L 6 KR 20/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 25 KR 579/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 20/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 14/19 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Januar 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 12. Juni bis zum 28. Juni 2015 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 34,81 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge und das Vorverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Fortbestehen eines Anspruches auf Krankengeld.

Der 1952 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger, der seit dem 1. Januar 2016 Altersrente bezieht, erhielt anlässlich seiner ab dem 9. Februar 2015 (während Arbeitslosigkeit) bestehenden Arbeitsunfähigkeit vom 23. März 2015 an Krankengeld. Zum 22. März 2015 endete der Arbeitslosengeldbezug. Zuletzt bescheinigte die Hausärztin A. auf einem Auszahlungsschein unter dem 28. Mai 2015 bis einschließlich zum 11. Juni 2015 Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose M 25.37 G (Sonstige Instabilität eines Gelenkes am Knöchel und Fuß). Auf einem an die Beklagte übersandten Fragebogen bestätigte die Ärztin unter dem 10. Juni 2015 wegen derselben Diagnose Arbeitsunfähigkeit und gab u.a. an, ein Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei "vorerst nicht" absehbar und es werde nach der operativen Versorgung eine Schmerztherapie durchgeführt. Auf Grundlage einer persönlichen Vorstellung des Klägers am 15. Juni 2015 (Montag) attestierte Frau A. unter diesem Datum auf einem Auszahlungsschein eine Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Diagnose bis zum 29. Juni 2015, wobei sie keine rückwirkende Arbeitsunfähigkeit attestierte. Der Kläger bezog vom 29. Juni 2015 bis zum 10. Juli 2015 Arbeitslosengeld I.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2015 lehnte die Beklagte die weitere Zahlung von Krankengeld ab, da die Arbeitsunfähigkeit nach dem 11. Juni 2015 nicht lückenlos nachgewiesen sei. Die versicherungspflichtige Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld habe bis einschließlich 28. Mai 2015 (gemeint ist wohl der 11. Juni 2015) bestanden.

Hiergegen erhob der Kläger noch im selben Monat Widerspruch und legte das Schreiben Frau A. vom 23. Juni 2015 vor, wonach diese am 11. und 12. Juni 2015 wegen einer Unpässlichkeit nur Notfälle habe behandeln können. Der Kläger sei daher durch ihre Angestellten umbestellt worden, so dass er die Praxis erst am 15. Juni 2015 habe aufsuchen können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führt darin weiter aus, ab dem 12. Juni 2015 habe kein Versicherungsverhältnis mit Krankengeldanspruch bestanden, vielmehr sei die Versicherung als Familienversicherung ohne Krankengeldanspruch fortgesetzt worden.

Am 22. Oktober 2015 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und vertiefend darauf verwiesen, die Beklagte habe unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Dezember 2014 (B 1 KR 37/14 R – SozR 4-2500 § 192 Nr. 7) zu einer anderen Beurteilung kommen müssen. Die verspätete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beruhe nicht auf seinem Verschulden, sondern auf Veranlassung seiner Ärztin, die ihm nicht zuzurechnen sei. Frau A. habe unter dem 11. Februar 2016 ihr Schreiben vom 23. Juni 2015 bestätigt und ausgeführt, der Kläger habe keinen Grund gehabt, einen anderen Arzt aufzusuchen. Entsprechendes wäre aus seiner Sicht gegenüber ihrer Behandlungsmethode respektlos erschienen. Da er sich am 10. Juni 2015 vorstellen wollte, aber von ihr – als seiner behandelnden Ärztin – umbestellt wurde, sei sein Versicherungsschutz mit Krankengeld bestehen geblieben.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) entstehe der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs sei es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts ärztlich festgestellt werde. Hieran fehle es. Denn der Kläger sei ab dem 12. Juni 2015 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Seine diesen Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft bei der Beklagten habe am 15. Dezember 2012 geendet. Ein Sachverhalt, bei dem die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krankengeldbezugs nachgeholt werden könne, sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht gegeben. Die vom Kläger angegebenen Gründe genügten nicht, die klare gesetzliche Obliegenheit zu relativieren. Insbesondere sei es möglich gewesen, einen anderen Arzt aufzusuchen, der rechtzeitig den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit habe bescheinigen können. Aus dem vom Kläger angeführten Urteil des BSG folge nichts anderes. Denn auch hier habe das Gericht als maßgeblich angesehen, ob der Versicherte alles in seiner Macht Stehende getan habe. Dies sei vorliegend aufgrund des Nichtaufsuchens eines anderen Arztes nicht der Fall.

