Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 413/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 142/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Fall einer ambulanten Psychotherapie steht es der Einhaltung des Beschaffungsweges sowie der Anwendbarkeit der Genehmigungsfiktion nicht entgegen, wenn der Leistungsantrag erst nach Durchführung der probatorischen Sitzungen gestellt wird.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten der vom 23. Juli 2015 bis zum 24. Januar 2019 durchgeführten Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. in Höhe von insgesamt 2.057,02 EUR zu erstatten sowie die Kosten für die weitere, am 6. Mai 2015 beantragte Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. im Umfang von 21 Sitzungen zu übernehmen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Kostenerstattung für eine ambulante Psychotherapie bei dem nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten und Diplom-Psychologen C.
Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Aufgrund einer schweren depressiven Episode bewilligte die Beklagte der zu diesem Zeitpunkt noch in der Nähe von München lebenden Klägerin mit Bescheid vom 27. Februar 2014 eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie in Form einer Kurzzeittherapie bis zu 25 Sitzungen. Die Maßnahme wurde bei der Diplom – Psychologin D. in D-Stadt in der Zeit bis zum 16. September 2014 in einem Umfang von 16 Sitzungen durchgeführt. Vom 21. Mai 2014 bis 15. Juli 2014 wurde die Klägerin wegen "rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Essstörung und Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" stationär behandelt. Im Anschluss an ihren Umzug zum jetzigen Wohnort befand sich die Klägerin ab dem 9. März 2015 in Behandlung bei dem Psychologischen Psychotherapeuten Diplom-Psychologe C., der keine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen besitzt. Am 6. Mai 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Psychotherapie bei Herrn C. Sie gab hierzu an, 16 namentlich von ihr benannte Psychotherapeuten hätten für sie keinen freien Therapieplatz gehabt. In einem beigefügten Kostenerstattungsantrag des Herrn C. führte dieser aus, bei der Klägerin sei wegen "rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig leichte Episode mit somatischem Syndrom" eine ambulante Verhaltenstherapie als Langzeittherapie in Einzelbehandlung indiziert. Es sollten 45 (+ 5 probatorische) Sitzungen zu je 50 Minuten Dauer durchgeführt werden. Das Honorar richte sich nach dem jeweils geltenden Vertragssatz des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM Nr. 35221). Ebenfalls beigefügt war ein Konsiliarbericht des Neurologen und Psychiater Dr. E. vom 18. März 2015. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Mai 2015 mit der Begründung ab, die psychotherapeutische Behandlung werde durch Vertragsärzte und zugelassene beziehungsweise ermächtigte psychologische Psychotherapeuten sichergestellt. Eine Wartezeit von bis zu 12 Wochen sei durchaus angemessen. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 2015 Widerspruch ein. Dabei führte sie aus, bei Herrn C. bereits fünf therapeutische "Kennenlernsitzungen" absolviert zu haben.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2015 als unbegründet zurück. Der Diplom-Psychologe C. habe keine Zulassung zur Ausführung und Abrechnung von psychotherapeutischen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und dürfe daher keine Psychotherapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen. Nicht zugelassene, approbierte Leistungserbringer dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden, in denen die Behandlung nicht ohne Gefahr für Leib und Leben des Patienten verzögert werden können (Fälle der sogenannten "Ersten Hilfe"), und ein zur vertraglichen Versorgung zugelassener Behandler nicht rechtzeitig zur Verfügung stehe. Im Fall der Klägerin liege ein solcher Notfall nicht vor. Eine auf Dauer angelegte Psychotherapie stelle keinen Notfall dar, der sofortiges ärztliches Handeln erfordere. Vielmehr könnten hier die Möglichkeiten ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe im Rahmen einer Krisenintervention genutzt werden. Auch sei eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung durch zugelassene Therapeuten sichergestellt. Eine Wartezeit von mehreren Monaten sei zumutbar. Die Beklagte habe der Klägerin zwei Vertragstherapeuten benannt, die freie Therapieplätze anbieten würden. Die Klägerin könne sich nicht auf ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Therapeuten berufen, da dieses durch die unzulässige Inanspruchnahme des Therapeuten begründet worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. August 2015 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Februar 2018 abgewiesen, da die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht erfüllt seien. Es bestehe weder eine dringenden Eilbehandlung gebietende Behandlungsbedürftigkeit noch habe die Beklagte eine medizinisch unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen können. Der Klägerin sei zumutbar gewesen, vor Beginn der ambulanten Behandlung bei dem Diplom-Psychologen C. am 9. März 2015 bei der Beklagten die Kostenübernahme zu beantragen und diese hierüber entscheiden zu lassen. Die Klägerin könne auch nicht die Übernahme der Kosten einer künftigen Behandlung bei dem Diplom-Psychologen C. im Wege der Sachleistung beanspruchen, da dieser nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zugelassen sei.
