Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 BL 7/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 BL 1/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Blindengeld an den Kläger nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG vom 07.04.1995) für den Zeitraum 01.02.2000 bis 30.09.2002 streitig.
Der Kläger stellte im Februar 2000 zum wiederholten Mal beim Beklagten den Antrag, ihm Blindengeld zu gewähren. Er legte Berichte über am 09.02.2000 in der Universitätsaugenklinik M. (Dr.R.) durchgeführte Gesichtsfeldmessungen mit dem Goldmann-Perimeter sowie mit dem Bjerrum Schirm vor, wonach das Gesichtsfeld auf dem besseren Auge auf unter 5° eingeschränkt sei; des Weiteren eine Bestätigung der Dr.R. , dass bei ihm Blindheit im Sinne des Gesetzes bestehe.
Der Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers in der Universitätsaugenklinik W. (Prof.Dr.G.). In seinem Gutachten vom 03.05.2000 vertrat der Sachverständige - wie auch schon im Gutachten vom 29.06.1999 - die Auffassung, es bestehe eine Diskrepanz zwischen den objektiven ophtalmologischen Befunden und den subjektiven Gesichtsfeldbefunden, weshalb eine Erblindung aus ophtalmologischer Sicht objektiv nicht erklärt sei.
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Dr. L. vom 14.06.2000) lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 14.08.2000 ab, dem Kläger Blindengeld zu gewähren: Die Sehschärfe auf dem besseren rechten Auge betrage 1/10, also mehr als den vom Gesetz für die Anerkennung von Blindheit geforderten Grenzwert von 1/50; eine Gesichtsfeldeinschränkung in einem Ausmaß, dass diese allein oder in Kombination mit der reduzierten Sehschärfe entsprechend den Richtlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) die Annahme von Blindheit rechtfertigen könnte, sei nicht mit Sicherheit bewiesen.
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser betonte, sein Gesichtsfeld sei punktförmig eingeengt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2000 zurück.
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Würzburg Klage erhoben und beantragt, den Beklagten zur Gewährung von Blindengeld zu verurteilen.
Am 03.12.2002 hat der Beklagte einen Bescheid erlassen, mit dem er, gestützt auf ein Gutachten des Prof.Dr.G. vom 06.11.2002, in dem dieser nunmehr das Vorliegen von Blindheit für gesichert erachtete, dem Kläger ab 01.10.2002 Blindengeld gewährte.
Das Sozialgericht hat die den Kläger betreffende Blindengeldakte des Beklagten und ärztliche Unterlagen der Allgemeinärztin Dr.S. beigezogen sowie u.a. Befundberichte des Augenarztes Dr.A. (07.04.2003) und der Universitäts-Augenkliniken W. (25.04.2003) sowie M. (09.05.2003) eingeholt.
Im Auftrag des Sozialgerichts (§ 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) hat der Augenarzt Dr.L. am 02.07./19.09.2003 ein Gutachten nach Aktenlage erstattet. Er vertrat darin die Auffassung, erst durch die dem Gutachten des Prof.Dr.G. vom 06.11.2002 zugrunde liegenden Untersuchungen sei Blindheit beim Kläger sicher bewiesen; die in den vorausgegangenen Gutachten beschriebenen Diskrepanzen zwischen objektiven und subjektiven Befunden schlössen einen sicheren Nachweis von Blindheit für die Zeit vor Oktober 2002 aus.
Mit Urteil vom 08.12.2003 hat das Sozialgericht die zuletzt auf die Gewährung von Blindengeld für den Zeitraum Februar 2000 bis September 2002 gerichtete Klage abgewiesen. Es stützte sich dabei vor allem auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr.L ...
