L 4 KA 58/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 665/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 58/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 15/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Leistungsinhalt der GOP 31822 EBM-Ä ist nicht erfüllt, wenn eine Kombinationsnarkose mit Maske nicht über die gesamte Dauer der ambulanten Operation (hier: Kataraktoperation nach GOP 31351) durchgeführt wird. Eine lediglich initiale Narkose zur Durchführung der lokalen Retrobulbäranästhesie reicht nicht aus.
2. Die Dokumentation des endexspiratorische CO2-Wertes im Narkoseprotokoll genügt dem Erfordernis einer fachspezifischen Dokumentation im Sinne der Präambel Nr. 5.1.5 und 6 EBM-Ä 2008 zum Nachweis einer Maskenverwendung im Sinne von GOP 31822 EBM-Ä 2008.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Honorarberichtigung für die Quartale III/08 bis IV/08 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung in Höhe von 56.458,99 EUR.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Anästhesie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

In den Quartalen I/08 bis IV/08 setzte die Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar der Klägerin wie folgt fest:
Quartal I/08 II/08 III/08 IV/08
Honorarbescheid vom 09.07.2008 27.10.2008 20.01.2009 31.03.2009
Honorar in EUR 105.994,27 131.308,66 110.577,52 88.131,11

Im Jahr 2012 führte die eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 15. Mai 2012 folgende zeitbezogene Rechnungsergebnisse für die Quartale I/2008 bis IV/2008 unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile: Quartalsübersicht:

Quartal Tagesprofil Anzahl Tage davon Maximale Arbeitszeit pro Tag im Quartal Quartalsprofil Zeitsumme Überschreitung )12 Std. ) 16 Std. Std.: Min. Std.: Min.
I/08 18 8 23:36 677:47 -
II/08 28 11 22:56 834:32 54:32
III/08 19 5 22:48 691:03 -
IV/08 11 3 22:00 573:59 -

Tagesübersicht: Behandlungstag Zeitergebnis (Std.)
11.01.2008 21:14
14.01.2008 18:54
06.02.2008 17:45
03.03.2008 23:03
07.04.2008 22:03
28.04.2008 17:48
09.06.2008 21:12
27.06.2008 22:56
02.07.2008 19:45
04.08.2008 22:48
11.08.2008 17:51
15.09.2008 22:03
27.10.2008 21:00
17.11.2008 18:54
01.12.2008 22:00

Die Beklagte bat um eine schriftliche Stellungnahme, insbesondere auch zu der regelhaft abgerechneten GOP 31822 EBM.

Die Klägerin trug vor, dass die ermittelten Zeitprofile von mehr als 15 Stunden am Tag stets die OP-Tage bei dem Kataraktchirurgen Dr. C. beträfen. Die von der Beklagten ermittelten Spitzentage seien darauf zurückzuführen, dass an manchen Tagen die Anwesenheit in der Taunusklinik erforderlich sei und dort ebenfalls Narkosen für den dortigen Augenarzt durchgeführt worden seien. An diesen Tagen ließe es sich nicht vermeiden, dass sie für zwei Operateure sowohl vormittags, als auch nachmittags zum Einsatz komme. Aus den Narkoseprotokollen sei ersichtlich, dass an solchen Operationstagen eine hohe Anzahl an Operationen stattfinde. Diese hochspezialisierten Abläufe mit sehr kurzen Wechselzeiten zwischen den einzelnen Operationen und die hocheffiziente Organisation im OP funktioniere nur mit gut ausgebildetem Praxispersonal und einem seit vielen Jahren eingespielten OP-Team. So sei es möglich, dass viele Aufgaben an das Personal delegiert werden könnten und dadurch Leistungen überlappend und zeitsparend stattfinden könnten. Die eigentliche OP-Zeit einer Kataraktoperation sei ebenfalls sehr kurz, da der Chirurg ebenfalls sehr erfahren sei. So sei es möglich, dass die OP- und Wechselzeiten in der Regel 35 Minuten nicht überschritten würden. Dadurch ergebe sich die Differenz zu den von der Beklagten als Prüfzeit angesetzten 53 Minuten. In den Fällen, in denen die GOP 31822 EBM abgerechnet worden sei, sei auch eine Kombinationsnarkose erbracht worden. Die Fragestellung sei bereits für die Quartale IV/05 bis I/07 überprüft worden mit dem Ergebnis, dass die Beklagte eine korrekte und plausible Abrechnung bestätigt habe. Die GOP 31822 EBM für die anästhesiologische Betreuung von Patienten zur Kataraktoperation sei regelmäßig quartalsweise nach Rücksprache und im Einvernehmen mit der Abrechnungsstelle der Beklagten in Frankfurt erfolgt.

Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin 22 Narkoseprotokolle und die dazugehörigen Anamnesebögen vor.

Mit Bescheid vom 7. März 2013 hob die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale III bis IV/08 auf und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung in Höhe von 31.836,29 Euro für das Quartal III/08 und 24.622,70 Euro für das Quartal IV/08, insgesamt 56.458,99 Euro netto. Die Prüfung der Quartale I und II wurde wegen zeitlicher Verfristung eingestellt. Zur Begründung der Aufhebung und Rückforderung wurde ausgeführt, dass die Klägerin überwiegend im Rahmen von augenärztlichen Eingriffen tätig werde. Hinsichtlich der regelhaft abgerechneten Ziffer 31822 EBM vertrete die Beklagte aber die Auffassung, dass diese nur in Ausnahmefällen erforderlich sei und bei Kataraktoperationen nicht regelhaft abgerechnet werden könne. Im Übrigen sei aus den eingereichten Narkoseprotokollen auch nicht ersichtlich, dass der Leistungsinhalt der Ziffer 31822 vollständig erbracht worden sei. Insbesondere sei der obligate Bestandteil der Kombinationsnarkose mit Maske aus der Narkoseprotokollführung nicht ersichtlich. Eine Kombinationsnarkose bestehe darüber hinaus aus einem Analgetikum, Hypnotikum und ggf. eines Relaxans. In den Protokollen sei aber nur die Gabe eines oder zwei Hypnotika ersichtlich. Darüber hinaus sei die notwendige Initialdosis für eine Narkose unterschritten worden, so dass von einer Sedierung auszugehen sei. Dies sei auch der Normalfall bei Kataraktoperationen. Zu Gunsten der Klägerin seien aber 10% der Leistung nach GOP 31822 EBM als plausibel bewertet worden. Der Rest sei aus der Honorarberechnung herausgenommen und gegen die Ziffer 31831 EBM getauscht worden.

