L 16 RJ 72/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 RJ 986/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RJ 72/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der Kläger, geboren 1942, hatte in der ehemaligen DDR von 1958 bis 1960 als Elektromechanikerlehrling (ohne Abschluss) gearbeitet, von 1964 bis 1968 als Kellner sowie anschließend bis 1982 als Kraftfahrer, von 1982 bis 1984 als sogenannter Schichtverantwortlicher in der Warenannahme und von 1985 bis 1994 - mit Unterbrechung - als Wachmann, und zwar zuletzt bei der Firma J& Partner. Danach war der Kläger nochmals im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von Januar bis August 1997 als Fahrgastbetreuer beschäftigt und kurzzeitig (17. Juni 1998 bis 1.Juli 1998) als Katalogzusteller. Das letzte versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bestand vom 1. Dezember 1998 bis November 1999; der Kläger war als Hausmeistergehilfe eingesetzt. Seither ist der Kläger arbeitslos gemeldet; vom 26. September 2000 bis 12. April 2001 bezog er Krankengeld. Die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 18. Juli 2002).

Bei dem Kläger war zunächst ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt worden, der mit Abhilfebescheid des Versorgungsamts Berlin vom 14. Dezember 2000 auf 60 erhöht wurde (Widerspruchsbescheid vom 22. März 2001); als Behinderungen sind festgestellt: Diabetes mellitus, Wirbelsäulenfehlhaltung, degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, Lendenwirbelsäule, Wurzelreizerscheinungen, Hörbehinderung, Ohrgeräusche, Bluthochdruck, chronische Gastritis.

Anträge des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation vom August 1995 undvom November 2000 blieben erfolglos (Bescheide vom 3. November 1995 und vom 9. Februar 2001). Auf den Rentenantrag vom Juni 2000 ließ die Beklagte den Kläger nach Beiziehung verschiedener medizinischer Unterlagen (u.a. Computertomographie- und Röntgenbefunden sowie eines Entlassungsberichts des Krankenhauses H, Abt. Innere Medizin, vom 27. Juli 2000) durch die Ärztin für Innere Medizin Dr. R-S untersuchen und begutachten. Diese Ärztin hielt den Kläger unter Berücksichtigung der aufgeführten Befunde (insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Hypertonie, Angina pectoris-Symptomatik, beginnende chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, Wirbelsäulensyndrom, psychisches Syndrom, Glaukom) im Rahmen leichter bis gelegentlich mittelschwerer Arbeiten noch für vollschichtig einsetzbar (Gutachten vom 23. August 2000). In einem weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 24. September 2000 führte die Ärztin Dr. S als im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehend körperliche Beschwerden an, insbesondere Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule. Zusammenfassend sei das Leistungsvermögen als erheblich gefährdet anzusehen, auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehe jedoch keine Erkrankung, die eine wesentliche Einschränkung des Leistungsvermögens bedinge. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. Oktober 2000 den Rentenantrag ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. März 2001).

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin ein arbeitsamtsärztliches Gutachten der Dipl.-Medizinerin B vom 5. Oktober 1998, einen Bericht über eine kardiologische Untersuchung des Klägers in der Gemeinschaftspraxis P/Dr. W vom 27. November 2000 und Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 4. April 2001 und vom 23. Mai 2001 sowie einen Bericht des Krankenhauses H vom 27. Juli 2000 (stationäre Behandlung des Klägers vom 10. Juli bis 27. Juli 2000) beigezogen. Das SG hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers erstatten lassen, und zwar von der Ärztin für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. A vom 25. Juni 2001, von dem Urologen Dr. F vom 25. Juni 2001, von dem Chirurgen Dr. D vom 25. Juni 2001, von der Dipl.-Medizinerin - Augenärztin - S vom 26. Juni 2001, von der Fachärztin für Physiotherapie Dr. M vom 29. Juni 2001, von den Fachärzten für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dres. L u.a. vom 11. Juli 2001, von dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. S vom 11. Juli 2001 nebst Befundbericht/CT vom 9. November 2000, von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 17. Juli 2001, von dem Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie Prof. Dr. S vom 26. Juli 2001 nebst Anlagen, von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 30. Juli 2001, von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. R vom 12. August 2001 nebst Anlagen sowie von der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. F vom 20. August 2001. Beigezogen hat das SG außerdem Berichte der Röntgenpraxis Dr. K/D vom 1. Juli 1998, 26. März 1999, 2. August 2000, 29. Januar 2001 und 30. Mai 2001 und des Röntgeninstituts Dr. B/Dr. S vom 19. Februar 2001.