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt: Bereits im Februar 2000 sei in der Universitätsaugenklinik M. eine Einschränkung des Gesichtsfeldes auf 5° festgestellt worden, in der Universitätsaugenklinik W. (Untersuchung vom 26.05.2000) sogar eine solche von nur 3°. Blindheit habe deshalb nachweisbar bereits vor Oktober 2002 bestanden. Es sei im Übrigen auch nicht einzusehen, weshalb die Annahme von Blindheit durch das Gutachten des Prof.Dr.G. vom 06.11.2002 nicht rückwirkend erfolgt sei, da die Blindheit doch nicht just am 15.10.2002, dem Tag der Untersuchung, eingetreten sein dürfte. Zu seinen Gunsten müsse deshalb in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass Blindheit im Sinne des Gesetzes auch schon bei der Antragstellung am 16.02.2000 vorgelegen habe.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2003 und des Bescheides/Widerspruchsbescheides vom 14.08./19.10.2000 sowie Änderung des Bescheides vom 03.12.2002 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum 01.02.2000 mit 30.09.2002 Blindengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage ent- spreche.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der zu Beweiszwecken beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Würzburg sowie der den Kläger betreffenden Blindengeld- und Schwerbehindertenakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (Art.7 Abs.2 BayBlindG i.V.m. §§ 143, 151 SGG); sie ist jedoch nicht begründet.
Wie der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben, ist es für den noch streitigen Zeitraum 01.02.2000 bis 30.09.2002 nicht mit der erforderlichen "an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" (Vollbeweis) bewiesen, dass die Sehschärfe auf dem besseren Auge des Klägers nicht mehr als 1/50 betrug oder bei ihm allein oder neben der Visusminderung Störungen des Sehvermögens - insbesondere eine Gesichtsfeldeinschränkung - von einem solchen Schweregrad bestanden, dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe von maximal 1/50 auf dem besseren Auge gleichzuachten sind (Art.2 Abs.2 Satz 2 Nrn.1 und 2 BayBlindG).
Nach der auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden sogenannten "objektiven Beweislast" trägt jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale. Kann das Gericht trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten bestimmte Tatsachen nicht feststellen (non liquet), so geht diese verbliebene Ungewissheit zu Lasten desjenigen, der aus dieser Tatsache einen Anspruch ableiten will (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, Rdnrn. 19a zu § 103; 6 zu § 118, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Die dem Gutachten des Prof.Dr.G. vom 03.05.2000, das im anhängigen Verfahren im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden konnte, zugrundeliegende Befunde vom 26.04.2000 weisen im Bereich der Gesichtsfeldprüfung eine Diskrepanz zwischen subjektiven Angaben und objektiven Messbedingungen auf, die die Ergebnisse der Gesichtsfeldprüfungen, aus denen an sich eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung abzuleiten wäre, in Frage stellen. Es handelt sich dabei um die Tatsache, dass bei den Gesichtsfeldprüfungen sowohl mit der Goldmann-Perimetrie als auch mit dem Bjerrum-Schirm die Testergebnisse (Angabe der Außengrenzen des Gesichtsfeldes) jeweils immer identisch waren, auch wenn die Tests in zwei oder mehr unterschiedlichen Distanzen durchgeführt wurden. Dies ist aber, wie dem Gutachten des Prof.Dr.G. zu entnehmen und von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr.L. bestätigt worden ist, physikalisch nicht möglich. In der Konsequenz können die allein aufgrund der subjektiven Angaben des Klägers bei den Gesichtsfeldprüfungen gefundenen Ergebnisse, die mit Werten von weniger als 5° (konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung) an sich auch ohne kombinierte Visusminderung eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung begründen würde, nicht als zweifelsfrei und damit auch nicht als "mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bewiesen angesehen werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass damit auch Gesichtsfeldeinschränkungen entsprechend Buchstaben a), b), c) oder f) der Richtlinien der DOG, die in der Kombination mit bestimmten Herabsetzungen der Sehschärfe ebenfalls anspruchsbegründend wären, nicht sicher bewiesen sind.
Die Unschlüssigkeiten bei den Ergebnissen der Gesichtsfeldprüfungen am 26.04.2000 werden noch dadurch in ihrem Gewicht verstärkt, dass das Verhalten des Klägers im freien Raum mit der angegebenen Gesichtsfeldeinschränkung auf 3 Grad am rechten Auge (bei totalem Ausfall des linken Auges) nur schwer in Einklang zu bringen war. Auch wurde in dem Gutachten des Prof. Dr.G. vom 03.05.2000 betont, die aufgrund subjektiver Angaben erhobenen Befunde bzgl. Gesichtsfeld und Visus ließen sich aus ophtalmologischer Sicht nicht erklären, zumal auch der Sehnervenkopf völlig unauffällig und kein Untergang von Nervenfasern zu erkennen sei.
Der gerichtliche Sachverständige Dr.L. (Gutachten vom 02.07./ 19.09.2003) hat aus den Feststellungen im Gutachten des Prof. Dr.G. vom 03.05.2000 ebenfalls die Schlussfolgerung gezogen, dass zum 26.04.2000 (Untersuchung bei Prof.Dr.G.) wegen der beschriebenen Unstimmigkeiten eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung beim Kläger nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass aus denselben Gründen bereits frühere Ansprüche des Klägers abgelehnt werden mussten (vgl. Gutachten des Prof.Dr.G. vom 29.06.1999 sowie Gutachten des Dr.P. vom 05.06.1998 im durch Rücknahme beendeten Klageverfahren S 9 Bl 12/97).
Der Auffassung der Universitätsaugenklinik M. (Befundbericht Dr.F. vom 09.05.2003), beim Kläger liege ausweislich der Untersuchungsergebnisse vom 09.02.2000 seit diesem Zeitpunkt Blindheit vor, konnte sich der Senat nicht anschließen, da die seinerzeitige Untersuchung nicht im Rahmen eines Gutachtensauftrages und damit nicht mit einer vergleichbaren Ausführlichkeit erfolgt ist. Im Übrigen fand die dem streitgegenständlichen ablehnenden Bescheid zugrunde liegende Untersuchung der Universitätsaugenklinik W. später, nämlich am 26.04.2000, statt.
Die Feststellung einer der Blindheit gleichzuachtenden Sehstörung des Klägers ist mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit erst bei der Untersuchung am 15.10.2002 erfolgt. Bei dieser Untersuchung wurden keine Unstimmigkeiten mehr festgestellt; auch war die Sehschärfe weiter - auf 1/50 - abgesunken. Ab 01.10.2002 wird deshalb Blindengeld gewährt (Art.5 Abs.2 Satz 1 BayBlindG). Für das Vorliegen von Blindheit zu einem früheren Zeitpunkt fehlt es an entsprechenden Untersuchungsergebnissen, aus denen der erforderliche Nachweis mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden könnte.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2003 musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 bis 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Blindengeld an den Kläger nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG vom 07.04.1995) für den Zeitraum 01.02.2000 bis 30.09.2002 streitig.
Der Kläger stellte im Februar 2000 zum wiederholten Mal beim Beklagten den Antrag, ihm Blindengeld zu gewähren. Er legte Berichte über am 09.02.2000 in der Universitätsaugenklinik M. (Dr.R.) durchgeführte Gesichtsfeldmessungen mit dem Goldmann-Perimeter sowie mit dem Bjerrum Schirm vor, wonach das Gesichtsfeld auf dem besseren Auge auf unter 5° eingeschränkt sei; des Weiteren eine Bestätigung der Dr.R. , dass bei ihm Blindheit im Sinne des Gesetzes bestehe.
Der Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers in der Universitätsaugenklinik W. (Prof.Dr.G.). In seinem Gutachten vom 03.05.2000 vertrat der Sachverständige - wie auch schon im Gutachten vom 29.06.1999 - die Auffassung, es bestehe eine Diskrepanz zwischen den objektiven ophtalmologischen Befunden und den subjektiven Gesichtsfeldbefunden, weshalb eine Erblindung aus ophtalmologischer Sicht objektiv nicht erklärt sei.
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Dr. L. vom 14.06.2000) lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 14.08.2000 ab, dem Kläger Blindengeld zu gewähren: Die Sehschärfe auf dem besseren rechten Auge betrage 1/10, also mehr als den vom Gesetz für die Anerkennung von Blindheit geforderten Grenzwert von 1/50; eine Gesichtsfeldeinschränkung in einem Ausmaß, dass diese allein oder in Kombination mit der reduzierten Sehschärfe entsprechend den Richtlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) die Annahme von Blindheit rechtfertigen könnte, sei nicht mit Sicherheit bewiesen.
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser betonte, sein Gesichtsfeld sei punktförmig eingeengt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2000 zurück.
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Würzburg Klage erhoben und beantragt, den Beklagten zur Gewährung von Blindengeld zu verurteilen.
