L 20 AS 1122/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 33 AS 1352/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 1122/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 18/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
die Beteiligen haben sich gerichtlich verglichen
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.

Die 1952 geborene Klägerin ist Eigentümerin eines von ihr bewohnten Hausgrundstücks und bezog seit dem Jahr 2007 (im Wesentlichen ergänzende) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 07. April 2016 wurden ihr für die Zeit vom 01. Mai 2016 bis 31. August 2016 Leistungen in Höhe von 408,91 Euro für Mai und Juli 2016 bzw. 321,11 Euro für Juni und August 2016 vorläufig bewilligt.

Ausweislich einer Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn See vom 5. Februar 2016 hatte die Klägerin Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte. Laut einer von der Klägerin eingereichten Rentenauskunft erreichte sie die Regelaltersgrenze am 1. September 2017. Für die Zeit vom 1. März 2016 bis zum 28. Februar 2017 hatte die Klägerin eine Stelle beim Bundesfreiwilligendienst mit einer wöchentlichen Dienstzeit von 21,5 Stunden inne. Hierfür erhielt sie ein Taschengeld von monatlich 200,00 Euro. Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 81,22 Euro wurden von der Einsatzstelle abgeführt. Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 (Eingang Knappschaft) stellte der Beklagte aufgrund eines vorangegangenen Bescheides zur Aufforderung zur Altersrentenbeantragung vom 02. Februar 2016 bei der Knappschaft Bahn See für die Klägerin einen Antrag auf geminderte Altersrente. Der gegen den Bescheid vom 2. Februar 2016 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2016 zurückgewiesen, hiergegen ist anhängig der Rechtsstreit S 33 AS 774/16 - L 25 AS 1331/18 Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Juni 2016 forderte der Beklagte die Klägerin erneut auf, bis zum 15. Juli 2016 einen Antrag auf geminderte Altersrente zu stellen und dies mitzuteilen. Zur Begründung heißt es insbesondere, es seien keine maßgeblichen Gründe ersichtlich, welche gegen die Beantragung der vorrangigen Leistungen sprechen. Die Beantragung der vorzeitigen Rente sei der Klägerin in Abwägung ihrer Interessen mit dem Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Verwendung von Leistungen nach dem SGB Il zumutbar. Eine Ausnahme nach der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 09. Juli 2016 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass aufgrund ihres Freiwilligendienstes ein Fall der Unbilligkeitsverordnung vorliege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Ein Fall der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor, es sei von einem intendierten Ermessen auszugehen und ein atypischer Fall sei nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat am 02. August 2016 Klage zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) - SG - erhoben. Aufgrund ihres Bundesfreiwilligendienstes sei sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so dass ein Fall von § 4 Unbilligkeitsverordnung vorliege.

Mit Bescheid vom 28. November 2016 erkannte die Knappschaft Bahn See gegenüber der Klägerin aufgrund deren Antrags vom 15. November 2016 einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte als Rentenvorschuss ab dem 01. November 2016 an. Eine endgültige Rentenberechnung sei aufgrund des laufenden Klageverfahrens gegen die Aufforderung des Beklagten zur Rentenantragstellung nicht möglich. Gegen diesen Bescheid haben die Klägerin und der Beklagte Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom 22. März 2017 erkannte die Knappschaft Bahn See gegenüber der Klägerin aufgrund des Antrags des Jobcenters vom 26. Februar 2016 einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte dem Grunde nach ab dem 01. Februar 2016 an (mtl. Vorschussleistung ab 05/2017 930,02 Euro). In dem Bescheid heißt es, der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Das SG hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage mit Urteil vom 24. Mai 2018 abgewiesen.