Das SG hat den Praktischen Arzt M als Sachverständigen eingesetzt. Nachdem der Kläger drei Einladungen zur Untersuchung bei diesem Sachverständigen ohne Angabe von Gründen nicht gefolgt war, hat der Arzt M ein Gutachten nach Aktenlage vom 3. Mai 2002 erstattet. Auf den Inhalt dieses Gutachtens wird Bezug genommen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. August 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU oder auch BU. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe werde abgesehen, da sich das Gericht der Begründung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen in vollem Umfang anschließe. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Kläger noch in der Lage sei, körperlich leichte Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Die vom Gericht angestellten Ermittlungen hätten gegenüber der Beurteilung im Verwaltungsverfahren keine neuen Erkenntnisse erbracht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen BU. Er habe zuletzt ungelernt als Hausmeisterhilfe und davor langjährig ebenfalls ungelernt als Wachmann gearbeitet, so dass er sich sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen müsse, die ihm gesundheitlich noch möglich seien.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Rentenbegehren weiter. Er trägt vor: Er möchte amtsärztlich neu untersucht werden, denn durch die Verschlechterung seiner Gesundheit allgemein und stärkere dauerhafte Schmerzen könne er nicht mehr arbeiten.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2001 zu verurteilen, ihm ab 1. Juni 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und das Sachverständigengutachten des Arztes M Bezug genommen.

Die Akte des Versorgungsamts Berlin, die Akten der Beklagten (Renten- und Rehabilitationsakten) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU oder auch nur auf Rente wegen BU für die Zeit ab 1. Juni 2000. Denn er war und ist nicht berufsunfähig und damit erst recht nicht erwerbsunfähig.

Das Rentenbegehren des Klägers bestimmt sich noch nach den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), weil der Kläger seinen Rentenantrag im Juni 2000 gestellt hat und Rente wegen Erwerbsminderung (auch) für Zeiträume vor dem 1. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. EU besteht hingegen bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,- DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt (§ 44 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. SGB VI). Da die EU an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als die BU, folgt aus der Verneinung von BU ohne weiteres das Fehlen von EU (ständige Rechtsprechung: vgl. z.B. BSG, Urteil vom 14. Juli 1999 - B 13 RJ 65/97 R - nicht veröffentlicht).

Der Kläger war und ist nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Erst recht liegen bei ihm daher die Voraussetzungen der EU nicht vor.

Ausgangspunkt für die Prüfung von BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der „bisherige Beruf“ des Versicherten (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 107, 169; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 43/99 R - nicht veröffentlicht). Grundsätzlich ist dies die letzte nicht nur vorübergehend ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 43/99 R -). Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 66).

Der Kläger hatte zwar nach seinen eigenen Angaben eine Ausbildung zum Kellner absolviert und diese Ausbildung auch abgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Beschäftigung als Kellner aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben haben könnte, sind aber nicht zu ersehen und auch vom Kläger nicht vorgebracht worden. Das Gleiche gilt für die bis 1982 ausgeübte Beschäftigung eines Kraftfahrers; auch insoweit ist für eine Beschäftigungsaufgabe aus gesundheitlichen Gründen nichts ersichtlich. Als bisheriger Beruf ist demgemäß die vom Kläger langjährig in der Zeit von 1985 bis 1994 verrichtete Tätigkeit eines Wachmanns der rentenrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Denn die nachfolgend übernommenen Beschäftigungen eines Fahrgastbetreuers, Katalogzustellers und Hausmeistergehilfen sind nur im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und damit vorübergehend übernommen worden (Fahrgastbetreuer, Hausmeistergehilfe) bzw. nur kurzzeitig ausgeübt worden (Katalogzustel-ler) und scheiden damit als bisheriger Beruf aus. Diese Beschäftigungsverhältnisse lassen zudem auch keine höhere Wertigkeit als die eines Wachmanns erkennen.

