Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 RJ 2291/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RJ 14/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2000 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergericht- lichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft (noch) die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit von November 1998 bis Oktober 2000.
Die 1970 geborene Klägerin besuchte bis zur 10. Klasse die Schule und nahm im September 1987 ein Studium zum Beruf der Grundschulpädagogin auf, das sie am 10. September 1990 abbrach. Vom 11. September 1990 bis zum 8. September 1993 durchlief sie eine Ausbildung zur Friseurin, die sie erfolgreich abschloss. Anschließend war sie als Friseurin beschäftigt und befand sich vom 20. April 1995 bis zum 28. Juni 1995 im Mutterschutz. Danach befand sie sich für drei Jahre im Erziehungsurlaub. Während dieser Zeiten bestand das Arbeitsverhältnis zur "B H GmbH" fort. Nach Ablauf des Erziehungsurlaubs kündigte sie es aus gesundheitlichen Gründen und bezog ab Mai 1998 Arbeitslosengeld.
Bereits am 7. April 1997 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt und zur Begründung auf einen 1993 erlittenen Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulen-Bereich verwiesen, weshalb sie nicht mehr stehend, gehend oder sitzend tätig sein könne.
Die Beklagte ließ die Klägerin von dem Arzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Akupunktur Dr. Z untersuchen, der in seinem Gutachten vom 1. Juli 1997 zu dem Ergebnis kam, bei der Klägerin bestehe ein Bandscheibenprolaps C 5/6. Zwar sei die klinische Beweglichkeit endgradig eingeschränkt und bestehe zur Zeit eine Belastungseinschränkung bei statischer Tätigkeit. Leichte Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten, auch als Friseurin, könne die Klägerin jedoch noch vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 23. Juli 1997 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Dagegen erhob diese Widerspruch und legte ein Attest des Arztes JS vom 30. Juli 1998 sowie einen Bericht über eine Computertomographie vom 28. Juli 1998 vor. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten von dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. Z vom 2. September 1998 ein, in dem es heißt, der Befund sei nicht ganz eindeutig und signifikant für die geklagten Beschwerden. Neurologisch hätten sich keine objektivierbaren Befunde erheben lassen. Es bestünden unklare rechtsseitige Beinschmerzen ohne neurologisches Korrelat, ein mitgeteilter Vorfall L 5/S 1, HWS/LWS-Beschwerden mit psychogen überlagerten Cervico-Cephalgien und ein Verdacht auf Psychosomatose (Rentenbegehren). Die Klägerin könne vollschichtig körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bzw. Gehen und ohne häufiges Bücken, Überkopfarbeit, häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie ohne besonderen Zeitdruck verrichten. Als Friseurin sei sie nicht vollschichtig einsetzbar.
In dem zusätzlich eingeholten Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychia- trie Dr. S vom 15./16. Oktober 1998 wird die Diagnose gestellt auf Verdacht auf Schmerzverarbeitungsstörung, Halswirbelsäulen-Syndrom bei computertomographisch nachgewiesenem rechtsmediolateralem Bandscheibenvorfall in Höhe C 5/ C6 und Lumboischialgien rechts ohne manifeste Wurzelkompression. Als Friseurin sei die Klägerin nur bedingt belastbar, im Übrigen bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen.
Durch Bescheid vom 5. November 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe im April 1995 habe die Klägerin erst 56 Beitragsmonate zurückgelegt gehabt, so dass kein Berufsschutz bestehe. Sie sei deshalb auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Insoweit sei sie jedoch noch vollschichtig einsatzfähig.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und geltend gemacht, ihr stehe Berufsschutz als Friseurin zu, da sie den Beruf erst im Mai 1998 aufgegeben habe. Als Friseurin könne sie nicht mehr arbeiten.
Die Klägerin hat ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Landesarbeitsamtes Berlin vom 12. September 1998 vorgelegt, gemäß dem sie als Friseurin nicht mehr einsatzfähig, im Übrigen aber vollschichtig leistungsfähig sei.
In der Klageerwiderung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Klägerin sei als Facharbeiterin anzusehen, könne aber Tätigkeiten, auf die sie zumutbar verweisbar sei, noch verrichten.
Das Sozialgericht hat von den die Klägerin behandelnden Ärzten J S (10. März 1999) und Dr. L (23. April 1999) Befund- und Behandlungsberichte eingeholt und sodann den Arzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. A mit der Erstattung eines Gutachtens über die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen der Klägerin beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 17. August 1999 bei der Klägerin die Diagnosen gestellt auf ein Halswirbelsäulen-Syndrom bei Fehlstatik, eine Dorsolumbalgie und eine Gonalgie rechts. Er hat ausgeführt, die von der Klägerin angegebenen und bei der Untersuchung geklagten Beschwerden hätten teilweise nicht bestätigt werden können. Im Bereich der Halswirbelsäule habe der Bandscheibenvorfall C 5/6 nicht zu Lähmungserscheinungen oder Sensibilitätsstörungen geführt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe ein sequestrierter intra- und extraforaminaler Vorfall L 5/S 1. Im Bereich des rechten Kniegelenkes habe sich eine endgradige Beugehemmung ohne weitere pathologische Änderung ergeben. Die Klägerin könne noch für die volle übliche Arbeitszeit körperlich leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft und mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen sowie unter Vermeidung einseitiger körperlicher Belastung, nicht unter Zeitdruck und ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verrichten. Das Arbeiten im festgelegten Rhythmus, an laufenden Maschinen, in Wechsel- oder Nachtschicht solle vermieden werden. Früh- oder Spätschicht könne die Klägerin leisten. Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, ständige Überkopfarbeiten sowie solche mit einseitiger Belastung der Wirbelsäule seien zu vermeiden. Geistige Einschränkungen bestünden nicht. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstätte brauchten nicht berücksichtigt zu werden. Die Einschränkungen seitens der Beschwerden in der Halswirbelsäulen-Region bestünden seit 1997, seitens des rechten Kniegelenkes seit August 1997 und seitens der Lendenwirbelsäule seit März/April 1998. Nach Angaben der Klägerin hätten seit allen diesen Daten die Beschwerden an Häufigkeit und Intensität kontinuierlich zugenommen. Es bestehe eine begründete Aussicht, die Leistungsminderung zumindest teilweise zu beheben. Bei entsprechender Motivation zur kontrollierten, aktiven und kontinuierlichen Mit- und Eigenarbeit der Klägerin bei krankengymnastischen Maßnahmen und Eigenarbeit des Schmerzumgangs in einer Schmerzambulanz oder neurologisch gestützt, in Kombination mit intensiver, gezielter, ärztlicher Behandlung und Schmerzlinderung könnten die Beschwerden in weniger als sechs Monaten zumindest wesentlich gelindert werden und sich damit auch die Leistungsfähigkeit der Klägerin verbessern.
