L 12 (9) AL 227/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AL 42/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 (9) AL 227/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.10.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch in der 2. Instanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen.

Der 1977 geborene Kläger war seit 01.11.1999 als kaufmännischer Angestellter bei der P (Germany) GmbH & Co. OHG beschäftigt und als Leiter eines P-Shops eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 21.10.2002 zum 31.10.2002. Die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber betrug zwei Monate zum Monatsende.

Am 24.10.2002 meldete sich der Kläger zum 01.11.2002 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zu den Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses befragt, gab er an, er habe das Angebot seines Arbeitgebers angenommen, da ihm sonst die fristlose Kündigung und ein negatives Zeugnis gedroht hätten. Anfang des Jahres habe er eine Abmahnung bekommen, da gegen eine Arbeitsanweisung verstoßen worden sei. Im Oktober 2002 habe sich der gleiche Verstoß ereignet. Weitere Gründe für die Beendigung seien die unübersichtliche Abrechnung der Provision und Gehaltszahlung sowie die Aussage seines Vorgesetzten zu Fort- und Weiterbildung gewesen.

Mit Bescheid vom 27.12.2002 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen ab 01.11.2002 fest, weil der Kläger seine Arbeitslosigkeit durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst herbeigeführt und hierfür keinen wichtigen Grund gehabt habe. In seinem dagegen am 03.01.2002 erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, als Leiter habe er die Verantwortung für sämtliche Vorgänge und Geschehnisse in diesen Shop gehabt. Anfang Oktober 2002 seien aufladbare Karten (Vouchers) im Wert von 1.200,00 Euro entwendet worden. Wegen eines ähnlichen Vorfalls bereits im Februar 2002 sei er abgemahnt worden. Nach dem Vorfall im Oktober 2002 habe man ihm die zwei Möglichkeiten der fristlosen Kündigung zum 21.10.2002 oder des Aufhebungsvertrages zum 31.10.2002 angeboten. Er habe sich für den Aufhebungsvertrag entschieden, weil während des 10 Tage längeren Arbeitsverhältnisses die Chance, eine neuen Arbeitsplatz zu finden, größer gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Kläger als unbegründet zurück.

Am 06.02.2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, wegen Personalmangels habe die Anweisung des Arbeitgebers, die Telefonkarten nach jedem Kundenkontakt wieder wegzuschließen, nicht eingehalten werden können, ohne die Kundenbetreuung im vorderen Bereich des Ladens zu vernachlässigen. Dass die Abmahnung und die angedrohte Kündigung im Hinblick auf die dem Arbeitgeber zuzurechnenden Organisationsmängel rechtswidrig gewesen seien, habe er nicht gewusst und habe deshalb den Aufhebungsvertrag unterschrieben.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 27.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung festgehalten.

Das SG hat über die Umstände, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages führten, Beweis erhoben, durch die Vernehmung des Regionalvertriebsleiters X C und die Shopbetreuerin N N als Zeugen. Wegen des Wortlauts der Zeugenaussagen wird auf die Anlagen 1 und 2 zur Sitzungsniederschrift des SG vom 13.10.2003 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 13.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt: "Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die Feststellung einer Sperrzeit im Zusammenhang mit den für sein Ausscheiden aus der Beschäftigung als Filialleiter maßgeblichen Gründen zum 31.10.2002 ist nicht rechtswidrig. Gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Vorliegend hat der Kläger das Beschäftigungsverhältnis durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag vom 21.10.2002 gelöst, denn ohne sein Einverständnis hätte das Arbeitsverhältnis nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erst zu einem späteren Zeitpunkt geendet. Damit hat er auch seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, weil er keinen Anschlussarbeitsplatz in Aussicht hatte. Auf einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag kann der Kläger sich nicht berufen. Der unbestimmte Rechtsbegriff "wichtiger Grund" ist im SGB III nicht definiert und im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeit zu bestimmen. Diese beruht auf dem Grundgedanken, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 21 m. w. N.). Dabei muss der wichtige Grund nach ständiger Rechtssprechung des BSG nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (BSGE 43, 269, 273 ; BSGE 64, 202, 205). Die vom Kläger vorgetragenen Umstände rechtfertigen die Beendigung des noch nicht von der Arbeitgeberin gekündigten Beschäftigungsverhältnisses zum 31.10.2002 nicht. Ein wichtiger Grund kann nämlich nicht ohne weiteres darin gesehen werden, dass ein Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden bzw. feststehenden Kündigung des Arbeitgebers zuvor kommt; grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (BSG, Urteil vom 17.10.2002, Az.: B 7 AL 136/01 R). Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Zwar hat der Zeuge C eingeräumt, dass dem Kläger für den Fall der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages ein wohlwollendes anstelle eines neutralen Zeugnisses angeboten wurde. Dies allein dürfte die Chancen des Klägers auf einen neuen Arbeitsplatz jedoch nicht wesentlich verbessert haben, denn es ist davon auszugehen, dass ein potentieller Arbeitgeber auf jeden Fall die Gründe für den Abschluss des Aufhebungsvertrages hinterfragen würde, wie der Zeuge C es auch für sich selbst geschildert hat. Auch hat die Beweiserhebung nicht ergeben, dass der Kläger in einer absoluten Drucksituation vor die Wahl gestellt wurde, eine fristlose Kündigung zu akzeptieren oder den Vertrag zu unterzeichnen. Nach Angaben der Zeugin N ist der Kläger am 10.10.2002 von ihr darauf hingewiesen worden, dass er möglicherweise mit einer Kündigung zu rechnen habe, worüber die Regionalleitung entscheiden werde. Anlässlich des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ist, so die Zeugin, eine ordentliche Kündigung angedroht worden. Bei einer laut Arbeitsbescheinigung geltenden Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende hätte das Arbeitsverhältnis also noch bis einschließlich Dezember 2002 fortgedauert. Zwar mag der Kläger sich aufgrund des für ihn unangenehmen Inhalts des Gesprächs am 21.10.2002 unter Druck gefühlt haben. Dies hat er sich allerdings im Hinblick auf seinen leichtfertigen Umgang mit den Vouchern und dem daraus resultierenden erheblichen finanziellen Schaden selbst zuzuschreiben. Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugen hat die Kammer nicht, denn diese haben einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und ihre Aussagen sind logisch nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Anlass für eine Reduzierung der Sperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte nach § 144 Abs. 3 SGB III besteht nicht. Nach dieser Vorschrift umfass die Sperrzeit 6 Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeutet. Umstände, aus denen das Vorliegen eines Härtefalles geschlossen werden können, sind aus den Akten jedoch nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden. Darauf, irrtümlich von der Rechtmäßigkeit der Abmahnung und der angedrohten Kündigung ausgegangen zu sein, kann der Kläger sich nicht berufen. Denn die Aussagen der Zeugen haben ergeben, dass das Abhandenkommen der Telefonkarten nicht auf Organisationsmängeln des Arbeitgebers beruhte, sondern darauf, dass der Kläger die Karten entgegen der Anweisung im Shop-Handbuch nicht unter Möbelverschluss hielt."