Es steht zwar zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seinen bisherigen Beruf als Wachmann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Denn eine Wachmanntätigkeit wird, wie allgemein bekannt ist, überwiegend im Stehen ausgeübt. Nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen M ist der Kläger aber nur noch regelmäßig belastbar, wenn die Tätigkeit im Wechsel der Haltungsarten ausgeübt wird.

Gleichwohl ist der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Denn ein Anspruch auf Rente wegen BU steht dem Versicherten erst dann zu, wenn für ihn keine sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mehr vorhanden ist, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich dabei nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zwecks Vornahme dieser Bewertung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung das sogenannte Mehrstufenschema entwickelt; dieses Schema untergliedert die Arbeiterberufe in verschiedene Berufsgruppen. Diese Berufsgruppen werden durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 132, 138, 140; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 43/99 R -).

Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas ist der Kläger allenfalls dem unteren Bereich der zweiten Berufsgruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen. Voraussetzung für die Zuordnung des Klägers zum oberen Bereich der Anlernberufe wäre nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass der Versicherte der Wertigkeit nach einen Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von zwei Jahren, zumindest aber eine Beschäftigung verrichtet hat, die eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von wenigstens zwölf Kalendermonaten erfordert (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; BSG, Urteil vom 27. Februar 1997 - 13 RJ 9/96 - nicht veröffentlicht). Dafür, dass eine Beschäftigung als Wachmann eine Ausbildungszeit von mindestens zwölf Kalendermonaten erforderte, ergibt sich aber nicht der geringste Anhalt. Soweit im erstinstanzlichen Verfahren vom Kläger die entsprechenden Arbeitsverträge bzw. Arbeitszeugnisse angefordert worden sind, sind diese Unterlagen vom Kläger - ohne Angabe von Gründen - nicht eingereicht worden. Falls die Wachmanntätigkeit bei der Firma J & Partner eine höhere Wertigkeit gehabt haben sollte, geht die Nichterweislichkeit der diese höhere Wertigkeit begründenden Tatsachen jedenfalls zu Lasten des Klägers.

Aufgrund der Bewertung des bisherigen Berufs des Klägers als einer Anlerntätigkeit im unteren Bereich ist der Kläger aber sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, für die sein Restleistungsvermögen noch ausreicht. Denn grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (ständige Rechtsprechung: vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 43/99 R -). Ein Berufsschutz, der die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erforderte, steht dem Kläger wegen dieser - breiten - Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu.

Das Restleistungsvermögen des Klägers war und ist auch nicht derart eingeschränkt, dass ein Arbeitseinsatz auf dem weiten Feld des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen bzw. erheblich eingeschränkt erschiene. Aufgrund der Ermittlungen im erstinstanzlichen Verfahren ist klargestellt, dass durchgehend während des für das Rentenbegehren entscheidungserheblichen Zeitraums noch ein vollschichtiges Restleistungsvermögen des Klägers zumindest für körperlich leichte Tätigkeiten - mit bestimmten weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen - bestand und besteht. Sowohl die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten beauftragten Sachverständigen Dr. R-S und Dr. S als auch der im Gerichtsverfahren bestellte Sachverständige M haben dem Kläger übereinstimmend ein vollschichtiges Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten bescheinigt, und zwar durchgehend seit der Rentenantragsstellung im Juni 2000. Der Kläger hat auch keine Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen M vorgetragen. Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, er „möchte neu amtsärztlich untersucht werden“, ist darauf hinzuweisen, dass das Gutachten des Arztes M auf einer Vielzahl von Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers und auf zwei Gutachten des MDK beruht, die ihrerseits auf Untersuchungen des Klägers basieren. Da der Kläger weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren angegeben hat, aus welchen Gründen er den - dreimaligen - Einladungen zur Untersuchung bei dem Arzt Müller nicht gefolgt ist, bestand jedenfalls keine Veranlassung, den Kläger erneut - ergebnislos - zu einer Untersuchung bei einem Gerichtssachverständigen vorzuladen. Soweit der Kläger im Übrigen vorbringt, dass er wegen der Verschlechterung seiner Gesundheit und wegen stärkerer, dauerhafter Schmerzen nicht mehr arbeiten könne, wendet er sich ausschließlich gegen die Leistungsbeurteilung des Arztes M, ohne eine nach dem Urteil des SG bzw. nach der Begutachtung durch den Arzt M eingetretene konkrete Verschlechterung seines Leidenszustandes geltend zu machen, die neue Ermittlungen erforderte.