Der Bescheid vom 28. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2016 sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

Der formale Fehler der fehlenden Anhörung vor Erlass des Bescheides vom 28. Juni 2016 sei nach § 41 Abs. I Nr. 3, Abs. 2 SGB X durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides komme es auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also den Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Widerspruchsbescheides (Juli 2016) an. Denn in der Hauptsache sei eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) die statthafte Klageart. Insbesondere handele es sich bei der Aufforderung, eine vorzeitige Rente zu beantragen, nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Der angegriffene Bescheid regle ein einmaliges Gebot gegenüber der Klägerin, indem er ihr aufgebe, einen Antrag auf vorzeitige Rente zu stellen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufforderung, einen Antrag auf vorzeitige Rente zu stellen, nach § 12a SGB Il lägen vor. Die Klägerin habe im Juli 2016 bereits das 63. Lebensjahr vollendet, die vorzeitige Altersrente sei eine andere Sozialleistung, die ein anderer Träger zu erbringen hat und deren Bezug zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit führt.

Es liege auch keiner der Sachverhalte vor, aufgrund derer Leistungsberechtigte nach der Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV) nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.

Ein Fall von § 2 UnbilligkeitsV liegt nicht vor, denn die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters würde nicht zu einem Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen. Einen Anspruch auf ALG I habe die Klägerin im Juli 2016 nicht gehabt. Dass ein solcher Anspruch ab März 2017 nach Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes gegebenenfalls entstanden sein könnte, erfülle nicht die Voraussetzungen von § 2 UnbilligkeitsV, welcher auf einen im maßgeblichen Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bestehenden Anspruch oder eine Anwartschaft abstelle.

Es liege kein Fall von § 3 UnbilligkeitsV vor, da die Klägerin nicht in nächster Zukunft nach Erlass des angegriffenen Bescheides die Altersrente hätte abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Gemeint sei hier ein Zeitraum von längstens drei Monaten (vgl. Referentenentwurf zur UnbilligkeitsV, S. 8). Die Klägerin habe die abschlagsfreie Regelaltersrente erst ab dem 1. September 2017 beziehen können.

Die Klägerin sei bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2016 nicht im Sinne von § 4 UnbilligkeitsV erwerbstätig gewesen. Voraussetzung von § 4 UnbilligkeitsV sei eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit mit entsprechend hohem Einkommen. Bei der Stelle im Bundesfreiwilligendienst handele es sich nicht um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 4 UnbilligkeitsV.

Die Klägerin erhalte lediglich ein Taschengeld vom 200,00 Euro. Sozialversicherungsbeiträge zahle die Klägerin hiervon nicht. Zwar würden Sozialversicherungsbeiträge von der Einsatzstelle erbracht (§ 20 Abs. 3 Nr. 2 SGB IV). Dies führe jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin zu keiner anderen Bewertung. § 4 UnbilligkeitsV meine mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nur eine solche, die aufgrund der Höhe des Bruttoeinkommens sozialversicherungspflichtig ist. Letzteres gelte nicht für geringfügige Beschäftigungen mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 450,00 Euro (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV). Die Anknüpfung an die Höhe des Einkommens ergebe sich zum einen aus der Formulierung des § 4 UnbilligkeitsV, wonach eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit mit entsprechend hohem Einkommen gefordert werde. Daraus ergebe sich das Erfordernis einer Vergleichbarkeit zwischen den beiden genannten Alternativen, welche sich allein aus der Höhe des Einkommens ergeben könne. Diese Auslegung entspreche auch dem Willen des Verordnungsgebers. Ausweislich des Referentenentwurfes zur UnbilligkeitsV (dort S. 8) solle durch die Ausnahme bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung dem Aspekt Rechnung getragen werden, dass eine hilfebedürftige Person, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt, bereits zu einem nicht unerheblichen Umfang zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts beiträgt. Nach dem Referentenentwurf solle das gleiche gelten "für Personen, die aufgrund ihrer nicht abhängigen Erwerbstätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig sind, deren Einkommen aber so hoch ist, dass es dem monatlichen Bruttoeinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von derzeit mindestens 400 Euro entspreche”.