Die Beklagte hat eine sozialmedizinische Stellungnahme vorgelegt, gemäß der die Klägerin als Friseurin auf Dauer nur noch unter zwei Stunden arbeiten könne. Im Übrigen bestehe jedoch für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen.
Die Klägerin hat ein Attest des Arztes für Kinderheilkunde und Allgemeinmedizin Dr. L vom 22. September 1999 vorgelegt, gemäß dem ihre Bewegungsfähigkeit schmerzhaft eingeschränkt sei und Erwerbsunfähigkeit bestehe.
Das Sozialgericht hat zusätzlich einen Befund- und Behandlungsbericht von Dr. B vom 14. September 1999 eingeholt, in dem ausgeführt wird, das Leistungsvermögen der Klägerin sei qualitativ eingeschränkt.
Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen am 2. Februar 2000 verurteilt, der Klägerin ausgehend von einem im April 1998 eingetretenen Leistungsfall von November 1998 bis Oktober 2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin genieße als ausgebildete Friseurin Berufsschutz als Facharbeiterin. Sie habe die Ausbildung durchlaufen und den Beruf vollwertig verrichtet. Unerheblich sei, dass sie ihn nur 56 Monate ausgeübt habe, zumal sie die Tätigkeit auf Grund der Geburt eines Kindes beendet und anschließend einen Erziehungsurlaub angetreten habe. Nach dem eingeholten medizinischen Gutachten könne die Klägerin diesen Beruf nicht mehr ausüben, weil sie nur noch im Wechselrhythmus und ohne Einfluss von Feuchtigkeit und Zugluft tätig sein könne, eine Friseurin aber vorwiegend im Stehen arbeiten müsse und Feuchtigkeit und Zugluft ausgesetzt sei. Eine andere Tätigkeit, auf die die Klägerin zumutbar verweisbar wäre, habe die Beklagte nicht genannt. Das Sozialgericht sei nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte Beweise zu erheben. Da der Gutachter eine begründete Aussicht zur Behebung der Leistungsminderung sehe, sei ausgehend von einem vom Sachverständigen festgestellten Leistungsfall im April 1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit von November 1998 bis Oktober 2000 zu gewähren. Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor, da die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne.
Gegen das ihr am 3. März 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. März 2000 erhobene Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage in vollem Umfang erstrebt. Sie meint, die Klägerin genieße keinen Berufsschutz, weil sie bei Aufgabe der Beschäftigung noch keine 60 Kalendermonate Versicherungszeit zurückgelegt gehabt habe. Sie habe am 19. April 1995 ihre Beschäftigung als Friseurin aufgegeben und sich seit dem 20. April 1995 im Mutterschutz befunden. Zu dieser Zeit habe sie lediglich für 56 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet und die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt gehabt. Danach sei die Wartezeit nicht durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung, sondern lediglich durch Kindererziehungszeiten zurückgelegt worden, die keinen Berufsschutz begründen könnten. Außerdem hätte der Beklagten Gelegenheit gegeben werden müssen, Verweisungstätigkeiten zu benennen. Hilfsweise würden nunmehr benannt: Kosmetikerin, Nagelmodellistin, Kosmetikverkäuferin, Parfümeriewarenverkäuferin, Drogistin und Rezeptionistin. Allerdings könne die Klägerin sogar noch als Friseurin arbeiten, da Auflagen der Berufsgenossenschaft bestünden, dass pro Mitarbeiter in einem Friseurbetrieb ein höhenverstellbarer Haarschneidestuhl zur Verfügung stehen müsse, so dass teilweise im Sitzen gearbeitet werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2000 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, Schwangerschaft und Erziehungsurlaub dürften nicht zu einer versicherungsrechtlichen Benachteiligung führen. Ohne Schwangerschaft wäre sie weiterhin als Friseurin tätig gewesen und hätte bis zum Eintritt des Leistungsfalles im April 1998 die Wartezeit erfüllt gehabt. Die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten könne sie teilweise wegen mangelnder Kenntnisse, teilweise aus gesundheitlichen Gründen nicht verrichten.
Nachdem die Klägerin eine Allergie gegen Terpentin und Hydrochinon, die in Kosmetika enthalten seien, geltend gemacht hatte, hat der Senat einen Befund- und Behandlungsbericht von der die Klägerin behandelnden Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten UF vom 3. März 2003 eingeholt, in dem ein Behandlungsbeginn am 24. Januar 2002 mitgeteilt wird. Die Beklagte hat dazu eine Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes vorgelegt, wonach die Untersuchungsergebnisse keine gesundheitlichen Einschränkungen für Tätigkeiten im Friseur- und Kosmetikbereich begründeten.
Der Senat hat ferner in einem anderen Gerichtsverfahren erteilte Auskünfte des Landesarbeitsamtes Bayern vom 21. Juli 2000 sowie der "E H G" vom 22. August 2001, der M U GmbH vom 25. September 2001 und der F-Innung Berlin vom 17. September 2001 zur Einsatzmöglichkeit von
Rezeptionistinnen beigezogen sowie von der F-Innung eine Auskunft über die beruflichen Einsatzmöglichkeiten einer leistungsgeminderten Friseurin eingeholt. Der Sachverständige D S hat am 5. März 2004 erklärt, in Anbetracht der angeführten Behinderungen, der Einschränkungen und der Allergie halte er eine Tätigkeit der Klägerin im Friseurberuf für ausgeschlossen. Von den alternativen Tätigkeiten komme mit geringer Wahrscheinlichkeit die einer Rezeptionistin mit einer Einarbeitungszeit von drei Monaten in Betracht. Für diese Tätigkeit stünden allerdings keine Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl zur Verfügung. Bei bestimmten bestehenden Allergien reichten manchmal Handschuhe nicht aus, auch feinste Verteilung in der Raumluft könne die Allergie auslösen.