Hiergegen legte die Klägerin am 18. März 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass bereits in der Vergangenheit entsprechende Plausibilitätsprüfungen stattgefunden hätten, diese nach entsprechender Erläuterung aber immer eingestellt worden seien. Die angesetzte Prüfzeit von 53 Minuten für die Nr. 31822 EBM sei unrealistisch, da erfahrene Operateure die Operation oft in 10 Minuten abschließen würden. Es sei auch nicht ersichtlich, welcher Prüfarzt die Narkoseprotokolle ausgewertet habe. Aus den eingereichten Protokollen ergebe sich zweifelsfrei, dass eine Überwachung des CO2-Gehaltes und eine Sauerstoffgabe stattgefunden hätten. Damit sei auch klar, dass eine Maske verwendet worden sei. Eine diesbezügliche Dokumentationspflicht sehe die streitgegenständliche GOP nicht vor. Auch sei nicht beachtet worden, dass unter "Kombinationsnarkose" sowohl die Verwendung unterschiedlicher Anästhesieverfahren, als auch die Verwendung mehrerer Mittel verstanden werde. Im Übrigen sei die Ansicht der Beklagten, dass die GOP 31822 nicht regelhaft angewendet werden dürfe, nicht im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung zu rechtfertigen. Dies sei vielmehr Gegenstand einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Letztlich sei auch die Einschätzung der Beklagten, dass 90% der abgerechneten Leistungsziffer nicht plausibel seien, willkürlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aus dem Indiz der Häufigkeit der abgerechneten Narkoseziffer zusammen mit der Ungewöhnlichkeit der Leistung bei Kataraktoperationen und den weiteren Indizien habe geschlossen werden können, dass die Leistung nach Nr. 31822 EBM tatsächlich nicht oder nicht vollständig erbracht worden sei. Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung werde hingegen unterstellt, dass die Leistung tatsächlich erbracht, jedoch wirtschaftlich nicht angemessen eingesetzt worden sei. Die Bescheide seien auch materiell rechtmäßig. Die Überschreitung der Tagesprofile an den Tagen über zwölf Stunden zeige, dass die Klägerin diese Zeiten nicht habe erbringen können und ihre Abrechnungen nicht plausibel seien. Die Prüfzeiten seien nicht zu beanstanden. Sie beruhten auf der Einschätzung eines ärztlich–sachverständigen Fachgremiums. In die Prüfzeit werde nur die Zeit eingerechnet, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetze, wohingegen die Kalkulationszeit auch Zeitanteile für delegierbare Leistungsbestandteile enthalte. Zudem seien diese Durchschnittszeiten so bemessen, dass auch ein erfahrener Arzt die Leistung in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen könne. Das Überschreiten der Prüfzeiten spreche auch dafür, dass die von der Klägerin beschriebene kurzzeitige Narkose mit reiner Maskenbeatmung zum alleinigen Durchführen der Retrobuläranästhesie nicht unter die Ziffer 31822 falle. Die Klägerin habe diesbezüglich grob fahrlässig fehlerhaft abgerechnet. Die Beklagte habe hinsichtlich der Absetzungen ein Schätzungsermessen.

Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 12. Dezember 2013 zugestellt, sie hat hiergegen am 17. Dezember 2013 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben.

Die Klägerin hat ausgeführt, dass die OP- und Wechselzeiten für eine Kataraktoperation in der Regel 35 Minuten nicht überschreiten würden. Darüber hinaus sei es an den Tagen, an denen es zu Spitzenzeiten gekommen sei, so gewesen, dass sie vormittags bei Dr. C. tätig gewesen sei und nachmittags noch bei Dr. D. Narkosen durchgeführt habe. Der Leistungsinhalt der GOP 31822 sei vollständig erfüllt worden. Auffallend sei, dass die Plausibilitätsprüfung in den Vorjahren – bei derselben Sachlage - immer zu ihren Gunsten ausgefallen sei. Hier werde offensichtlich versucht, im Rahmen der Plausibilität eine Überprüfung der GOP 31822 zu ermöglichen. Der von der Beklagten hinzugezogene Prüfarzt habe sich offensichtlich nicht mit den Narkoseprotokollen auseinandergesetzt, da daraus ersichtlich sei, dass eine Beatmung der Patienten notwendig gewesen und auch erfolgt sei. Eine Dokumentationspflicht über die Benutzung einer Maske oder eines Tubus gebe es nicht. Unter einer Kombinationsanästhesie werde sowohl die Verwendung verschiedener Mittel, als auch die Kombination von Allgemein– und Regionalanästhesieverfahren verstanden. Fragen der Wirtschaftlichkeit dürften nicht in das Plausibilitätsverfahren verlagert werden. Hier komme es nur auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung an. Im Übrigen handele es sich bei der behandelten Patientengruppe überwiegend um betagte Leute über 70 Jahren, bei denen in der medizinischen Literatur eine niedrigere Dosierung der Narkosemittel empfohlen werde. Dies sei auch auf der Zulassung des Medikaments "Propofol" entsprechend formuliert. Darüber hinaus sei auch das Medikament "Dormicum®" verwendet worden, was ebenfalls dazu führe, dass geringere Einleitungsdosen benötigt würden.

Die Vorbereitung des Patienten erfolge durch die Anästhesieschwester. Diese lege die intravenöse Verweilkanüle und schließe den Patienten an den Vitalparametermonitor an. Sie – die Klägerin - selbst leite dann die intravenöse Narkose ein. Nach ca. 30 Sekunden werde dem Patienten die Maske festaufgesetzt und Sauerstoff zugeführt. Wenn eine ausreichende Sauerstoffsättigung erreicht sei, werde die Maskenbeatmung kurz unterbrochen, damit die Regionalanästhesie durchgeführt werden könne. Anschließend werde die Maskenbeatmung weitergeführt und je nach Bedarf die Narkosemittel erneut injiziert. Nach Ausleitung der Narkose und bei Kreislaufstabilität werde der Patient durch die OP-Schwester mobilisiert und in den Überwachungsraum verbracht. Dadurch, dass mit zwei OP-Tischen gearbeitet werde, seien so gut wie keine Wechselzeiten notwendig. Denn sobald die OP beim ersten Patienten beginne, werde der nächste Patient auf dem zweiten OP-Tisch schon vorbereitet. Dadurch ergebe sich eine Maximalzeit von 35 Minuten.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Menge der Leistungen nach Nr. 31822 EBM sei eine Auffälligkeit beziehungsweise ein Indiz für nicht vollständig erbrachte Leistungen, aufgrund dessen sie die anlassbezogene Plausibilitätsprüfung durchgeführt habe. Die Wirtschaftlichkeit habe sie nicht geprüft. Sie gehe von der Unvollständigkeit der Leistungserbringung aus. Würde man hypothetisch davon ausgehen, dass die Klägerin tatsächlich in jedem von ihr abgerechneten Fall bei einer Kataraktoperation vor dem Setzen der Retrobulbäranästhesie eine Vollnarkose durchgeführt habe, sei dies medizinisch fraglich, da hier eine Verletzung des Bulbus bei einem vollständig anästhesierten Patienten häufig nicht bemerkt werde. Des Weiteren sei es an sich fragwürdig, zunächst eine Allgemeinanästhesie (bei Abrechnung der Nr. 31822 EBM somit eine Vollnarkose) durchzuführen, damit dann eine Lokalanästhesie angelegt werden könne. Wenn ein Patient bereits in Vollnarkose versetzt sei, sei es nicht mehr notwendig, noch eine Lokalanästhesie durchzuführen. Nach der Beschreibung der Kataraktoperation in Nr. 31351 EBM sei die Sedierung/Analgesie nach der Nr. 31831 EBM als typische "Anästhesie" bei einer Kataraktoperation vorgesehen. Auch dies spreche für ihre Rechtsauffassung. Letztlich spreche auch die dokumentierte Dosierung der Medikamente für eine Sedierung.

Auf Anforderung des Sozialgerichts hat die Beklagte das Prüfprotokoll ihres Prüfarztes Dr. E. vorgelegt, wonach aus keinem Narkoseprotokoll ersichtlich sei, ob der Patient intubiert gewesen sei. Weiterhin sei nicht ersichtlich, ob eine zusätzliche Anästhesie (z.B. am Auge) stattgefunden habe. Darüber hinaus widersprächen die gegebenen Mengen der Narkosemittel den Angaben der Herstellerfirma. Dies spreche dafür, dass eine Sedierung vorgenommen worden sei, um die Lokalanästhesie am Auge durchführen zu können. Auffällig sei weiterhin, dass es keine Wechselzeiten zwischen den einzelnen Operationen gebe. So sei das OP-Ende der ersten Operation auch die erste Minute der zweiten Operation usw.

Die Klägerin hat ein von ihr in Auftrag gegebenes Privatgutachten von des stellv. Direktors der Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie der Philipps Universität Marburg, Prof. Dr. F. vom 6. Mai 2015 (Bl. 213ff GA) sowie ein für die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Verfahren Az.: 7700 Js 223823/13 – 7 ER 282/13 des Chefarztes der Abteilung Anästhesiologie und operative Intensivmedizin/Palliativabteilung der Stiftung Juliushospital, Würzburg, Dr. G. erstelltes Gutachten vom 11. März 2016 (Bl. 236ff GA) vorgelegt.

Mit Urteil vom 10. August 2016 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2013 aufgehoben, da sie rechtswidrig seien und die Klägerin in ihren Rechten verletzten. Die Beklagte sei zwar grundsätzlich berechtigt, Tages- und Quartalsprofile zu erstellen. Bei der Erstellung der Tagesprofile habe die Beklage auch die im EBM festgelegten Prüfzeiten zugrunde gelegt. Dabei gehe die Leistung nach Nr. 31822 EBM, die die Klägerin abrechne, mit einer Prüfzeit von 53 Minuten in das Zeitprofil ein. Das Gericht sei aber davon überzeugt, dass die Klägerin die abgerechneten Leistungen tatsächlich in kürzerer Zeit vollständig erbracht habe. Für die Abrechnung nach Nr. 31822 EBM komme es entscheidend auf die vollständige Erfüllung der Leistungslegende an. Im Falle der Klägerin liege eine Kombinationsnarkose mit Maske i.S.d. Nr. 31822 EBM vor. Die Kammer beziehe sich insoweit auf die von der Klägerin vorgelegten Fachärztlichen Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. G., die beide im Wege des Urkundsbeweises verwertet würden. Beide Gutachter seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Klägerin bei allen Patienten eine Allgemeinanästhesie vorgenommen hat, bevor die Regionalanästhesie verabreicht wurde. Zwar sei die Verwendung einer "Maske" nicht ausdrücklich dokumentiert worden. Die Sachverständigen hätten aber übereinstimmend ausgeführt, dass sich die Verwendung einer "Maske" aus dem Protokoll und dort durch den Nachweis der kontinuierlichen Sauerstoffgabe, bzw. CO2-Messung ergibt. Insoweit geht auch die fachkundig besetzte Kammer davon aus, dass eine solche Messung nur mithilfe einer dicht sitzenden Maske erfolgen könne, da andernfalls keine validen Werte gemessen werden könnten, welche zur Kontrolle der Atemfunktion aber notwendig seien. Allein die Tatsache, dass auf den Protokollen nicht wörtlich dokumentiert sei, dass eine "Maske" verwendet worden sei, sei unschädlich, da sich aus dem Gesamtzusammenhang der protokollierten Parameter ergebe, dass eine Maske verwendet worden sein müsse. Insoweit wäre die Forderung, dass die Klägerin noch das Wort "Maske" auf der Dokumentation vermerke, bloße Förmelei. Jedenfalls könne dies nicht dazu führen, dass hier von einer unvollständigen Leistungserbringung auszugehen sei, zumal die EBM-Ziffer selbst diese Forderung nicht aufstelle.

Auch die Ausführungen der Gutachter zu der Menge der verwendeten Medikamente seien für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar und entsprechend den aktuellen medizinischen Erkenntnissen. Insbesondere sei für das Medikament "Propofol" in der Herstellerbeschreibung ausgeführt, dass "ältere Patienten normalerweise niedrigere Dosen benötigen". Darüber hinaus ist auch durch die Narkoseprotokolle dokumentiert, dass die Klägerin eine Kombination mehrerer Narkosemittel verwendet hat, was ebenfalls dazu führt, dass pro Medikament niedrigere Dosen verwendet werden müssen.

Soweit die Beklagte auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen vom 23. Juli 2003 (L 10 KA 51/02) verwiesen habe, sei dem entgegen zu halten, dass der dem Urteil zugrundeliegende EBM 96 eine andere Regelung beinhaltet habe, als der nunmehr streitgegenständliche. Insoweit habe sich in der Vorgängerregelung, welche dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen zugrunde lag, folgende Formulierung in den allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt D, S. 2 befunden: "Als Narkosedauer gilt die Dauer von zehn Minuten vor Operationsbeginn bis zehn Minuten nach Operationsende." Die im entschiedenen Fall betroffene Klägerin habe die Allgemeinnarkose nach Setzen der Regionalanästhesie ausgeleitet und die Maskenbeatmung beendet. Vor Beginn der Operation seien die dortigen Patienten daher wieder ansprechbar und die geforderte Narkosedauer daher nicht erfüllt gewesen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Zum einen finde sich im streitgegenständlichen EBM die oben genannte Formulierung nicht. Und zum anderen habe die Klägerin ausgeführt, dass die Maskenbeatmung auch nach Setzen der Retrobulbäranästhesie weitergeführt worden und auch während der Operation noch Narkosemittel intravenös verabreicht worden sei. Für die Kammer bestehe daher kein Zweifel, dass die Klägerin die geforderte Kombinationsnarkose in den abgerechneten Fällen auch erbracht habe.

Zur Überzeugung der Kammer stehe darüber hinaus auch fest, dass die Klägerin die abgerechneten Leistungen überwiegend in deutlich kürzerer Zeit erbringe, als dies die Prüfzeiten vorsähen. Es stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin die Leistungen, wie sie in der Abrechnungssammelerklärung abgerechnet worden seien, tatsächlich erbracht habe. Da bei der Erstellung der Tagesprofile die festgelegten Prüfzeiten zugrunde gelegt worden seien, erwiesen sich diese als falsch. Denn deren Beweiswert sei aufgehoben. Im Ergebnis sei die Beklagte bei ihrer Entscheidung daher von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen, was zu einer fehlerhaften Rechtsanwendung geführt habe, so dass die angefochtenen Bescheide aufzuheben gewesen seien.

Gegen das ihr am 15. August 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. September 2016 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 29. August 2017 hat der Senat die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den GKV-Spitzenverband der Krankenkassen zum Verfahren beigeladen.