Gegen das ihr am 24. Februar 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 13. März 2018.
Die Klägerin hat die Gesamtkosten der von ihr durchgeführten Therapie bei dem Diplom-Psychologen C. durch Vorlage von Rechnungen in Höhe von insgesamt 2.057,02 EUR nachgewiesen.
Der Berichterstatter hat der Beklagten mit Verfügung vom 11. Februar 2019 den rechtlichen Hinweis erteilt, dass sich ein Anspruch der Klägerin aus der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V ergeben könnte.
Im Rahmen des nachfolgend am 14. Februar 2019 mit den Beteiligten durchgeführten Erörterungstermin hat die Klägerin erklärt, sie habe sich bereits im Vorfeld, d.h. vor den Sitzungen bei Herrn C. mit der Beklagten in Verbindung gesetzt. Im Rahmen eines Telefonats mit einem Arzt, der für die Beklagte bei ihr angerufen habe, sei ihr von diesem mitgeteilt worden, sie solle zunächst die probatorischen Sitzungen bei Herrn C. beginnen. Ein Antrag würde dann nach Abschluss der probatorischen Sitzungen durch den Arzt gestellt werden. Bereits zuvor habe sie ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Beklagten geführt. Auch diese hat ihr gesagt, sie solle erst den Therapeuten zur Durchführung der probatorischen Sitzungen aufsuchen. Ein Antrag würde dann gestellt werden, wenn die probatorischen Sitzungen beendet seiend und die Chemie mit dem Therapeuten stimme.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der vom 23. Juli 2015 bis zum 24. Januar 2019 durchgeführten Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. in Höhe von insgesamt 2.057,02 EUR zu erstatten sowie die Kosten für die weitere, am 6. Mai 2015 beantragte Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. im Umfang von 21 Sitzungen zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Genehmigungsfiktion könne aufgrund des nicht eingehaltenen Beschaffungsweges vorliegend nicht zur Anwendung kommen. Mit den Therapiesitzungen bei dem Therapeuten C. sei bereits ab dem 9. März 2015 begonnen worden. Dies ergebe sich sowohl aus dessen Bescheinigungen sowie dem bisherigen Vorbringen der Klägerin.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und auch in der Sache begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2018 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten können keinen Bestand haben, da der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten der vom 23. Juli 2015 bis zum 24. Januar 2019 durchgeführten Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. in Höhe von insgesamt 2.057,02 EUR sowie der Gewährung von Sachleistungen in Form der Fortführung der beantragten Psychotherapie im Umfang von 21 Sitzungen zusteht.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus der verspäteten Entscheidung der Beklagten auf den Leistungsantrag. Gemäß § 13 Abs. 3 a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a S. 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten abweichend die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a S 9 SGB V).
Die vorgenannten Voraussetzungen sind durchweg erfüllt. Bei dem Antrag vom 6. Mai 2015 handelt es sich um einen "fiktionsfähigen", hinreichend bestimmten Antrag. Als hinreichend bestimmt ist der Antrag anzusehen, soweit sich aus der hierdurch fingierten Genehmigung ein vollstreckungsfähiger Verfügungssatz entnehmen lässt (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 1/17 R -, juris Rn. 18 ff.). Diesen Anforderungen wird der Antrag der Klägerin insbesondere unter Einbeziehung des beigefügten Schreibens von Herrn C. gerecht, da hierin die geltend gemachte Leistung in Form einer ambulanten Verhaltenstherapie als Langzeittherapie in Einzelbehandlung im Umfang von 45 Sitzungen aufgrund der Diagnose "ICD-10: F32.01 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode mit somatischen Syndrom" hinreichend konkret beschrieben worden ist.