Schließlich hat der Senat den selbständigen Friseurmeister D S als Sachverständigen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Mai 2004 Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin - S 29 RJ 2291/98 - sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten - - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht erhobene sowie statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) Berufung der Beklagten ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide der Beklagten sind jedenfalls in dem Umfang, in dem sie das Sozialgericht geändert (fälschlich als Aufhebung bezeichnet) hat, rechtswidrig. Der Klägerin steht für den Zeitraum von November 1998 bis Oktober 2000, der allein Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, Rente wegen Berufsunfähigkeit zu.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches, 6. Buch - SGB VI - in der hier gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin hatte die versicherungsrechtlichen Erfordernisse unter Zugrundlegung eines Eintritts der Berufsunfähigkeit im Jahre 1998 erfüllt, wie ausweislich des dem Bescheid vom 1. August 1997 beigefügten Versicherungsverlauf zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist. Sie war auch berufsunfähig.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeit gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Auszugehen ist von dem "bisherigen Beruf" des Versicherten. Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, das heißt mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der Unfähigkeit aus den in § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. genannten Gründen oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben. In diesem Falle hängt der Rentenanspruch davon ab, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und gesundheitlich wie fachlich noch bewältigt werden kann. Dabei richtet sich die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes - BSG - die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehr-Stufen-Schema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R -, Sozialrecht 3-2200 § 1246 Nr. 61 m.w.N.). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden.
"Bisheriger Beruf" der Klägerin ist der einer Friseurin. Diesen hat sie erlernt und versicherungspflichtig ausgeübt. Unerheblich ist, dass vor Beginn des Mutterschutzes und der Kindererziehungszeit die Wartezeit von 60 Kalendermonaten Versicherungszeit noch nicht erfüllt war. Für den Berufsschutz ist es nicht erforderlich, dass der "bisherige Beruf" selbst 60 Kalendermonate verrichtet worden sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1980 - 1 RJ 62/79 -, Sozialrecht 2200 § 1246 Nr. 62). Der Schutz entfällt nur, wenn sich der Versicherte bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von dieser Tätigkeit "gelöst" hat (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 1963 - 5 RKn 48/60 -, BSGE 19, 279). Eine "Lösung" liegt jedoch erst vor, wenn der Versicherte diesen Beruf erkennbar nicht weiter ausüben will und sich insbesondere endgültig einer anderen versicherungspflichtigen Beschäftigung zuwendet (Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom VDR - VerbKomm -, § 240 Anm. 11.2.2). Dafür reicht es nicht aus, dass der Versicherte aus der Erwerbstätigkeit ausscheidet, etwa arbeitslos wird oder aus anderen Gründen - gegebenenfalls auch für längere Zeit - keine Beschäftigung mehr ausübt (BSG, Urteil vom 24. April 1980, a.a.0.). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Klägerin bei Beginn des Mutterschutzes oder der Kindererziehungszeit ihren Beruf aufgeben wollte, vielmehr hat sie ausdrücklich das Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie nach der Kindererziehungszeit wieder als Friseurin arbeiten wollte. Jedenfalls ist aber eine "Lösung" nicht erwiesen. Die Folgen der Beweislosigkeit einer Tatsache muss auch im Sozialrecht derjenige tragen, der daraus Rechte herzuleiten sucht (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 -, BSGE 6 Seite 70). Das ist vorliegend die Beklagte, die wegen einer "Lösung" den Berufsschutz der Klägerin bestreitet.
Vor Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten war auch noch keine Berufsunfähigkeit eingetreten, denn ausweislich des Gutachtens des von der Beklagten gehörten Orthopäden Dr. Z konnte die Klägerin ungeachtet ihrer gesundheitlichen Regelwidrigkeiten jedenfalls im Juli 1997 noch uneingeschränkt in allen Haltungsarten, auch als Friseurin, vollschichtig tätig sein.
Zwar kann allein aus Kindererziehungszeiten kein besonderer Berufsschutz hergeleitet werden. Vielmehr ist, wenn neben den Kindererziehungszeiten Pflichtbeiträge vorliegen, hinsichtlich des Berufsschutzes auf die versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit abzustellen ( vgl. VerbKomm, a.a.0., § 240 Anm. 11.5). Im Übrigen wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn eine dem Schutz der Mutter dienende Regelung zum Leistungsausschluss führen würde (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 2003 - B 7 AL 28/03 R -, SozR 4-4300 § 142 Nr. 1). Schließlich zeigt nach Auffassung des Senats auch die Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 38 Satz 2 Nr. 2 und §§ 3, 4 SGB VI a.F., dass der Gesetzgeber den dort genannten Zeiten (etwa der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, der Kindererziehung) hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit eine volle rechtserhaltende Wirkung beilegen wollte.
Ihren Beruf als Friseurin oder eine andere ihr sozial zumutbare Beschäftigung konnte die Klägerin jedoch in dem hier strittigen Zeitraum nicht mehr ausüben. Das ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Senats zum einen aus den beigezogenen berufskundlichen Auskünften und den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen D S bei der Anhörung am 25. Mai 2004, zum anderen aus dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des Arztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. A vom 17. August 1999. Durch dieses Gutachten ist hinreichend geklärt, an welchen Gesundheitsstörungen die Klägerin litt und wie sich auf ihre Leistungsfähigkeit auswirkten. Der Senat hat keine Bedenken, den darin getroffenen Feststellungen zu folgen. Das ausführliche Gutachten berücksichtigt sämtliche erreichbaren Vorbefunde und stützt sich auf die Ergebnisse eigener Untersuchungen. Es ist in sich widerspruchsfrei, in ihm sind im Wesentlichen die gleichen Gesundheitsstörungen beschrieben, die auch bei früheren Begutachtungen und bei den die Klägerin behandelnden Ärzten in Erscheinung getreten sind. Die erhobenen Befunde sind darin eingehend und gründlich gewürdigt worden. Sachliche Einwendungen gegen das Gutachten hat die Beklagte nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich, vielmehr kommt insbesondere die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. G vom Ärztlichen Dienst der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 8. September 1999 im Wesentlichen zu denselben Leistungseinschränkungen wie Dr. A und hält die Klägerin nur für im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen auszuführende Tätigkeiten für einsatzfähig sowie für die Tätigkeit einer Friseurin auf Dauer nur noch für unter zwei Stunden täglich einsetzbar.