Die Beklagte trägt vor, dass die durch die Klägerin eingereichte Dokumentation den Leistungsinhalt der EBM-Nr. 31822 nicht vollständig erfülle. Die Maskenverwendung sei ein notweniger Bestandteil der Anästhesie mittels Kombinationsnarkose mit Maske, Larynxmaske und/oder endotrachealer Intubation, welcher jedoch mit keinem Wort in den Narkoseprotokollen belegt sei. Die Dokumentation der Verwendung einer Maske werde in der Präambel Nr. 5.1.5 und 5.1.6 EBM verlangt, danach sei erforderlich eine fachspezifische Dokumentation. Die Narkoseprotokolle der Klägerin würden diesen Anforderungen nicht genügen, dort werde eindeutig gefordert, dass das gewählte anästhesiologische Verfahren dokumentiert sein müsse, aus den Protokollen der Klägerin gehe jedoch nicht hervor, ob und ggf. welche der in der Leistungslegende der GOP 31822 EBM aufgeführten Masken verwendet würden. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie könne ihn nicht aus vergangenen Prüfzeiträumen für die Zukunft herleiten. Auch aus dem Beschluss des Plausibilitätsausschusses SÜD vom 31. März 2010 lasse sich nichts herleiten, da sich dieser ausdrücklich lediglich auf die Prüfquartale II/05 bis I/07 beziehe.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
für den Fall der Stattgabe der Berufung die Beklagte zu verurteilen, in den Fällen, in denen sich die Gebührenordnungsziffer 31822 EBM sachlich rechnerisch berichtigt und in die Gebührenordnungsposition 31831 EBM umgesetzt hat, darüber hinaus die Gebührenordnungsposition 31820 EBM nachzuvergüten.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Die Klägerin trägt vor, sie habe eine Maske verwendet, die auf das Gesicht aufgesetzt und dicht mit den Atemwegen verbunden werde, es werde darüber kontinuierlich Sauerstoff zugeführt sowie die CO2-Konzentration in der Ausatemluft gemessen und dies im Narkoseprotokoll dokumentiert. Die beiden Sachverständigen hätten bestätigt, dass sich Verwendung einer Maske aus der Dokumentation der kontinuierlichen Sauerstoffgabe und insbesondere der CO2-Messung ergebe. Die im EBM als Leistungsvoraussetzung geforderte fachspezifische Dokumentation müsse dem Anspruch eines definierten Narkosemanagements entsprechend, was bei ihr der Fall sei. Es gebe keine Grundlage, auf dem Narkoseprotokoll explizit das Wort "Maske" zu verlangen. Die Klägerin beruft sich weiter auf Vertrauensschutz, weil bereits für die Quartale II/05 bis I/07 Plausibiliätsprüfungen nach Zeitprofilen ohne Beanstandung stattgefunden hätten, bei denen die Abrechnung von Vollnarkosen bei Kataraktoperationen ebenfalls thematisiert worden seien. Die Beklagte habe ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits dadurch "verbraucht", dass sie die Honoraranforderung in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und als plausibel bestätigt habe. Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung II/05 bis I/07 habe sie, die Klägerin, u. a. die kurze Operationsdauer bei Kataraktoperationen explizit angesprochen. Hilfsweise greife zu ihren Gunsten allgemeiner Vertrauensschutz, denn die Beklagte habe bereits in einem Rundschreiben vom 20. Oktober 2006 nebst Strukturvertrag die GOP 31822 explizit als Abrechnungsziffer bei Kataraktoperationen genannt. Die GOP 31831 EBM werde im Strukturvertrag insoweit gar nicht erst erwähnt. Die Beklagte habe noch bis 2010 die Abrechnung der GOP 31822 EBM bei Kataraktoprerationen ausweislich des Beschlusses des Plausibilitätsausschusses SÜD vom 31. März 2010 in Kenntnis ihrer Narkoseprotokolle, Anamnesebögen und Narkose-Einwilligungserklärungen geduldet/bestätigt. Am 15. Mai 2012 sei dann im Einleitungsschreiben Quartale I/08 bis IV/08 die Frage nach der regelhaften Abrechnung der GOP 31822 EBM gestellt und deren Abrechnung in Frage gestellt.

Die Beigeladene zu 1) trägt vor, zwischen den GOPen 31822 und 31831 bestehe ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, sie seien in derselben Sitzung nicht nebeneinander berechnungsfähig. Die GOP 31822 EBM sei abrechnungsfähig, wenn einer der dort genannten Anästhesieverfahren während des Eingriffs erbracht werde. Eine Erbringung ausschließlich vor dem eigentlichen operativen Eingriff, um die Retrobulbäranästhesie durch den Operateur für den Patienten angenehmer zu gestalten, sei nicht ausreichend. Die Berechnung der Anästhesie/Narkose gemäß der GOP 31822 könne somit nur erfolgen, wenn die Anästhesie/Narkose über die Dauer des operativen Eingriffes erfolge. Der Wortlaut "im Rahmen der Durchführung entsprechend einer der Gebührenordnungspositionen [ ]" sei nicht weiter auszulegen als die Formulierung "bei Operationen" in der Altregelung im EBM 1996. Es könne medizinisch sinnvoll sein, eine Narkose ausschließlich für die Durchführung einer Retrobulbäranästhesie zu verabreichen, der EBM 2008 habe jedoch ein solches Vorgehen nicht abgebildet. Erst in seiner 372. Sitzung am 11. März 2016 habe der Bewertungsausschuss eine neue GOP für das patientenadaptierte Narkosemanagement (GOP 31841 EBM) bei einer Kataraktoperation eingeführt. Diese GOP erfordere nicht, dass die Narkose über die Dauer des operativen Eingriffs fortwirken müsse. Die Angabe des Einsatzes einer Maske, einer Larynxmaske und/oder endotrachealen Intubation sei Teil der fachspezifischen Dokumentation.

Der Beigeladene zu 2) trägt vor, mit Blick auf Kataraktoperationen nehme die Leistungslegende zur GOP 31351 EBM ausdrücklich auf die Analgesie/Sedierung nach der GOP 31831 Bezug. Im Zusammenhang mit Kataraktoperationen sei eine solche Analgesie/Sedierung in der Regel ausreichend. Eine Vollnarkose nach der GOP 31822 EBM komme nur in Ausnahmefällen bei einer entsprechenden medizinischen Indikation in Betracht. Dies sei auch medizinisch folgerichtig, weil die Analgesie/Sedierung gegenüber der Vollnarkose für den Patienten regelmäßig das weniger belastende Vorgehen sei. Für eine Anästhesie nach der GOP 31822 EBM müsse daher eine medizinische Notwendigkeit bestehen. Die Indikationsstellung der Anästhesieverfahren werde im Rahmen der OP-Vorbereitung individuell festgelegt. Die GOP 31822 EBM sei nur abrechenbar, wenn eine Kombinationsnarkose mit Maske, Larynxmaske und/oder Trachealintubation vollständig erbracht worden sei, also über die Dauer des operativen Eingriffes erfolge. Die alleinige Analgesie vor Durchführung einer retrobulären Anästhesie sei keine ausreichende Rechtfertigung für die Berechnung der GOP 31822 EBM, dafür sei die GOP 31831 im EBM vorgesehen. Eine Abrechnung der GOP 31822 EBM allein um die Retrobulbäranästhesie angenehmer zu gestalten, sei nicht ausreichend. Hierfür spreche, dass nach dem Wortlaut der Leistungslegende die GOP 31822 EBM nur im Rahmen der Durchführung von (ausgewählten) ambulanten Operationen abgerechnet werden könne. Der Begriff sei nicht weiter als der im EBM 1996 verwandte Begriff "bei Operationen". Die fachspezifische Dokumentation sei das Narkose-/Anästhesie-Protokoll, dessen genauer Inhalt nicht gesondert erläutert werde. Die Anwendung einer Maske und/oder Larynxmaske und/oder endotrachealen Intubation sei zu dokumentieren, weil erst damit die Vollständigkeit der Leistungserbringung gegeben sei.