Zum anderen diene § 4 UnbilligkeitsV dazu, die Zielsetzung der Eingliederung in Arbeit zu fördern, indem bereits in Arbeit eingegliederte Personen nicht zur Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente verpflichtet würden (S. 8 des Referentenentwurfes). Nach § 1 Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) diene der Bundesfreiwilligendienst jedoch gerade nicht dem Ziel der Eingliederung in Arbeit, sondern dem Allgemeinwohl. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BFDG sei der Bundesfreiwilligendienst arbeitsmarktneutral auszugestalten. Nach der Gesetzesbegründung solle damit sichergestellt werden, dass die Freiwilligen unterstützende, zusätzliche Tätigkeiten verrichteten und keine hauptamtlichen Kräfte ersetzten (vgl. BR-Drucksache 849/1 0, S. 24). Die zeitliche Begrenzung des Dienstes (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 5 BFDG) solle nach der Gesetzesbegründung sicherstellen, dass niemand Bundesfreiwilligendienst zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ableiste und dass eine regelmäßige Neubesetzung der Einsatzplätze stattfinde (vgl. BR Drucksache 849/10 S. 25). Eine solche Tätigkeit könne damit nicht Bestandteil des regulären Arbeitsmarktes sein (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. August 2012, L 13 AS 2352/12 ER B).

Der Beklagte habe das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und hinreichende Ermessenserwägungen angestellt. Er habe sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten. Denn er habe die Inanspruchnahme der vorzeitigen Rente durch die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Interessen für zumutbar erachtet und das Vorliegen eines atypischen Falles unter Auseinandersetzung mit den durch die Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgebrachten, ihren Einzelfall betreffenden Argumenten verneint. Dabei sei - entgegen der Ansicht der Klägerin - zu beachten, dass es im Regelfall pflichtgemäßem Ermessen des Leistungsträgers entspreche, von der Ermächtigung zur Aufforderung zur Antragstellung Gebrauch zu machen, denn im Grundsatz habe der Leistungsberechtigte nach § 12a SGB II die gesetzliche Verpflichtung zur Realisierung vorrangiger Sozialleistungen. Relevante Ermessensgesichtspunkte könnten deshalb nur solche sein, die einen atypischen Fall begründeten, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung abzusehen sei. Dabei kämen nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht, welche die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen ließen. Soweit sich solche Umstände nicht aufdrängten, sei es am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalls vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen habe (BSG, Urteil vom 19.08.2015 — B 14 AS 1/15 R). Außergewöhnliche Umstände, die zu einer anderen Entscheidung hätten führen und weitere Ermessenserwägungen hätten auslösen müssen, seien weder von der Klägerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgetragen worden noch hätten Anhaltspunkte hierfür bestanden.

Insbesondere habe es keiner Erwägungen zu der Höhe der vorzeitigen Altersrente im Vergleich zu dem Bedarf der Klägerin im Sinne des SGB II oder SGB XII bedurft. Die isolierte Betrachtung der Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB Il oder SGB XII und der Höhe der vorrangigen Sozialleistung sei nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit ihrer Inanspruchnahme aufgrund außergewöhnlicher Umstände zu begründen (BSG, Urteil vom 19.08.2015 — B 14 AS 1/15 R). Denn § 12a Satz 1 SGB II lasse schon die Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Verpflichtung zur Inanspruchnahme genügen. Der Beklagte habe daher auch keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich der zu erwartenden Höhe der geminderten Rente der Klägerin gehabt.

Anhaltspunkte für eine besondere Härte hätten sich auch nicht aufgrund der Tatsache ergeben, dass die Klägerin Eigentümerin des von ihr bewohnten Hausgrundstücks sei. Zwar können Härten im Einzelfall, welche mit einem Wechsel von Leistungen nach dem SGB Il zu solchen nach dem SGB XII verbunden sind, z. B. durch das Vorhandensein von Altersvorsorgevermögen, welches durch das SGB II, aber nicht durch das SGB XII geschützt wäre, Anlass zu Ermessenserwägungen geben. Erforderlich sei jedoch das Vorliegen von Anhaltspunkten, dass eine solche besondere Härte mit der Inanspruchnahme der vorzeitigen Rente verbunden wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Denn zum einen habe die Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht, dass eine geminderte Rente ihren Bedarf nicht decken würde. Insbesondere habe sie die Angaben zur Höhe der zu erwartenden Regelaltersrente in der von ihr eingereichten Rentenauskunft geschwärzt, sodass eine Ermittlung der Höhe der vorzeitigen Rente nicht möglich gewesen sei. Zum anderen sei ein selbst bewohntes angemessenes Hausgrundstück auch für den Fall des Bezuges von Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschütztes Vermögen. Gründe, aufgrund derer sich dem Beklagten aufdrängen musste, dass im Fall der Klägerin ein Schutz nach dieser Norm ausscheiden könnte, seien nicht ersichtlich.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen das ihm am 21. Juni 2018 zugestellte Urteil am selben Tag Berufung eingelegt, mit der er das Begehren der Klägerin weiterverfolgt. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des 14. und 29. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vertritt er die Auffassung, dass durch den Verlust der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld I nach Beendigung des Bundesfreiwilligendienstes eine Unbilligkeit nach § 2 der Unbilligkeitsverordnung vorliege. Durch den Rentenbezug trete ein vollständiger Verlust der Ansprüche nach dem SGB III ein, welches ein vermögensgleiches Recht sei. Dies sei im Rahmen der gerichtlich voll überprüfbaren Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Im Übrigen sei die Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne von § 4 der Unbilligkeitsverordnung. Die Unbilligkeitsverordnung sehe keine Einkommensgrenze vor. Maßgeblich sei allein, dass es sich um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handele, die einen Anspruch bzw. eine Anwartschaft auf Leistungen nach dem SGB III begründe. Dies sei hier der Fall. Dass eine Tätigkeit vorliege, die dem Allgemeinwohl diene, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der 11. Senat des BSG habe entschieden, dass Teilnehmer am BFD und am Freiwilligen Sozialen Jahr sozialversicherungsrechtlich Beschäftigten zumindest gleichgestellt seien (BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 1/16 R). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des SG Frankfurt/Oder vom 24. Mai 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2016 aufzuheben.

Der Beklagte hat sich ebenfalls mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und beantragt schriftsätzlich, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen des angefochtenen Urteils zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (6 Bände) Bezug genommen, der vorlag und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung den Rechtsstreit beraten und entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass die Aufforderung an die Klägerin zur Rentenantragstellung rechtmäßig ist.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts vom 24. Mai 2018 sowie der Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2016, durch den die Klägerin zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden ist. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft, da es sich bei der Aufforderung, vorzeitig eine Altersrente zu beantragen, um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handelt (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R –, BSGE 119, 271-286, juris Rn 12). Die Aufforderung des Beklagten hat sich auch nicht i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt, sodass die Anfechtungsklage weiter zulässig bleibt. Denn gegen den auf Antrag des Beklagten vom 26. Februar 2016 ergangenen Rentenbescheid vom 22. März 2017 hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Insoweit ist auch die Rentenbewilligung ab dem 1. Februar 2016 – ebenso wie die Rentenbewilligung ab dem 1. November 2016 mit Rentenbescheid vom 28. November 2016 – nur vorläufig erfolgt und eine endgültige Festsetzung erst nach Abschluss des bzw. der Klageverfahren und des anhängigen Widerspruchsverfahrens angekündigt worden. Ist aber das Rentenverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen, begründet und erhält die angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des beklagten SGB II-Trägers für den Leistungsberechtigten im Rentenverfahren (vgl. BSG, Urteile vom 19. August 2015, vom 9. März 2016 – B 14 AS 3/15 R und vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R –, jeweils juris).

