S 5 KR 330/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 330/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 114/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 19/18 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren von der Beklagten. die Kostenübernahme im Umfang von 1.199,20 EUR für den Aufenthalt der Klägerin zu 2) im Rahmen einer der Klägerin zu 1) durch die F. Krankenversicherung bewilligten Mutter-Kind-Maßnahme, stattgefunden im Jahr 2014.

Die Klägerin ist gemeinsam mit ihrem Ehemann Pflegemutter bzw. Pflegeeltern der 2010 geborenen Klägerin zu 2). Der Klägerin zu 1) wurde durch ihre private Krankenversicherung eine Mutter-Kind-Maßnahme in einem Mütter-Genesungswerk in G Stadt bewilligt, wobei nach den dortigen Bedingungen weder die Beihilfestelle noch die F. die Kosten für die Klägerin zu 2) als Begleitkind trägt. Die Klägerin zu 2) ist bei der Beklagten über deren leibliche Mutter familienversichert. Daraufhin stellten die Kläger am 15.08.2014 einen Antrag auf eine stationäre Mutter-Kind-Maßnahme für die Klägerin zu 2). Zur Begründung trugen die Kläger mit dem Attest des behandelnden Arztes H. H. vor, dass eine Trennung von der Mutter für die Dauer der Maßnahme aufgrund der psychosozialen Situation nicht möglich ist. Zur psychosozialen Situation führte der Arzt aus, dass altersbedingt eine Trennung von der Pflegemutter unzumutbar sei. Es sei zu befürchten, dass eine Trennung von der Pflegemutter zu psychischen Störungen des Kindes führe. Eine anderweitige Betreuung und Versorgung des Kindes sei während der Durchführung der Maßnahme nicht möglich.

Die Beklagte schaltete den MDK ein, der die Klägerin zu 2) als reines Begleitkind im Rahmen der Mutter-Kind-Maßnahme für die Klägerin zu 1) einstufte. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2014 den Antrag ab. Ebenso wie bei dem Pflegesohn J. (Rechtsstreit S 5 KR 331/14) handele es sich bei der Klägerin zu 2) um ein reines Begleitkind.

Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, dass es notwendig sei, dass die Klägerin zu 2) an der Kurmaßnahme teilnehme. Aufgrund der besonderen Situation als Pflegekind sei eine Trennung von der Pflegemutter unzumutbar. Im ärztlichen beigefügten Attest vom 30.09.2014 führte der behandelnde Arzt H. H. ergänzend aus, dass bekannt sei, das Pflegekinder aufgrund belastender und wechselnder Beziehungserfahrungen heraus häufig zu Bindungsstörungen und psychischen Erkrankungen neigten. Es sei deshalb erstaunlich, dass die Beklagte die Mitaufnahme der Pflegetochter E. als Begleitperson ablehnte. Nach erneuter Einbindung des MDK und Einstufung erneut als Begleitkind hielt die Beklagte mit wiederholendem Bescheid vom 02.10.2014 an ihrer Ablehnung fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Klägerin zu 2) an der Teilnahme der Mutter-Kind-Kur in der Klinik Nordseeküste Cuxhaven, beginnend im November 2014, ab. Die Krankenkassen gewährten Leistungen zur Verhütung von Krankheiten. Neben der ärztlichen Behandlung sei auch die medizinische Vorsorgeleistung unter anderem auch im Rahmen einer Mutter-Kind-Kur im Sinne von § 24 SGB V erfasst. Zwar gehöre die Pflegetochter E. grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne von § 24 Abs. 1. Allerdings sei unter Berücksichtigung des Antrages und der Ausführung des behandelnden Kinderarztes eine eigene medizinische Notwendigkeit für die Teilnahme an der Mutter-Kind-Kur als Therapiekind bei der Klägerin zu 2) nicht erkennbar. Es handele sich um ein reines Begleitkind ohne eigenständigen Therapiebedarf im Rahmen der Mutter-Kind-Kur. Nachvollziehbar sei, dass die Klägerin zu 2) während der Dauer der Maßnahme nicht von der Pflegemutter zu trennen sei. Allerdings liege es nicht im Regime der Beklagten die Kosten für die Klägerin zu 2) als Begleitkind an der Mutter-Kind-Kur zu tragen, da die Hauptmaßnahme von der privaten Krankenversicherung der Klägerin zu 1) gewährt worden sei.

Dagegen haben nach Parteiwechsel und Änderung des Klageantrags die Kläger Klage erhoben und begehren die Kostenübernahme. Sie tragen vor, es sei im Interesse des Kindeswohls und der kindermedizinischen Sicherung unerlässlich, dass die Klägerin zu 2) am mütterlichen Kuraufenthalt uneingeschränkt teilnehme. Die Klägerin zu 2) sei über ihre leibliche Mutter bei der Beklagten krankenversichert. Daraufhin seien die Kosten für die Klägerin zu 2) weder von der F. noch von der Beihilfestelle getragen worden.

Auf Antrag der Kläger hat die Kammer ein Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. med. K. K. (ebenso im Parallelverfahren) eingeholt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 01.09.2015 nach ausführlicher Anamneseerhebung am 21.08.2015 aus, dass eine eigene Kurbedürftigkeit der Klägerin zu 2) nicht festzustellen sei. Ohne Zweifel sei aber zum Zeitpunkt der Kurmaßnahme eine Trennung von der Pflegemutter nicht zu vertreten. Die Klägerin zu 2) habe bereits schwere Verlusterfahrungen gemacht. E. bedürfe einer stationären Mutter-Kind-Maßnahme, weil eine Trennung von der Mutter für die Dauer der Maßnahme nicht zu verantworten sei.

Die Kläger sehen sich in ihrem Begehren bestätigt.

Sie beantragen,
den Bescheid vom 26.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten in Höhe von 1.199,20 EUR zuzüglich 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2014 für die Teilnahme der Pflegetochter E. an der von der Klägerin zu 1) wahrgenommenen Mutter-Kind-Kur als dreiwöchige stationäre Mutter-Kind-Maßnahme im Sanatorium Klinik Nordseeküste in Cuxhaven zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihren Widerspruchsbescheid und sieht sich durch das Gutachten bestätigt, dass die Klägerin zu 2) ein reines Begleitkind sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, 1 Hefter Beklagtenakte sowie auf das parallele Klageverfahren des Pflegesohnes J. S 5 KR 331/14 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides erweist sich nach einer Überprüfung durch das Gericht als rechtmäßig, denn der Klägerin zu 2) bzw. der Klägerin zu 1) stehen die aufgewandten Kosten für die Teilnahme der Klägerin zu 2) an der Mutter-Kind-Maßnahme im Jahr 2014 nicht zu.

Die Kammer durfte gemäß § 105 Abs. 1 SGG durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung entscheiden, nachdem das Gericht die Beteiligten zuvor entsprechend angehört hat und ihnen auch eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt darüber hinaus in dem Umfang, in dem er für die Entscheidung des Gerichts allein rechtlich relevant ist, auch hinreichend geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil.

Die Kammer hatte keinen Anlass dem Beiladungsantrag auf Beiladung der privaten Krankenversicherung der Klägerin zu 1), der F-Krankenversicherung nachzukommen und zwar weder im Rahmen einer einfachen Interessensbeiladung, noch im Rahmen der beantragten notwendigen Beiladung. Dies deshalb, weil das Sozialgericht bereits sachlich nicht für Streitfragen der privaten Krankenversicherungspflicht zuständig ist, worauf die Kammer die Kläger auch hingewiesen hatte. Selbst wenn die Kammer meinen würde, die F. habe die Kosten für die Klägerin zu 2) zu tragen, so kann eine Verurteilung als leistungspflichtig nicht erfolgen. Eine Beiladung erschien daher nicht sinnvoll.

Gemäß § 24 Abs. 1 haben Versicherte unter den in § 23 Abs. 1 genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerkes oder einer vergleichbaren Einrichtung. Die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden, wobei gleiches auch für Vater-Kind-Maßnahmen gilt. Gemäß § 23 SGB V haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklungen eines Kindes entgegenzuwirken, Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Sofern solche ärztlichen Behandlungen nicht ausreichend sind, können solche Maßnahmen als ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten erbracht werden. Sofern dies nicht ausreichend ist, kann gemäß § 23 Abs. 4 SGB V die Kasse die Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung, mit der ein Vertrag gemäß § 111 besteht, bewilligen.

Gegenstand kann hier nur die ursprünglich von dem Kläger zu 2) und seiner Mutter beantragte Mutter-Kind-Maßnahme als stationäre Mutter-Kind-Kur sein. Beantragt war nämlich ausdrücklich lediglich Leistungen gemäß § 24 SGB V für die Klägerin zu 2) im Rahmen der medizinischen Vorsorge für die Klägerin zu 1) als Mutter-Kind-Kur. Im Gegensatz zu § 23 SGB V erfasst § 24 SGB V Ansprüche auf stationäre Leistungen zur Verhütung solcher Gesundheitsgefahren, die sich aus der gesundheitlichen Belastung von Müttern und Vätern im Umgang mit ihren Kindern sowie der Eltern-Kind-Beziehung ergeben. Insoweit stellt § 24 SGB V einen Sondertatbestand zu der stationären Kurmaßnahme, die in § 23 Abs. 4 SGB V erwähnt ist und der Verhütung unspezifischer Gesundheitsgefahren dient, dar. Normzweck des § 24 SGB V ist es Vätern bzw. Müttern Anspruch auf stationäre medizinische Leistungen in Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder ähnlichen Einrichtungen zu gewähren, wenn ihre Gesundheit (die der Mütter und Väter), insbesondere wegen gesundheitlicher Belastungen gefährdet ist, die aus der Versorgung von Kindern resultieren. Ergänzend hierzu sind die Anspruchsvoraussetzungen von § 23 Abs. 1 und Abs. 4 SGB V zu beachten. Die Leistungen der stationären Versorgung sind daher auf die spezifische gesundheitliche Belastung von Mütter und Vätern zugeschnitten. Personell anspruchsberechtigt für die Leistungen nach § 24 SGB V sind "Versicherte", soweit sie nach dem Verständnis der Kammer die medizinische Vorsorgeleistung für Mütter und Väter geltend machen. Personelle Anspruchsvoraussetzung ist daher zum einen die Zugehörigkeit zum versicherten Personenkreis und zum anderen die Inanspruchnahme der Leistung gerade als Mütter oder Väter im Sinne von § 24 SGB V.