Die Klägerin legt zu dem Vorbringen der Beigeladenen eine Stellungnahme des Facharztes für Anästhesie und ehemaligen Vizepräsidenten des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) H. vom 16. Januar 2018 vor und verweist vollumfänglich auf deren Inhalt; auf den Schriftsatz der Klägerin vom 24. Januar 2018 nebst Anlagen (Bl. 392 GA) wird Bezug genommen.

Die Berichterstatterin des Senats hat am 23. August 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt, auf die Niederschrift wird insoweit Bezug genommen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Beigeladenen aufgrund der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beigeladenen ordnungsgemäße Mitteilung vom Termin erhalten haben und hierin darauf hingewiesen wurden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Sozialgerichtsgesetz). Die Beigeladenen haben darüber hinaus mit Schriftsätzen vom 18. Januar 2019 bzw. 31. Januar 2019 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts vom 10. August 2016 ist aufzuheben, denn der Bescheid der Beklagten vom 7. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte im Rahmen der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung das streitgegenständliche Honorar zurückgefordert.

Rechtsgrundlage für die Honorarberichtigung ist § 75 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 106a Abs. 1 und 2 SGB V i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä), wonach die Kassenärztliche Vereinigung die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit berichtigt. Gemäß § 106a Abs. 2 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I, 378) mit Wirkung vom 1. Juli 2008 stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zugrunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zugrunde gelegt werden. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zugrunde zu legen.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich nach den nach § 106a Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbarten Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen vom 1. Juli 2008 (AbrechnPr-RL; DÄ, 2008, S. A-1925 ff) auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 48/97 R -). Die Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den Zeitaufwand des Vertragsarztes erfolgt nach § 8 Abs. 2 AbrechnPr-RL gleichrangig durch die Ermittlung eines Tages- und eines Quartalszeitprofils. Eine weitere Überprüfung nach § 12 AbrechnPr-RL erfolgt gemäß § 8 Abs. 3 AbrechnPr-RL, wenn die ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden beträgt.

Die Zulässigkeit von Tagesprofilen war bereits in der zum früheren Recht ergangenen Rechtsprechung anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234, 238 f. = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 S. 9, 13 f. - auch mit weiteren Nachweisen aus der Literatur; BSGE 86, 30, 39 = SozR 3-2500 § 83 Nr. 1, S. 1, 11; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Januar 2001, L 5 KA 2/99 = ArztuR 2001, 166; LSG Nordrhein-Westfalen, MedR 2004, 464, 465; vgl. auch Bayer. LSG, Urteil vom 11. Oktober 2000, L 12 KA 30/99). Tagesprofile müssen danach folgende Anforderungen erfüllen: Es dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen; delegationsfähige Leistungen haben daher außer Betracht zu bleiben. Die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten müssen so bemessen sein, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeiten stellen sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar. Zu beachten ist weiter, dass bestimmte Leistungen nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand also nicht für jede Leistung angesetzt werden darf. Schließlich müssen Tagesprofile für einen durchgehenden längeren Zeitraum erstellt werden (zum Ganzen: Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 12/15, § 106a SGB V, Rn. 62f). Für Quartalsprofile, die Behandlungszeiten für Leistungen dokumentieren, die der Arzt in einem Quartal und damit in einem deutlich längeren Zeitraum abgerechnet hat, gilt nichts anderes (BSG, Beschluss vom 17. August 2011 B 6 KA 27/11 B –, Rn. 6, juris).

Die Ermittlung von Tages- und Quartalsprofilen für die Prüfung der Plausibilität der Abrechnung der Klägerin ist damit dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine weitere Überprüfung der Abrechnung in den streitgegenständlichen Quartalen nach § 12 AbrechnPr-RL war gegeben, nachdem im Quartal III/08 die arbeitstägliche Zeit an 19 Tagen und im Quartal IV/08 an elf Tagen nach den Tageszeitprofilen zwölf Stunden überschreitet.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass es sich hierbei um Tage handelt, bei denen sie ambulant durchgeführte Kataraktoperationen zweier Ärzte anästhesiologisch betreut und durch gute Praxisorganisation, Optimierung der Arbeitsabläufe und besonders gut geschultes nichtärztliches Personal die der GOP 31822 EBM-Ä (Anästhesie und/oder Narkose, im Rahmen der Durchführung von Leistungen entsprechend einer der Gebührenordnungspositionen [ ] 31322, 31332, 31342 oder 31351 einschließlich der prä- und postanästhesiologischen Rüstzeiten, mittels eines oder mehrerer der nachfolgend genannten Verfahren: [ ]) in Anhang 3 ("Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V") von 53 Minuten zugeordnete Prüfzeit mit in der Regel 35 Minuten nicht erreiche, aber gleichwohl die Leistung ordnungsgemäß erbracht habe, können hiermit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Prüfzeiten zunächst nicht geltend gemacht werden. Denn von der Richtigkeit der im Anhang 3 ("Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V") zum hier maßgeblichen, ab 1. Januar 2008 gültigen Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä 2008) normierten Prüfzeiten, ist auszugehen. Der Senat hat bereits entschieden, dass die im Anhang 3 zum EBM-Ä festgelegten Prüfzeiten bundeseinheitliche Messgrößen sind, die für Vertragsärzte und Kassenärztliche Vereinigungen verbindlich sind, und die Angaben zum Zeitaufwand in einem gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar sind, weil weite Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses bei der Aufstellung des EBM-Ä als Rechtsnorm in Form von Normsetzungsverträgen zu beachten ist (Senatsurteil vom 13. September 2017 – L 4 KA 65/14 –, juris).

Darüber hinaus hat die weitere Prüfung des Leistungsgeschehens die aufgrund der Tageszeitprofile indiziell vorliegende Implausibilität der Abrechnung bestätigt. Denn die Klägerin hat die Kombinationsnarkosen mit Maske nicht zur Durchführung der ambulanten Operationen selbst durchgeführt, sondern nur initial eine kurzzeitige Narkose eingeleitet hat, um dann die lokale Retrobulbäranästhesie setzen zu können. Damit hat die Klägerin aber nicht vollständig den obligaten Leistungsinhalt der GOP 31822 EMB-Ä erfüllt.