Nach den in dem Gutachten getroffenen Feststellungen, die demgemäß für den Senat maßgebend sind, konnte die Klägerin trotz ihrer Leiden zwar noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten, auch in Früh- und Spätschicht verrichten. Fingergeschicklichkeit und Belastbarkeit der Beine und Arme waren nicht beeinträchtigt, eben sowenig geistige und mnestische Fähigkeiten. Allerdings konnte die Klägerin nur noch unter Ausschluss von Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft und mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen sowie unter Vermeidung einseitiger körperlicher Belastung und nicht unter Zeitdruck tätig sein. Das Arbeiten im festgelegten Rhythmus, an laufenden Maschinen, in Wechsel- oder Nachtschicht sollte vermieden werden. Ferner waren das Heben, Tragen oder Schieben von schweren Lasten von über 10 kg, das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ständige Überkopfarbeiten und Tätigkeiten, die die Wirbelsäule einseitig belasteten, auszuklammern.
Auch gegen die Richtigkeit der Bekundungen des berufskundlichen Sachverständigen S bestehen keine Bedenken. Seine besondere Sachkunde ergibt sich daraus, dass er als selbständiger Friseurmeister und auf Grund langjähriger Tätigkeit für die Friseur-Innung Einblick in die Anforderungen an eine Friseurin und deren Einsatzmöglichkeiten im eigenen und in anderen Betrieben hat. Seine Angaben entsprechen im Wesentlichen den Erkenntnissen, die sich aus den beigezogenen berufskundlichen Auskünften gewinnen lassen.
Unter Berücksichtigung der medizinischen und berufskundlichen Ermittlungsergebnisse konnte die Klägerin jedoch die Tätigkeit einer Friseurin nicht mehr ausführen, da diese nicht im Wechsel der Haltungsarten verrichtet werden kann, sondern vorwiegend im Stehen auszuführen ist. Daran ändert auch ein höhenverstellbarer Haarschneidestuhl nichts. Wie der Sachverständige S überzeugend dargelegt hat, kann dieser nur bei einem geringen Anteil der Friseurtätigkeiten benutzt werden (Arbeiten am Kopf bis Ohrhöhe), die abhängig von den Kundenwünschen und allenfalls im Umfang von einer Stunde am Tag anfallen.
Auch ihr sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten konnte die Klägerin nicht mehr ausführen. Als Friseurin gehört sie zur Gruppe der Facharbeiter, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Mehrstufen-Schema zumutbar verweisbar nur auf Tätigkeiten der Angelernten mit einer Ausbildung von mehr als drei Monaten verwiesen werden kann (BSG, Urteil vom 30. September 1987 - 5 B RJ 20/86 - , Sozialrecht 2200 § 1246 Nr. 147), wobei die Klägerin diese Tätigkeiten nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von höchstens drei Monaten ausüben können müsste. Damit scheiden - wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen S ergibt - einerseits Tätigkeiten als Kosmetikerin aus, weil diese auch für eine Friseurin eine mehr als dreimonatige Ausbildung erfordern, andererseits solche als Nagelmodellistin, die auch für Ungelernte bereits nach sechswöchiger Einarbeitung verrichtet werden können und damit nicht zu den Beschäftigungen eines Angelernten im oberen Bereich gehören.
Die Berufe einer Verkäuferin in einer Kosmetikabteilung oder in Parfümerie- bzw. Drogeriemärkten sowie einer Fachverkäuferin für Friseurbedarf konnte die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, weil diese das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg erfordern und überwiegend im Gehen und Stehen auszuführen bzw. mit einer besonderen Belastung des Bewegungs- und Stützapparates verbunden sind. Auch die Beschäftigung als Rezeptionistin ist - ungeachtet der Frage, ob es überhaupt (noch) Arbeitsplätze in hinreichender Zahl gibt - der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, weil diese vorwiegend im Gehen und Stehen auszuüben und mit Zeitdruck verbunden ist.
Weitere der Klägerin sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten sind von der Beklagten nicht benannt worden und - insbesondere unter Berücksichtigung der beigezogenen berufskundlichen Auskünfte - auch nicht ersichtlich.
Die im Wesentlichen auf dem Lendenwirbelsäulen-Leiden der Klägerin beruhenden Leistungseinschränkungen bestanden gemäß dem Gutachten des Dr. A seit März/April 1998. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Leistungsvermögen der Klägerin bis Oktober 2000 erheblich gebessert haben könnte, sind nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden, zumal insbesondere die von Dr. A dafür als Voraussetzung genannte intensive Behandlung nicht stattgefunden hatte.
Konnte die Klägerin demgemäß in dem hier streitigen Zeitraum von November 1998 bis Oktober 2000 als Friseurin oder in einer ihr sozial zumutbaren Verweisungstätigkeit nicht arbeiten, lag Berufsunfähigkeit vor, so dass das Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt hat, der Klägerin eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Die Berufung der Beklagten musste deshalb erfolglos bleiben. Unerheblich ist, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente nur auf Zeit vorlagen, da die Beklagte durch diese Entscheidung nicht beschwert ist und die Klägerin Berufung nicht eingelegt hat, so dass das Urteil des Soziagerichtes hinsichtlich der Ablehnung einer Dauerrente rechtskräftig ist. Ob ein Anspruch auf Weitergewährung besteht, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Zwar mag nicht hinreichend geklärt sein, ob Berufsschutz auch besteht, wenn die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit, ohne dass sich der Versicherte davon löst, bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit endet und die Wartezeit erst durch nachfolgende Mutterschutz- oder Kindererziehungszeiten erfüllt wird. Es fehlt jedoch an einer (höchstrichterlichen) Klärungsbedürftigkeit. Weder hat die Beklagte geltend gemacht noch ist ersichtlich, dass es eine größere Anzahl vergleichbarer Verfahren gibt. § 43 SGB VI in der hier maßgeblichen, die Berufsunfähigkeit regelnden Fassung ist am 31. Dezember 2000 außer Kraft getreten (Art. 22 Nr. 1 a - betr. Art. 1 Nr. 19 - in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 - BGBl. I S. 1827 -). Zwar gibt es insoweit langfristige Übergangsregelungen (§ 240 SGB VI). Diese betreffen jedoch nur Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und bei denen deshalb kaum zu erwarten ist, dass sie die Ausübung des "bisherigen Berufes" vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit unterbrechen und nachfolgend bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit lediglich Zeiten des Mutterschutzes bzw. der Kindererziehung zurücklegen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft (noch) die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit von November 1998 bis Oktober 2000.