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass von der Klägerin in ihrem Antrag die Versorgung in Form einer außervertraglichen Psychotherapie bei einem nicht kassenärztlich zugelassenen Therapeuten beantragt worden ist. Weder der Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V noch der Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V setzen voraus, dass die Leistung objektiv medizinisch notwendig und vom Leistungsumfang der GKV umfasst ist. Erforderlich ist insoweit allein, dass die Klägerin die Leistung für erforderlich halten durfte und diese nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Dieser Auslegung steht weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) entgegen. § 13 Abs. 3a SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von den genannten Anforderungen ab, indem er in seinem Satz 6 selbst in den Fällen, in denen eine Krankenkasse einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat (BSG, Urteil vom 6. November 2018 – B 1 KR 20/17 R –, SozR 4, juris Rn. 17 – 18 m.w.N.). Insoweit ist es lediglich Voraussetzung für den Eintritt der Genehmigungsfiktion, dass der Versicherte subjektiv von der Erforderlichkeit der Leistung ausgehen durfte (BSG Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 30/15 R –, juris, Rn. 39). Hieran bestehen vorliegend keine Zweifel. Bei der beantragten Psychotherapie in Form einer ambulanten Verhaltenstherapie handelt es sich eine Behandlungsmaßnahme, die als solche grundsätzlich dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfällt (BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R –, BSGE 121, 40-49, SozR 4-2500 § 13 Nr. 33, Rn. 27). Die Klägerin konnte aus ihrer subjektiven Sicht auch von der Erforderlichkeit der Behandlung durch den nicht kassenärztlich zugelassenen Therapeuten C. ausgehen, da von ihr ihr bereits mit der Antragstellung dargelegt wurde, trotz umfangreicher Bemühungen keinen Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten erhalten zu haben und ihr eine längere Wartezeit bis zu einer möglichen Behandlung durch einen zugelassenen Therapeuten insbesondere auch aufgrund der Folgen ihrer Erkrankung nicht zumutbar erscheinen durfte. Gestützt wurde die Klägerin dabei durch die Einschätzung ihres behandelnden Neurologen Dr. E., welcher in einer fachärztlichen Bescheinigung gegenüber der Beklagten vom 22. Juli 2015 ausgeführt hat, es bestehe die dringende Indikation einer ambulanten Psychotherapie, "welche ohne Zeitverzug notwendig sei, um einer drohenden Chronifizierung Herr zu werden" (vgl. Bl. 10 Verwaltungsakte).
Für den Fristbeginn ist der Tag maßgeblich, an dem der (hinreichend bestimmte) Antrag bei der Krankenkasse eingegangen ist. Es kommt nicht darauf an, ob Unterlagen vollständig eingereicht worden sind oder sonstiger Aufklärungsbedarf besteht. Der Antrag der Klägerin ist am Mittwoch, den 6. Mai 2015 bei der Beklagten eingegangen. Die Frist endete damit am Mittwoch, dem 27. Mai 2015 (§ 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -SGB X- i.V.m. § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Der anschließende ablehnende Bescheid wurde ohne die Durchführung medizinischer Ermittlungen am Donnerstag, den 28. Mai 2015 erlassen. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördeninternen Entscheidung über die Information (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, juris Rn. 28 - 29). Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 28. Mai 2015 ist in der Beratungsakte der Beklagten nicht dokumentiert und auch ansonsten nicht ersichtlich, kann vorliegend allerdings auch dahingestellt bleiben, da bereits durch den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides einen Tag nach Ablauf der mangels Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme einschlägige 3-Wochenfrist diese zweifelsfrei nicht eingehalten ist.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass sich die Klägerin bereits vor ihrem Antrag vom 6. Mai 2015 in der Behandlung bei Herrn C. befunden hat, da es sich hierbei noch nicht um die vorliegend streitgegenständliche, am 6. Mai 2015 beantragte Verhaltenstherapie gehandelt hat und bezüglich der Durchführung der Verhaltenstherapie sowie zur Person des Therapeuten bis dahin auch noch keine Festlegung der Klägerin bestanden hat. Nach einer im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigung von Herrn C. wurden vor der Antragstellung am 9. März 2015, 16. März 2015, 30. März 2015 und 30. April 2015 4 Sitzungen durchgeführt. Für den Senat bestehen keine Zweifel, dass es sich hierbei zunächst noch um die der eigentlichen Verhaltenstherapie vorgelagerten probatorischen Sitzungen gehandelt hat (eine weitere fand noch nach der Antragstellung am 11. Mai 2015 statt). Dies ergibt sich bereits aus dem als "Antrag auf Kostenerstattung" bezeichneten Schreiben von Herrn C. an die Beklagte vom 30. April 2015, wonach neben der auf 45 Sitzungen veranschlagten Verhaltenstherapie auch 5 probatorische Sitzungen durchgeführt werden sollten. Diese sind der eigentlichen Verhaltenstherapie vorgelagert. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie, Stand: 3. Januar 2015) sah in §§ 13 und 23a Abs. 1 Nr. 1 zum damaligen Zeitpunkt insoweit noch die Durchführung von bis zu 5 probatorischen Sitzungen vor der Antragstellung bezüglich der anschließend durchzuführenden Therapie vor. In der aktuellen Version der Psychotherapie-Richtlinie (zuletzt geändert am 18. Oktober 2018) wird die probatorische Sitzung unter § 12 wie folgt definiert: "Probatorische Sitzungen sind Gespräche, die zur weiteren diagnostischen Klärung des Krankheitsbildes, zur weiteren Indikationsstellung und zur Feststellung der Eignung der Patientin oder des Patienten für ein bestimmtes Psychotherapieverfahren unter Berücksichtigung der Ausschlüsse gemäß § 26 Absatz 3 dienen. Dabei sind auch weitere differenzialdiagnostische Abgrenzungen des Krankheitsbildes und eine Einschätzung der Prognose vorzunehmen. In den probatorischen Sitzungen erfolgt auch eine Klärung der Motivation, der Kooperations- und Beziehungsfähigkeit der Patientin oder des Patienten. Darüber hinaus dienen sie einer Abschätzung der persönlichen Passung, d.h. einer tragfähigen Arbeitsbeziehung von Patientin oder Patient und Therapeutin oder Therapeut. Entscheidungen zu weiteren Behandlungen sollten nach entsprechender Information der Patientin oder des Patienten mit diesem gemeinsam getroffen werden. Probatorische Sitzungen dienen der Einleitung einer ambulanten Psychotherapie. Sie sind keine Richtlinientherapie und werden nicht auf die Therapiekontingente angerechnet." Die probatorischen Sitzungen dienen damit in erster Linie der Diagnose und Klärung des Therapiebedarfs und stellen folglich noch nicht die eigentliche Therapie dar. Dass es sich bei den Sitzungen vom 9. März 2015, 16. März 2015, 30. März 2015, 30. April 2015 und 11. Mai 2015 nicht um die eigentliche Therapie, sondern um probatorische Sitzungen gehandelt hat, ergibt sich auch aus dem am 2. Juni 2015 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruchschreiben der Klägerin, in dem diese ausgeführt hat, sie habe bei Herrn C. die fünf therapeutischen "Kennenlernsitzungen" bereits absolviert. Hierbei kann es sich zur Überzeugung des Senats ausschließlich um eine Umschreibung der bis dahin durchgeführten probatorischen Sitzungen handeln. Die von der Klägerin vorliegend geltend gemachte Kostenerstattung betrifft demgegenüber ausschließlich die nach den probatorischen Sitzungen begonnene Verhaltenstherapie, die zeitlich nach Antragstellung bzw. Eintritt der Genehmigungsfiktion durchgeführt worden ist. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen betreffen insgesamt 24 Therapiesitzungen zwischen dem 23. Juli 2015 und dem 24. Januar 2019. Damit liegen diese innerhalb des beantragten Rahmens und wurden vollständig nach Eintritt der Genehmigungsfiktion am 6. Mai 2015 durchgeführt. Bezüglich der im Anschluss an die probatorischen Sitzungen durchgeführten Verhaltenstherapie wurde der Antrag auf Kostenübernahme vor Beginn der Behandlungsmaßnahme gestellt, so dass dem Anspruch der Klägerin nicht entgegengehalten werden kann, dass diese sich die Leistungen bereits vor Antragstellung selbst beschafft haben könnte. Mit der vorliegenden Entscheidung sieht sich der Senat daher auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2018. Danach sind Erstattungsansprüche als Ansprüche auf Geldleistungen vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V nicht erfasst, so dass bereits vor der Antragstellung vom Versicherten selbstbeschaffte Leistungen den Eintritt der Genehmigungsfiktion grundsätzlich nicht auszulösen vermögen (Beschluss vom 1. Oktober 2018 – L 11 KR 2154/18 –, juris Rn. 34). Im Gegensatz zu den vorgelagerten probatorischen Sitzungen war die vorliegend allein noch streitgegenständliche Verhaltenstherapie von der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am 6. Mai 2015 noch nicht angetreten worden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits von vornherein auf die Durchführung der Verhaltenstherapie bei Herrn C. festgelegt gewesen sein könnte, da dies dem Sinn und Zweck von probatorischen Sitzungen entgegenstehen würde und die nicht zwingend vorgeschriebene Durchführung von probatorischen Sitzungen angesichts dessen auch nicht notwendig gewesen wäre.
