Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SB 349/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 SB 60/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 05. Februar 2003 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ungekürzte Fassungen von Niederschriften des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) - nunmehr: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) - zur Verfügung zu stellen.
Der Kläger ist der Vater der im November 1997 geborenen T P. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 30.10.1998 bei der frühgeborenen Tochter des Klägers wegen "Steißbeininteratom mit Lokalrezidiv im Zustand der Heilungsbewährung bei chromosomaler Fehlbildungsanomalie" einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt sowie die Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche "G", "B" und "H" zuerkannt. Nach Beiziehung von Behandlungsunterlagen und gutachterlicher Stellungnahmen stellte der Beklagte in einem Verfahren gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) fest, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G", "B" und "H" nicht mehr vorlagen. Der Widerspruch gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Gegen diese Verwaltungsentscheidung ist ein Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf unter dem Aktenzeichen S 30 SB 348/02 anhängig, das zurzeit ruht.
Bereits vor Erteilung des Widerspruchsbescheides hatte der Kläger im eigenen Namen um Übersendung des kompletten Wortlautes des Beiratsbeschlusses von November 2001 gebeten. Hierüber ist keine Entscheidung des Beklagten ergangen.
Außerhalb des laufenden Klageverfahrens hat der Kläger im eigenen Namen am 27.08.2002 Klage vor dem SG erhoben, mit der er vom Beklagten die Herausgabe der Niederschrift des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim BMA aus den Sitzungen von November 2001 und April 2002 verlangt, weil der Beklagte der Bitte seiner Tochter auf Übersendung der Niederschriften in ungekürzter Fassung nicht entsprochen habe. Da die genannten Beschlüsse möglicherweise im Verfahren seiner Tochter im Hinblick auf die besondere Situation Frühgeborener relevant seien und für die Ergänzung und Erläuterung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 1996 von Bedeutung seien, gebiete es das prozessuale Gebot der Waffengleichheit, ihm den gleichen Kenntnisstand zu verschaffen, wie ihn der Beklagte hat.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, weil es sich um eine Vorfrage im noch anhängigen Streitverfahren S 30 SB 348/02 handele. Die inzwischen vorliegende Zusammenstellung der gutachtensrelevanten Beschlüsse aus der Niederschrift über die Tagung des Beirates vom 24./25.04.2002 hat der Beklagte einschließlich eines Schreibens der Bezirksregierung Münster vom 15.11.2002 übersandt.
Das SG Düsseldorf hat den Beklagten am 05.02.2003 verurteilt, dem Kläger die Niederschriften des ärztlichen Sachverständigenbeirates aus den Sitzungen von November 2001 und April 2002 zur Verfügung zu stellen. Der Senat verweist auf die Entscheidung.
Gegen das ihm am 20.02.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19.03.2003 Berufung eingelegt. Er hält die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses für unzulässig. Der Kläger habe in keiner Weise dargelegt, inwieweit die von ihm erörterte Problematik der Art und Weise der Veröffentlichung der Niederschriften des Sachverständigenbeirates Auswirkungen auf eine vom Beklagten nach dem Schwerbehindertengesetz zu treffende Entscheidung habe. Das Erfordernis eines entsprechenden Vortrages ergebe sich aus § 15 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach die Auskunftspflicht als Abgrenzung zur Popularklage voraussetze, dass die Sach- und Rechtsfrage für den Auskunftssuchenden von Bedeutung sein könne. Ein derartiger Vortrag sei dem Kläger bei Vorliegen der gutachtensrelevanten Beschlüsse durchaus möglich. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil das Land Nordrhein-Westfalen keinesfalls richtiger Beklagter sei, denn für die Frage der Veröffentlichung der Niederschriften des Sachverständigenbeirates sei ausschließlich die Beigeladene zuständig.
Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte den Volltextbeschluss zu Punkt 1.5 der Sitzung vom 24./25.04.2002 zur gutachtlichen Beurteilung des GdB-Grades bei Frühgeborenen übersandt. Der Kläger hat hinsichtlich der begehrten Herausgabe dieses Beiratsbeschlusses die Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 05.02.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung im Übrigen zurückzuweisen sowie den Beklagten zur Herausgabe aller den Fall seiner Tochter berührenden Beiratsbeschlüsse zu verurteilen, auch solcher, aus denen Rückschlüsse für dieses Verfahren gezogen werden können.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Veröffentlichung der Beiratsbeschlüsse im Internet sei unvollständig. "Erkennbarer Unfug" sei die Behauptung, das Land NRW sei nicht der richtige Beklagte, weil das BMGS für die Frage der Veröffentlichung der Beiratsbeschlüsse zuständig sei. Denn er klage nicht generell auf "Veröffentlichung der Beiratsbeschlüsse", sondern auf Herausgabe der Niederschriften, also Erteilung einer Auskunft. Hierfür sei die Behörde zuständig, die das "Gesetz" ausführe, zu dem die Auskunft zu erteilen sei und nicht die Behörde, die das "Gesetz" entworfen habe.
Die zum Verfahren Beigeladene vertritt die Auffassung, dass die Ergebnisniederschriften der satzungsgemäß nichtöffentlichen Sitzungen des Sachverständigenbeirates beim BMGS lediglich dem Beirat und seinen Auftraggebern zur internen Dokumentation dienen. Nur begutachtungsrelevante Beschlüsse und Empfehlungen seien im Internet und im Bundesarbeitsblatt zu veröffentlichen, nicht dagegen die Stellungnahmen und Protokolle als behördeninterne Vorgänge aus nichtöffentlichen Sitzungen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Bevollmächtigten des Klägers im Termin aufgrund (einseitiger) mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sie zu diesem Termin mit einem entsprechenden Hinweis geladen worden ist und zudem ihr Einverständnis hierzu erteilt hat.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Klage kann keinen Erfolg haben.
Dabei kann offen bleiben, ob es sich - wie der Kläger jetzt meint (Schriftsatz vom 05.04.2004 Seite 2) - bei der "Herausgabe" aller diesen Fall betreffenden Beschlüsse des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim BMA bzw. BMGS um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage oder - wie das SG dargelegt hat - um eine allgemeine Leistungsklage handelt. Für eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sind jedenfalls die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger selber am 04.07.2002 vor Erhebung der Klage im eigenen Namen einen entsprechenden Antrag beim Beklagten auf Übersendung des kompletten Wortlautes der Beiratsbeschlüsse aus der Sitzung vom 07./08.11.2001 gestellt, weil er über das Internet nur die Kurzfassungen erhalte. Da sich der Beklagte mit diesem Antrag aber in keiner Weise befasst oder diesen gar beschieden hat und dementsprechend auch ein Widerspruch fehlt, ist das Erfordernis eines Vorverfahrens (§ 78 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) nicht gewahrt.
Auch eine allgemeine Leistungsklage kann entgegen der Auffassung des SG keinen Erfolg haben. Der vom Kläger ausdrücklich im eigenen Namen geltend gemachte Anspruch, ihm unabhängig von einem konkreten Verwaltungs- verfahren Kopien aller den Fall seiner Tochter betreffenden ungekürzten Beiratsbeschlüsse zuzusenden, besteht nicht.