Die 1970 geborene Klägerin besuchte bis zur 10. Klasse die Schule und nahm im September 1987 ein Studium zum Beruf der Grundschulpädagogin auf, das sie am 10. September 1990 abbrach. Vom 11. September 1990 bis zum 8. September 1993 durchlief sie eine Ausbildung zur Friseurin, die sie erfolgreich abschloss. Anschließend war sie als Friseurin beschäftigt und befand sich vom 20. April 1995 bis zum 28. Juni 1995 im Mutterschutz. Danach befand sie sich für drei Jahre im Erziehungsurlaub. Während dieser Zeiten bestand das Arbeitsverhältnis zur "B H GmbH" fort. Nach Ablauf des Erziehungsurlaubs kündigte sie es aus gesundheitlichen Gründen und bezog ab Mai 1998 Arbeitslosengeld.
Bereits am 7. April 1997 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt und zur Begründung auf einen 1993 erlittenen Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulen-Bereich verwiesen, weshalb sie nicht mehr stehend, gehend oder sitzend tätig sein könne.
Die Beklagte ließ die Klägerin von dem Arzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Akupunktur Dr. Z untersuchen, der in seinem Gutachten vom 1. Juli 1997 zu dem Ergebnis kam, bei der Klägerin bestehe ein Bandscheibenprolaps C 5/6. Zwar sei die klinische Beweglichkeit endgradig eingeschränkt und bestehe zur Zeit eine Belastungseinschränkung bei statischer Tätigkeit. Leichte Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten, auch als Friseurin, könne die Klägerin jedoch noch vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 23. Juli 1997 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Dagegen erhob diese Widerspruch und legte ein Attest des Arztes JS vom 30. Juli 1998 sowie einen Bericht über eine Computertomographie vom 28. Juli 1998 vor. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten von dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. Z vom 2. September 1998 ein, in dem es heißt, der Befund sei nicht ganz eindeutig und signifikant für die geklagten Beschwerden. Neurologisch hätten sich keine objektivierbaren Befunde erheben lassen. Es bestünden unklare rechtsseitige Beinschmerzen ohne neurologisches Korrelat, ein mitgeteilter Vorfall L 5/S 1, HWS/LWS-Beschwerden mit psychogen überlagerten Cervico-Cephalgien und ein Verdacht auf Psychosomatose (Rentenbegehren). Die Klägerin könne vollschichtig körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bzw. Gehen und ohne häufiges Bücken, Überkopfarbeit, häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie ohne besonderen Zeitdruck verrichten. Als Friseurin sei sie nicht vollschichtig einsetzbar.
In dem zusätzlich eingeholten Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychia- trie Dr. S vom 15./16. Oktober 1998 wird die Diagnose gestellt auf Verdacht auf Schmerzverarbeitungsstörung, Halswirbelsäulen-Syndrom bei computertomographisch nachgewiesenem rechtsmediolateralem Bandscheibenvorfall in Höhe C 5/ C6 und Lumboischialgien rechts ohne manifeste Wurzelkompression. Als Friseurin sei die Klägerin nur bedingt belastbar, im Übrigen bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen.
Durch Bescheid vom 5. November 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe im April 1995 habe die Klägerin erst 56 Beitragsmonate zurückgelegt gehabt, so dass kein Berufsschutz bestehe. Sie sei deshalb auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Insoweit sei sie jedoch noch vollschichtig einsatzfähig.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und geltend gemacht, ihr stehe Berufsschutz als Friseurin zu, da sie den Beruf erst im Mai 1998 aufgegeben habe. Als Friseurin könne sie nicht mehr arbeiten.
Die Klägerin hat ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Landesarbeitsamtes Berlin vom 12. September 1998 vorgelegt, gemäß dem sie als Friseurin nicht mehr einsatzfähig, im Übrigen aber vollschichtig leistungsfähig sei.
In der Klageerwiderung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Klägerin sei als Facharbeiterin anzusehen, könne aber Tätigkeiten, auf die sie zumutbar verweisbar sei, noch verrichten.
Das Sozialgericht hat von den die Klägerin behandelnden Ärzten J S (10. März 1999) und Dr. L (23. April 1999) Befund- und Behandlungsberichte eingeholt und sodann den Arzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. A mit der Erstattung eines Gutachtens über die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen der Klägerin beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 17. August 1999 bei der Klägerin die Diagnosen gestellt auf ein Halswirbelsäulen-Syndrom bei Fehlstatik, eine Dorsolumbalgie und eine Gonalgie rechts. Er hat ausgeführt, die von der Klägerin angegebenen und bei der Untersuchung geklagten Beschwerden hätten teilweise nicht bestätigt werden können. Im Bereich der Halswirbelsäule habe der Bandscheibenvorfall C 5/6 nicht zu Lähmungserscheinungen oder Sensibilitätsstörungen geführt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe ein sequestrierter intra- und extraforaminaler Vorfall L 5/S 1. Im Bereich des rechten Kniegelenkes habe sich eine endgradige Beugehemmung ohne weitere pathologische Änderung ergeben. Die Klägerin könne noch für die volle übliche Arbeitszeit körperlich leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft und mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen sowie unter Vermeidung einseitiger körperlicher Belastung, nicht unter Zeitdruck und ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verrichten. Das Arbeiten im festgelegten Rhythmus, an laufenden Maschinen, in Wechsel- oder Nachtschicht solle vermieden werden. Früh- oder Spätschicht könne die Klägerin leisten. Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, ständige Überkopfarbeiten sowie solche mit einseitiger Belastung der Wirbelsäule seien zu vermeiden. Geistige Einschränkungen bestünden nicht. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstätte brauchten nicht berücksichtigt zu werden. Die Einschränkungen seitens der Beschwerden in der Halswirbelsäulen-Region bestünden seit 1997, seitens des rechten Kniegelenkes seit August 1997 und seitens der Lendenwirbelsäule seit März/April 1998. Nach Angaben der Klägerin hätten seit allen diesen Daten die Beschwerden an Häufigkeit und Intensität kontinuierlich zugenommen. Es bestehe eine begründete Aussicht, die Leistungsminderung zumindest teilweise zu beheben. Bei entsprechender Motivation zur kontrollierten, aktiven und kontinuierlichen Mit- und Eigenarbeit der Klägerin bei krankengymnastischen Maßnahmen und Eigenarbeit des Schmerzumgangs in einer Schmerzambulanz oder neurologisch gestützt, in Kombination mit intensiver, gezielter, ärztlicher Behandlung und Schmerzlinderung könnten die Beschwerden in weniger als sechs Monaten zumindest wesentlich gelindert werden und sich damit auch die Leistungsfähigkeit der Klägerin verbessern.