Gegen den ihm am 1. Februar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt am 27. Februar 2017 Berufung eingelegt und sein Anliegen weiter verfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Wie durch Frau A. bestätigt, sei er nach wie vor aufgrund derselben Diagnose arbeitsunfähig. Durch ihre Entscheidung habe ihn die Beklagte bewusst auf ein soziales Abstellgleis rangiert, um einen kostenintensiven Patienten loszuwerden. Weder er selbst noch seine Ärztin hätten sich falsch verhalten. Vielmehr habe er ihrer Weisung entsprechend gehandelt. Hätte er dieser nicht Folge geleistet und einen anderen Arzt aufgesucht, dem seine Krankengeschichte nicht bekannt gewesen sei, hätte er sich dem Vorwurf ausgesetzt, eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit zu erschleichen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Januar 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 12. Juni 2015 bis 28. Juni 2015 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 34,81 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des SG. Dieses habe zutreffend ausgeführt, dass ihr die Unpässlichkeit der behandelnden Ärztin nicht zuzurechnen sei. Der von der Ärztin A. am 10. Juni 2012 ausgefüllte Fragebogen stelle keine ausreichende AU-Bescheinigung dar, da sie nicht auf einer persönlichen Untersuchung des Klägers basiere und ihm wegen der fehlenden Kenntnis von der Mitteilung an die Beklagte nicht zugerechnet werden könne.

Der Senat hat von der Hausärztin A. einen Befundbericht vom 29. Januar 2019 eingeholt. Darin bestätigt sie, der Kläger habe am 10. Juni 2015 einen Termin in ihrer Praxis gehabt, sei aber am Morgen des 10. Juni 2015 durch ihr Personal auf den 15. Juni 2015 umbestellt worden. Der Kläger sei wegen der Außenbandruptur des oberen Sprunggelenkes rechts (Riss des Ligamentum fibulotalare anterius) vom 9. Februar 2015 bis zum 31. August 2018 arbeitsunfähig gewesen. Er habe nach der Operation im Städtischen Klinikum M. Schmerzen im rechten Sprunggelenk und Beschwerden beim Gehen angegeben.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015 beschwert den Kläger im Sinne von § 157 S. 1, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er auch für die Zeit vom 12. Juni 2015 bis zum 28. Juni 2015 Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld in der unstrittigen Höhe von kalendertäglich 34,81 EUR hat.

Über einen weiteren Anspruch konnte das Gericht nicht entscheiden, weil der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten nach seinem Inhalt nur den Anspruchszeitraum erfasst, in dem der Anspruch wegen dem zur Begründung herangezogenen Ende der Mitgliedschaft entfallen sein soll. Das gilt vom 29. Juni 2015 an nicht mehr, weil der Kläger wegen des erneuten Bezuges von Arbeitslosengeld nach dem SGB III nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) wieder gesetzlich auf Krankengeld versichert war. Insofern bedarf es einer neuen Entscheidung der Beklagten über den Krankengeldanspruch für einen Zeitraum nach dem 28. Juni 2015.

Zutreffend ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass der Kläger gem. § 44 Abs. 1 des SGB V (i. d. F. d. G. v. 17.7.2009, BGBl. I S. 1990) die Anspruchsvoraussetzungen erfüllte, weil er arbeitsunfähig war und als Bezieher von Arbeitslosengeld I nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (i. d. F. d. G. v. 21.7.2014) mit Anspruch auf Krankengeld versichert war. Der Anspruch des Klägers ist gem. § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V (i. d. F. d. G. v. 17.7.2009, BGBl. I S. 1990) jedenfalls durch die erstmalige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) vom 9. Februar 2015 vor dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges zum 22. März 2015 entstanden. Im Anschluss daran ist die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig lückenlos zuletzt durch die Ärztin A. am 28. Mai 2015 bis zum 11. Juni 2015 festgestellt worden, so dass der Anspruch auf Krankengeld unstreitig bis zum 11. Juni 2015 bestanden hat. Denn die Mitgliedschaft als Versicherter mit Krankengeldanspruch bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i. d. F. d. G. v. 23.12.2014, BGBl. I S. 2462) auch nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges erhalten, solange ein Anspruch auf Krankengeld besteht.

Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 44 und § 46 S. 1 Nr. 2 (hier anzuwenden in der noch bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung vom 17. Juli 2009 [a.F.] i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V waren auch am 12. Juni 2015 und darüber hinaus – jedenfalls bis zur nächsten AU-Feststellung am 15. Juni 2015 – erfüllt, denn die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers erfolgte bereits durch das Ausfüllen des Fragebogens durch die Ärztin A. am 10. Juni 2015 und dessen rechtzeitige Übersendung an die Beklagte.

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn – was hier allein einschlägig ist – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für das Krankengeld vorliegt (st. Rspr., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 RBSGE 118, 52 = juris Rn. 8 m.w.N.).

Nach § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V a.F. entsteht der Anspruch auf Krankengeld "von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt"; maßgebend für den Krankengeld-Beginn ist dabei nicht der "wirkliche" oder der "ärztlich attestierte" Beginn der AU, sondern der Folgetag nach der ärztlichen Feststellung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 37/06 RSozR 4-2500 § 46 Nr. 2 = juris Rn. 15). Der Anspruch auf Krankengeld ruht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, "solange die AU der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der AU erfolgt".

Ausgehend von dieser bis 22. Juli 2015 geltenden Rechtslage musste hier für die Gewährung von Krankengeld ab 12. Juni 2012 grundsätzlich AU spätestens am 11. Juni 2012 für den Folgetag ärztlich bescheinigt worden sein. Die Feststellung der AU erst am 15. Juni 2015 genügt dafür nicht. Jedoch erfüllt die Feststellung der behandelnden Ärztin A. unter dem 10. Juni 2015 im Fragebogen der Beklagten, dass der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit vorerst nicht absehbar ist, und die anschließende Übersendung an die Beklagte – entgegen der Ansicht der Beklagten – die vom BSG aufgestellten Anforderungen an eine AU-Feststellung.

Das BSG hat klargestellt, dass die Regelungen in den AU-Richtlinien (AURL) über den Zeitpunkt der AU-Feststellung und ihren retro- und prospektiven Feststellungszeitraum den leistungsrechtlichen Krankengeld-Tatbestand nicht ausgestalten (zur bloß vertragsärztlichen Pflicht, AU-Bescheinigungen zeitlich nach den AU-RL einzugrenzen, vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 18/04 RSozR 4-2500 § 44 Nr. 7 = juris Rn. 25 m.w.N.), was genauso für die Art und Weise der ärztlichen AU-Feststellung gilt. Sie erfüllt auch dann die Voraussetzungen des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V, wenn sie nicht auf dem durch § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 AU-RL dafür vorgesehenen Vordruck (Muster Nr. 1 bzw. 17) erfolgt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 20/11 RBSGE 111, 18-24 = juris Rn. 13). Erforderlich ist ein Akt mit Außenwirkung, der über eine lediglich irgendwie geäußerte innere Überzeugungsbildung des Arztes hinausgeht und in Form eines entsprechenden Schriftstücks ("Bescheinigung") nach außen hin – vor allem gegenüber der als leistungspflichtig in Anspruch genommenen Krankenkasse – beweissicher zu dokumentieren ist (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 RBSGE 123, 134 = juris Rn. 18).

So liegt hier der Fall. In dem der Beklagten unstreitig zugegangenen Fragebogen hat die Ärztin A. am 10. Juni 2015 wörtlich beurteilt, der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar. Damit hat sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, der Kläger wird eine noch nicht absehbare Zeit lang arbeitsunfähig sein. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände – wie insbesondere die vorher schon länger andauernde AU und die Art der Beschwerden des Klägers – deckt diese Feststellung jedenfalls den Zeitraum bis zur AU-Feststellung am 15. Juni 2015 ab. Denn mit ihrer Aussage zum erwarteten Beginn der Arbeitsfähigkeit, diese trete "vorerst nicht" ein, knüpft die Ärztin an vorherige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über jeweils 14 Tage an. In ihren Angaben gegenüber der Beklagten bringt die Ärztin damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass in einem solchen von ihr bislang als prognosefähig behandelnden Zeitraum Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten sei. Unschädlich ist, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht auf dem durch die AU-RL dafür vorgesehenen Vordruck (Muster Nr. 1 bzw. 17) festgestellt wurde.

