Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 3138/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1087/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der im Sperrzeitrecht für die Beurteilung des wichtigen Grundes vorzunehmenden Interessenabwägung sind wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers an einer vorzeitigen Vertragsauflösung nicht zu berücksichtigen
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Februar 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit.
Der 1949 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 31. März 2002 als Vertriebsbeauftragter bei der Firma in Sch. (G.) beschäftigt. Am 1. März 2003 nahm er eine gemäß Zeitarbeitsvertrag vom 16. März 2003 bis 30. Juni 2003 befristete Beschäftigung beim Sportverein 1886 e. V. (H.) auf. Nach § 1 des Arbeitsvertrages umfasste das Aufgabengebiet des Klägers die Abwicklung der Spielbetriebsgesellschaft H. mbH, den Neuaufbau einer Handballabteilung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Er verpflichtete sich darüber hinaus, im Bedarfsfall auch andere ihm zumutbare Tätigkeiten zu übernehmen. Die Arbeitsvertragsparteien lösten das Beschäftigungsverhältnis mit Vereinbarung vom 13. Mai 2003 zum 31. Mai 2003 vorzeitig auf.
Am 14. Mai 2003 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt M., Geschäftsstelle Schw. (ArbA) mit Wirkung zum 1. Juni 2003 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Nach Vorlage von Arbeitsbescheinigungen der Firma G. und des H. erklärte der Kläger in dem Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auflösungsvertrages vom 16. Mai 2003, er habe die Arbeiten für den Verein bereits vorzeitig beendet. Der Neuaufbau einer Handballabteilung sei bereits zum 31. Mai 2003 abgeschlossen gewesen. Deshalb habe man sich auf eine vorzeitige Lösung des Vertrages zu diesem Zeitpunkt geeinigt.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 stellte das ArbA den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit (1. Juni 2003 bis 21. Juni 2003) fest. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis beim H. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Für dieses Verhalten habe er keinen wichtigen Grund gehabt. Das Arbeitsverhältnis habe nach den vertraglichen Regelungen nicht mit Erledigung der übertragenen Aufgaben, sondern mit Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit geendet. Außerdem habe der Kläger sich gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, auch andere ihm zumutbare Beschäftigungen zu übernehmen. Mit Bescheid vom 22. Mai 2003 bewilligte das ArbA dem Kläger Alg ab 22. Juni 2003 in Höhe von wöchentlich 335,23 EUR (wöchentliches Bemessungsentgelt gerundet 880, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 0). Gegen den Bescheid vom 19. Mai 2003 erhob der Kläger am 10. Juni 2003 Widerspruch. Er trug vor, der Arbeitsvertrag habe eine feste Aufgabestellung beinhaltet. Nach Erfüllung dieser Aufgaben sei man an ihn herangetreten und habe um eine einvernehmliche Vertragsaufhebung gebeten. Gleichzeitig sei ihm zum Jahresende ein fester Arbeitsplatz in Aussicht gestellt worden. Bei dieser Sachlage habe für ihn keine ernsthafte Möglichkeit bestanden, der Bitte des H. nicht zu entsprechen. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2003 wies die Widerspruchsstelle des ArbA den Widerspruch zurück. Weder die vorzeitige Erledigung der vertraglich geschuldeten Arbeit, noch die vage Aussicht auf eine Festanstellung zu einem noch nicht absehbaren Zeitpunkt könne als wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses anerkannt werden.