Rechtsgrundlage der angefochtenen Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ist § 12a i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II (jeweils in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13.5.2011). Gem. § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (§ 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II). Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II gilt: Stellen Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, können die Leistungsträger nach diesem Buch den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen.

In formeller Hinsicht ist die Aufforderung vom 28. Juni 2016 nicht zu bemängeln; ein etwaiger Anhörungsmangel (§ 24 SGB X) wäre durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Aufforderung erweist sich auch als materiell rechtmäßig. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer solchen Aufforderung ist zum einen die Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II, eine vorrangige Leistung zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, und zum anderen die fehlerfreie Ermessensentscheidung des Leistungsträgers nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, den Leistungsberechtigten zur Antragstellung aufzufordern (BSG, Urteil vom 19.8.2015, a.a.O.).

Die Klägerin konnte eine vorzeitige Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nehmen. § 12a Satz 1 Nr. 2 SGB II nimmt Bezug auf die in § 33 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) genannten Altersrenten, zu denen auch die Altersrente für langjährig Versicherte nach §§ 33 Abs. 2 Nr. 2, 36 SGB VI zählt (Radüge, in: juris-PK-SGB II, Stand: 10.10.2016, § 12a Rn. 26). Nach § 36 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte, wenn sie das 67. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. Die 1952 geborene Klägerin hatte im Februar 2015 das 63. Lebensjahr vollendet.

Die Klägerin war auch verpflichtet, die vorzeitige Altersrente bei der Beigeladenen zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Dem steht zunächst nicht die sog. 58er-Regelung aus § 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II i.V.m. § 428 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 SGB III entgegen. Diese schützt den von ihr erfassten Personenkreis vor der Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin fällt jedoch nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der Regelung, weil sie erst nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet hat (vgl. § 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II).

Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente für langjährig Versicherte würde vorliegend auch die Hilfebedürftigkeit der Klägerin beseitigen, da sie mit dem Bezug der vorzeitigen Altersrente gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer Rente wegen Alters bezieht, aus dem Leistungssystem des SGB II ausscheiden würde.

Die Erforderlichkeit einer Antragstellung durch die Klägerin folgt aus § 99 Abs. 1 SGB VI, wonach Renten aus eigener Versicherung nur auf Antrag geleistet werden.

Ein Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung der Klägerin nach § 12a Satz 1 SGB II zur Beantragung und Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nach der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung - UnbilligkeitsV - vom 14.04.2008, BGBl. I 2008 S. 734) liegt nicht vor.

Die aufgrund von § 13 Abs. 2 SGB II erlassene UnbilligkeitsV vom 14. April 2008 schränkt die Möglichkeiten des SGB II-Trägers, den Leistungsberechtigten auf die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente zu verweisen, ein. § 13 Abs. 2 SGB II ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Leistungsberechtigte nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 16/7460, S. 12) soll das in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebrachte Regel-Ausnahme-Verhältnis verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre. Mit der Verordnungsermächtigung sei im Übrigen beabsichtigt, auf Erfahrungen und Erkenntnisse der Praxis flexibel reagieren und möglichen Fehlentwicklungen entgegenwirken zu können.

Nach Auffassung des BSG (Urteil vom 19. August 2015, a.a.O.), welcher der Senat folgt, statuiert § 1 UnbilligkeitsV, wonach Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, keinen allgemeinen, offenen Ausnahmetatbestand der "Unbilligkeit", sondern dient nur als Einleitung für die dann in den §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV (in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung) aufgeführten Fälle, in denen eine Unbilligkeit anzuerkennen ist (so auch K.-J. Bieback, in: jurisPR-SozR 6/2016, Anm. 3). Eine allgemeine Öffnungsklausel würde zum einen dem gesetzgeberischen Ansatz widersprechen, den Verordnungsgeber zur Regelung eng umgrenzter Fälle zu ermächtigen; zum anderen bedarf es ihrer auch deshalb nicht, weil unzumutbaren besonderen Härten, die von der UnbilligkeitsV nicht erfasst werden, im Rahmen der Ermessensausübung begegnet werden kann (vgl. BSG, a.a.O.).