GOP 31822 EBM-Ä 2008 hat folgende Leistungslegende:

"Anästhesie und/oder Narkose, im Rahmen der Durchführung von Leistungen entsprechend einer der Gebührenordnungspositionen 31102, 31112, 31122, 31132, 31142, 31152, 31162, 31172, 31182, 31192, 31202, 31212, 31222, 31232, 31242, 31252, 31262, 31272, 31282, 31292, 31302, 31312, 31322, 31332, 31342 oder 31351 einschließlich der prä- und postanästhesiologischen Rüstzeiten, mittels eines oder mehrerer der nachfolgend genannten Verfahren:
- Plexusanästhesie
und/oder
- Spinal- und/oder Periduralanästhesie
und/oder
- Intravenöse regionale Anästhesie einer Extremität
und/oder
- Kombinationsnarkose mit Maske, Larynxmaske und/oder endotracheale Intubation
Obligater Leistungsinhalt
- Anästhesien oder Narkose
Fakultativer Leistungsinhalt
- Anästhesien nach der Nr. 05320,
- Kontrolle der Katheterlage durch Injektion eines Lokalanästhetikums,
- Legen einer Blutleere,
- Infusion(en) (Nr. 02100),
- Magenverweilsondeneinführung (Nr. 02320),
- Anlage suprapubischer Harnblasenkatheter (Nr. 02321),
- Wechsel/Entfernung suprapubischer Harnblasenkatheter (Nr. 02322),
- Wechsel/Legen transurethraler Dauerkatheter (Nr. 02323),
- arterielle Blutentnahme (Nr. 02330),
- Multigasmessung,
- Gesteuerte Blutdrucksenkung,
- Dokumentierte Überwachung bis zur Stabilisierung der Vitalfunktionen"

Die Klägerin hat zunächst eine Kombinationsnarkose durchgeführt. Zu Recht weist sie darauf hin, dass eine Kombinationsnarkose sowohl bei der Kombination unterschiedlicher anästhesiologischer Verfahren als auch der Narkose unter Verwendung einer Kombination mehrerer Narkosemedikamente handeln kann. Eine solche Kombinationsnarkose unter Verwendung verschiedener Narkosemedikamente hat die Klägerin aber in den hier streitgegenständlichen Behandlungsfällen eingesetzt, nämlich eine Narkose mit den Medikamenten Dormicum® (Wirkstoff Midazolam) und Propofol, die – auch in der von der Klägerin dokumentierten Mengen wegen des potenzierenden Effekts der Kombinationsmedikation - ausreichen, um die für eine Narkose erforderliche Sedierungstiefe mit entsprechender Ausschaltung von Bewusstsein und Abwehrreflexen zu erreichen. Dies ergibt sich für den mit zwei Ärzten fachkundig besetzten Senat nachvollziehbar aus dem von der Klägerin vorgelegten, für die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Verfahren Az.: 7700 Js 223823/13 – 7 ER 282/13 von Dr. G. erstellten Gutachten vom 11. März 2016, wonach die Kombination von Propofol mit Midazolam einen sog. supraadditiven Effekt haben und die Propofolmenge zur Narkoseinduktion häufig auf weniger als 0,5mg pro kg Körpergewicht gesenkt werden kann, so dass nach dem Gutachten eine Medikation von 110mg Propofol und 3mg Dormicum bei einem Körpergewicht von 90kg ausreichen für eine Narkose ausreichen (vgl. Bl. 244 GA).

Die Klägerin hat weiterhin die Narkosen zumeist mit einer "Maske" im Sinne der GOP 31822 EBM-Ä 2008 durchgeführt. Die Verwendung einer Atemmaske mit weichem Gummi, die der Gesichtsform angepasst und die mit dem Gesicht dicht abgeschlossen werden kann, ergibt sich dabei aus der Dokumentation der endexspiratorischen CO2-Messung – also der Messung des CO2-Gehalts in der ausgeatmeten Luft – die nach dem Gutachten des Dr. G. auf eine Atemwegsinstrumentierung z. B. mit einer dicht abschließenden Maske hindeuten, so dass anhand dieses Messwertes – wie auch das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - der Vortrag der Klägerin, eine solche Maske (und nicht etwa eine Larynxmaske) verwendet zu haben, als bestätigt angesehen werden muss. Das Gutachten des Dr. G., das sich auf spätere und nicht die streitgegenständlichen Abrechnungsquartale bezieht, ist auch im Wege des Urkundsbeweises verwertbar, nachdem auch die Klägerin und die Beklagte nach ihrer Erklärung im Erörterungstermin vom 23. August 2017 übereinstimmend davon ausgehen, dass die Dokumentation in den durch Dr. G. begutachteten Quartalen der in den streitgegenständlichen Quartalen entspricht und sich auch aus der Dokumentation der streitgegenständlichen Behandlungsfälle eine endexspiratorische CO2-Messung ergibt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Dokumentation des endexspiratorische CO2-Wertes in den Narkoseprotokollen auch dem Erfordernis einer fachspezifischen Dokumentation im Sinne der Präambel Nr. 5.1.5 und 6 EBM-Ä 2008 zum Nachweis einer Maskenverwendung. Unter einer fachspezifischen Dokumentation ist dabei das anästhesiologische Protokoll zu verstehen, in dem Angaben zur Art und Menge des verwendeten Anästhestikums/Narkotikums einschließlich der ggf. zusätzlich erforderlich werdenden Medikamente und Infusionen, Zeitpunkt der Verabreichung, des Wirkungseintritts und der Wirkungsdauer bzw. der Entlassung des Patienten aus der Praxis, ggf. Beschreibung der sensiblen bzw. vegetativen Effekte, Erfassung der Ergebnisse des EKG-Monitorings und der Pulsoxymetrie, Vermerk ggf. aufgetretener Komplikationen und Zwischenfälle gemacht werden (Wezel/Leipold, EBM-Kommentar, 13. Lfg. Stand 1. Januar 2008, zu Präambel Nr. 5.15.6). Die Beigeladene zu 1) hat bestätigt, dass die fachspezifische Dokumentation im Allgemeinen über ein Narkoseprotokoll erfolgt, aus dem hervorzugehen hat, welcher Leistungsinhalt der GOP 31822 erbracht worden ist, "die Angabe des Einsatzes einer Maske " sei Teil dieser Dokumentation. Auch die Beigeladene zu 2) fordert, "die Anwendung einer Maske " sei zu dokumentieren, "weil erst damit die Vollständigkeit der Leistungserbringung gegeben ist". Diese Einschätzung der Beigeladenen, die als für die Normgebung des EBM-Ä maßgeblichen Vertragspartner nach § 87 Abs. 1 SGB V insoweit als fachkundig erachtet werden müssen, teilt der Senat insoweit, als der Dokumentation – hier dem Narkoseprotokoll – die vollständige Erbringung des obligaten Leistungsinhalts selbstverständlich zweifelsfrei zu entnehmen sein muss. Dies ist indessen – wie sich aus dem Gutachten des Dr. G. ergibt und wie das Sozialgericht auch zutreffend ausgeführt hat – hinsichtlich des Einsatzes der Beatmungsmaske bereits durch die Dokumentation des endexspiratorische CO2-Wertes der Fall, der eindeutig für den Einsatz einer Maske i. S. d. GOP 31822 EBM-Ä 2008 und damit insoweit für die Vollständigkeit der Leistungserbringung spricht. Die ausdrückliche Erwähnung oder Angabe einer "Maske" in dem Sinne, dass dies wörtlich auf dem Narkoseprotokoll vermerkt ist, ist entgegen der Auffassung der Beklagten in solchen Fällen nicht erforderlich.