Mit der am 31. Oktober 2003 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die vertragliche Festlegung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses sei unter seiner Mitwirkung erfolgt. Die ursprüngliche Prognose habe sich jedoch als unrichtig erwiesen, er sei in der Lage gewesen, die ihm gestellten Aufgaben zügiger zu erledigen. Er habe deshalb keinen Grund gesehen, den H. länger mit einer Gehaltszahlung zu belasten, ohne hierfür eine Gegenleistung erbringen zu können. Mit seiner Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflösung habe er ein der Arbeitsplatzsituation angepasstes Verhalten gezeigt, das nicht sanktioniert werden dürfe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 4. Februar 2004 den Kläger persönlich angehört und den ersten Vorsitzenden des H., M., als Zeugen vernommen. Dieser hat ausgesagt, der Kläger habe die ihm übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit in kürzester Zeit erledigt. Die finanzielle Situation des Vereins sei aber nach wie vor sehr schwierig gewesen, es habe letztlich die Insolvenz gedroht. Deshalb habe man nach Abschluss der dem Kläger übertragenen Aufgaben auf eine vorzeitige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gedrängt. Die finanziellen Probleme seien auch ursächlich dafür, dass die zunächst in Aussicht genommene Festanstellung des Klägers in der Geschäftsstelle des Vereins noch nicht habe realisiert werden können. Mit Urteil vom 4. Februar 2004 hat das SG den Bescheid vom 19. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2003 aufgehoben. Der Kläger habe durch seine Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflösung das Beschäftigungsverhältnis beim H. zwar gelöst, hierfür habe er jedoch einen wichtigen Grund gehabt. Der Eintritt einer Sperrzeit sei deshalb ausgeschlossen. Die rechtliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses sei den Interessen der Vertragsparteien nicht gerecht geworden. Diesem Umstand müsse auch bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliege, Rechnung getragen werden. Eine unzweckmäßige Vertragsgestaltung solle durch den Sperrzeittatbestand nämlich nicht sanktioniert werden. Außerdem müssten die sozialen Gründe, gegenüber den Mitgliedern eines gemeinnützigen Vereins nicht auf einer Vertragserfüllung zu bestehen, berücksichtigt werden.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 16. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. März 2004 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Kläger habe entgegen den Ausführungen des SG keinen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gehabt. Ein solcher könne nur anerkannt werden, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft oder der Allgemeinheit ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden könne. Die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des H. stelle keinen wichtigen Grund in diesem Sinne dar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die rechtliche Würdigung des SG für zutreffend. Die Aussage des Zeugen M. habe deutlich gemacht, dass der gesamte Verein in seiner Existenz gefährdet gewesen sei. In einer solchen Situation könne dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht der Vorrang eingeräumt werden.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 9 AL 3138/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1087/04) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde.
Die Berufung ist auch begründet, das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist neben dem für den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 21. Juni 2003 das Ruhen des Anspruchs auf Alg feststellenden Bescheid vom 19. Mai 2003 auch der Bewilligungsbescheid vom 22. Mai 2003, mit dem die Beklagte Alg ab 22. Juni 2003 gewährt hat. Der Kläger begehrt die Bewilligung von Alg bereits ab 1. Juni 2003, dieses Prozessziel kann er mit einer isolierten Anfechtung des Bescheides vom 19. Mai 2003 allein nicht erreichen. Die Beklagte hat jedoch zu Recht den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit festgestellt. Der Bescheid vom 19. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2003 erweist sich deshalb als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2003 zutreffend Alg erst ab 22. Juni 2003 bewilligt, der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg bereits ab 1. Juni 2003.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der hier anzuwendenden Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607) tritt eine Sperrzeit unter anderem dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das sie begründet; während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (§ 144 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB III). Die Dauer der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III), sie verkürzt sich auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Grundgedanke der Sperrzeitregelung ist, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen vom Versicherten zu vertretende Risikofälle wehren muss (vgl. eingehend Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-4100 § 119 Nr. 15 und 17). Es kommt darauf an, ob der Arbeitslose die wesentliche Ursache für den Eintritt - oder nach einer Zwischenbeschäftigung die Fortdauer - der Arbeitslosigkeit gesetzt hat (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 24; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 6). Vorliegend hat der Kläger hat durch die Zustimmung zur einvernehmlichen und vorzeitigen Vertragsauflösung sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und damit seine erneute Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Kläger aufgrund der ohnehin bestehenden Befristung des Arbeitsvertrages lediglich dazu beigetragen hat, 30 Tage früher arbeitslos zu werden, diesem Umstand wird jedoch durch die Regelung des § 144 Abs. 3 Nr. 1 SGB III bereits Rechnung getragen.
Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hatte der Kläger nicht. Ein solcher ist nur gegeben, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht hätte zugemutet werden können (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 14 und 15). Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Anerkennung eines wichtigen Grundes ist letztlich die Schutzbedürftigkeit des Arbeitslosen in seiner konkreten Situation (vgl. Niesel, SGB III, § 144 Rdnr. 77 m.w.N.). Nur wenn Umstände vorliegen, die nach verständigem Ermessen dem Arbeitslosen eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses insgesamt nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, weil sonst seine Interessen in unbilliger Weise geschädigt würden, ist ein wichtiger Grund anzunehmen (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 17). Solche Umstände sind im Falle des Klägers nicht ersichtlich und wurden von diesem auch nicht vorgetragen. Der Kläger hat nicht behauptet, dass eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses für ihn unzumutbar gewesen und deshalb seinen eigenen Interessen zuwidergelaufen wäre. Er hat vielmehr Gründe vorgebracht, die aus Sicht des Arbeitgebers eine vorzeitige Vertragsauflösung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als geboten erscheinen lassen. Dessen Interessen zu schützen ist jedoch nicht Schutzzweck des den Eintritt einer Sperrzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ausschließenden Ausnahmetatbestandes. Deshalb sind bei der vorzunehmenden Abwägung nicht die Interessen des Arbeitgebers, sondern diejenigen des Arbeitslosen dem Interesse der Versichertengemeinschaft gegenüberzustellen. Gerade hinter Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen stehen in aller Regel gewichtige wirtschaftliche Notwendigkeiten auf Seiten des Arbeitgebers, ohne dass dies die Annahme eines wichtigen Grundes für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtfertigt. Etwas anderes mag gelten, wenn der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zu einer einvernehmlichen Vertragsauflösung einer bereits feststehenden oder konkret drohenden Kündigung durch den Arbeitgeber zuvorkommt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 92/01 R - veröffentlicht in Juris). Eine derartige Sachlage war vorliegend jedoch nicht gegeben.
