S 3 EG 870/15

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 3 EG 870/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
"Gehaltsnachzahlungen für Monate außerhalb des Bemessungszeitraumes, die im Bemessungszeitraum noch im laufenden Jahr ausgezahlt werden, sind nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG i. d. F. des Elterngeldvollzugsvereinbarungsgesetzes vom 10.09.2012 bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen."
1. Der Bescheid vom 20. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 wird abgeändert. 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vom 25. September 2014 bis 24. Juli 2015 höheres Elterngeld unter Zugrundelegung eines Gesamtbemessungsentgeltes von 22.933,33 EUR zu gewähren. 3. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. 4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld im Zeitraum vom 25. September 2014 bis 24. Juli 2015 nach dem Bundeselterngeldgesetz (BEEG).

Die im September 1980 geborene Klägerin war seit April 2008 durchgängig bei einer Bildungseinrichtung (I. P.-A. GmbH) tätig. Ab Sommer 2013 wurden ihre Gehälter von der Bildungseinrichtung nur noch schleppend oder verspätet gezahlt. So erhielt die Klägerin am 7. August 2013 eine Nachzahlung für Juni in Höhe von 1.900,00 EUR und am 11. September 2013 wiederum eine Nachzahlung in Höhe von ebenfalls 1.900,00 EUR. Für die Monate August bis Oktober 2013 erhielt die Klägerin wegen Insolvenz der Bildungseinrichtung keine Lohnzahlungen. Vielmehr wurde für diesen Zeitraum Insolvenzgeld von Agentur für Arbeit gezahlt. Ab November 2013 bis Juli 2014 erhielt die Klägerin von ihrem Arbeitgeber regelmäßige Lohnzahlungen. Bezüglich genauerer Einzelheiten zur Höhe der Lohnzahlungen ab Juni 2013 bis Juli 2014 wird auf Blatt 2 der Klageschrift der Klägerin vom 17. April 2015 verwiesen.

Vom 11. Juli 2014 bis 20. Oktober 2014 erhielt die Klägerin anlässlich der Geburt ihres Kindes E. am 25. August 2014 Mutterschaftsgeld. Unter dem 20. September 2014 beantragte die Klägerin -betreffend die Geburt ihres Kindes E.- die Gewährung von Elterngeld für die ersten 11 Lebensmonate des Kindes. Dem Ganzen fügte sie Verdienstabrechnungen für die Zeiträume Juni 2013 bis August 2014 bei. Bezüglich genauer Einzelheiten der Lohnbescheinigungen wird auf Blatt 8 - 21 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Gleichzeitig verzichtete sie auf die Ausklammerung des Mutterschaftsgeldbezugsmonats Juli 2014, wenn sich die Ausklammerung für sie negativ auswirke.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 bewilligte ihr die Beklagte für die ersten 11 Lebensmonate ab 25. August 2014 Elterngeld (ab 25. August 2014 bis 24. September 2014 in Höhe von 0 EUR, ab 25. September bis 24. Oktober 2014 in Höhe von 110,72 EUR, vom 25. Oktober 2014 bis 24. November 2014 in Höhe von 830,26 EUR und ab 25. November 2014 bis 24. Juli 2015 in Höhe von monatlich je 754,78 EUR).