Der Katalog der Unbilligkeitsgründe aus der Verordnung ist daher abschließend (BSG, Urteil vom 19.8.2015, a.a.O., m.w.N. auch zur Gegenauffassung von Geiger, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 12a Rn. 6 – nicht mehr beibehalten in der 6. Aufl. 2017, Rn. 12 – und Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Juni 2015, § 13 Rn. 397, ebenfalls nicht mehr beibehalten zum Bearbeitungsstand April 2017, Rn. 471).

Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist, dargelegt, dass vorliegend keiner der in den §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV geregelten Fälle vorliegt. Insbesondere folgt etwas anderes nicht aus der Durchführung eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) durch die Klägerin ab dem 1. März 2016.

Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des 29. und des 14. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit den Entscheidungen vom 28. August 2015 (Az.: L 29 AS 1604/15 B ER) und 6. Oktober 2016 (L 14 AS 2033/16 B ER), wonach mit der Aufnahme eines Bundesfreiwilligendienstes eine Unbilligkeit der Rentenantragstellung nach § 2 UnbilligkeitsV anzunehmen sei. Nach § 2 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente unbillig, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde. Damit ist jedoch, worauf der Antragsgegner mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend hinweist, eine Unbilligkeit bei Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III – (Alg I) erfasst, nicht jedoch erst der Erwerb einer Anwartschaft (vgl.Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 4. Auflage 2017, § 12a Rn. 16; Beschluss des Senats vom 5. Juni 2016 – L 20 AS 1378/16 B ER – unveröffentlicht).

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 UnbilligkeitsV, denn dort ist der "Anspruch auf Arbeitslosengeld" und nicht die Zeit des Erwerbs eines solchen angeführt. Dies folgt auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift. Die Zeit des Erwerbs einer Anwartschaft auf einen Anspruch auf Alg I, die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, wird in § 4 der UnbilligkeitsV geregelt (dazu unten). Auch die Begründung der UnbilligkeitsV beschreibt die Regelung in diesem Sinne soweit dort angeführt wird, dass der Fall normiert sei, "dass Hilfebedürftige Arbeitslosengeld beziehen" (Begründung Referentenentwurf http:// www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF Gesetze/unbilligkeitsverordnungbe-gruendung.pdf blob=publicationFile, Seite 8 zu § 2).

Mit § 2 UnbilligkeitsV erfasst wird somit die Konstellation, dass ein Leistungsberechtigter Alg nach dem SGB III (Alg I) bezieht, auf das er für eine bestimmte Dauer und in bestimmter Höhe einen eigentumsrechtlich geschützten Anspruch (vgl. Art. 14 Abs. 1 GG) hat, und ergänzend dazu – aufstockend - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhält. Da der Bezug der vorgezogenen Altersrente zum (dauerhaften) Ruhen des Anspruchs auf Alg I führen würde (§ 156 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III), soll der Leistungsberechtigte hierauf nicht verwiesen werden können (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 09/15, § 12a SGB II, Rn. 99 unter Verweis auf die nichtamtliche Begründung des Referentenentwurfs zur UnbilligkeitsV, a. a. O.).

Die Beantragung der vorgezogenen Altersrente ist auch nicht deshalb unbillig, weil die Klägerin in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen konnte (§ 3 UnbilligkeitsV). Abschlagsfrei hätte sie eine Rente nach Auskunft ihres Rentenversicherers erst zum 1. September 2017 in Anspruch nehmen können. Ein Zeitraum von mehr als einem Jahr zwischen dem Beginn der vorzeitigen Inanspruchnahme mit Abschlägen nach Vollendung des 63. Lebensjahres bis zur abschlagsfreien Inanspruchnahme ist jedoch nicht eine bevorstehende abschlagsfreie Altersrente "in nächster Zukunft" (s. a. Begründung des Referentenentwurfs zur UnbilligkeitsV, S. 8, abrufbar unter http://www.bmas.de/ DE/Service/Gesetze/unbilligkeitsverordnung.html: längstens drei Monate).

Schließlich greift auch die Ausnahmebestimmung in § 4 UnbilligkeitsV nicht. Danach ist unbillig die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Rente mit Abschlägen, solange Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erzielen. Wobei dies nur gilt, wenn die Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit den überwiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nimmt (Satz 2). Nach der nichtamtlichen Begründung des Referentenentwurfs (a.a.O.) trägt die Regelung dem Umstand Rechnung, dass eine hilfebedürftige Personen solange sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt, bereits zu einem nicht unerheblichen Umfang zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts beiträgt. Das gleiche gelte für Personen, die aufgrund ihrer nicht abhängigen Erwerbstätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig sind, deren Einkommen aber so hoch ist, dass es die monatlichen Bruttoeinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von seinerzeit mindestens 400 Euro entspricht. Mit der Zielsetzung, die Eingliederung in Arbeit zu fördern, wäre es nicht vereinbar, gerade diese in Arbeit eingegliederten Personen zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente zu verpflichten (Referentenentwurf a.a.O. S. 8).

Eine in diesem Sinne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übte die Klägerin im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes nicht aus.

Zutreffend verweist zwar der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf, dass ein Bundesfreiwilligendienst der Sozialversicherungspflicht unterliegt (vgl. Artikel 7, 8, 9 und 10 des Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687ff). Es handelt sich bei dem BFD jedoch nicht um eine Beschäftigung im Sinne der UnbilligkeitsV.

Nach der überzeugenden Ansicht des BSG (BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 54/15 R –, juris Rn. 26, sowie Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 1/16 R –, BSGE 122, 271-279, juris Rn. 17, und Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 26/16 R –, juris Rn 23ff), der der Senat folgt, handelt es sich bei dem BFD schon nicht um eine Erwerbstätigkeit. Nach seiner Zweckrichtung ist der BFD vielmehr einem Ehrenamt ähnlich. Es handelt sich um eine freiwillige Betätigung von Personen für das Allgemeinwohl, insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, sowie in den Bereichen des Sports, der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes (§ 1 BFDG).

Bei einem BFD handelt es sich mithin nicht um eine Beschäftigung i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 26/16 R –, juris 23). Diese ist definiert als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Freiwilligen im BFD stehen zu dessen Träger aber weder in einem Arbeits- noch einem Ausbildungsverhältnis (BSG Urteil vom 23. Februar 2017 a.a.O. Rn 16 m.w.N.). Vielmehr stellt der BFD von seiner Konzeption her eine freiwillige Betätigung für das Allgemeinwohl dar (vgl. § 1 BFDG) und ist damit einem Ehrenamt ähnlich (BSG, vom 12. Dezember 2017 a.a.O.).

Der Dienst als Freiwilliger im Rahmen des BFD ist einer Beschäftigung nur gleichgestellt (BSG, zur vergleichbaren Tätigkeit in einem Freiwilligen Sozialen Jahr, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 1/16 R –, BSGE 122, 271-279, juris Rn. 17). Dies hat der 11. Senat des BSG insbesondere aus dem vom Gesetzgeber beabsichtigten sozialen Schutz des Dienstleistenden abgeleitet (BSG, a.a.O. Rn 19 - 21, dem folgend BSG vom 12. Dezember 2017, a.a.O.). Durch die Gleichstellung mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis - und der damit verbundenen Vermeidung einer Lücke in der Versicherungsbiografie während der Ableistung des BFD - hat der Gesetzgeber das gesellschaftliche Interesse an der Absolvierung eines BFD zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Tätigkeit in einem Freiwilligen Sozialen Jahr: BSG, Urteil vom 17. April 2007 – B 5 R 62/06 R , juris Rn. 27). Dieser Schutz führt jedoch nicht dazu, dass der BFD auch im Regelungszusammenhang der Arbeitsförderung – oder hier der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der UnbilligkeitsV - als (versicherungspflichtige) Beschäftigung anzusehen ist, bzw. einer solchen gleichzustellen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 26/16 R –, juris Rn. 22f.; a.A. zum Arbeitsförderungsrecht Mutschler in Knickrehm/ Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl. 2017, § 44 SGB III Rn. 8).

