S 17 R 313/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 17 R 313/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 195/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 4/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung überzahlter Rente.

Der 1926 geborene Vater des Klägers bezog zunächst seit dem 1. April 1980 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit der Beklagten. Er bezog sodann ab 1. November 1991 Altersruhegeld. Im August 2011 stellte die Beklagte anlässlich der Prüfung der Steueridentifikationsnummer des Vaters des Klägers fest, dass dieser schon vor dem Jahr 2007 verstorben war. Sie forderte daraufhin die Sterbeurkunde vom Standesamt des letzten Wohnsitzes in Deutschland an und erhielt die Auskunft, dass der Vater des Klägers am xx. Juli 1994 in der Türkei verstorben sei. Die Beklagte ermittelte bei der das Empfängerkonto führenden C-Bank AG, wer Verfügungsberechtigter des Kontos war, auf welches die Rente gezahlt wurde. Die C-Bank AG teilte mit, dass der Kläger und eine Frau D. A. Verfügungsberechtigte des Kontos sind. Sie übersandte die gesamten Kontoumsätze aus dem Zeitraum 1. Januar 1995 bis 30. September 2011. Die Beklagte stellte fest, dass die Rente in Höhe von 69.946,35 Euro überzahlt ist. Der Kläger hatte über einen Betrag in Höhe von 60.655,94 Euro per Überweisung verfügt. Die C-Bank AG hatte einen Betrag in Höhe von 1.542,32 Euro für eigene Forderungen behalten. Ein Betrag in Höhe von 10.674,06 Euro wurde ausgezahlt. Die Beklagte hörte den Kläger zu einer Erstattung der überzahlten Rente in Höhe von 69.946,35 Euro am 6. Februar 2012 an. Der Kläger teilte mit, dass er zwar Verfügungsberechtigter gewesen sei, jedoch das Geld nicht vereinnahmt habe. Er habe das Geld an seine in der Türkei lebende Mutter weitergeleitet. Nach dem Tod seines Vaters sei er davon ausgegangen, dass es sich um die Witwenrente der Mutter handeln würde. Die Beklagte forderte durch Bescheid vom 28. Februar 2012 Erstattung in Höhe von 69.946,35 Euro nach § 118 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Der Kläger legte am 20. März 2012 Widerspruch ein und verwies darauf, dass die an die Mutter zu gewährende Witwenrente in Abzug zu bringen sei. Die Mutter des Klägers beantragte am 4. Mai 2012 die Gewährung einer Witwenrente. Am 11. Juni 2012 forderte die Beklagte von der C-Bank AG nach § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI einen Betrag in Höhe von 1.542,32 Euro, den diese für eigene Gebühren einbehalten hatte. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 zurück und verwies darauf, dass ein Erstattungsanspruch unabhängig vom Bestehen eines möglichen Witwenrentenanspruchs bestehe. Wenn sich noch ein Erstattungsanspruch gegen die C-Bank AG ergebe, werde dieser in Abzug gebracht.

Der Kläger hat am 16. August 2012 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben. Im April 2013 hat die Beklagte im Hinterbliebenenverfahren in Erfahrung gebracht, dass der Vater des Klägers tatsächlich schon am xx. Juli 1991 gestorben ist. Die Beklagte erließ am 13. August 2013 einen abändernden Erstattungsbescheid für den Zeitraum November 1991 bis September 2011 und forderte 89.320,89 Euro zurück. Die Beklagte erließ am 18. November 2013 einen weiteren Änderungsbescheid und forderte nunmehr für den Zeitraum vom 1. November 1991 bis 30. September 2011 78.310,53 Euro. Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See gewährte der Mutter des Klägers Witwenrente ab 1. Mai 2011 durch Bescheid vom 17. Juli 2013. Sie behielt die Nachzahlung in Höhe von 5.534,83 Euro und monatlich ab 1. September 2013 101,01 Euro ein. Die C-Bank AG hat sich im Klageverfahren vor dem SG Frankfurt (AZ.: S 6 R 568/12) bereit erklärt, einen Betrag in Höhe von 1.542,32 Euro an die Beklagte zu zahlen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Mutter des Klägers einen Anspruch auf Witwenrente habe, welcher in Abzug gebracht werden müsse. Seine Mutter habe ihm seine Ansprüche auf Witwenrente abgetreten und er erkläre die Aufrechnung. Er ist der Ansicht, dass er nicht als Verfügungsberechtigter anzusehen sei i. S. d. § 118 Abs. 4 SGB VI, da er im Innenverhältnis zu seiner Mutter nur zur Weiterleitung der Rente befugt gewesen sei. Seine Mutter und Schwester hätten sich stets in der Türkei aufgehalten. Er habe keinerlei Anteil an der gezahlten Rente gehabt und seine Mutter habe sie verbraucht. Er sei auch in seinem Vertrauen darauf, dass es sich um die Witwenrente gehandelt habe, schutzwürdig.