Entgegen der Auffasssung des SG folgt der Anspruch nicht bereits aus § 15 SGB I. Denn der Kläger begehrt inhaltlich gar keine Wissenserklärung im Sinne dieser gegenständlich eng begrenzten Vorschrift. Der Kläger will weder wissen, wer der für ihn zuständige konkrete Sozialversicherungsträger ist (§ 15 Abs. 2 SGB I - Verweisungsauskunft -, vgl. dazu Wannagat, SGB I § 15 AT Seite 3), noch begehrt er eine Auskunft bezüglich der ihm zustehenden Leistungen oder zu entrichtenden Beiträge (vgl. hierzu Bley, SozVers-Ges. Kommentar § 15 Anm. 7). Darüber hinausgehende Angelegenheiten, die nicht im SGB geregelt sind, werden durch Abs. 1 ausdrücklich ausgeschlossen. - Auch hat der Kläger nicht dargelegt, in welcher Weise die Herausgabe der ungekürzten Niederschriften des Sachverständigenbeirates für die getroffene Entscheidung für ihn persönlich Auswirkungen hat. Dass ein entsprechender Vortrag erforderlich ist, folgt aus § 15 Abs. 2 SGB I, wonach die Auskunftspflicht voraussetzt, dass die Sach- und Rechtsfrage für den Auskunftssuchenden von Bedeutung sein kann als Abgrenzung zur Popularklage (vgl. dazu BSGE 42, 225 ff.). Dieser wäre dem Kläger aber anhand der vorhandenen und zugänglichen gutachtensrelevanten Beschlüsse durchaus möglich.
Der Kläger kann sich auch nicht nach Treu und Glauben auf ein subjektives Recht auf Übersendung von Kopien über die einschlägigen ungekürzten Beiratsbeschlüse außerhalb eines Verwaltungsverfahrens berufen, deren Kenntnis eine wirksame und erfolgreiche Rechtsverfolgung insofern erfordern, als sie ihm im Rechtsstreit seiner Tochter einen Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber dem Beklagten vermitteln (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz).
Lediglich innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens kann der Kläger als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter Auskunft über die der Entscheidung und ihrer rechtlichen Würdigung zugrunde liegenden schriftlich fixierten Empfehlungen des Sachverständigenbeirates zur Auslegung, Konkretisierung und Anwendung der AP 1996 beanspruchen, um eine Waffengleichheit im Verfahren zu gewährleisten (vgl. dazu LSG NRW, Urteil vom 08.08.2002 - L 7 SB 70/02 -). Nach dem Prinzip von Treu und Glauben muss die Behörde nur den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens auf Anfrage die zur Rechtsverfolgung nötigen und anders nicht erreichbaren Auskünfte erteilen (vgl. dazu etwa Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.09.1980 - 1 C 89/79 -).
Der Kläger ist danach gehalten, das derzeit ruhende Verfahren seiner Tochter vor dem SG gegen den Entzug der Nachteilsausgleiche fortzuführen, um sein verfolgtes Rechtsziel zu erreichen. - Dieses Vorgehen ist einfacher und kostengünstiger, um das verfolgte Rechtsziel durchzusetzen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine allgemeine Leistungsklage fehlt (vgl. dazu etwa BSGE 6, 99 sowie 42, 225 sowie zur analogen Anwendung des § 44 Buchst. a VwGO in der Sozialgerichtsbarkeit, BSG NVwZ 1989, 902).
Dieses Ergebnis ist unabhänig von der umstrittenen, hier nach dem Willen des Klägers aber ausdrücklich nicht zu entscheidenden Frage, ob die staatlichen Organe aufgrund des Rechtsstaatsprinzipes nach Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz verpflichtet sind, die von ihnen erlassenen bindenden rechtlichen Vorgaben im Interesse derjenigen, denen gegenüber entschieden wird, zu veröffentlichen (vgl. dazu BVerwGE 19, 48, 58). Bei Bestehen einer derartigen Pflicht könnte dem allenfalls ein subjektives Recht der Tochter des Klägers entsprechen. Aus einer objektiven Publikationspflicht lässt sich aber nicht ein entsprechendes subjektives Recht des gesetzlichen Vertreters der Klägerin im Verfahren S 30 SB 348/02 oder ihrer Bevollmächtigten oder eines anderen an der Publikation interessierten Personenkreises ableiten (vgl. zur Veröffentlichungspraxis des BGMS hinsichtlich der Beschlüsse der Sektion "Versorgungsmedizin" etwa Rundschreiben vom 16.04.2004 - Aktenzeichen 435-65463-5 - Bundesarbeitsblatt Nr. 5/2004).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass zur Revisionszulassung hat der Senat nicht gesehen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ungekürzte Fassungen von Niederschriften des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) - nunmehr: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) - zur Verfügung zu stellen.
Der Kläger ist der Vater der im November 1997 geborenen T P. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 30.10.1998 bei der frühgeborenen Tochter des Klägers wegen "Steißbeininteratom mit Lokalrezidiv im Zustand der Heilungsbewährung bei chromosomaler Fehlbildungsanomalie" einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt sowie die Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche "G", "B" und "H" zuerkannt. Nach Beiziehung von Behandlungsunterlagen und gutachterlicher Stellungnahmen stellte der Beklagte in einem Verfahren gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) fest, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G", "B" und "H" nicht mehr vorlagen. Der Widerspruch gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Gegen diese Verwaltungsentscheidung ist ein Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf unter dem Aktenzeichen S 30 SB 348/02 anhängig, das zurzeit ruht.
Bereits vor Erteilung des Widerspruchsbescheides hatte der Kläger im eigenen Namen um Übersendung des kompletten Wortlautes des Beiratsbeschlusses von November 2001 gebeten. Hierüber ist keine Entscheidung des Beklagten ergangen.
Außerhalb des laufenden Klageverfahrens hat der Kläger im eigenen Namen am 27.08.2002 Klage vor dem SG erhoben, mit der er vom Beklagten die Herausgabe der Niederschrift des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim BMA aus den Sitzungen von November 2001 und April 2002 verlangt, weil der Beklagte der Bitte seiner Tochter auf Übersendung der Niederschriften in ungekürzter Fassung nicht entsprochen habe. Da die genannten Beschlüsse möglicherweise im Verfahren seiner Tochter im Hinblick auf die besondere Situation Frühgeborener relevant seien und für die Ergänzung und Erläuterung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 1996 von Bedeutung seien, gebiete es das prozessuale Gebot der Waffengleichheit, ihm den gleichen Kenntnisstand zu verschaffen, wie ihn der Beklagte hat.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, weil es sich um eine Vorfrage im noch anhängigen Streitverfahren S 30 SB 348/02 handele. Die inzwischen vorliegende Zusammenstellung der gutachtensrelevanten Beschlüsse aus der Niederschrift über die Tagung des Beirates vom 24./25.04.2002 hat der Beklagte einschließlich eines Schreibens der Bezirksregierung Münster vom 15.11.2002 übersandt.
Das SG Düsseldorf hat den Beklagten am 05.02.2003 verurteilt, dem Kläger die Niederschriften des ärztlichen Sachverständigenbeirates aus den Sitzungen von November 2001 und April 2002 zur Verfügung zu stellen. Der Senat verweist auf die Entscheidung.
Gegen das ihm am 20.02.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19.03.2003 Berufung eingelegt. Er hält die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses für unzulässig. Der Kläger habe in keiner Weise dargelegt, inwieweit die von ihm erörterte Problematik der Art und Weise der Veröffentlichung der Niederschriften des Sachverständigenbeirates Auswirkungen auf eine vom Beklagten nach dem Schwerbehindertengesetz zu treffende Entscheidung habe. Das Erfordernis eines entsprechenden Vortrages ergebe sich aus § 15 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach die Auskunftspflicht als Abgrenzung zur Popularklage voraussetze, dass die Sach- und Rechtsfrage für den Auskunftssuchenden von Bedeutung sein könne. Ein derartiger Vortrag sei dem Kläger bei Vorliegen der gutachtensrelevanten Beschlüsse durchaus möglich. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil das Land Nordrhein-Westfalen keinesfalls richtiger Beklagter sei, denn für die Frage der Veröffentlichung der Niederschriften des Sachverständigenbeirates sei ausschließlich die Beigeladene zuständig.
Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte den Volltextbeschluss zu Punkt 1.5 der Sitzung vom 24./25.04.2002 zur gutachtlichen Beurteilung des GdB-Grades bei Frühgeborenen übersandt. Der Kläger hat hinsichtlich der begehrten Herausgabe dieses Beiratsbeschlusses die Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 05.02.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung im Übrigen zurückzuweisen sowie den Beklagten zur Herausgabe aller den Fall seiner Tochter berührenden Beiratsbeschlüsse zu verurteilen, auch solcher, aus denen Rückschlüsse für dieses Verfahren gezogen werden können.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Veröffentlichung der Beiratsbeschlüsse im Internet sei unvollständig. "Erkennbarer Unfug" sei die Behauptung, das Land NRW sei nicht der richtige Beklagte, weil das BMGS für die Frage der Veröffentlichung der Beiratsbeschlüsse zuständig sei. Denn er klage nicht generell auf "Veröffentlichung der Beiratsbeschlüsse", sondern auf Herausgabe der Niederschriften, also Erteilung einer Auskunft. Hierfür sei die Behörde zuständig, die das "Gesetz" ausführe, zu dem die Auskunft zu erteilen sei und nicht die Behörde, die das "Gesetz" entworfen habe.
Die zum Verfahren Beigeladene vertritt die Auffassung, dass die Ergebnisniederschriften der satzungsgemäß nichtöffentlichen Sitzungen des Sachverständigenbeirates beim BMGS lediglich dem Beirat und seinen Auftraggebern zur internen Dokumentation dienen. Nur begutachtungsrelevante Beschlüsse und Empfehlungen seien im Internet und im Bundesarbeitsblatt zu veröffentlichen, nicht dagegen die Stellungnahmen und Protokolle als behördeninterne Vorgänge aus nichtöffentlichen Sitzungen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Bevollmächtigten des Klägers im Termin aufgrund (einseitiger) mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sie zu diesem Termin mit einem entsprechenden Hinweis geladen worden ist und zudem ihr Einverständnis hierzu erteilt hat.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Klage kann keinen Erfolg haben.
Dabei kann offen bleiben, ob es sich - wie der Kläger jetzt meint (Schriftsatz vom 05.04.2004 Seite 2) - bei der "Herausgabe" aller diesen Fall betreffenden Beschlüsse des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim BMA bzw. BMGS um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage oder - wie das SG dargelegt hat - um eine allgemeine Leistungsklage handelt. Für eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sind jedenfalls die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger selber am 04.07.2002 vor Erhebung der Klage im eigenen Namen einen entsprechenden Antrag beim Beklagten auf Übersendung des kompletten Wortlautes der Beiratsbeschlüsse aus der Sitzung vom 07./08.11.2001 gestellt, weil er über das Internet nur die Kurzfassungen erhalte. Da sich der Beklagte mit diesem Antrag aber in keiner Weise befasst oder diesen gar beschieden hat und dementsprechend auch ein Widerspruch fehlt, ist das Erfordernis eines Vorverfahrens (§ 78 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) nicht gewahrt.
Auch eine allgemeine Leistungsklage kann entgegen der Auffassung des SG keinen Erfolg haben. Der vom Kläger ausdrücklich im eigenen Namen geltend gemachte Anspruch, ihm unabhängig von einem konkreten Verwaltungs- verfahren Kopien aller den Fall seiner Tochter betreffenden ungekürzten Beiratsbeschlüsse zuzusenden, besteht nicht.
Entgegen der Auffasssung des SG folgt der Anspruch nicht bereits aus § 15 SGB I. Denn der Kläger begehrt inhaltlich gar keine Wissenserklärung im Sinne dieser gegenständlich eng begrenzten Vorschrift. Der Kläger will weder wissen, wer der für ihn zuständige konkrete Sozialversicherungsträger ist (§ 15 Abs. 2 SGB I - Verweisungsauskunft -, vgl. dazu Wannagat, SGB I § 15 AT Seite 3), noch begehrt er eine Auskunft bezüglich der ihm zustehenden Leistungen oder zu entrichtenden Beiträge (vgl. hierzu Bley, SozVers-Ges. Kommentar § 15 Anm. 7). Darüber hinausgehende Angelegenheiten, die nicht im SGB geregelt sind, werden durch Abs. 1 ausdrücklich ausgeschlossen. - Auch hat der Kläger nicht dargelegt, in welcher Weise die Herausgabe der ungekürzten Niederschriften des Sachverständigenbeirates für die getroffene Entscheidung für ihn persönlich Auswirkungen hat. Dass ein entsprechender Vortrag erforderlich ist, folgt aus § 15 Abs. 2 SGB I, wonach die Auskunftspflicht voraussetzt, dass die Sach- und Rechtsfrage für den Auskunftssuchenden von Bedeutung sein kann als Abgrenzung zur Popularklage (vgl. dazu BSGE 42, 225 ff.). Dieser wäre dem Kläger aber anhand der vorhandenen und zugänglichen gutachtensrelevanten Beschlüsse durchaus möglich.
Der Kläger kann sich auch nicht nach Treu und Glauben auf ein subjektives Recht auf Übersendung von Kopien über die einschlägigen ungekürzten Beiratsbeschlüse außerhalb eines Verwaltungsverfahrens berufen, deren Kenntnis eine wirksame und erfolgreiche Rechtsverfolgung insofern erfordern, als sie ihm im Rechtsstreit seiner Tochter einen Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber dem Beklagten vermitteln (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz).
Lediglich innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens kann der Kläger als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter Auskunft über die der Entscheidung und ihrer rechtlichen Würdigung zugrunde liegenden schriftlich fixierten Empfehlungen des Sachverständigenbeirates zur Auslegung, Konkretisierung und Anwendung der AP 1996 beanspruchen, um eine Waffengleichheit im Verfahren zu gewährleisten (vgl. dazu LSG NRW, Urteil vom 08.08.2002 - L 7 SB 70/02 -). Nach dem Prinzip von Treu und Glauben muss die Behörde nur den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens auf Anfrage die zur Rechtsverfolgung nötigen und anders nicht erreichbaren Auskünfte erteilen (vgl. dazu etwa Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.09.1980 - 1 C 89/79 -).
Der Kläger ist danach gehalten, das derzeit ruhende Verfahren seiner Tochter vor dem SG gegen den Entzug der Nachteilsausgleiche fortzuführen, um sein verfolgtes Rechtsziel zu erreichen. - Dieses Vorgehen ist einfacher und kostengünstiger, um das verfolgte Rechtsziel durchzusetzen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine allgemeine Leistungsklage fehlt (vgl. dazu etwa BSGE 6, 99 sowie 42, 225 sowie zur analogen Anwendung des § 44 Buchst. a VwGO in der Sozialgerichtsbarkeit, BSG NVwZ 1989, 902).
Dieses Ergebnis ist unabhänig von der umstrittenen, hier nach dem Willen des Klägers aber ausdrücklich nicht zu entscheidenden Frage, ob die staatlichen Organe aufgrund des Rechtsstaatsprinzipes nach Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz verpflichtet sind, die von ihnen erlassenen bindenden rechtlichen Vorgaben im Interesse derjenigen, denen gegenüber entschieden wird, zu veröffentlichen (vgl. dazu BVerwGE 19, 48, 58). Bei Bestehen einer derartigen Pflicht könnte dem allenfalls ein subjektives Recht der Tochter des Klägers entsprechen. Aus einer objektiven Publikationspflicht lässt sich aber nicht ein entsprechendes subjektives Recht des gesetzlichen Vertreters der Klägerin im Verfahren S 30 SB 348/02 oder ihrer Bevollmächtigten oder eines anderen an der Publikation interessierten Personenkreises ableiten (vgl. zur Veröffentlichungspraxis des BGMS hinsichtlich der Beschlüsse der Sektion "Versorgungsmedizin" etwa Rundschreiben vom 16.04.2004 - Aktenzeichen 435-65463-5 - Bundesarbeitsblatt Nr. 5/2004).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass zur Revisionszulassung hat der Senat nicht gesehen.
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