Der Klägerin steht über die sekundäre Kostenerstattung bezüglich der von ihr bereits durchgeführten 24 Therapiesitzungen hinaus auch ein Naturalleistungsanspruch in Form der von ihr beantragten und bislang noch nicht in Anspruch genommenen weiteren 21 Therapiestunden bei Herrn C. zu (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, BSGE 123, 293-302, SozR 4-2500 § 13 Nr. 36, Rn. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Kostenerstattung für eine ambulante Psychotherapie bei dem nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten und Diplom-Psychologen C.
Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Aufgrund einer schweren depressiven Episode bewilligte die Beklagte der zu diesem Zeitpunkt noch in der Nähe von München lebenden Klägerin mit Bescheid vom 27. Februar 2014 eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie in Form einer Kurzzeittherapie bis zu 25 Sitzungen. Die Maßnahme wurde bei der Diplom – Psychologin D. in D-Stadt in der Zeit bis zum 16. September 2014 in einem Umfang von 16 Sitzungen durchgeführt. Vom 21. Mai 2014 bis 15. Juli 2014 wurde die Klägerin wegen "rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Essstörung und Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" stationär behandelt. Im Anschluss an ihren Umzug zum jetzigen Wohnort befand sich die Klägerin ab dem 9. März 2015 in Behandlung bei dem Psychologischen Psychotherapeuten Diplom-Psychologe C., der keine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen besitzt. Am 6. Mai 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Psychotherapie bei Herrn C. Sie gab hierzu an, 16 namentlich von ihr benannte Psychotherapeuten hätten für sie keinen freien Therapieplatz gehabt. In einem beigefügten Kostenerstattungsantrag des Herrn C. führte dieser aus, bei der Klägerin sei wegen "rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig leichte Episode mit somatischem Syndrom" eine ambulante Verhaltenstherapie als Langzeittherapie in Einzelbehandlung indiziert. Es sollten 45 (+ 5 probatorische) Sitzungen zu je 50 Minuten Dauer durchgeführt werden. Das Honorar richte sich nach dem jeweils geltenden Vertragssatz des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM Nr. 35221). Ebenfalls beigefügt war ein Konsiliarbericht des Neurologen und Psychiater Dr. E. vom 18. März 2015. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Mai 2015 mit der Begründung ab, die psychotherapeutische Behandlung werde durch Vertragsärzte und zugelassene beziehungsweise ermächtigte psychologische Psychotherapeuten sichergestellt. Eine Wartezeit von bis zu 12 Wochen sei durchaus angemessen. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 2015 Widerspruch ein. Dabei führte sie aus, bei Herrn C. bereits fünf therapeutische "Kennenlernsitzungen" absolviert zu haben.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2015 als unbegründet zurück. Der Diplom-Psychologe C. habe keine Zulassung zur Ausführung und Abrechnung von psychotherapeutischen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und dürfe daher keine Psychotherapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen. Nicht zugelassene, approbierte Leistungserbringer dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden, in denen die Behandlung nicht ohne Gefahr für Leib und Leben des Patienten verzögert werden können (Fälle der sogenannten "Ersten Hilfe"), und ein zur vertraglichen Versorgung zugelassener Behandler nicht rechtzeitig zur Verfügung stehe. Im Fall der Klägerin liege ein solcher Notfall nicht vor. Eine auf Dauer angelegte Psychotherapie stelle keinen Notfall dar, der sofortiges ärztliches Handeln erfordere. Vielmehr könnten hier die Möglichkeiten ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe im Rahmen einer Krisenintervention genutzt werden. Auch sei eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung durch zugelassene Therapeuten sichergestellt. Eine Wartezeit von mehreren Monaten sei zumutbar. Die Beklagte habe der Klägerin zwei Vertragstherapeuten benannt, die freie Therapieplätze anbieten würden. Die Klägerin könne sich nicht auf ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Therapeuten berufen, da dieses durch die unzulässige Inanspruchnahme des Therapeuten begründet worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. August 2015 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Februar 2018 abgewiesen, da die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht erfüllt seien. Es bestehe weder eine dringenden Eilbehandlung gebietende Behandlungsbedürftigkeit noch habe die Beklagte eine medizinisch unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen können. Der Klägerin sei zumutbar gewesen, vor Beginn der ambulanten Behandlung bei dem Diplom-Psychologen C. am 9. März 2015 bei der Beklagten die Kostenübernahme zu beantragen und diese hierüber entscheiden zu lassen. Die Klägerin könne auch nicht die Übernahme der Kosten einer künftigen Behandlung bei dem Diplom-Psychologen C. im Wege der Sachleistung beanspruchen, da dieser nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zugelassen sei.