Am 03.12.2002 hat der Beklagte einen Bescheid erlassen, mit dem er, gestützt auf ein Gutachten des Prof.Dr.G. vom 06.11.2002, in dem dieser nunmehr das Vorliegen von Blindheit für gesichert erachtete, dem Kläger ab 01.10.2002 Blindengeld gewährte.
Das Sozialgericht hat die den Kläger betreffende Blindengeldakte des Beklagten und ärztliche Unterlagen der Allgemeinärztin Dr.S. beigezogen sowie u.a. Befundberichte des Augenarztes Dr.A. (07.04.2003) und der Universitäts-Augenkliniken W. (25.04.2003) sowie M. (09.05.2003) eingeholt.
Im Auftrag des Sozialgerichts (§ 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) hat der Augenarzt Dr.L. am 02.07./19.09.2003 ein Gutachten nach Aktenlage erstattet. Er vertrat darin die Auffassung, erst durch die dem Gutachten des Prof.Dr.G. vom 06.11.2002 zugrunde liegenden Untersuchungen sei Blindheit beim Kläger sicher bewiesen; die in den vorausgegangenen Gutachten beschriebenen Diskrepanzen zwischen objektiven und subjektiven Befunden schlössen einen sicheren Nachweis von Blindheit für die Zeit vor Oktober 2002 aus.
Mit Urteil vom 08.12.2003 hat das Sozialgericht die zuletzt auf die Gewährung von Blindengeld für den Zeitraum Februar 2000 bis September 2002 gerichtete Klage abgewiesen. Es stützte sich dabei vor allem auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr.L ...
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt: Bereits im Februar 2000 sei in der Universitätsaugenklinik M. eine Einschränkung des Gesichtsfeldes auf 5° festgestellt worden, in der Universitätsaugenklinik W. (Untersuchung vom 26.05.2000) sogar eine solche von nur 3°. Blindheit habe deshalb nachweisbar bereits vor Oktober 2002 bestanden. Es sei im Übrigen auch nicht einzusehen, weshalb die Annahme von Blindheit durch das Gutachten des Prof.Dr.G. vom 06.11.2002 nicht rückwirkend erfolgt sei, da die Blindheit doch nicht just am 15.10.2002, dem Tag der Untersuchung, eingetreten sein dürfte. Zu seinen Gunsten müsse deshalb in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass Blindheit im Sinne des Gesetzes auch schon bei der Antragstellung am 16.02.2000 vorgelegen habe.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2003 und des Bescheides/Widerspruchsbescheides vom 14.08./19.10.2000 sowie Änderung des Bescheides vom 03.12.2002 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum 01.02.2000 mit 30.09.2002 Blindengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage ent- spreche.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der zu Beweiszwecken beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Würzburg sowie der den Kläger betreffenden Blindengeld- und Schwerbehindertenakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (Art.7 Abs.2 BayBlindG i.V.m. §§ 143, 151 SGG); sie ist jedoch nicht begründet.
Wie der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben, ist es für den noch streitigen Zeitraum 01.02.2000 bis 30.09.2002 nicht mit der erforderlichen "an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" (Vollbeweis) bewiesen, dass die Sehschärfe auf dem besseren Auge des Klägers nicht mehr als 1/50 betrug oder bei ihm allein oder neben der Visusminderung Störungen des Sehvermögens - insbesondere eine Gesichtsfeldeinschränkung - von einem solchen Schweregrad bestanden, dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe von maximal 1/50 auf dem besseren Auge gleichzuachten sind (Art.2 Abs.2 Satz 2 Nrn.1 und 2 BayBlindG).
