S 8 KR 466/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 466/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 425/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 12/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 2.406,62 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Krankenhausvergütung in Höhe von 2.406,62 EUR.

Die Klägerin ist Trägerin des GPR-Klinikums in A-Stadt. Die bei der Beklagten versicherte E. E. wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 10.4.2015 bis zum 7.5.2015 stationär behandelt. Die Klägerin rechnete am 10.6.2015 die DRG F49D ab, was einem Betrag von 4.499,06 EUR entsprach.

Die Beklagte zahlte den Betrag zunächst und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Prüfung der Rechnung. Es sollte die Richtigkeit der Kodierung der Hauptdiagnose und der Nebendiagnose geprüft werden, ebenso wie das Überschreiten der oberen Grenzverweildauer. Der MDK forderte bestimmte Unterlagen an. Im Gutachten vom 28.7.2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose zu streichen gewesen wäre, die Hauptdiagnose zu ändern gewesen wäre und dass die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer nicht notwendig gewesen wäre.

Die Beklagte erklärte daher am 30.7.2015:

" ... In oben angegebenen Fall haben wir den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung um eine gutachterliche Stellungnahme gebeten.

Aus diesem Grund wurde Ihre Abrechnung entsprechend des Gutachtens korrigiert und verrechnet.

Gemäß Gutachten wurde die Nebendiagnose K62.5 gestrichen und die Hauptdiagnose I25.12 in I20.0 (DRG-Änderung auf F49G). Ferner ist die zwingende medizinische Notwendigkeit überschreiten der OVGD ( ) den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Daraus erfolgte der Erstattungsanspruch in Höhe von 4.891,64 EUR "

Die Klägerin akzeptierte sodann die Aufrechnung teilweise, nämlich soweit die Hauptdiagnose geändert wurde und der Zuschlag für die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer gestrichen wurde. Soweit der MDK die Nebendiagnose K62.5 gestrichen hat, blieb die Beklagte bei ihrer Auffassung, so dass sie den Teilbetrag in Höhe von 2.406,62 EUR weiterhin von der Beklagten forderte.

Die Klägerin hat am 26.7.2016 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Die Klägerin meint, dass ihr der noch geltend gemachte (Rest-)Anspruch zustehe. Sie habe zu Recht als Nebendiagnose die Diagnose K62.5 kodiert. Die Vertragspartner der PrüfvV seien nicht dazu befugt Regelungen zu treffen, die Ansprüche der Klägerin begrenzen. Materielle Einwendungs- und Ausschlussfristen beinhalte die PrüfvV nicht. Dazu wären die Vertragspartner nicht legitimiert. Die Klägerin verweist auf Entscheidungen von Sozialgerichten, die ihre Auffassung stützen sollen. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die PrüfvV auf "Kodierstreitigkeiten" nicht anwendbar. Die Klägerin habe auch keine Korrektur der Rechnung vorgenommen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.406,62 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.8.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte berief sich zunächst auf das Gutachten des MDK, wonach die Nebendiagnose K62.5 zu streichen sei. Im Laufe des Verfahrens lies die Beklagte die beigezogene Patientenakte noch einmal ärztlich begutachten. Die Beklagte kam – nachdem die vollständigen Patientenakten vorgelegt wurde - zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die Rechnung hinsichtlich der Nebendiagnosen zutreffend kodiert habe (vgl. Bl. 28 der Gerichtsakte). Allerdings habe die Klägerin dem MDK die angeforderten Unterlagen nicht vollständig zur Verfügung gestellt. Daher sei der Anspruch gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV entfallen. Die Beklagte verwies auf Entscheidungen von Sozialgerichten, die ihre Auffassung bestätigen sollen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, den Inhalt der Patientenakte und auf den Inhalt der Gerichtsakte.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Vergütung der Krankenhausbehandlung gegenüber der Beklagten mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung von Behandlungskosten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.12.2008, Az. B 1 KN 1/07 KR R m.w.N.). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert.

II.

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von 2.406,62 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.8.2015.

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V (in der hier anzuwendenden Fassung vom 26.3.2007) i.V.m. § 7 S. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG - in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 15.7.2013), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG - in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 15.7.2013), dem maßgeblichen Fallpauschalen-Katalog und den Abrechnungsbestimmungen gemäß § 9 KHEntgG sowie dem zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den entsprechenden Krankenkassen bzw. deren Verbänden geschlossenen Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 SGB V für das Land Hessen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (vgl. Urteil des Bundessozialgericht vom 25.11.2010, Az. B 3 KR 4/10 R).