Die vage Aussicht, in der Geschäftsstelle des Vereins möglicherweise eine Festanstellung zu erhalten, ist nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 SGB III anzuerkennen. Im Interesse der Versichertengemeinschaft kommt ein solcher nur dann in Betracht, wenn eine konkrete und ernst zu nehmende Aussicht auf einen solchen Arbeitsplatz besteht (vgl. Niesel, SGB III, § 144 Rdnr. 25). Angesichts der schwierigen Finanzsituation des Vereins war zum Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aber in keiner Weise absehbar, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Festanstellung des Klägers finanzierbar werden würde. Damit verbleibt als in den Abwägungsprozess einzustellendes Interesse des Klägers allein die von ihm vorgetragene soziale Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern des Vereins, in deren Interesse nicht auf einer Vertragserfüllung zu bestehen. Dieser Beweggrund vermag nach Überzeugung des Senats die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses und damit die Herbeiführung der eigenen Arbeitslosigkeit zu Lasten der Versichertengemeinschaft ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, durch geeignete Vertragsgestaltung bestehende Beschäftigungsverhältnisse den eigenen betrieblichen Erfordernissen anzupassen. Unterbleibt dies - aus welchen Gründen auch immer - soll sich der Arbeitgeber nicht auf Kosten der Allgemeinheit von seinen Verpflichtungen befreien können. Gerade diesem Zweck dient auch der Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit.
Der 1949 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 31. März 2002 als Vertriebsbeauftragter bei der Firma in Sch. (G.) beschäftigt. Am 1. März 2003 nahm er eine gemäß Zeitarbeitsvertrag vom 16. März 2003 bis 30. Juni 2003 befristete Beschäftigung beim Sportverein 1886 e. V. (H.) auf. Nach § 1 des Arbeitsvertrages umfasste das Aufgabengebiet des Klägers die Abwicklung der Spielbetriebsgesellschaft H. mbH, den Neuaufbau einer Handballabteilung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Er verpflichtete sich darüber hinaus, im Bedarfsfall auch andere ihm zumutbare Tätigkeiten zu übernehmen. Die Arbeitsvertragsparteien lösten das Beschäftigungsverhältnis mit Vereinbarung vom 13. Mai 2003 zum 31. Mai 2003 vorzeitig auf.
Am 14. Mai 2003 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt M., Geschäftsstelle Schw. (ArbA) mit Wirkung zum 1. Juni 2003 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Nach Vorlage von Arbeitsbescheinigungen der Firma G. und des H. erklärte der Kläger in dem Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auflösungsvertrages vom 16. Mai 2003, er habe die Arbeiten für den Verein bereits vorzeitig beendet. Der Neuaufbau einer Handballabteilung sei bereits zum 31. Mai 2003 abgeschlossen gewesen. Deshalb habe man sich auf eine vorzeitige Lösung des Vertrages zu diesem Zeitpunkt geeinigt.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 stellte das ArbA den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit (1. Juni 2003 bis 21. Juni 2003) fest. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis beim H. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Für dieses Verhalten habe er keinen wichtigen Grund gehabt. Das Arbeitsverhältnis habe nach den vertraglichen Regelungen nicht mit Erledigung der übertragenen Aufgaben, sondern mit Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit geendet. Außerdem habe der Kläger sich gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, auch andere ihm zumutbare Beschäftigungen zu übernehmen. Mit Bescheid vom 22. Mai 2003 bewilligte das ArbA dem Kläger Alg ab 22. Juni 2003 in Höhe von wöchentlich 335,23 EUR (wöchentliches Bemessungsentgelt gerundet 880, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 0). Gegen den Bescheid vom 19. Mai 2003 erhob der Kläger am 10. Juni 2003 Widerspruch. Er trug vor, der Arbeitsvertrag habe eine feste Aufgabestellung beinhaltet. Nach Erfüllung dieser Aufgaben sei man an ihn herangetreten und habe um eine einvernehmliche Vertragsaufhebung gebeten. Gleichzeitig sei ihm zum Jahresende ein fester Arbeitsplatz in Aussicht gestellt worden. Bei dieser Sachlage habe für ihn keine ernsthafte Möglichkeit bestanden, der Bitte des H. nicht zu entsprechen. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2003 wies die Widerspruchsstelle des ArbA den Widerspruch zurück. Weder die vorzeitige Erledigung der vertraglich geschuldeten Arbeit, noch die vage Aussicht auf eine Festanstellung zu einem noch nicht absehbaren Zeitpunkt könne als wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses anerkannt werden.
Mit der am 31. Oktober 2003 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die vertragliche Festlegung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses sei unter seiner Mitwirkung erfolgt. Die ursprüngliche Prognose habe sich jedoch als unrichtig erwiesen, er sei in der Lage gewesen, die ihm gestellten Aufgaben zügiger zu erledigen. Er habe deshalb keinen Grund gesehen, den H. länger mit einer Gehaltszahlung zu belasten, ohne hierfür eine Gegenleistung erbringen zu können. Mit seiner Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflösung habe er ein der Arbeitsplatzsituation angepasstes Verhalten gezeigt, das nicht sanktioniert werden dürfe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 4. Februar 2004 den Kläger persönlich angehört und den ersten Vorsitzenden des H., M., als Zeugen vernommen. Dieser hat ausgesagt, der Kläger habe die ihm übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit in kürzester Zeit erledigt. Die finanzielle Situation des Vereins sei aber nach wie vor sehr schwierig gewesen, es habe letztlich die Insolvenz gedroht. Deshalb habe man nach Abschluss der dem Kläger übertragenen Aufgaben auf eine vorzeitige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gedrängt. Die finanziellen Probleme seien auch ursächlich dafür, dass die zunächst in Aussicht genommene Festanstellung des Klägers in der Geschäftsstelle des Vereins noch nicht habe realisiert werden können. Mit Urteil vom 4. Februar 2004 hat das SG den Bescheid vom 19. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2003 aufgehoben. Der Kläger habe durch seine Zustimmung zur vorzeitigen Vertragsauflösung das Beschäftigungsverhältnis beim H. zwar gelöst, hierfür habe er jedoch einen wichtigen Grund gehabt. Der Eintritt einer Sperrzeit sei deshalb ausgeschlossen. Die rechtliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses sei den Interessen der Vertragsparteien nicht gerecht geworden. Diesem Umstand müsse auch bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliege, Rechnung getragen werden. Eine unzweckmäßige Vertragsgestaltung solle durch den Sperrzeittatbestand nämlich nicht sanktioniert werden. Außerdem müssten die sozialen Gründe, gegenüber den Mitgliedern eines gemeinnützigen Vereins nicht auf einer Vertragserfüllung zu bestehen, berücksichtigt werden.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 16. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. März 2004 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Kläger habe entgegen den Ausführungen des SG keinen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gehabt. Ein solcher könne nur anerkannt werden, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denjenigen der Versichertengemeinschaft oder der Allgemeinheit ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden könne. Die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des H. stelle keinen wichtigen Grund in diesem Sinne dar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die rechtliche Würdigung des SG für zutreffend. Die Aussage des Zeugen M. habe deutlich gemacht, dass der gesamte Verein in seiner Existenz gefährdet gewesen sei. In einer solchen Situation könne dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht der Vorrang eingeräumt werden.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 9 AL 3138/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1087/04) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde.