Gegen das ihm am 14.11.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.11.2003 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, allein schon die Organisation des Shops sei geeignet gewesen, jeden Verantwortlichen in Misskredit zu bringen, da der Zeuge C erklärt habe, nicht beurteilen zu können, wie viel Zeit für das Wegschließen der Karten benötigt würde. Beide Zeugen hätten bestätigt, dass er vor die Alternative gestellt worden sei, den Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer Kündigung gegenzuzeichnen. Er habe unter Druck gestanden, weil mit einem wohlwollenden Zeugnis gelockt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.10.2003 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erwidert im Wesentlichen wie folgt: Die Vouchers seien gestohlen worden, weil der Kläger sich nicht an die Geschäftsanweisung gehalten habe. Nicht bewiesen sei, dass dem Kläger eine fristlose Kündigung gedroht habe. Ein wohlwollendes Zeugnis könne die vorzeitige Aufgabe des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen. Nach dem erstmaligen Abhandenkommen von Vouchers sei sich der Kläger des Problems bewusst gewesen, habe jedoch keinen Handlungsbedarf gesehen. Unter anderem hätte, wenn das Backoffice nicht abschließbar gewesen sei, nach Aussage der Zeugin N ein Stahlschrank zur Verfügung gestellt werden können und zudem hätte der Tagesbedarf an Vouchers auch an der Kasse platziert werden können. Insgesamt habe der Kläger nur deshalb unter Druck gestanden, weil das erneute Abhandenkommen der Vouchers bei Beachtung der Geschäftsanweisung hätte vermieden werden können. Auch sein Vortrag, er habe die Geschäftsanweisung wegen des regen Publikumsverkehrs nicht einhalten können, entlaste ihn nicht. In dem Fall hätte er zumindest den möglichen und zumutbaren Versuch unternehmen müssen, dass die seiner Ansicht nach vorhandenen Missstände vom Arbeitgeber hätten abgestellt werden können. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger nach seinen Angaben auch wegen unübersichtlicher Abrechung des Gehalts und der Provision sowie wegen fehlender positiver Aussagen zu Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Beklagte und SG haben zutreffend entschieden, dass durch die Zustimmung des Klägers zum Aufhebungsvertrag vom 21.10.2002 eine Sperrzeit vom 01.11.2002 bis 23.01.2003 eingetreten ist.

Nach Würdigung des gesamten Ergebnisses des Verfahrens und insbesondere der Beweisaufnahme im Klageverfahren ist auch der Senat davon überzeugt, dass der Kläger durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag vom 21.10.2002 das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Der Senat schließt sich den Ausführungen im Urteil vom 13.10.2003 nach eigener Überprüfung an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug.

Im Berufungsverfahren haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Dem Senat bleibt nur, auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung und insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach der ersten Abmahnung einen möglichen und zumutbaren Versuch zur Beseitigung der seiner Ansicht nach vorhandenen Missstände hätte unternehmen müssen, um mit diesen von ihm beklagten Organisationsmängeln einen wichtigen Grund begründen zu können (vgl. BSG-Urteil vom 06.02.2003 - B 7 AL 72/01 R -). Dies hat er aber, wie er selbst einräumt, nicht getan.

Klage und Berufung konnten somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved