L 8 AL 268/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 415/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 268/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) bzw. Arbeitslosenhilfe (Alhi) streitig.

Der 1942 geborene Kläger meldete sich am 20.06.2002 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Dabei gab er an, vom 08.01.1990 bis 09.05.1994 als Verwaltungsangestellter tätig gewesen zu sein und vom 10.05.1994 bis 11.04.1999 einer selbständigen Tätigkeit ("Innenausbau, Büromaschinen, Einrichtungen") nachgegangen zu sein. Vom 12.04.1999 bis 01.05.2002 sei er Angestellter bei seiner Ehefrau gewesen.

Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma G. "Bürosysteme und Innenausbau" hat der Kläger dort vom 10.05.1994 bis 31.05. 2002 gearbeitet und bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 42 Stunden pro Woche von Mai 2001 bis Mai 2002 ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 858,46 EUR erzielt. Das Arbeitsverhältnis habe am 31.05.2000 geendet, wobei ein Kündigungszeitpunkt nicht genannt wurde. Die Kündigungsfrist habe vier Wochen betragen.

Auf dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen wurde vom Kläger und seiner Ehefrau die Tätigkeit des Klägers wie folgt beschrieben: "Kalkulator, Bauaufsichtsleitung, Büromaschinenmonteur, Verwaltungsangelegenheiten und Arbeitsbeschaffungen mit Aufmaßabrechnungen". Die Frage, ob der Kläger seine Tätigkeit frei habe bestimmen und gestalten können, wurde bejaht, ebenfalls die Frage, ob er bei der Führung des Betriebs z.B. aufgrund besonderer Fachkenntnisse mitgewirkt habe. Da andere Firmen in Insolvenz gegangen seien, habe sein Gehalt weder dem tariflichen noch dem ortsüblichen entsprochen. Dies sei auch wegen Sparmaßnahmen nicht regelmäßig gezahlt worden. Es sei zum Tilgen der Schulden und zum "Familienleben" gezahlt worden. Ein Beitragsbescheid sei erteilt worden. Die Betriebsstätte sei vom Kläger und seiner Ehefrau gemietet gewesen. Sein Arbeitsplatz sei wegen Insolvenz der Firma weggefallen.

Die Arbeitsvermittlung der Beklagten stellte fest, dass im Bereich Bau- und Baunebengewerbe nach dem Tarifvertrag TR 21-1506139 Gruppe K 5 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden ein Arbeitsentgelt von monatlich 2.548,00 EUR und monatlich vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 23,52 EUR gezahlt werde.

Mit Bescheid vom 24.07.2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab. Der Kläger sei in der Zeit vom 12.04.1999 bis 31.05.2002 nicht versicherungspflichtig (Arbeitslosenversicherung) beschäftigt gewesen, weil ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis zwischen Familienangehörigen nur angenommen werden könne, wenn dem mitarbeitenden Familienangehörigen - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - ein der Arbeitsleistung angemessenes Arbeitentgelt gezahlt werde bzw. bezahlt worden sei. Ob eine angemessene Entlohnung vorliege, werde danach beurteilt, welches Entgelt einer familienfremden Arbeitskraft für eine vergleichbare Tätigkeit, gegebenenfalls nach tariflicher oder noch ortsüblicher Regelung gezahlt hätte werden müssen. Dabei sei nicht exakt auf den reinen Tariflohn oder den ortsüblichen Lohn abzustellen, so dass gewisse Abweichungen hiervon das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses noch nicht verneinen ließen. Hier sei aber die Abweichung zwischen dem gezahlten Lohn und einer üblichen Entlohnung für eine familienfremde Arbeitskraft so eklatant, dass von einer angemessenen Entlohnung nicht ausgegangen werden könne. Nach den Angaben in der Arbeitsbescheinigung habe der Monatslohn 858,46 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden betragen. Ein solcher Lohn werde in der Branche Bau- und Baunebengewerbe nicht als Tariflohn gezahlt und liege auch weit unterhalb jeder ortsüblichen Entlohnung für einen Büroangestellten oder Bauleiter. Der erhaltene Lohn stelle nach den im Arbeits- und Wirtschaftsleben herrschenden Maßstäben keine adäquate Gegenleistung für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitsleistung von 42 Stunden dar. Der Umstand, dass Beiträge entrichtet worden seien, sei hierbei unbeachtlich, denn das Gesetz stelle auf das Vorliegen der Beitragspflicht, nicht auf die Entrichtung von Beiträgen, ab.

Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, es sei ihm klar, dass seit 1999 keine Beiträge durch die Anstellung bei seiner Ehefrau an die Arbeitslosenversicherung bezahlt worden seien, jedoch sei sein Gehalt auf den Mindestlohn festgesetzt gewessen, da er über die Pfändungsgrenzen hinaus nicht mehr habe verdienen dürfen. Bedingt durch die großen Verluste als Unternehmer (Insolvenz 1999) sei er von Seiten der Sozialversicherungsträger gepfändet worden, die er durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung habe abwenden können. Dahingehend sei auf Anraten sein Gehalt auf den nicht pfändbaren Mindestsatz festgelegt worden. Da sein bisheriges Leben nur aus Arbeit bestanden habe und Beiträge gezahlt worden seien, glaube er, ein Anrecht auf Alhi für die kurze Zeit zu haben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und stützte sich dabei auf die Argumentation im Ausgangbescheid.

Zur Begründung seiner dagegen zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobenen Klage hat der Kläger erneut ausgeführt, sein Gehalt sei deshalb so niedrig gewesen, da er die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und somit wegen Pfändungen nicht mehr habe verdienen dürfen. Er selbst sei selbständig gewesen und sei wegen nicht zahlender Firmen in die Insolvenz getrieben worden. Der Betrieb seiner Ehefrau sei erst im Aufbau gewesen und habe bereits nach zwei Jahren die ersten Insolvenzen verkraften müssen, weshalb eine Gehaltserhöhung aus diesem Grund nicht möglich gewesen sei.