Dieses nach dem Wortlaut der Norm gefundene Ergebnis wird gestützt durch die Gesetzessystematik und dessen Sinn und Zweck. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder nicht abhängige Erwerbstätigkeit muss nämlich gem. § 4 Satz 2 UnbilligkeitsV zudem in einem zeitlichen Umfang ausgeübt werden, der zeigt, dass die hilfebedürftige Person ihre Arbeitskraft überwiegend zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit einsetzt. Ist beides der Fall, so wäre es mit dem Reintegrationsziel der § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 2a SGB II unvereinbar, eine solchermaßen in Arbeit eingegliederte Person zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente zu verpflichten (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 09/15, § 12a SGB II, Rn. 107, Rn 528; vgl. nichtamtliche Begründung des Referentenentwurfs zur UnbilligkeitsV, S. 8 zu B. Besonderer Teil § 4; Plenarprotokoll 16/150 vom 12. 3. 2008, S. 15786 f.). Die Durchführung eines BFD begründet aber wie ausgeführt gerade keine Eingliederung in Arbeit. Insoweit wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. August 2012, L 13 AS 2352/12 ER B, juris Rn 6).

Im Übrigen erhellt die dargestellte Systematik (vgl. § 4 Satz 2 UnbilligkeitsV), dass im Rahmen der §§ 4 und 5 UnbilligkeitsV maßgebliches Kriterium nicht die Sozialversicherungspflichtigkeit einer Tätigkeit an sich ist, sondern der Umfang in dem der Betroffene seine Arbeitskraft zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit bereits einsetzt oder demnächst einsetzen wird (§ 5 UnbilligkeitsV), dokumentiert durch die Erzielung des für den Eintritt der Sozialversicherungspflicht i.d.R. erforderlichen Einkommens (§ 8 Abs. 1 SGB IV). So dass im Rahmen der §§ 4 und 5 UnbilligkeitsV grundsätzlich auf die Grenze des § 8 Abs. 1 SGB IV abzustellen ist (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R –, Rn. 23, juris unter Verweis auf die Begründung des Referentenentwurfs zu § 4 UnbilligkeitsV - siehe S. 8 des Referentenentwurfs).

Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil (Seite 8 des Urteilsabdrucks) Bezug, denen er folgt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Unbilligkeitsgründe nach § 5 UnbiligkeitsV liegen ebenfalls nicht vor. Es ist schon nicht vorgetragen, dass die Klägerin demnächst eine Erwerbstätigkeit i.S.d. § 4 UnbilligkeitsV aufzunehmen beabsichtigte.

Ermessensfehler bei der angefochtenen Entscheidung über das "Ob" einer Aufforderung zur Beantragung einer Rente sind weder vorgetragen noch erkennbar. Der Senat nimmt insoweit ebenfalls vollumfänglich auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Dass die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen, mit Abschlägen behafteten Altersrente nach dem Regelungssystem des SGB II mit dem Grundgesetz in Einklang steht, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG geklärt (vgl. BSG Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 R –, BSGE 119, 271-286, juris, Rn. 45 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision wird im Hinblick auf die abweichenden Entscheidungen anderer Senate des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg und fehlender höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Auslegung von § 2 UnbilligkeitsV zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Diese Entscheidung kann mit der Revision angefochten werden.

Die Revision ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf dieser Frist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Revision in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel (nur Brief und Postkarte). Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
Rechtskraft
Aus
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