Entgegen der Ansicht der Beklagten war für die Feststellung der AU am 10. Juni 2015 auch keine (nochmalige) persönliche Vorstellung des Klägers bei seiner Ärztin erforderlich. Die Einschätzung der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit beruhte nämlich offensichtlich auf den regelmäßigen Vorstellungsterminen des Klägers bei seiner Ärztin A.; zuletzt am 28. Mai 2015 und damit nur 13 Tage vor der AU-Feststellung vom 10. Juni 2015. In Anbetracht des Umstandes, dass es infolge der Außenbandruptur des oberen Sprunggelenkes rechts bei dem Kläger zu einem langwierigen Heilungsprozess gekommen war und er sich deshalb seit Februar 2015 bis Mitte Juni 2015 wiederholt bei der Hausärztin A. persönlich vorgestellt hat, ist die AU-Feststellung vom 10. Juni 2015 auch inhaltlich nicht anzuzweifeln. Sie enthält genau die Einschätzung, die die Beklagte selbst nach der Ausgestaltung ihres Fragebogens für möglich hält und bei der Ärztin gezielt abfragte.

Das BSG hat gerade nicht – wie die Beklagte unter Hinweis auf die beiden Urteile vom 11. Mai 2017, B 3 KR 22/15 und B 3 KR 12/16 meint – entschieden, für eine AU-Feststellung sei ein zeitlich unmittelbarer Arzt-Patienten-Kontakt zwingend erforderlich. Vielmehr hat das BSG nur in dem – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefall einer für den Erhalt des Krankengeldanspruches nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V a.F. nicht rechtzeitigen bzw. fehlenden ärztlichen AU-Feststellung, welche durch Umstände verhindert wurde, die der Krankenkasse und nicht dem Versicherten zuzurechnen sind, vom Versicherten gefordert, dass er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die ärztliche AU-Feststellung zu erhalten. Nur in diesem Zusammenhang hat das BSG gefordert, dass ein Versicherter dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen hat (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – Juris Rn. 23).

Im Übrigen kann dem Kläger im Hinblick auf die rechtzeitige AU-Feststellung durch seine Ärztin am 10. Juni 2015 nicht entgegengehalten werden, dass er diese nicht selbst veranlasst und nicht selbst an die Beklagte übermittelt hat.

Der Senat folgt nicht der von der Beklagten unter Hinweis auf Schifferdecker in Kasseler Kommentar, SGB V § 49 Rn. 37 - 43 vertretenen Auffassung, wonach die Mitteilung der AU-Feststellung vom 10. Juni 2015 dem Kläger nicht zugerechnet werden könne, weil sie ihm nicht bekannt gewesen sei. Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG, welches eine Kenntnis des Versicherten von der ärztlichen AU-Meldung gerade nicht gefordert hat (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 20/11 RBSGE 111, 18 = juris Rn. 20). Danach muss der Versicherte auch für Zeiträume, in denen er und die Krankenkasse über das Bestehen von AU als Voraussetzung eines Krankengeld-Anspruchs streiten, alle Obliegenheiten beachten, um seinen Krankengeld-Anspruch zu erhalten. Er muss sich deshalb bei befristeten AU-Feststellungen vor Fristablauf erneut seine AU ärztlich bescheinigen lassen und dafür Sorge tragen, dass die Krankenkasse hiervon Kenntnis erlangt. Hat die Krankenkasse allerdings – wie hier – Kenntnis von einer ärztlichen AU-Bescheinigung und davon, dass der betroffene Versicherte weiterhin Krankengeld beansprucht, sind die Obliegenheiten nach § 46 und § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V auch insoweit erfüllt. Einer zusätzlichen Information der Krankenkasse bedarf es in diesem Rahmen nicht (BSG, a.a.O.).

Nach alldem steht fest: Bis zum 11. Juni 2012 bezog der Kläger Krankengeld, weil seine auf dem Bezug von Arbeitslosengeld beruhende Pflichtmitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld über das Ende seines Arbeitslosengeldbezuges zum 22. März 2015 hinaus wegen des durchgängigen Krankengeld-Anspruchs nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten geblieben war. Da die AU-Feststellung der Hausärztin A. vom 28. Mai 2015 erst mit dem 11. Juni 2015 endete und durch sie selbst bereits am 10. Juni 2015 eine weitere AU-Feststellung erfolgte, trat keine Unterbrechung des Krankengeld-Anspruchs ab dem 12. Juni 2015 mit der Folge der Beendigung der auf dem Arbeitslosengeldbezug beruhenden Pflichtmitgliedschaft (§ 190 Abs. 2, § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) ein.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt hier dem Obsiegen des Klägers.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf einer durch die angeführte Rechtsprechung gesicherten Rechtlage beruht.
Rechtskraft
Aus
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