2. Der Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 2.406,62 EUR - der hier zunächst unstreitig entstanden war -, ist im vorliegenden Fall nicht durch eine Aufrechnung der Beklagten mit einer öffentlich-rechtlichen Erstattungsforderung bezüglich der Behandlung der Versicherten E. E. gemäß § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog untergegangen. Ein solches Recht zur Aufrechnung aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stand der Beklagten in Bezug auf die Behandlung des Versicherten E. E. nicht zu, da es bereits an einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch fehlt.

Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, herzuleiten. Er tritt bei öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Für einen solchen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist Voraussetzung, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. dazu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Im vorliegenden Fall ist die Rechtsbeziehungen zwischen dem klagenden Krankenhausträger und der beklagten Krankenkasse zwar öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Jedoch hat die Beklagte die Zahlung auf die Rechnung der Klägerin vom 10.6.2015 für die Behandlung der Versicherten E. E. nicht ohne Rechtsgrund geleistet.

Im Einzelnen:

a) Zwischen den Beteiligten ist inzwischen unstreitig, dass im Rahmen der stationären Behandlung der Versicherten E. in der Zeit vom 10.4.2015 bis zum 7.5.2015 die Nebendiagnose K62.5 zu kodieren war und die Klägerin insoweit ihrer Rechnung richtig kodiert hatte. Daran hat die Kammer ebenfalls keine Zweifel.

Auf die ursprünglich behauptete Streichung der Nebendiagnose K62.5 kann sich die Beklagte zur Begründung ihres behaupteten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs somit nicht berufen.

b) Ebensowenig kann sich die Beklagte mit Erfolg darauf berufen, dass § 7 Abs. 2 PrüfvV oder § 7 Abs. 5 PrüfvV den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch begründen kann.-

§ 7 Abs. 2 S. 2 bis 4 PrüfvV sieht zwar vor:

"Bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren kann der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag."

Und § 7 Abs. 5 PrüfvV regelt außerdem:

"Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen sind nur einmalig möglich. Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Absatz 2 an die Krankenkasse erfolgen. Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfanlasses nach § 6 Absatz 3 Satz 4 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen. Je nach Eingang der Korrektur bzw. der Ergänzung verlängert sich die Gesamtprüffrist nach § 8 Satz 3 entsprechend. § 275 Absatz 1c Satz 3 SGB V findet auf Prüfungen, die aufgrund dieser Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen, keine Anwendung."

Die Argumentation der Beklagten im Hinblick auf diese Regelungen vermag jedoch gleich aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen.

Im Einzelnen:

(1) Zwar sprechen die vorliegenden Unterlagen in der Tat dafür, dass dem MDK bei der anfänglichen Prüfung die angeforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegen haben. Dies hat der MDK in seinem Gutachten vom 28.7.2015 auch ausdrücklich moniert.

Trotzdem kann sich die Beklagte hier nicht mit Erfolg auf § 7 Abs. 2 PrüfvV oder § 7 Abs. 5 PrüfvV berufen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts soll die PrüfvV bei Prüfungen der Kodierung, also der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gerade keine Anwendung finden. So heißt es etwa in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.10.2016 (Az. B 1 KR 18/16 R):