Nach der auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden sogenannten "objektiven Beweislast" trägt jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale. Kann das Gericht trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten bestimmte Tatsachen nicht feststellen (non liquet), so geht diese verbliebene Ungewissheit zu Lasten desjenigen, der aus dieser Tatsache einen Anspruch ableiten will (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, Rdnrn. 19a zu § 103; 6 zu § 118, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Die dem Gutachten des Prof.Dr.G. vom 03.05.2000, das im anhängigen Verfahren im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden konnte, zugrundeliegende Befunde vom 26.04.2000 weisen im Bereich der Gesichtsfeldprüfung eine Diskrepanz zwischen subjektiven Angaben und objektiven Messbedingungen auf, die die Ergebnisse der Gesichtsfeldprüfungen, aus denen an sich eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung abzuleiten wäre, in Frage stellen. Es handelt sich dabei um die Tatsache, dass bei den Gesichtsfeldprüfungen sowohl mit der Goldmann-Perimetrie als auch mit dem Bjerrum-Schirm die Testergebnisse (Angabe der Außengrenzen des Gesichtsfeldes) jeweils immer identisch waren, auch wenn die Tests in zwei oder mehr unterschiedlichen Distanzen durchgeführt wurden. Dies ist aber, wie dem Gutachten des Prof.Dr.G. zu entnehmen und von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr.L. bestätigt worden ist, physikalisch nicht möglich. In der Konsequenz können die allein aufgrund der subjektiven Angaben des Klägers bei den Gesichtsfeldprüfungen gefundenen Ergebnisse, die mit Werten von weniger als 5° (konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung) an sich auch ohne kombinierte Visusminderung eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung begründen würde, nicht als zweifelsfrei und damit auch nicht als "mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bewiesen angesehen werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass damit auch Gesichtsfeldeinschränkungen entsprechend Buchstaben a), b), c) oder f) der Richtlinien der DOG, die in der Kombination mit bestimmten Herabsetzungen der Sehschärfe ebenfalls anspruchsbegründend wären, nicht sicher bewiesen sind.
Die Unschlüssigkeiten bei den Ergebnissen der Gesichtsfeldprüfungen am 26.04.2000 werden noch dadurch in ihrem Gewicht verstärkt, dass das Verhalten des Klägers im freien Raum mit der angegebenen Gesichtsfeldeinschränkung auf 3 Grad am rechten Auge (bei totalem Ausfall des linken Auges) nur schwer in Einklang zu bringen war. Auch wurde in dem Gutachten des Prof. Dr.G. vom 03.05.2000 betont, die aufgrund subjektiver Angaben erhobenen Befunde bzgl. Gesichtsfeld und Visus ließen sich aus ophtalmologischer Sicht nicht erklären, zumal auch der Sehnervenkopf völlig unauffällig und kein Untergang von Nervenfasern zu erkennen sei.
Der gerichtliche Sachverständige Dr.L. (Gutachten vom 02.07./ 19.09.2003) hat aus den Feststellungen im Gutachten des Prof. Dr.G. vom 03.05.2000 ebenfalls die Schlussfolgerung gezogen, dass zum 26.04.2000 (Untersuchung bei Prof.Dr.G.) wegen der beschriebenen Unstimmigkeiten eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung beim Kläger nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass aus denselben Gründen bereits frühere Ansprüche des Klägers abgelehnt werden mussten (vgl. Gutachten des Prof.Dr.G. vom 29.06.1999 sowie Gutachten des Dr.P. vom 05.06.1998 im durch Rücknahme beendeten Klageverfahren S 9 Bl 12/97).
Der Auffassung der Universitätsaugenklinik M. (Befundbericht Dr.F. vom 09.05.2003), beim Kläger liege ausweislich der Untersuchungsergebnisse vom 09.02.2000 seit diesem Zeitpunkt Blindheit vor, konnte sich der Senat nicht anschließen, da die seinerzeitige Untersuchung nicht im Rahmen eines Gutachtensauftrages und damit nicht mit einer vergleichbaren Ausführlichkeit erfolgt ist. Im Übrigen fand die dem streitgegenständlichen ablehnenden Bescheid zugrunde liegende Untersuchung der Universitätsaugenklinik W. später, nämlich am 26.04.2000, statt.
Die Feststellung einer der Blindheit gleichzuachtenden Sehstörung des Klägers ist mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit erst bei der Untersuchung am 15.10.2002 erfolgt. Bei dieser Untersuchung wurden keine Unstimmigkeiten mehr festgestellt; auch war die Sehschärfe weiter - auf 1/50 - abgesunken. Ab 01.10.2002 wird deshalb Blindengeld gewährt (Art.5 Abs.2 Satz 1 BayBlindG). Für das Vorliegen von Blindheit zu einem früheren Zeitpunkt fehlt es an entsprechenden Untersuchungsergebnissen, aus denen der erforderliche Nachweis mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden könnte.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.12.2003 musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 bis 2 SGG nicht vorliegen.
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