Hierum geht es ersichtlich im vorliegenden Fall allerdings nicht, denn die Klägerin zu 1) macht keinen eigenen Anspruch gegenüber der Beklagten als Mutter auf eine stationäre Mutter-Kind-Kur für ihre eigene Person geltend. Sie ist auch nicht versichert bei der Beklagten und gehört daher in ihrer eigenen Person bereits nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Bereits aus diesem Grunde ist die Klage der Klägerin zu 1) unbegründet, denn sie ist bei der Beklagten nicht versichert. Sie kann daher einen Anspruch in ihrer eigenen Person auch auf Kostenübernahme für die Klägerin zu 2) für deren Aufenthalt gegenüber der Beklagten nicht geltend machen.

§ 24 SGB V bezieht aber die Beteiligung von Kindern mit ein. Hierzu gehören auch sogenannte Pflegekinder. Die Hauptleistung nach § 24 sind die Leistungen ausschließlich für die Mütter oder die Väter, wobei die Kinder in diese Leistung nicht einbezogen sind. Die Leistung nach § 24 Abs. 1 kann allerdings auch als Mutter-Kind-Maßnahme zu erbringen seien. Solche Maßnahmeformen beziehen dann die Kinder in die medizinische Vorsorge für Mütter und Väter mit ein. Hier sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Ohne ein eigenes Erkrankungsrisiko des Kindes im Sinne von § 23 SGB V, ist die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten des Kindes als sogenannte notwendige Nebenleistung im Rahmen eines Begleitkindes dann verpflichtet, wenn sie für die Mutter oder den Vater die Hauptleistung nicht erbringen könnte, ohne das Kind mit einzubeziehen. Da im vorliegenden Fall die Klägerin zu 1) nicht bei der Beklagten versichert ist und die Hauptleistung, nämlich die Mutter-Kind-Kur von einer privaten Krankenversicherung erbracht wird, kommt bereits aus rechtlichen Gründen die Kostenübernahme für die Klägerin zu 2) als notwendige Nebenleistung ohne eigenen Therapiebedarf der Klägerin zu 2) somit als reines Begleitkind nicht in Betracht. Zutreffend hat die Beklagte hierzu im angefochtenen Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass solche Kosten für die Teilnahme der Klägerin zu 2) als reines Begleitkind an einer Kurmaßnahme von dem Versicherungsunternehmen der Pflegemutter oder zuständigen Beihilfestelle nach Maßgabe der dort vereinbarten Versicherungsbedingungen zu erstatten ist.

Anders kann der Fall liegen, soweit die Kinder selber von einer Erkrankung im Sinne von § 23 Abs. 1 SGB V bedroht sind und deshalb die Leistungsvoraussetzungen für eine Vorsorgemaßnahme in eigener Person erfüllen (sog Therapie- oder Indikationskind). Auch nach Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 2) Anspruch auf eine stationäre Vorsorgeleistung im Rahmen einer Mutter-Kind-Kur in dem Müttergenesungswerk in der Klinik Nordseeküste Cuxhaven hatte. Bereits im Antrag des behandelnden Arztes hat dieser lediglich angegeben, dass das Kind einer stationären Mutter-Kind-Maßnahme bedürfe, weil eine Trennung von der Pflegemutter nicht zumutbar ist. Es würden psychische Störungen bei dem Kind erwartet, außerdem sei eine anderweitige Betreuung durch den Vater nicht möglich. Dies hat der Gutachter bestätigt und eigenen Kurbedarf bei der Klägerin zu 2) verneint. Es ist in keiner Weise erkennbar, dass die gesundheitliche Entwicklung des Kindes konkret gefährdet war. Der Gutachter verhält sich dazu auch nur kurz in einem Satz, was für das Gericht nicht schlüssig nachvollziehbar ist.

Unter dem Gesichtspunkt einer eigenen Indikation ist daher die Klage der Klägerin zu 2) nicht begründet. Vielmehr gestaltete sich der Aufenthalt der Klägerin zu 2) zu der Überzeugung der Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Gutachters als Begleitkind. Hierzu hat die Kammer bereits aufgeführt, dass diese Kosten, da die Hauptleistung für die Mutter nicht von der Beklagten zu tragen ist, da diese nicht gesetzlich bei ihr versichert ist, nicht in das Kostenregime der Beklagten fallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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