"Entgegen der Auffassung des SG kann aus dem Inhalt der zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossenen Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) nicht abgeleitet werden, dass die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ebenfalls von § 275 Abs 1c SGB V erfasst ist. Die PrüfvV ist auf Grund der Ermächtigung des § 17c Abs 2 KHG (idF des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.7.2013, BGBl I 2423) mit Wirkung zum 1.9.2014 in Kraft getreten (§ 12 Abs 1 S 1 PrüfvV). § 17c Abs 2 S 1 KHG ermächtigt die Vertragsparteien dazu, das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V zu regeln. Welche Prüfgegenstände eine PrüfvV haben kann, wird somit durch § 275 Abs 1c SGB V vorgegeben. Anlass zur Schaffung einer PrüfvV hatte der Gesetzgeber gesehen, weil die Vertragsparteien auf Landesebene nicht in allen Bundesländern Verträge insbesondere zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung geschlossen haben (vgl § 112 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 2 SGB V) und weil bestehende Regelungsinhalte - nach Auffassung des Gesetzgebers - nur sehr allgemein gehalten und oft veraltet seien (vgl BT-Drucks 17/13947 S 38). Die im Schrifttum (vgl Knispel, GesR 2015, 200, 206) vertretene Auffassung, es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, "Meinungsverschiedenheiten über Kodier- und Abrechnungsfragen" (Bezugnahme auf BT-Drucks 17/13947 S 38 f) ebenfalls der PrüfvV zu unterstellen, sodass § 275 Abs 1c SGB V auch Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit erfassen müsse, findet im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien zu § 17c Abs 2 KHG keine Grundlage. Ausführungen zu Meinungsverschiedenheiten über Kodier- und Abrechnungsfragen können den Gesetzesmaterialien nur im Zusammenhang mit der in § 17c Abs 3 KHG geschaffenen Ermächtigung zur Schaffung eines Schlichtungsausschusses auf Bundesebene für Kodier- und Abrechnungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entnommen werden (BT-Drucks 17/13947 S 38 f). Die Gesetzesmaterialien zu § 17c Abs 2 KHG lassen keinen Rückschluss auf den Inhalt des § 275 Abs 1c SGB V zu." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Legt man diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall zugrunde, so kann sich die Beklagte hier gerade nicht auf § 7 Abs. 2 PrüfvV oder § 7 Abs. 5 PrüfvV berufen, da die PrüfvV bei Streitigkeiten über die Kodierung von Nebendiagnosen eben gar nicht anwendbar sein soll und hier nur noch die Kodierung der Nebendiagnose K62.5, also eine Frage der schlich-rechnerischen Richtigkeit der Kodierung, zwischen den Beteiligten im Streit steht

(2) Darüber hinaus ist die Kammer der Auffassung, dass die Beklagte sich auch deshalb auf § 7 Abs. 2 S. 4 PrüfvV bzw. § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht mit Erfolg berufen kann, da die Vertragsparteien der PrüfvV auch nicht berechtigt sind, Anspruchsausschlüsse zu vereinbaren. Denn dies ist von der gesetzlichen Grundlage in § 17c Abs. 2 KHG nicht gedeckt.

Zunächst verweist das Gericht insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Kassel im Gerichtsbescheid vom 25.11.2016 (Az. S 12 KR 594/15). Darin heißt es:

"Unmittelbar aus dem Gesetz lässt sich danach allein die Ermächtigung zur Regelung von Verfahrensfragen ableiten, nicht mehr und nicht weniger, wobei die vorgenannten Regelungen nach Auffassung des erkennenden Gerichts dann auch und gerade keine Ermächtigung zur Festlegung über die im SGB V ausdrücklich gesetzlich geregelten materiellen Einwendungs- und Ausschlussfristen hinaus beinhalten. Eine solche Kompetenz/Legitimation käme den "Vertragspartnern" der PrüfvV - weder für noch gegen die Beklagte - nicht zu, sie wäre nicht von § 17c Abs. 2 KHG gedeckt. In diesem Zusammenhang verwiesen sei auf das BSG-Urteil vom 19. April 2016, B 1 KR 33/15 R (veröffentlicht u.a. in juris und unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), wonach dann auch über die gesetzliche Ermächtigung und § 275 SGB V hinausgehende Leistungsausschlüsse, sollten solche aus der PrüfvV tatsächlich herleitbar sein, ebenfalls zu einer Teilnichtigkeit auch der PrüfvV führen dürften. Diese soll nämlich als Prüfverfahrensvereinbarung allein verfahrensrechtliche Fragen regeln; allein hierzu waren der GKV-Spitzenverband und die Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. gesetzlich ermächtigt und nicht darüber hinaus zur Normierung "übergesetzlicher" Leistungsausschlüsse"

Ebenso verweist die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgericht Detmold im Urteil vom 31.3.2017, Az. S 24 KR 230/16. Darin heißt es:

"Die Beklagte hat keine Einwände gegen die Ausführungen des Sachverständigen erhoben. Soweit sie die Ansicht vertritt, dass aus der PrüfvV ein Einwendungsausschluss bzw. ein Beweisverwertungsverbot für das Gerichtsverfahren resultiere, weil die Klägerin den OP-Bericht nicht innerhalb von vier Wochen an den MDK übersandt haben soll, folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Selbst wenn man davon ausginge, dass der OP-Bericht tatsächlich nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV an den MDK übersandt wurde, folgt daraus weder eine Präklusion in medizinisch-tatsächlicher Hinsicht noch eine eingeschränkte Amtsermittlung durch das Gericht. Ein solcher Schluss kann der PrüfvV nämlich nicht entnommen werden. Die Inhalte der PrüfvV sind nach § 2 Abs. 2 PrüfvV für die Krankenkassen, den MDK und die zugelassenen Krankenhäuser zwar unmittelbar verbindlich. Diese Verbindlichkeit bezieht sich aber nur auf das Prüfungsverfahren selbst, nicht auf ein sich hieran anschließendes Gerichtsverfahren. Wenn die Vertragsparteien der PrüfvV eine solche weitreichende Rechtsfolge beabsichtigt hätten, hätten sie das auch ausdrücklich regeln müssen. Die PrüfvV als untergesetzliche Norm ist nicht geeignet, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nach dem SGB V einzuschränken. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 33/15 R -, juris) sind materiell-rechtliche Ausschlussfristen zu Lasten der Versichertengemeinschaft unzulässig, weil sie zur Folge haben, dass Krankenkassen verpflichtet werden, im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot Vergütungen auch für nicht erforderliche Krankenhausbehandlungen zu zahlen, und zudem gehindert sind, eigene Erstattungsansprüche im Falle von ungerechtfertigten Überzahlungen geltend zu machen. Gleiches muss auch für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gelten. Dessen ungeachtet ist fraglich, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV überhaupt als Ausschlussfrist konzipiert ist, weil die Vertragsparteien der PrüfvV darin anders als etwa in § 6 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV und § 8 Satz 4 PrüfvV - nicht davon sprechen, dass es sich um eine Ausschlussfrist handele. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, weil auch die Konzeption als Ausschlussfrist keine Auswirkungen auf das Gerichtsverfahren hätte."

Diesen überzeugenden Ausführungen in den Urteilen des Sozialgerichts Kassel und des Sozialgerichts Detmold schließt sich die Kammer an. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Vertragsparteien der PrüfvV nicht berechtigt sind Leistungsausschlüsse zu vereinbaren. Dazu fehlt es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Dafür spricht nach Auffassung der Kammer im Übrigen auch der Wortlaut des § 17c KHG. Darin heißt es nämlich:

"Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft regeln das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Absatz 1c Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über den Zeitpunkt der Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen; die §§ 275 bis 283 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bleiben im Übrigen unberührt. Kommt eine Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zu Stande, trifft auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 6 die ausstehenden Entscheidungen. Die Vereinbarung oder Festsetzung durch die Schiedsstelle ist für die Krankenkassen, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und die zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich." (Hervorhebung in Fettdruck durch das Gericht)

Aus dem Wortlaut des § 17c KHG kommt also eindeutig zum Ausdruck, dass einerseits die Vertragsparteien nur das "Verfahren" der Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V regeln dürfen (und keine Leistungsausschlüsse) und andererseits kommt zum Ausdruck, dass Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen nur zulässig sind, soweit die Vertragsparteien in § 17c Abs. 2 KHG ausdrücklich dazu ermächtigt werden, nämlich nur im Hinblick auf die Regelung des 275 Abs. 1c S. 2 SGB V. Hätte der Gesetzgeber eine weitergehende Regelungskompetenz für Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen, etwa zur Vereinbarung von gesetzlich nicht vorgesehenen Leistungsausschlüssen zugunsten der Vertragsparteien der PrüfvV normieren wollen, hätte er dies ausdrücklich in die Rechtsgrundlage für die Vereinbarung der PrüfvV hineinschreiben müssen.

c) Aus den dargelegten Gründen war der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Hauptanspruchs in vollem Umfang stattzugeben.

3. Die Nebenentscheidung zu den Zinsen basiert auf dem Hessischen Landesvertrags nach § 112 SGB V. Einwände gegen die geltend gemachten Zinsen sind von der Beklagten auch nicht erhoben worden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt die Beklagte als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens. Soweit die Beklagte wünscht, dass der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, sieht die Kammer dafür aus den dargelegten Gründen keinen Raum.
Rechtskraft
Aus
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