Allerdings hat die Klägerin – wie sie auch selbst einräumt – die Kombinationsnarkose mit Maske nicht zur Durchführung der ambulanten Kataraktoperation eingesetzt sondern lediglich initial, um das Setzen der lokalen Retrobulbäranästhesie zu erleichtern, bei der Lokalanästhetika mit einer langen Kanüle in die Nähe des Sehnervs neben dem Augapfel eingespritzt werden. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen im Gutachten des Dr. G., die sich auch weitgehend mit der Einlassung der Klägerin im Erörterungstermin decken, werden solche Injektionen kaum von einem wachen Patienten toleriert, so dass die Regionalanästhesie bei einem narkotisierten Patienten (in Kurznarkose) durchgeführt wird, der zu diesem Zeitpunkt bewusstlos ist und keine motorischen Reaktionen auf Schmerzreize hat, um die Gefahren von unkontrollierten Bewegungen und die damit verbundene Verletzungsgefahr zu vermeiden. So sinnvoll diese Vorgehensweise erscheint, entspricht sie jedoch nicht dem obligaten Leistungsinhalt der GOP 31822 EBM-Ä 2008, wenn - wie hier - der Dokumentation nicht zu entnehmen ist, dass die Narkose über die Dauer des operativen Eingriffs aufrechterhalten wird.

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2016, - B 6 KA 17/15 R - und Urteil vom 11. Februar 2015, - B 6 KA 15/14 R -; BSG, Beschluss vom 28. September 2016, - B 6 KA 17/16 B - und Beschluss vom 12. Dezember 2012, B 6 KA 31/12 B -, alle in juris) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM - des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf; eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Über die Auslegung des von den zuständigen Gremien erlassenen Regelwerks für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen muss im Streitfall das Gericht im Wege der Rechtsanwendung, nämlich der Anwendung der nach der Rechtsprechung des BSG hierfür maßgeblichen Auslegungsregeln, entscheiden. Die Entscheidung über die Enge oder Weite von Leistungstatbeständen ist eine Frage der rechtlichen Auslegung. Auf Fragen der Medizin kommt es grundsätzlich nicht an. Daher ist im Streit um sachlich-rechnerische Richtigstellungen grundsätzlich kein Raum für Sachverständigenvernehmungen. Sind danach allein maßgeblich juristische Auslegungsmethoden, tritt die medizinische Beurteilung in den Hintergrund (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2017 – L 5 KA 1619/16, juris Rn. 41 m. w. N.).

Bereits der Wortlaut der Leistungslegende der GOP 31822 EBM-Ä 2008 verlangt eine Anästhesie und/oder Narkose "im Rahmen der Durchführung der" – in der Leistungslegende abschließend aufgezählten und hier auch unstreitig mit den Kataraktoperationen gegebenen - ambulanten Operation, nimmt damit also unmittelbaren Bezug "die Durchführung" des operativen Eingriffs selbst und nicht lediglich dessen Vorbereitung. Allerdings ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Wendung "im Rahmen" – ähnlich wie der in der Präambel Nr. 31.5.3 verwendete Begriff "im Zusammenhang mit" auch weiter verstanden werden kann. Allerdings sprechen sowohl die hohe Prüfzeit von 53 Minuten als auch die hohe Bewertung der GOP 31822 EBM-Ä 2008 von 30800 Punkten gegen eine solche weite Auslegung der Leistungslegende, berücksichtigt man, dass einer Analgesierung/Sedierung nach GOP 31831 EBM-Ä 2008 eine Prüfzeit von 32 Minuten und eine Bewertung von 1120 Punkten zugeordnet werden, die zusammen mit der Retrobulbäranästhesie (hier) durch den Anästhesisten nach GOP 31820 EBM-Ä 2008 – mit einer Bewertung von 470 Punkte und einer Prüfzeit von 5 Minuten – mit lediglich ca. der Hälfte der Punktzahl der streitgegenständlichen Abrechnungsziffer bewertet werden. Diese hohe Leistungsbewertung – verbunden auch mit der entsprechend hohen Prüfzeit - deutet darauf hin, dass eine Kurz-Narkose zur Durchführung der Retrobulbäranästhesie zur vollständigen Erfüllung des Leistungsinhaltes nicht ausreicht.

Auch die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte stützt dieses Ergebnis, konnte nach der Vorläufer-Vorschrift GOP 462 EBM-Ä 1996 – allerdings bei anderem Wortlaut der Kapitelüberschrift ("Anästhesie/Narkosen bei operativen Eingriffen") - die Kombinationsnarkose allein zur Vorbereitung der für die Operation notwendigen Retrobulbäranästhesie, nicht zur Durchführung der Operation selbst, ebenfalls nicht abgerechnet werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Juli 2003 – L 10 KA 51/02 –, Rn. 28, juris). Aus der von der Beigeladenen zu 1) vorgelegten Überleitungstabelle vom EBM-Ä 1996 zum EBMplus (Bl. 388 d. A.) ergibt sich, dass GOP 462 EBM-Ä 1996 in die GOP 31822 EBM-Ä 2008 übergeleitet wurde. Schließlich spricht die weitere Entwicklung des EBM-Ä für das gefundene Ergebnis: Am 11. März 2016 hat der Bewertungsausschuss in seiner 372. Sitzung eine neue Abrechnungsziffer für das patientenadaptierte Narkosemanagement (GOP 31841 EBM-Ä) eingeführt, die nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beigeladenen zu 1) die Abrechnung einer Kombinationsnarkose mit Maske für die Durchführung einer Retrobulbäranästhesie erlaubt. Dass der Normgeber des EBM-Ä die Einführung einer neuen Gebührenordnungsposition für die Abrechnung von Behandlungsfällen wie den hier streitgegenständlichen für erforderlich gehalten hat, ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass auch nach dem Willen des Normgebers zuvor keine Abrechnungsmöglichkeit nach GOP 31822 EBM-Ä bestand, da ansonsten ein klarstellender Hinweis in der Leistungslegende genügt hätte.

Die vollständige Erbringung des so auszulegenden Leistungsinhalts ist durch die Dokumentation der Klägerin indessen nicht nachgewiesen. Der endexspiratorische CO2-Wert wurde bei 20 der 22 im Widerspruchsverfahren vorgelegten Narkoseprotokollen nur einmalig, nämlich zu Beginn der Behandlung erfasst und nicht über die gesamte protokollierte Dauer wenigstens wiederholt aufgezeichnet wurde. In zwei Behandlungsfällen (Patient J., Bl. 69 f d. VA; Patientin K., Bl. 65 ff d. VA) wurde der endexspiratorische CO2-Wert gar nicht dokumentiert.

Die Klägerin kann sich des weiteren nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen.

Nach der höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Vertragsarzt auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen (stRspr zB BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; BSGE 89, 90, 94 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 7 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 18). Das BSG hat hierzu im Urteil vom 28. August 2013 (B 6 KA 43/12 R) ausgeführt:

"Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die KÄV im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass diese quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Die Berechtigung der KÄV zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ist nicht auf die Berichtigung von Fehlern aus der Sphäre des Vertragsarztes beschränkt, sondern besteht umfassend, unabhängig davon, in wessen Verantwortungsbereich die allein maßgebliche sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt.