Die Beklagte hat eine sozialmedizinische Stellungnahme vorgelegt, gemäß der die Klägerin als Friseurin auf Dauer nur noch unter zwei Stunden arbeiten könne. Im Übrigen bestehe jedoch für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen.
Die Klägerin hat ein Attest des Arztes für Kinderheilkunde und Allgemeinmedizin Dr. L vom 22. September 1999 vorgelegt, gemäß dem ihre Bewegungsfähigkeit schmerzhaft eingeschränkt sei und Erwerbsunfähigkeit bestehe.
Das Sozialgericht hat zusätzlich einen Befund- und Behandlungsbericht von Dr. B vom 14. September 1999 eingeholt, in dem ausgeführt wird, das Leistungsvermögen der Klägerin sei qualitativ eingeschränkt.
Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen am 2. Februar 2000 verurteilt, der Klägerin ausgehend von einem im April 1998 eingetretenen Leistungsfall von November 1998 bis Oktober 2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin genieße als ausgebildete Friseurin Berufsschutz als Facharbeiterin. Sie habe die Ausbildung durchlaufen und den Beruf vollwertig verrichtet. Unerheblich sei, dass sie ihn nur 56 Monate ausgeübt habe, zumal sie die Tätigkeit auf Grund der Geburt eines Kindes beendet und anschließend einen Erziehungsurlaub angetreten habe. Nach dem eingeholten medizinischen Gutachten könne die Klägerin diesen Beruf nicht mehr ausüben, weil sie nur noch im Wechselrhythmus und ohne Einfluss von Feuchtigkeit und Zugluft tätig sein könne, eine Friseurin aber vorwiegend im Stehen arbeiten müsse und Feuchtigkeit und Zugluft ausgesetzt sei. Eine andere Tätigkeit, auf die die Klägerin zumutbar verweisbar wäre, habe die Beklagte nicht genannt. Das Sozialgericht sei nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte Beweise zu erheben. Da der Gutachter eine begründete Aussicht zur Behebung der Leistungsminderung sehe, sei ausgehend von einem vom Sachverständigen festgestellten Leistungsfall im April 1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit von November 1998 bis Oktober 2000 zu gewähren. Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor, da die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne.
Gegen das ihr am 3. März 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. März 2000 erhobene Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage in vollem Umfang erstrebt. Sie meint, die Klägerin genieße keinen Berufsschutz, weil sie bei Aufgabe der Beschäftigung noch keine 60 Kalendermonate Versicherungszeit zurückgelegt gehabt habe. Sie habe am 19. April 1995 ihre Beschäftigung als Friseurin aufgegeben und sich seit dem 20. April 1995 im Mutterschutz befunden. Zu dieser Zeit habe sie lediglich für 56 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet und die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt gehabt. Danach sei die Wartezeit nicht durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung, sondern lediglich durch Kindererziehungszeiten zurückgelegt worden, die keinen Berufsschutz begründen könnten. Außerdem hätte der Beklagten Gelegenheit gegeben werden müssen, Verweisungstätigkeiten zu benennen. Hilfsweise würden nunmehr benannt: Kosmetikerin, Nagelmodellistin, Kosmetikverkäuferin, Parfümeriewarenverkäuferin, Drogistin und Rezeptionistin. Allerdings könne die Klägerin sogar noch als Friseurin arbeiten, da Auflagen der Berufsgenossenschaft bestünden, dass pro Mitarbeiter in einem Friseurbetrieb ein höhenverstellbarer Haarschneidestuhl zur Verfügung stehen müsse, so dass teilweise im Sitzen gearbeitet werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2000 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, Schwangerschaft und Erziehungsurlaub dürften nicht zu einer versicherungsrechtlichen Benachteiligung führen. Ohne Schwangerschaft wäre sie weiterhin als Friseurin tätig gewesen und hätte bis zum Eintritt des Leistungsfalles im April 1998 die Wartezeit erfüllt gehabt. Die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten könne sie teilweise wegen mangelnder Kenntnisse, teilweise aus gesundheitlichen Gründen nicht verrichten.
Nachdem die Klägerin eine Allergie gegen Terpentin und Hydrochinon, die in Kosmetika enthalten seien, geltend gemacht hatte, hat der Senat einen Befund- und Behandlungsbericht von der die Klägerin behandelnden Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten UF vom 3. März 2003 eingeholt, in dem ein Behandlungsbeginn am 24. Januar 2002 mitgeteilt wird. Die Beklagte hat dazu eine Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes vorgelegt, wonach die Untersuchungsergebnisse keine gesundheitlichen Einschränkungen für Tätigkeiten im Friseur- und Kosmetikbereich begründeten.
Der Senat hat ferner in einem anderen Gerichtsverfahren erteilte Auskünfte des Landesarbeitsamtes Bayern vom 21. Juli 2000 sowie der "E H G" vom 22. August 2001, der M U GmbH vom 25. September 2001 und der F-Innung Berlin vom 17. September 2001 zur Einsatzmöglichkeit von
Rezeptionistinnen beigezogen sowie von der F-Innung eine Auskunft über die beruflichen Einsatzmöglichkeiten einer leistungsgeminderten Friseurin eingeholt. Der Sachverständige D S hat am 5. März 2004 erklärt, in Anbetracht der angeführten Behinderungen, der Einschränkungen und der Allergie halte er eine Tätigkeit der Klägerin im Friseurberuf für ausgeschlossen. Von den alternativen Tätigkeiten komme mit geringer Wahrscheinlichkeit die einer Rezeptionistin mit einer Einarbeitungszeit von drei Monaten in Betracht. Für diese Tätigkeit stünden allerdings keine Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl zur Verfügung. Bei bestimmten bestehenden Allergien reichten manchmal Handschuhe nicht aus, auch feinste Verteilung in der Raumluft könne die Allergie auslösen.