Die Berufung ist auch begründet, das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist neben dem für den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 21. Juni 2003 das Ruhen des Anspruchs auf Alg feststellenden Bescheid vom 19. Mai 2003 auch der Bewilligungsbescheid vom 22. Mai 2003, mit dem die Beklagte Alg ab 22. Juni 2003 gewährt hat. Der Kläger begehrt die Bewilligung von Alg bereits ab 1. Juni 2003, dieses Prozessziel kann er mit einer isolierten Anfechtung des Bescheides vom 19. Mai 2003 allein nicht erreichen. Die Beklagte hat jedoch zu Recht den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit festgestellt. Der Bescheid vom 19. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2003 erweist sich deshalb als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2003 zutreffend Alg erst ab 22. Juni 2003 bewilligt, der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg bereits ab 1. Juni 2003.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der hier anzuwendenden Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607) tritt eine Sperrzeit unter anderem dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das sie begründet; während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (§ 144 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB III). Die Dauer der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III), sie verkürzt sich auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Grundgedanke der Sperrzeitregelung ist, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen vom Versicherten zu vertretende Risikofälle wehren muss (vgl. eingehend Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-4100 § 119 Nr. 15 und 17). Es kommt darauf an, ob der Arbeitslose die wesentliche Ursache für den Eintritt - oder nach einer Zwischenbeschäftigung die Fortdauer - der Arbeitslosigkeit gesetzt hat (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 24; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 6). Vorliegend hat der Kläger hat durch die Zustimmung zur einvernehmlichen und vorzeitigen Vertragsauflösung sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und damit seine erneute Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Kläger aufgrund der ohnehin bestehenden Befristung des Arbeitsvertrages lediglich dazu beigetragen hat, 30 Tage früher arbeitslos zu werden, diesem Umstand wird jedoch durch die Regelung des § 144 Abs. 3 Nr. 1 SGB III bereits Rechnung getragen.
Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hatte der Kläger nicht. Ein solcher ist nur gegeben, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht hätte zugemutet werden können (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 14 und 15). Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Anerkennung eines wichtigen Grundes ist letztlich die Schutzbedürftigkeit des Arbeitslosen in seiner konkreten Situation (vgl. Niesel, SGB III, § 144 Rdnr. 77 m.w.N.). Nur wenn Umstände vorliegen, die nach verständigem Ermessen dem Arbeitslosen eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses insgesamt nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, weil sonst seine Interessen in unbilliger Weise geschädigt würden, ist ein wichtiger Grund anzunehmen (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 17). Solche Umstände sind im Falle des Klägers nicht ersichtlich und wurden von diesem auch nicht vorgetragen. Der Kläger hat nicht behauptet, dass eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses für ihn unzumutbar gewesen und deshalb seinen eigenen Interessen zuwidergelaufen wäre. Er hat vielmehr Gründe vorgebracht, die aus Sicht des Arbeitgebers eine vorzeitige Vertragsauflösung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als geboten erscheinen lassen. Dessen Interessen zu schützen ist jedoch nicht Schutzzweck des den Eintritt einer Sperrzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ausschließenden Ausnahmetatbestandes. Deshalb sind bei der vorzunehmenden Abwägung nicht die Interessen des Arbeitgebers, sondern diejenigen des Arbeitslosen dem Interesse der Versichertengemeinschaft gegenüberzustellen. Gerade hinter Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen stehen in aller Regel gewichtige wirtschaftliche Notwendigkeiten auf Seiten des Arbeitgebers, ohne dass dies die Annahme eines wichtigen Grundes für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtfertigt. Etwas anderes mag gelten, wenn der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zu einer einvernehmlichen Vertragsauflösung einer bereits feststehenden oder konkret drohenden Kündigung durch den Arbeitgeber zuvorkommt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 92/01 R - veröffentlicht in Juris). Eine derartige Sachlage war vorliegend jedoch nicht gegeben.
Die vage Aussicht, in der Geschäftsstelle des Vereins möglicherweise eine Festanstellung zu erhalten, ist nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 SGB III anzuerkennen. Im Interesse der Versichertengemeinschaft kommt ein solcher nur dann in Betracht, wenn eine konkrete und ernst zu nehmende Aussicht auf einen solchen Arbeitsplatz besteht (vgl. Niesel, SGB III, § 144 Rdnr. 25). Angesichts der schwierigen Finanzsituation des Vereins war zum Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aber in keiner Weise absehbar, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Festanstellung des Klägers finanzierbar werden würde. Damit verbleibt als in den Abwägungsprozess einzustellendes Interesse des Klägers allein die von ihm vorgetragene soziale Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern des Vereins, in deren Interesse nicht auf einer Vertragserfüllung zu bestehen. Dieser Beweggrund vermag nach Überzeugung des Senats die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses und damit die Herbeiführung der eigenen Arbeitslosigkeit zu Lasten der Versichertengemeinschaft ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, durch geeignete Vertragsgestaltung bestehende Beschäftigungsverhältnisse den eigenen betrieblichen Erfordernissen anzupassen. Unterbleibt dies - aus welchen Gründen auch immer - soll sich der Arbeitgeber nicht auf Kosten der Allgemeinheit von seinen Verpflichtungen befreien können. Gerade diesem Zweck dient auch der Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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