Die umfassende Berichtigungsbefugnis der KÄV, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, ist daher im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei anderen Fehlern, etwa der Unwirksamkeit der generellen Grundlagen der Honorarverteilung. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der KÄV auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden (vgl BSGE 93, 69, 72 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 9 mwN). Zur generellen Sicherstellung dieses Interessenausgleichs und damit zur Beurteilung der Frage, in welchen Konstellationen das Vertrauen des Vertragsarztes auf den Bestand eines rechtswidrigen, ihn begünstigenden Verwaltungsaktes schutzwürdig ist, hat der Senat Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist (zusammenfassend BSGE 96, 1, 4 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 16; vgl im Einzelnen zu den Fallgruppen Clemens, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a SGB V RdNr 189 ff; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: April 2012, K § 106a RdNr 33 ff; Harneit, in: Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, 361, 366 ff; Knopp, Die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, 2009, 180 ff)."

Keine der vom BSG entwickelten Fallgruppen, die Vertrauensschutz zugunsten des Vertragsarztes begründen könnten, liegen hier vor.

Zunächst war die vierjährige Ausschlussfrist bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 7. März 2013 noch nicht abgelaufen, nachdem die maßgeblichen Honorarbescheide für das Quartal III/08 vom 20. Januar 2009 am 9. März 2009 und für das Quartal IV/08 vom 31. März 2009 am 18. Mai 2009 versandt wurden.

Weiterhin hat die Beklagte ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht bereits "verbraucht". Das ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn die K(Z)ÄV die Honoraranforderungen des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüfte und vorbehaltlos bestätigte, indem sie z.B. auf den Rechtsbehelf des Vertragsarztes hin die ursprüngliche Richtigstellung eines bestimmten Gebührenansatzes ohne jede Einschränkung wieder rückgängig machte (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – B 6 KA 17/05 R –, m. w. N.), weil durch solche Überprüfung und Bestätigung die spezifische Vorläufigkeit eines vertragsärztlichen Honorarbescheides und damit die Anwendbarkeit der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften entfallen ist. Eine solche Konstellation ist hier ersichtlich nicht gegeben.

Weiter hat die Beklagte es auch nicht unterlassen, die Vertragsärztin auf ihr bekannte Ungewissheiten hinzuweisen, oder rührt die Fehlerhaftigkeit des Bescheides aus Umständen her, die außerhalb des eigentlichen Bereichs einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung und -verteilung liegen. Schließlich kann Vertrauensschutz auch nicht deshalb berücksichtigt werden, weil die Beklagte die Leistungserbringung in Kenntnis aller Umstände geduldet hat, sie aber später als fachfremd beurteilt hat.

Ob neben diesen Fallgruppen ein allgemeiner Vertrauensschutz weiterhin in Betracht kommt, wenn die KÄV die rechtswidrige Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hat, diese später jedoch insgesamt von einer Vergütung ausschließt, hat das BSG zuletzt ausdrücklich offen gelassen (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 43/12 R –, BSGE 114, 170-180, SozR 4-2500 § 106a Nr. 11, Rn. 29) und bedarf auch keiner Entscheidung durch den Senat, weil die Beklagte schon keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Zunächst wird Vertrauensschutz durch die für die Quartale II/05 bis I/07 durchgeführte Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen schon deshalb nicht begründet, weil der diesbezügliche Beschluss des Plausibilitätsausschusses SÜD auf den 27. Mai 2010 datiert (Bl. 366 d. A.) und damit ungeachtet der Frage, ob sich daraus entnehmen lässt, dass das Prüfgremium sich überhaupt näher mit der streitgegenständlichen Fragestellung befasst hat, keinerlei Einfluss auf das Leistungs- und vor allem das Abrechnungsverhalten der Klägerin in den streitgegenständlichen Quartalen III/08 bis IV/08 haben kann. Diese konnte denknotwendig ihr Verhalten in den beiden letzten Abrechnungsquartalen des Jahres 2008 nicht an einer erst im Jahr 2010 getroffenen Entscheidung ausrichten. Ebenfalls ergibt sich kein Vertrauensschutztatbestand aus dem Rundschreiben der Beklagten vom 20. Oktober 2005 (Bl. 78 ff d. A.), mit dem die Beklagte über eine Entscheidung des Landesschiedsamtes in Bezug auf die Erbringung von Leistungen des ambulanten Operierens informiert hat, denn die streitgegenständliche GOP 31822 EBM Ä 2008 wird hier nur in ganz allgemeiner Form erwähnt: Aus einer tabellarischen Aufstellung ergibt sich, dass die betroffene Abrechnungsziffer bei ambulanten Kataraktoperationen abrechnungsfähig ist. Über die Voraussetzungen der Abrechnung der GOP, ihren Leistungsinhalt und insbesondere die hier relevanten Fragestellungen der Dauer der Narkose und der Art ihrer Dokumentation ergeben sich aus dem Rundschreiben allerdings keinerlei Hinweise. Dass jedoch die GOP 31822 EBM-Ä bei Kataraktoperationen grundsätzlich abrechnungsfähig ist – so denn ihr Leistungsinhalt erbracht wurde – hat die Beklagte im streitgegenständlichen Verfahren nicht in Abrede gestellt.

Schließlich ist nicht von einer fehlerhaften Ausübung des Schätzungsermessens hinsichtlich der Honorarberichtigung auszugehen. Der Beklagten kommt hierbei ein weites Schätzungsermessen zu (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6RKa 86/95, Juris Rn. 23). Bei Schätzungen besteht jedoch kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen. Die Verpflichtung zur eigenen Schätzung bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht nunmehr erneut alle Schätzungsgrundlagen erhebt und eine völlig eigene Schätzung vornimmt. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu Eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (vgl. BSG SozR 4100 § 115 Nr. 2, S. 14; BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6RKa 86/95, Juris Rn. 28).

Die Berechnung des Berichtigungsbetrages durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden. Sie hat durch die Absetzung der Leistungen nach GOP 31822 EBM-Ä und Ersetzung durch die GOP 31831 EBM-Ä (Analgesie/Sedierung) unter Anerkennung von 10% der Leistungen nach GOP 31822 EBM-Ä zu Gunsten der Klägerin ihr Schätzungsermessen nicht überschritten, denn der Vertragsarzt, der grob fahrlässige Falschabrechnungen und damit die Angabe einer unrichtigen Sammelerklärung zu verantworten hat, kann im Verfahren der nachträglichen sachlich-rechnerischen Richtigstellung keine genaue Alternativberechnung beanspruchen. Eine Pflicht der KÄV, die Abrechnungsunterlagen auf mögliche ungenutzt Abrechnungspotentiale zu überprüfen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. Bayr. LSG, Urteil vom 11. März 2015, L 12 KA 25/13, juris Rn. 17). Die Korrektur in die zutreffend anzusetzende Gebührenordnungsposition ist für die nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach der Rechtsprechung des BSG nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar, wenn z. B. die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o.ä. der KÄV mitverursacht wurde oder, wenn ein Arzt in offenen Dissens mit der KÄV eine Gebührennummer ansetzt, weil der die Frage ihrer Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 6 KA 62/07 R, BSGE 103, 1 ff, juris Rn. 29). Beide Konstellationen waren hier ersichtlich nicht gegeben.

Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Klägerin kann nach den vorstehenden Grundsätzen auch nicht die geltend gemachte Umsetzung der GOP 31822 EBM in die GOP 31831 EBM und Vergütung der GOP 31820 EBM beanspruchen.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Frage der Abrechnungsfähigkeit von GOP 31822 EBM-Ä in Fällen einer Vollnarkose zur Durchführung einer Retrobulbäranästhesie im Zusammenhang mit Kataraktoperationen grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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