Schließlich hat der Senat den selbständigen Friseurmeister D S als Sachverständigen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Mai 2004 Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin - S 29 RJ 2291/98 - sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten - - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht erhobene sowie statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) Berufung der Beklagten ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide der Beklagten sind jedenfalls in dem Umfang, in dem sie das Sozialgericht geändert (fälschlich als Aufhebung bezeichnet) hat, rechtswidrig. Der Klägerin steht für den Zeitraum von November 1998 bis Oktober 2000, der allein Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, Rente wegen Berufsunfähigkeit zu.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches, 6. Buch - SGB VI - in der hier gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin hatte die versicherungsrechtlichen Erfordernisse unter Zugrundlegung eines Eintritts der Berufsunfähigkeit im Jahre 1998 erfüllt, wie ausweislich des dem Bescheid vom 1. August 1997 beigefügten Versicherungsverlauf zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist. Sie war auch berufsunfähig.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeit gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Auszugehen ist von dem "bisherigen Beruf" des Versicherten. Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, das heißt mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der Unfähigkeit aus den in § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. genannten Gründen oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben. In diesem Falle hängt der Rentenanspruch davon ab, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und gesundheitlich wie fachlich noch bewältigt werden kann. Dabei richtet sich die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes - BSG - die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehr-Stufen-Schema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R -, Sozialrecht 3-2200 § 1246 Nr. 61 m.w.N.). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden.
"Bisheriger Beruf" der Klägerin ist der einer Friseurin. Diesen hat sie erlernt und versicherungspflichtig ausgeübt. Unerheblich ist, dass vor Beginn des Mutterschutzes und der Kindererziehungszeit die Wartezeit von 60 Kalendermonaten Versicherungszeit noch nicht erfüllt war. Für den Berufsschutz ist es nicht erforderlich, dass der "bisherige Beruf" selbst 60 Kalendermonate verrichtet worden sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1980 - 1 RJ 62/79 -, Sozialrecht 2200 § 1246 Nr. 62). Der Schutz entfällt nur, wenn sich der Versicherte bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von dieser Tätigkeit "gelöst" hat (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 1963 - 5 RKn 48/60 -, BSGE 19, 279). Eine "Lösung" liegt jedoch erst vor, wenn der Versicherte diesen Beruf erkennbar nicht weiter ausüben will und sich insbesondere endgültig einer anderen versicherungspflichtigen Beschäftigung zuwendet (Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom VDR - VerbKomm -, § 240 Anm. 11.2.2). Dafür reicht es nicht aus, dass der Versicherte aus der Erwerbstätigkeit ausscheidet, etwa arbeitslos wird oder aus anderen Gründen - gegebenenfalls auch für längere Zeit - keine Beschäftigung mehr ausübt (BSG, Urteil vom 24. April 1980, a.a.0.). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Klägerin bei Beginn des Mutterschutzes oder der Kindererziehungszeit ihren Beruf aufgeben wollte, vielmehr hat sie ausdrücklich das Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie nach der Kindererziehungszeit wieder als Friseurin arbeiten wollte. Jedenfalls ist aber eine "Lösung" nicht erwiesen. Die Folgen der Beweislosigkeit einer Tatsache muss auch im Sozialrecht derjenige tragen, der daraus Rechte herzuleiten sucht (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 -, BSGE 6 Seite 70). Das ist vorliegend die Beklagte, die wegen einer "Lösung" den Berufsschutz der Klägerin bestreitet.
Vor Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten war auch noch keine Berufsunfähigkeit eingetreten, denn ausweislich des Gutachtens des von der Beklagten gehörten Orthopäden Dr. Z konnte die Klägerin ungeachtet ihrer gesundheitlichen Regelwidrigkeiten jedenfalls im Juli 1997 noch uneingeschränkt in allen Haltungsarten, auch als Friseurin, vollschichtig tätig sein.
Zwar kann allein aus Kindererziehungszeiten kein besonderer Berufsschutz hergeleitet werden. Vielmehr ist, wenn neben den Kindererziehungszeiten Pflichtbeiträge vorliegen, hinsichtlich des Berufsschutzes auf die versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit abzustellen ( vgl. VerbKomm, a.a.0., § 240 Anm. 11.5). Im Übrigen wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn eine dem Schutz der Mutter dienende Regelung zum Leistungsausschluss führen würde (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 2003 - B 7 AL 28/03 R -, SozR 4-4300 § 142 Nr. 1). Schließlich zeigt nach Auffassung des Senats auch die Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 38 Satz 2 Nr. 2 und §§ 3, 4 SGB VI a.F., dass der Gesetzgeber den dort genannten Zeiten (etwa der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, der Kindererziehung) hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit eine volle rechtserhaltende Wirkung beilegen wollte.
Ihren Beruf als Friseurin oder eine andere ihr sozial zumutbare Beschäftigung konnte die Klägerin jedoch in dem hier strittigen Zeitraum nicht mehr ausüben. Das ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Senats zum einen aus den beigezogenen berufskundlichen Auskünften und den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen D S bei der Anhörung am 25. Mai 2004, zum anderen aus dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des Arztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. A vom 17. August 1999. Durch dieses Gutachten ist hinreichend geklärt, an welchen Gesundheitsstörungen die Klägerin litt und wie sich auf ihre Leistungsfähigkeit auswirkten. Der Senat hat keine Bedenken, den darin getroffenen Feststellungen zu folgen. Das ausführliche Gutachten berücksichtigt sämtliche erreichbaren Vorbefunde und stützt sich auf die Ergebnisse eigener Untersuchungen. Es ist in sich widerspruchsfrei, in ihm sind im Wesentlichen die gleichen Gesundheitsstörungen beschrieben, die auch bei früheren Begutachtungen und bei den die Klägerin behandelnden Ärzten in Erscheinung getreten sind. Die erhobenen Befunde sind darin eingehend und gründlich gewürdigt worden. Sachliche Einwendungen gegen das Gutachten hat die Beklagte nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich, vielmehr kommt insbesondere die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. G vom Ärztlichen Dienst der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 8. September 1999 im Wesentlichen zu denselben Leistungseinschränkungen wie Dr. A und hält die Klägerin nur für im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen auszuführende Tätigkeiten für einsatzfähig sowie für die Tätigkeit einer Friseurin auf Dauer nur noch für unter zwei Stunden täglich einsetzbar.
Nach den in dem Gutachten getroffenen Feststellungen, die demgemäß für den Senat maßgebend sind, konnte die Klägerin trotz ihrer Leiden zwar noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten, auch in Früh- und Spätschicht verrichten. Fingergeschicklichkeit und Belastbarkeit der Beine und Arme waren nicht beeinträchtigt, eben sowenig geistige und mnestische Fähigkeiten. Allerdings konnte die Klägerin nur noch unter Ausschluss von Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft und mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen sowie unter Vermeidung einseitiger körperlicher Belastung und nicht unter Zeitdruck tätig sein. Das Arbeiten im festgelegten Rhythmus, an laufenden Maschinen, in Wechsel- oder Nachtschicht sollte vermieden werden. Ferner waren das Heben, Tragen oder Schieben von schweren Lasten von über 10 kg, das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ständige Überkopfarbeiten und Tätigkeiten, die die Wirbelsäule einseitig belasteten, auszuklammern.
Auch gegen die Richtigkeit der Bekundungen des berufskundlichen Sachverständigen S bestehen keine Bedenken. Seine besondere Sachkunde ergibt sich daraus, dass er als selbständiger Friseurmeister und auf Grund langjähriger Tätigkeit für die Friseur-Innung Einblick in die Anforderungen an eine Friseurin und deren Einsatzmöglichkeiten im eigenen und in anderen Betrieben hat. Seine Angaben entsprechen im Wesentlichen den Erkenntnissen, die sich aus den beigezogenen berufskundlichen Auskünften gewinnen lassen.
Unter Berücksichtigung der medizinischen und berufskundlichen Ermittlungsergebnisse konnte die Klägerin jedoch die Tätigkeit einer Friseurin nicht mehr ausführen, da diese nicht im Wechsel der Haltungsarten verrichtet werden kann, sondern vorwiegend im Stehen auszuführen ist. Daran ändert auch ein höhenverstellbarer Haarschneidestuhl nichts. Wie der Sachverständige S überzeugend dargelegt hat, kann dieser nur bei einem geringen Anteil der Friseurtätigkeiten benutzt werden (Arbeiten am Kopf bis Ohrhöhe), die abhängig von den Kundenwünschen und allenfalls im Umfang von einer Stunde am Tag anfallen.
Auch ihr sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten konnte die Klägerin nicht mehr ausführen. Als Friseurin gehört sie zur Gruppe der Facharbeiter, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Mehrstufen-Schema zumutbar verweisbar nur auf Tätigkeiten der Angelernten mit einer Ausbildung von mehr als drei Monaten verwiesen werden kann (BSG, Urteil vom 30. September 1987 - 5 B RJ 20/86 - , Sozialrecht 2200 § 1246 Nr. 147), wobei die Klägerin diese Tätigkeiten nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von höchstens drei Monaten ausüben können müsste. Damit scheiden - wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen S ergibt - einerseits Tätigkeiten als Kosmetikerin aus, weil diese auch für eine Friseurin eine mehr als dreimonatige Ausbildung erfordern, andererseits solche als Nagelmodellistin, die auch für Ungelernte bereits nach sechswöchiger Einarbeitung verrichtet werden können und damit nicht zu den Beschäftigungen eines Angelernten im oberen Bereich gehören.
Die Berufe einer Verkäuferin in einer Kosmetikabteilung oder in Parfümerie- bzw. Drogeriemärkten sowie einer Fachverkäuferin für Friseurbedarf konnte die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, weil diese das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg erfordern und überwiegend im Gehen und Stehen auszuführen bzw. mit einer besonderen Belastung des Bewegungs- und Stützapparates verbunden sind. Auch die Beschäftigung als Rezeptionistin ist - ungeachtet der Frage, ob es überhaupt (noch) Arbeitsplätze in hinreichender Zahl gibt - der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, weil diese vorwiegend im Gehen und Stehen auszuüben und mit Zeitdruck verbunden ist.
Weitere der Klägerin sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten sind von der Beklagten nicht benannt worden und - insbesondere unter Berücksichtigung der beigezogenen berufskundlichen Auskünfte - auch nicht ersichtlich.
Die im Wesentlichen auf dem Lendenwirbelsäulen-Leiden der Klägerin beruhenden Leistungseinschränkungen bestanden gemäß dem Gutachten des Dr. A seit März/April 1998. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Leistungsvermögen der Klägerin bis Oktober 2000 erheblich gebessert haben könnte, sind nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden, zumal insbesondere die von Dr. A dafür als Voraussetzung genannte intensive Behandlung nicht stattgefunden hatte.
Konnte die Klägerin demgemäß in dem hier streitigen Zeitraum von November 1998 bis Oktober 2000 als Friseurin oder in einer ihr sozial zumutbaren Verweisungstätigkeit nicht arbeiten, lag Berufsunfähigkeit vor, so dass das Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt hat, der Klägerin eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Die Berufung der Beklagten musste deshalb erfolglos bleiben. Unerheblich ist, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente nur auf Zeit vorlagen, da die Beklagte durch diese Entscheidung nicht beschwert ist und die Klägerin Berufung nicht eingelegt hat, so dass das Urteil des Soziagerichtes hinsichtlich der Ablehnung einer Dauerrente rechtskräftig ist. Ob ein Anspruch auf Weitergewährung besteht, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Zwar mag nicht hinreichend geklärt sein, ob Berufsschutz auch besteht, wenn die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit, ohne dass sich der Versicherte davon löst, bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit endet und die Wartezeit erst durch nachfolgende Mutterschutz- oder Kindererziehungszeiten erfüllt wird. Es fehlt jedoch an einer (höchstrichterlichen) Klärungsbedürftigkeit. Weder hat die Beklagte geltend gemacht noch ist ersichtlich, dass es eine größere Anzahl vergleichbarer Verfahren gibt. § 43 SGB VI in der hier maßgeblichen, die Berufsunfähigkeit regelnden Fassung ist am 31. Dezember 2000 außer Kraft getreten (Art. 22 Nr. 1 a - betr. Art. 1 Nr. 19 - in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 - BGBl. I S. 1827 -). Zwar gibt es insoweit langfristige Übergangsregelungen (§ 240 SGB VI). Diese betreffen jedoch nur Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und bei denen deshalb kaum zu erwarten ist, dass sie die Ausübung des "bisherigen Berufes" vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit unterbrechen und nachfolgend bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit lediglich Zeiten des Mutterschutzes bzw. der Kindererziehung zurücklegen.
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