Das vollschichtige Restleistungsvermögen des Klägers ist nach den von Dr. R-S, Dr. S und dem Arzt M im Wesentlichen übereinstimmend festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart eingeengt, dass es einem Arbeitseinsatz des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde. Der Kläger kann zwar nach den von den Gutachtern getroffenen Feststellungen wegen seiner Leiden nur noch körperlich leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen und im Wechsel der Haltungsarten verrichten, wenn dabei eine einseitige körperliche Belastung, Zeitdruck, ein festgelegter Arbeitsrhythmus, das Arbeiten an laufenden Maschinen und in Nachtschicht sowie auf Leitern und Gerüsten vermieden werden. Insbesondere im Hinblick darauf, dass nach den Feststellungen des Arztes M die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit des Klägers für Tätigkeiten im Rahmen seiner Vorbildung nicht relevant eingeschränkt ist, besteht aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung, noch liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5/4 RA 58/97 R - nicht veröffentlicht). Es sind zwar bei dem Kläger Leistungseinschränkungen festgestellt worden, die teilweise über den Rahmen hinausgehen, der inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit der Vermeidung von extremen Klimata, Staub, Feuchtigkeit oder Zugluft (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R - nicht veröffentlicht). In ihrer Mehrzahl sind die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen aber nicht geeignet, das Feld leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Die bei dem Kläger im Wesentlichen vorliegenden Leistungseinschränkungen, d.h. das Arbeiten in geschlossenen Räumen, ohne Zeitdruck und ohne das regelmäßige Heben und Tragen von Lasten über 7,5 kg, zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und führen deshalb schon gar nicht zu einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung. Auch die Beschränkung beim Heben und Tragen von Lasten lauf 7,5 kg reicht nicht aus, um ein dem Kläger noch verbleibendes ausreichendes Arbeitsfeld zu verneinen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 87/96 - nicht veröffentlicht).

Im Übrigen konnte und kann der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch leichte Bürotätigkeiten verrichten, wie sie in der Tarifgruppe X des Bundesangestelltentarifvertrages erfasst sind. Das Gleiche gilt für leichte Sortier- und Verpackungstätigkeiten. Schließlich ist der Kläger gesundheitlich auch noch in der Lage, mit seinem Restleistungsvermögen die Tätigkeit eines einfachen Pförtners vollschichtig zu verrichten. Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung des Arztes M keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Konzentrations-, der Leistungs-, der Kontakt-, der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit und der Auffassungsgabe anzunehmen sind, kann der Kläger auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung bis zu drei Monaten vollwertig verrichten ebenso wie leichte Sortier- und Verpackungstätigkeiten.

Kann der Kläger aber mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen noch eine Reihe von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten, so ist er nicht nur nicht berufsunfähig (§ 43 Abs. 2 Satz 4 1. Halbs. SGB VI), sondern erst recht nicht erwerbsunfähig (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 1. Halbs. SGB VI). Denn EU erfordert noch weitergehende Einschränkungen als diejenigen, die bei der BU gegeben sein müssen. Da nach den von dem Arzt M getroffenen Feststellungen auch Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle bei dem Kläger nicht zu berücksichtigen sind und damit von einer uneingeschränkten Wegefähigkeit auszugehen ist, kommt es darauf, ob der Kläger einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhält, nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Versicherte wie den Kläger derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, spielt für die Feststellung von EU oder BU keine Rolle (vgl. §§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 2. Halbs., 43 Abs. 2 Satz 4 2. Halbs. SGB VI).

Auch nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht besteht schließlich kein Anspruch des Klägers auf Erwerbsminderungsrente, weil die nunmehr geltenden Rechtsvorschriften noch weitergehende Leistungsvoraussetzungen normieren als das bisherige Erwerbsminderungsrentenrecht (vgl. §§ 43, 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 - BGBl. I S. 1827).

Hinzuweisen bleibt darauf, dass inzwischen die Voraussetzungen für den Bezug von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfüllt sein dürften.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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