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, nach der Klageschrift sei ein Anspruch auf Alhi streitig. Dazu sei festzustellen, dass vorliegend auch ein derartiger Anspruch nicht gegeben sei, weil die Voraussetzungen des § 190 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht erfüllt seien, nachdem der Kläger innerhalb der gesetzlichen Vorfrist kein Alg bezogen habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Dabei hat es sich der Auffassung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden angeschlossen. Zusätzlich hat es darauf hingewiesen, dass der Kläger auch die Voraussetzungen für den Bezug von Alhi nicht erfülle, da er innerhalb der gesetzlichen Vorfrist von einem Jahr vor der Antragstellung kein Alg bezogen habe. Im Übrigen spreche die Begründung in der Klageschrift für sich, dass der Kläger wegen Pfändungen nicht mehr habe verdienen dürfen. Eine derart niedrige Entlohnung für eine regelmäßige Vollzeittätigkeit hätte sich ein normaler Arbeitnehmer nicht geleistet. Berücksichtigt werden müsse auch, dass der Kläger neben weiteren fünf Arbeitnehmern in der Firma tätig gewesen sei.

Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, er habe versucht, mit seiner Arbeitskraft und wenig Lohn die Firma seiner Ehefrau halten zu können. Nachdem er 35 Jahre zusammenhängend gearbeitet habe und in dieser Zeit laufend Sozialbeiträge geleistet habe, habe er ein Recht auf Alg bzw. Alhi. Mit seiner ersten Beitragszahlung habe er eine Anwartschaft erworben, die ihm im Falle einer Arbeitslosigkeit über die ersten Monate hinweghelfen sollte.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.06. 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab Antragstellung Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auf die Gründe, warum sich die Ehegatten auf den Niedriglohn geeinigt hätten, komme es nicht an. Zu den vom Kläger angenommenen Lohnbedingungen hätte die Ehefrau keinen familienfremden Arbeitnehmer beschäftigen können. Die familiären Interessen hätten somit überwogen, so dass die Tätigkeit des Klägers nicht als beitragspflichtiger Arbeitnehmer verrichtet worden sei. Deshalb habe er mit der Beschäftigung bei seiner Ehefrau auch keine Anwartschaftszeit für den Bezug von Alg oder Alhi erfüllt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG Landshut mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2003 die Klage abgewiesen, da die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 24.07.2002 und 26.11.2002 nicht zu beanstanden sind.

Denn der Kläger hat weder einen Anspruch auf Alg noch einen solchen auf Alhi. Denn er hat in der für den Bezug von Alg maßgeblichen dreijährigen Rahmenfrist vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Auch hat er nicht in der für die Bewilligung von Alhi maßgeblichen Vorfrist Alg bezogen.

Anspruch auf Alg hat nach §§ 117, 123 SGB III, wer u.a. die Anwartschaftszeit erfüllt, also in der dreijährigen Rahmenfrist vor der Arbeitslosmeldung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung sind nach § 25 Abs.1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind.

Anspruch auf Alhi haben nach § 190 Abs.1 Nr.4 SGB III u.a. Arbeitnehmer, die in der Vorfrist Alg bezogen haben.

Das Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau stellt kein versicherungspflichtiges dar. Dies folgt bereits aus der Höhe seines erzielten Arbeitseinkommens. Unstreitig betrug dieses monatlich 858,46 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden. Daraus resultiert bei entsprechender Umrechnung ein Stundenlohn von 4,72 EUR (42 x 13: 3), wohingegen der Tariflohn für eine vergleichbare Tätigkeit 16,52 EUR betrug. Zwar muss nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 23.06.1994 - 12 RK 50/91 - und vom 22.09.1996 - 7 RAr 120/95 und vom 25.02.1997 - 12 RK 49/96) das vereinbarte Entgelt bei einer Beschäftigung beim Ehegatten nicht unbedingt dem tariflichen Entgelt einer vergleichbaren Tätigkeit entsprechen. Bei erheblicher Abweichung vom tariflichen Lohnniveau kann jedoch nach der zitierten BSG-Rechtsprechung nicht mehr von einer entgeltlichen versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgegangen werden. Nachdem die Entlohnung des Klägers nicht einmal einem Drittel des entsprechenden Tariflohns entspricht, muss von einer erheblichen Abweichung ausgegangen werden.

Im Übrigen folgt aber auch aus den eigenen Angaben des Klägers und seiner Ehefrau im "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Versicherungsverhältnisses zwischen u.a. Ehegatten", dass der Kläger gerade nicht als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer in der Firma seiner Ehefrau tätig war. Dies folgt zum einen daraus, dass er zuvor mit nahezu identischem Firmengegenstand selbständig tätig gewesen war. Auch konnte er seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Des Weiteren wurde ihm das Arbeitsentgelt auch nicht regelmäßig gezahlt. Es wurde vielmehr zum Tilgen von Schulden und für das "Familienleben" verwandt. Befremdlich ist auch ein Urlaubsanspruch von 45 Tagen pro Jahr und demgegenüber eine Fortzahlung von Arbeitsentgelt für zwei Wochen bei Arbeitsunfähigkeit. Auch hatten der Kläger und seine Ehefrau gemeinsam die Betriebsstätte gemietet.

Nachdem dem Kläger somit zu Recht kein Alg bewilligt wurde, entfällt auch ein Anspruch auf Alhi.

Somit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 18.06.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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