Er beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2012 in der Fassung des Bescheides vom 13. August 2013 und in der Fassung des Bescheides vom 18. November 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass im Rahmen des § 118 SGB VI kein Raum für Vertrauensschutz sei. Hinsichtlich der Witwenrente verweist sie darauf, dass diese zwischenzeitlich bewilligt ist.

Das Gericht hat am 12. November 2014 einen Termin zur Erörterung durchgeführt; für den Inhalt wird auf das Protokoll verwiesen.

Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2012 in der Fassung des Bescheides vom 13. August 2013 und in der Fassung des Bescheides vom 18. November 2013 war nicht aufzuheben, da er rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Beklagte fordert zu Recht für den Zeitraum von November 1991 bis September 2011 überzahlte Rente bei dem Kläger in Höhe von 78.310,53 Euro zurück.

Rechtsgrundlage der Erstattungsentscheidung der Beklagten ist § 118 Abs. 4 SGB VI.

Hiernach sind Personen, die als Verfügungsberechtigte über Geldleistungen, soweit sie für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende) dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Beklagte hat die Erstattungsforderung durch Verwaltungsakt geltend gemacht. Der Vater des Klägers hatte sein Altersruhegeld ab November 1991 zu Unrecht erhalten. Der Vater des Klägers war schon im Juli 1991 gestorben, so dass er einen Anspruch auf Altersruhegeld, der ihm rückwirkend gewährt worden war, nicht hatte. Der Kläger hat darüber hinaus über die gesamte überwiesene Rente auf dem Konto des Vaters verfügt. Verfügungsberechtigt war auch noch die Mutter des Klägers, die jedoch in der Türkei lebte und auf das deutsche Konto nicht zugriff. Der Kläger hat daher alle Abhebungen, Auszahlungen und Verfügungen vorgenommen. Er hat, so wie er angibt, den gesamten gewährten Rentenbetrag an die Mutter in die Türkei überwiesen bzw. ihr zugänglich gemacht. Damit hat er jedoch ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen. Weitere Verfügende über das Guthaben des Kontos existieren nicht. Die Beklagte hat darüber hinaus die von dem Geldinstitut zurückzuzahlenden Beträge von der Forderung des Klägers als vorrangig in Abzug gebracht. Es handelt sich hierbei um einen Betrag in Höhe von 1.542,32 Euro, den die C-Bank AG für ihre Gebühren von dem Guthaben des Kontos für den gesamten Zeitraum einbehalten hatte. Die C-Bank AG hat diesen Betrag an die Beklagte erstattet. Weitere Guthaben waren nicht vorhanden und konnten daher von der C-Bank AG nicht ausgezahlt werden. Das Geldinstitut konnte daher entsprechend § 118 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI der Verpflichtung zur Rücküberweisung der unter Vorbehalt gezahlten Geldleistungen nicht entsprechen, denn der Kläger hatte über den eingegangenen Betrag schon verfügt.

Vertrauensschutzgesichtspunkte sind im Rahmen des § 118 SGB VI nicht heranzuziehen. Ebenso konnte der Kläger auch nicht mit dem nach seinen Angaben an ihn abgetretenen Anspruch auf Witwenrente gegenüber dem Erstattungsanspruch aufrechnen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass eine Abtretung nur in den Grenzen des § 53 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) möglich ist. Darüber hinaus besteht auch keine Aufrechnungslage, denn Schuldner des Anspruchs auf die Gewährung der Hinterbliebenenrente ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See, während Gläubiger des Anspruchs auf Erstattung der überzahlten Altersrente die Deutsche Rentenversicherung Hessen ist. Es stehen sich somit nicht die gleichen Schuldner und Gläubiger auf beiden Seiten gegenüber. Im Ergebnis jedoch wird bis zum zulässigen Teil die vom Kläger gewünschte Aufrechnung vorgenommen, denn die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See behält die Hälfte der zu zahlenden Hinterbliebenenrente im Rahmen einer möglichen Verrechnung nach § 52 SGB I i. V. m. § 51 SGB I ein. Ebenso wurde aus den gleichen Rechtsgrundlagen die Nachzahlung von ca. 5.000 Euro zur Erstattung auf die Forderung gegen den Kläger einbehalten.

Darüber hinaus konnte die Beklagte auch durch Änderungsbescheid vom 13. August 2013 den ursprünglichen Erstattungsbescheid abändern, denn insofern wurde nicht der zurückzuzahlende Betrag für den gleichen Zeitraum verändert zu Lasten des Klägers, sondern ausschließlich der Zeitraum mit in die Erstattung hineingenommen, für den im ursprünglichen Bescheid vom 28. Februar 2012 keine Regelung getroffen worden war. Insofern handelt es sich nicht um eine Änderung, die sich nach den Regelungen des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) richtet. Der Änderungsbescheid vom 18. November 2013 wiederum ist eine Änderung zugunsten des Klägers nach § 44 SGB X, da die Beklagte die Beträge für den zu erweiternden Zeitraum fehlerhaft festgesetzt hatte, da sie DM und Euro verwechselt hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Rechtsmittelbelehrung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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