Gegen das ihr am 24. Februar 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 13. März 2018.
Die Klägerin hat die Gesamtkosten der von ihr durchgeführten Therapie bei dem Diplom-Psychologen C. durch Vorlage von Rechnungen in Höhe von insgesamt 2.057,02 EUR nachgewiesen.
Der Berichterstatter hat der Beklagten mit Verfügung vom 11. Februar 2019 den rechtlichen Hinweis erteilt, dass sich ein Anspruch der Klägerin aus der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V ergeben könnte.
Im Rahmen des nachfolgend am 14. Februar 2019 mit den Beteiligten durchgeführten Erörterungstermin hat die Klägerin erklärt, sie habe sich bereits im Vorfeld, d.h. vor den Sitzungen bei Herrn C. mit der Beklagten in Verbindung gesetzt. Im Rahmen eines Telefonats mit einem Arzt, der für die Beklagte bei ihr angerufen habe, sei ihr von diesem mitgeteilt worden, sie solle zunächst die probatorischen Sitzungen bei Herrn C. beginnen. Ein Antrag würde dann nach Abschluss der probatorischen Sitzungen durch den Arzt gestellt werden. Bereits zuvor habe sie ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Beklagten geführt. Auch diese hat ihr gesagt, sie solle erst den Therapeuten zur Durchführung der probatorischen Sitzungen aufsuchen. Ein Antrag würde dann gestellt werden, wenn die probatorischen Sitzungen beendet seiend und die Chemie mit dem Therapeuten stimme.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der vom 23. Juli 2015 bis zum 24. Januar 2019 durchgeführten Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. in Höhe von insgesamt 2.057,02 EUR zu erstatten sowie die Kosten für die weitere, am 6. Mai 2015 beantragte Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. im Umfang von 21 Sitzungen zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Genehmigungsfiktion könne aufgrund des nicht eingehaltenen Beschaffungsweges vorliegend nicht zur Anwendung kommen. Mit den Therapiesitzungen bei dem Therapeuten C. sei bereits ab dem 9. März 2015 begonnen worden. Dies ergebe sich sowohl aus dessen Bescheinigungen sowie dem bisherigen Vorbringen der Klägerin.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und auch in der Sache begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2018 sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten können keinen Bestand haben, da der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten der vom 23. Juli 2015 bis zum 24. Januar 2019 durchgeführten Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. in Höhe von insgesamt 2.057,02 EUR sowie der Gewährung von Sachleistungen in Form der Fortführung der beantragten Psychotherapie im Umfang von 21 Sitzungen zusteht.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus der verspäteten Entscheidung der Beklagten auf den Leistungsantrag. Gemäß § 13 Abs. 3 a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a S. 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten abweichend die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a S 9 SGB V).
Die vorgenannten Voraussetzungen sind durchweg erfüllt. Bei dem Antrag vom 6. Mai 2015 handelt es sich um einen "fiktionsfähigen", hinreichend bestimmten Antrag. Als hinreichend bestimmt ist der Antrag anzusehen, soweit sich aus der hierdurch fingierten Genehmigung ein vollstreckungsfähiger Verfügungssatz entnehmen lässt (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 1/17 R -, juris Rn. 18 ff.). Diesen Anforderungen wird der Antrag der Klägerin insbesondere unter Einbeziehung des beigefügten Schreibens von Herrn C. gerecht, da hierin die geltend gemachte Leistung in Form einer ambulanten Verhaltenstherapie als Langzeittherapie in Einzelbehandlung im Umfang von 45 Sitzungen aufgrund der Diagnose "ICD-10: F32.01 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode mit somatischen Syndrom" hinreichend konkret beschrieben worden ist.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass von der Klägerin in ihrem Antrag die Versorgung in Form einer außervertraglichen Psychotherapie bei einem nicht kassenärztlich zugelassenen Therapeuten beantragt worden ist. Weder der Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V noch der Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V setzen voraus, dass die Leistung objektiv medizinisch notwendig und vom Leistungsumfang der GKV umfasst ist. Erforderlich ist insoweit allein, dass die Klägerin die Leistung für erforderlich halten durfte und diese nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Dieser Auslegung steht weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) entgegen. § 13 Abs. 3a SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von den genannten Anforderungen ab, indem er in seinem Satz 6 selbst in den Fällen, in denen eine Krankenkasse einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat (BSG, Urteil vom 6. November 2018 – B 1 KR 20/17 R –, SozR 4, juris Rn. 17 – 18 m.w.N.). Insoweit ist es lediglich Voraussetzung für den Eintritt der Genehmigungsfiktion, dass der Versicherte subjektiv von der Erforderlichkeit der Leistung ausgehen durfte (BSG Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 30/15 R –, juris, Rn. 39). Hieran bestehen vorliegend keine Zweifel. Bei der beantragten Psychotherapie in Form einer ambulanten Verhaltenstherapie handelt es sich eine Behandlungsmaßnahme, die als solche grundsätzlich dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfällt (BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R –, BSGE 121, 40-49, SozR 4-2500 § 13 Nr. 33, Rn. 27). Die Klägerin konnte aus ihrer subjektiven Sicht auch von der Erforderlichkeit der Behandlung durch den nicht kassenärztlich zugelassenen Therapeuten C. ausgehen, da von ihr ihr bereits mit der Antragstellung dargelegt wurde, trotz umfangreicher Bemühungen keinen Therapieplatz bei einem zugelassenen Therapeuten erhalten zu haben und ihr eine längere Wartezeit bis zu einer möglichen Behandlung durch einen zugelassenen Therapeuten insbesondere auch aufgrund der Folgen ihrer Erkrankung nicht zumutbar erscheinen durfte. Gestützt wurde die Klägerin dabei durch die Einschätzung ihres behandelnden Neurologen Dr. E., welcher in einer fachärztlichen Bescheinigung gegenüber der Beklagten vom 22. Juli 2015 ausgeführt hat, es bestehe die dringende Indikation einer ambulanten Psychotherapie, "welche ohne Zeitverzug notwendig sei, um einer drohenden Chronifizierung Herr zu werden" (vgl. Bl. 10 Verwaltungsakte).
Für den Fristbeginn ist der Tag maßgeblich, an dem der (hinreichend bestimmte) Antrag bei der Krankenkasse eingegangen ist. Es kommt nicht darauf an, ob Unterlagen vollständig eingereicht worden sind oder sonstiger Aufklärungsbedarf besteht. Der Antrag der Klägerin ist am Mittwoch, den 6. Mai 2015 bei der Beklagten eingegangen. Die Frist endete damit am Mittwoch, dem 27. Mai 2015 (§ 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -SGB X- i.V.m. § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Der anschließende ablehnende Bescheid wurde ohne die Durchführung medizinischer Ermittlungen am Donnerstag, den 28. Mai 2015 erlassen. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördeninternen Entscheidung über die Information (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, juris Rn. 28 - 29). Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 28. Mai 2015 ist in der Beratungsakte der Beklagten nicht dokumentiert und auch ansonsten nicht ersichtlich, kann vorliegend allerdings auch dahingestellt bleiben, da bereits durch den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides einen Tag nach Ablauf der mangels Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme einschlägige 3-Wochenfrist diese zweifelsfrei nicht eingehalten ist.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass sich die Klägerin bereits vor ihrem Antrag vom 6. Mai 2015 in der Behandlung bei Herrn C. befunden hat, da es sich hierbei noch nicht um die vorliegend streitgegenständliche, am 6. Mai 2015 beantragte Verhaltenstherapie gehandelt hat und bezüglich der Durchführung der Verhaltenstherapie sowie zur Person des Therapeuten bis dahin auch noch keine Festlegung der Klägerin bestanden hat. Nach einer im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigung von Herrn C. wurden vor der Antragstellung am 9. März 2015, 16. März 2015, 30. März 2015 und 30. April 2015 4 Sitzungen durchgeführt. Für den Senat bestehen keine Zweifel, dass es sich hierbei zunächst noch um die der eigentlichen Verhaltenstherapie vorgelagerten probatorischen Sitzungen gehandelt hat (eine weitere fand noch nach der Antragstellung am 11. Mai 2015 statt). Dies ergibt sich bereits aus dem als "Antrag auf Kostenerstattung" bezeichneten Schreiben von Herrn C. an die Beklagte vom 30. April 2015, wonach neben der auf 45 Sitzungen veranschlagten Verhaltenstherapie auch 5 probatorische Sitzungen durchgeführt werden sollten. Diese sind der eigentlichen Verhaltenstherapie vorgelagert. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie, Stand: 3. Januar 2015) sah in §§ 13 und 23a Abs. 1 Nr. 1 zum damaligen Zeitpunkt insoweit noch die Durchführung von bis zu 5 probatorischen Sitzungen vor der Antragstellung bezüglich der anschließend durchzuführenden Therapie vor. In der aktuellen Version der Psychotherapie-Richtlinie (zuletzt geändert am 18. Oktober 2018) wird die probatorische Sitzung unter § 12 wie folgt definiert: "Probatorische Sitzungen sind Gespräche, die zur weiteren diagnostischen Klärung des Krankheitsbildes, zur weiteren Indikationsstellung und zur Feststellung der Eignung der Patientin oder des Patienten für ein bestimmtes Psychotherapieverfahren unter Berücksichtigung der Ausschlüsse gemäß § 26 Absatz 3 dienen. Dabei sind auch weitere differenzialdiagnostische Abgrenzungen des Krankheitsbildes und eine Einschätzung der Prognose vorzunehmen. In den probatorischen Sitzungen erfolgt auch eine Klärung der Motivation, der Kooperations- und Beziehungsfähigkeit der Patientin oder des Patienten. Darüber hinaus dienen sie einer Abschätzung der persönlichen Passung, d.h. einer tragfähigen Arbeitsbeziehung von Patientin oder Patient und Therapeutin oder Therapeut. Entscheidungen zu weiteren Behandlungen sollten nach entsprechender Information der Patientin oder des Patienten mit diesem gemeinsam getroffen werden. Probatorische Sitzungen dienen der Einleitung einer ambulanten Psychotherapie. Sie sind keine Richtlinientherapie und werden nicht auf die Therapiekontingente angerechnet." Die probatorischen Sitzungen dienen damit in erster Linie der Diagnose und Klärung des Therapiebedarfs und stellen folglich noch nicht die eigentliche Therapie dar. Dass es sich bei den Sitzungen vom 9. März 2015, 16. März 2015, 30. März 2015, 30. April 2015 und 11. Mai 2015 nicht um die eigentliche Therapie, sondern um probatorische Sitzungen gehandelt hat, ergibt sich auch aus dem am 2. Juni 2015 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruchschreiben der Klägerin, in dem diese ausgeführt hat, sie habe bei Herrn C. die fünf therapeutischen "Kennenlernsitzungen" bereits absolviert. Hierbei kann es sich zur Überzeugung des Senats ausschließlich um eine Umschreibung der bis dahin durchgeführten probatorischen Sitzungen handeln. Die von der Klägerin vorliegend geltend gemachte Kostenerstattung betrifft demgegenüber ausschließlich die nach den probatorischen Sitzungen begonnene Verhaltenstherapie, die zeitlich nach Antragstellung bzw. Eintritt der Genehmigungsfiktion durchgeführt worden ist. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen betreffen insgesamt 24 Therapiesitzungen zwischen dem 23. Juli 2015 und dem 24. Januar 2019. Damit liegen diese innerhalb des beantragten Rahmens und wurden vollständig nach Eintritt der Genehmigungsfiktion am 6. Mai 2015 durchgeführt. Bezüglich der im Anschluss an die probatorischen Sitzungen durchgeführten Verhaltenstherapie wurde der Antrag auf Kostenübernahme vor Beginn der Behandlungsmaßnahme gestellt, so dass dem Anspruch der Klägerin nicht entgegengehalten werden kann, dass diese sich die Leistungen bereits vor Antragstellung selbst beschafft haben könnte. Mit der vorliegenden Entscheidung sieht sich der Senat daher auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2018. Danach sind Erstattungsansprüche als Ansprüche auf Geldleistungen vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V nicht erfasst, so dass bereits vor der Antragstellung vom Versicherten selbstbeschaffte Leistungen den Eintritt der Genehmigungsfiktion grundsätzlich nicht auszulösen vermögen (Beschluss vom 1. Oktober 2018 – L 11 KR 2154/18 –, juris Rn. 34). Im Gegensatz zu den vorgelagerten probatorischen Sitzungen war die vorliegend allein noch streitgegenständliche Verhaltenstherapie von der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am 6. Mai 2015 noch nicht angetreten worden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits von vornherein auf die Durchführung der Verhaltenstherapie bei Herrn C. festgelegt gewesen sein könnte, da dies dem Sinn und Zweck von probatorischen Sitzungen entgegenstehen würde und die nicht zwingend vorgeschriebene Durchführung von probatorischen Sitzungen angesichts dessen auch nicht notwendig gewesen wäre.
Der Klägerin steht über die sekundäre Kostenerstattung bezüglich der von ihr bereits durchgeführten 24 Therapiesitzungen hinaus auch ein Naturalleistungsanspruch in Form der von ihr beantragten und bislang noch nicht in Anspruch genommenen weiteren 21 Therapiestunden bei Herrn C. zu (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, BSGE 123, 293-302, SozR 4-2500 § 13 Nr. 36, Rn. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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