01.09.1997 die Altersrente für Schwerbehinderte in Anspruch genommen worden sei. Hinzu komme, daß der Kläger nach seiner eigenen Angabe im Verhandlungstermin bei seinem ehemaligen Arbeitgeber ein monatliches Entgelt von ca. 5.500,-- bis 5.600,-- DM erzielt habe. Der Gesamtabfindungsbetrag von 23.800,-- DM mache danach nur unwesentlich mehr als vier Monatslöhne aus. Im übrigen müsse berücksichtigt werden, daß bei dem Kläger ebenfalls nach seiner eigenen Angabe ein GdB von 80 festgestellt sei. Hätte sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der maßgebenden Kündigungsfrist nur mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gekündigt werden können, so stehe zur Überzeugung der Kammer fest, daß in dem Abfindungsbetrag ausschließlich Arbeitsentgelt zu erblicken sei.

Gegen das ihm am 01.06.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.06.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird nunmehr vorgetragen, wenn man das erwähnte Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.04.1987 der Beurteilung des vorliegenden Falles zugrunde legen würde, so dürfe auf keinen Fall der gesamte Abfindungsbetrag umgelegt werden. Es sei lediglich der Entgeltanteil einer Abfindung unter dem Gesichtspunkt, daß er dem Lebensunterhalt zu dienen bestimmt sei, bei der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß das von der Beklagten in Bezug genommene Urteil des Bundessozialgerichts ohnehin nur auf die Fälle anwendbar sei, in denen der Tatbestand des § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG, wonach ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sein müsse, vorliege. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Falle gerade nicht erfüllt. Selbst wenn man diese Auffassung jedoch vertreten wolle, so ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG nur von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, wobei zusätzlich die Ruhensbegrenzungsregelung nach § 117 Abs. 3 AFG zu berücksichtigen wäre.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.1999 zu ändern und den Bescheid vom 04.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1998 insoweit aufzuheben, als für die Monate April bis einschließlich August 1997 jeweils ein über einen Monatsbetrag von 172,22 DM hinausgehender Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung erhoben wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Mittels der Abfindung sei relativ exakt das Entgelt für denjenigen Zeitraum gezahlt worden, der bis zum Beginn der Altersrente für Schwerbehinderte des Klägers noch verblieben sei. Im übrigen sei die Abfindungsregelung nicht durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich zustande gekommen, so daß es sich ohnehin nicht um eine Abfindung im Sinne der §§ 9 ff. KSchG handele.

Das Gericht hat eine schriftliche Auskunft der Fa. F. St. GmbH eingeholt. Auf diese Auskunft vom 18.08.1999 wird genauso Bezug genommen wie auf den seitens der Fa. F. St. GmbH beigezogenen Auszug aus dem für deren Arbeitsverhältnis mit dem Kläger maßgebenden Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29.02.1988 in der Fassung vom 06.05./19.06.1990 unter Berücksichtigung der Änderungstarifverträge vom 15.03. und 31.08.1994. Schließlich wird Bezug genommen auf das beigezogene Zeugnis, das die Fa. F. St. GmbH unter dem 16.12.1996 im Falle des Klägers ausgestellt hat.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide waren insoweit rechtswidrig, als für die Monate April bis einschließlich August 1997 jeweils ein über einen Monatsbeitrag in Höhe von 172,22 DM (= Mindestbeitrag im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V) hinausgehender Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung erhoben wurde. Zu Unrecht legte die Beklagte bei der Beitragsbemessung die Abfindung nach Herausrechnung eines Beitragszuschusses in vollem Umfange zugrunde.

Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung einer Krankenkasse geregelt. Dabei ist § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V zufolge sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Was die satzungsrechtliche Regelung im übrigen betrifft, so wird kraft § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wonach die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen hat, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind, und im Rahmen der Vorschriften nach den Absätzen 2 Satz 2 und 3 bis 4 a des § 240 SGB V ein Regelungsspielraum zugunsten der Krankenkasse eröffnet. Dabei stellt die Pflicht zur Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gegenüber der rein einnahmeorientierten Beitragsbemessung nach altem Recht gemäß § 180 Abs. 4 RVO insofern eine Neuerung dar, als die Beitragsbemessung nunmehr als leistungsfähigkeitsbezogen zu bezeichnen ist. Gleichwohl darf deswegen nicht auf die Zulässigkeit einer von Einnahmen der freiwillig Versicherten gänzlich losgelösten, rein vermögensbezogenen Beitragsbemessung geschlossen werden. Vielmehr bleiben die Einnahmen der Ausgangspunkt. Das folgt außer aus § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V aus dem auch für freiwillige Mitglieder geltenden § 223 Abs. 2 Satz 1, wonach die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder zu bemessen sind. Vor diesem systematischen Hintergrund übt die Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Funktion eines Korrektivs einer ausschließlich einnahmeorientierten Beitragsbemessung aus. Diese Korrektur kann in zwei Richtungen erfolgen: Einmal daß vorhandene Einnahmen außer acht bleiben, weil sie die Leistungsfähigkeit nicht erhöhen - z.B. bestimmte Sozialleistungen wie etwa laufende Leistungen der Sozialhilfe (BSGE, 56, 101), der Mehrbedarf nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG sowie ein vom Sozialhilfeträger übernommener Krankenversicherungsbeitrag (BSGE 64, 100), die Witwen-Grundrente nach dem BVG (BSG SozR 2200 § 180 Nr. 8) -. Zum anderen daß über nachgewiesene Einnahmen hinaus für die Beitragsbemessung von höheren Einnahmen ausgegangen wird (vgl. zum Ganzen ebenso Peters, in: Kasseler Kommentar § 240 SGB V Rdnr. 18). Soweit das Bundessozialgericht zum früheren Recht zweckbestimmte Sozialleistungen - wie bereits beispielsweise erwähnt - nicht zu den damaligen Einnahmen zum Lebensunterhalt gerechnet hatte, so gelten solche Leistungen auch weiterhin nicht als beitragspflichtige Einnahmen, weil sie nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen, sondern aus sozialpolitischen Gründen lediglich vorhandene Defizite ausgleichen. Dasselbe gilt für die Behandlung von Abfindungen aus Anlaß der Beendigung von Arbeitsverhältnissen (vgl. wohl ebenso Peters, a.a.O., Rdnr. 21).

Einerseits bestand im vorliegenden Falle keine Mindestberücksichtigungspflicht der Beklagten im Sinne von § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die streitbefangene Abfindung wäre nämlich bei einem dem Kläger vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung nicht zugrunde zu legen gewesen, weil sie als Entschädigung für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden ist und sich daher der zeitlich vorangegangenen versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zuordnen läßt (vgl. ebenso BSG, Urteil vom 21.02.1990, Az. 12 RK 20/88 = SozR 3-2400 § 14 Nr. 2).

Andererseits hat die Beklagte von ihrem Regelungsspielraum dahin Gebrauch gemacht, daß sie in § 17 Abs. 1 Satz 2 ihrer Satzung die Begrifflichkeit des bis Ende 1988 geltenden § 180 Abs. 4 RVO in einer nur unwesentlich abgewandelten sprachlichen Fassung fortschrieb, indem sie das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt" in die inhaltlich entsprechende satzungsrechtliche Gestalt der "anderen Einnahmen, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung" übernahm. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es sachgerecht, die als ständig zu bezeichnende höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beitragspflichtigkeit einer lohnsteuerfreien Abfindung im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung nach Maßgabe von § 180 Abs. 4 RVO in der bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung (vgl. Urteile des BSG vom 28.04.1987, Az. 12 RK 50/85 = SozR 2200 § 180 Nr. 36, 23.02.1988, Az. 12 RK 34/86 = SozR 2200 § 180 Nr. 39, und 21.02.1990, Az. 12 RK 15/89 = USK 9093) bei der Lösung des vorliegenden Falles zugrunde zu legen.

Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist in Anlehnung an die Regelung von § 117 Abs. 2 AFG zwischen einem beitragspflichtigen "Arbeitsentgelt" und einem beitragsfreien "sozialen Anteil" zu unterscheiden. Zwar wurde § 117 Abs. 2 bis 3 a AFG mit Wirkung vom 01.04.1997 aufgehoben und durch eine inhaltlich anders gestaltete Regelung in § 115 a AFG ersetzt. Auf den vorliegenden Fall ist § 117 AFG aber noch in der Fassung vom 31.03.1997 anzuwenden, da § 115 a AFG erst am 01.04.1997 in Kraft getreten ist, während der Anspruch des Klägers auf die streitbefangene Abfindung bereits mit Abschluß des Aufhebungsvertrages am 18.11.1996 entstand.

Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 117 Abs. 2 Satz 2 AFG. Dabei dient der beitragspflichtige Arbeitsentgeltanteil im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Abgeltung des vorzeitig (vor dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist) eingetretenen Wegfalls des Arbeitsentgeltes.

Eine darüber hinaus gezahlte Abfindung stellt als beitragsfreier sozialer Anteil eine Entschädigung für den Verlust sozialer Besitzstände, insbesondere des Arbeitsplatzes dar.

Überträgt man diese höchstrichterlichen Kriterien auf den vorliegenden Fall, so zeigt sich, daß ein Ruhen im Sinne von § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG nicht eingetreten ist, weswegen es an einem beitragspflichtigen Arbeitsentgeltanteil der streitbefangenen Abfindung mangelt. Bei einer hypothetischen Kündigungserklärung am 18.11.1996 (= Tag der Vereinbarung des Aufhebungsvertrages) wäre die für das Arbeitsverhältnis des Klägers maßgebende viermonatige Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.03.1997 verstrichen, so daß das Arbeitsverhältnis zu demselben Zeitpunkt sein Ende gefunden hätte wie im vorliegenden Falle. Im Zusammenhang mit der einschlägigen Kündigungsfrist gemäß § 20 Nr. 3, 4. Variante des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie vom 29.02.1988 in der Fassung vom 06.05./19.06.1990 unter Berücksichtigung der Änderungsverträge vom 15.03. und 31.08.1994 (= vier Monate zum Ende eines Kalendermonats nach einer Betriebszugehörigkeit von 10 bis unter 12 Jahren) bedarf es der klarstellenden Anmerkung, daß der Kläger dem Betrieb seines Arbeitgebers seit dem 01.11.1985 zugehörte und somit zum Zeitpunkt der hypothetischen Kündigungserklärung am 18.11.1996 erst auf eine 11-jährige Betriebszugehörigkeit zurückblicken konnte.

Zu Unrecht hat sich das Sozialgericht auf den Standpunkt gestellt, eine hypothetische Kündigung sei immerhin als problematisch mit Rücksicht auf die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers anzusehen. Dabei hat es § 19 Abs. 1 SchwbG unberücksichtigt gelassen. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift hat die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zu erteilen bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen, § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG. Unter der gleichen Voraussetzung soll sie die Zustimmung auch bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl der verbleibenden Schwerbehinderten zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 5 ausreicht, § 19 Abs. 1 Satz 2 SchwbG. Zum einen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß der Fuhrpark, in dem der Kläger beschäftigt war, ausweislich des Arbeitszeugnisses vom 16.12.1996 bereits per 01.01.1997 aufgegeben wurde. Deswegen lag eine nicht nur vorübergehende wesentliche Betriebseinschränkung im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 SchwbG vor. Zum anderen wäre auch die Dreimonatsfrist im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG zwischen hypothetischer Kündigungserklärung am 18.11.1996 und Beendigung der Lohnzahlung per 31.03.1997 gewahrt worden, so daß von einer Zustimmung der Hauptfürsorgestelle sehr wohl auszugehen gewesen wäre.

Der Senat vermag die Bewertung des Sozialgerichts, bei der Abfindung handele es sich deshalb gänzlich um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, weil der Kläger fünf Monate nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Altersrente für Schwerbehinderte in Anspruch nahm, nicht zu teilen. Ungeachtet dessen galt es, durch die Abfindung den Verlust des sozialen Besitzstandes des Klägers zu entschädigen. Hierfür ist nämlich bedeutsam, daß der Kläger sehr wohl auch die Freiheit gehabt hätte, bis spätestens zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Beginn der Regelaltersrente in dem auf diesen Zeitpunkt folgenden Kalendermonat durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung weitere rentensteigernde Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben.

Nach alledem ist es entgegen der von der Beklagten in der Berufungserwiderung vertretenen Auffassung unerheblich, daß es sich bei der zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber getroffenen Abfindungsregelung vom 18.11.1996 nicht um einen arbeitsgerichtlichen Vergleich handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die vom Senat zu beantwortende Rechtsfrage, ob und inwieweit Abfindungen zwecks Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei der Beitragsbemessung im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung nach den ab dem 01.01.1989 geltenden gesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind, ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt und hat grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
Saved