Mit Widerspruch vom 12. November 2014 machte die Klägerin geltend, dass bei ihr als Gesamtbemessungsentgelt nicht der Betrag von 20.250,00 EUR sondern ein solcher in Höhe von 22.933,33 EUR zugrunde zu legen sei, da auch die Nachzahlungen für die Monate Juni 2013 und Juli 2013, welche ihr im Bemessungszeitraum zugeflossen seien, zu berücksichtigen seien. Mit der Gesetzesänderung ab 16. September 2012 und dem neuen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 BEGG seien auch im Bemessungszeitraum nachträglich zugeflossene Entgelte und vorherige Zeiträume zu berücksichtigen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik der Vorschrift. Zudem könne auch auf die Verschiebung des Bemessungszeitraumes wegen Bezuges von Mutterschaftsgeld nach der einschlägigen BSG Rechtsprechung verzichtet werden. Dies mache sie hiermit ausdrücklich geltend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2015 wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die BSG-Entscheidung vom 30. September 2010 (Az.: B 10 EG 19/09 R, Rdnr. 23) zum modifizierten Zuflussprinzip als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, dass bei der Bemessung eine Summe von 22.933,33 EUR zugrunde zu legen sei. Bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 BEGG stelle darauf ab, dass der Berechtigte im Bemessungszeitraum Einkommen aus Erwerbstätigkeit aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG "hat". Sie habe im Bemessungszeitraum dieses Einkommen, welches nachträglich zugeflossen ist, gehabt. Auch der Normzweck spreche für eine solche Auslegung der Vorschrift. Maßgeblich für die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bemessungszeitraum sei nicht unbedingt die Höhe des erarbeiteten Einkommens, sondern das zufließende Einkommen. Auch aus der Entstehungsgeschichte (Bundestagsdrucksache 17/9841, Seite 18) gehe hervor, dass die Vorschrift explizit im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zum sogenannten "modifizierten Zuflussprinzip" geändert worden sei. Es gelte nun das im Steuerrecht maßgebende Zufluss-prinzip. Entscheidend sei daher, was dem Arbeitnehmer im Bemessungszeitraum zugeflossen sei. Gesetzessystematische Aspekte stünden dieser Auslegung nicht entgegen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 20. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vom 25. September 2014 bis 24. Juli 2015 höheres Elterngeld unter Zugrundelegung von insgesamt 22.933,33 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen. Ergänzend führt sie aus: Gemäß R 39 B.5 der im Jahr 2014 maßgeblichen Lohnsteuerrichtlinien 2011 gelte, dass Nachzahlungen Lohnzahlungszeiträumen zuzurechnen seien, für die sie geleistet worden seien; und nicht, indem sie geleistet wurden. Auf dieser Grundlage habe das BSG auch das sogenannte modifizierte Zuflussprinzip entwickelt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Beklagten, welcher Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf höheres Elterngeld im Zeitraum vom 25. September 2014 bis 24. Juli 2015 unter Zugrundelegung eines Gesamtbemessungsentgeltes von 22.933,33 EUR.

Die Klägerin war im Sinne des § 1 BEGG im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig kindergeldberechtigt im Sinne des § 1 Abs. 1 BEGG, da sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, mit dem Kind in einem Haushalt lebte und dieses Kind selbst betreut und erzogen hat. Ebenfalls hat sie in diesem Zeitraum keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt. Der streitgegenständliche Zeitraum umfasst auch den gesetzlich möglichen Elterngeldbezugszeitraum im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BEEG (bis zur Vollendung des 14. Lebensmonates des Kindes).

Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach den Vorschriften des § 2 bis 2f BEGG in der ab 18. September 2012 geltenden Fassung.

Nach § 2 Abs. 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt (Satz 1). Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat (Satz 2). Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit richtet sich nach Maßgabe der §§ 2c - 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus 1. nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des EStG sowie 2. Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständige Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 des EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum oder in den Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 hat.

Nach § 1 Abs. 4 wird Elterngeld mindestens in Höhe von 300,00 EUR gezahlt (Satz 1). Der Bemessungszeitraum ist in § 2b BEGG geregelt. Nach § 2b Abs. 1 BEEG sind für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2c vor der Geburt die 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich (Satz 1). Bei der Bestimmung des Bemessungszeitraumes nach Satz 1 bleiben Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person 1. im Zeitraum nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, 2. während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 oder § 6 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat, 3. , 4 ...

§ 2c BEEG regelt dabei speziell zum Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit Folgendes: Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG ergibt der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld und Geldeswert über ein Zwölftes des Arbeitnehmerpauschbetrages, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben, nach den §§ 2e und 2f das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit,. Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind (§ 2c Abs. 1 Satz 2 BEGG).

Maßgeblich ist nach § 2c Abs. 1 Satz 3 der Arbeitnehmerpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommenssteuergesetzes (EStG) in der am 1. Januar des Kalenderjahres vor der Geburt des Kindes geltenden Fassung.

Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorschriften, hat die Klägerin einen Anspruch auf höheres Elterngeld im streitgegenständlichen Zeitraum vom 25. September 2014 bis 24. Juli 2015 unter Berücksichtigung eines Gesamtbemessungsentgeltes von 21.933,33 EUR (anstatt der bisher zugrunde gelegten 20.250,00 EUR).

Maßgebender Bemessungszeitraum war vorliegend der Zeitraum August 2013 bis einschließlich Juli 2014. Zwar wäre dem Grunde nach unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG eigentlich der Bemessungszeitraum im Zeitraum Juli 2013 bis Juni 2014 gelegen, da die Klägerin im Monat Juli 2014 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Mit Blick auf den ausdrücklichen Wunsch der Klägerin, den Monat Juli 2014 nicht auszuklammern und im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes in der Entscheidung vom 18. August 2011, Az.: B 10 EG 7/10 -wonach unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Kalendermonate vor dem Monat der Geburt bei der Bestimmung des zwölfmonatigen Bemes-sungszeitraumes für das Elterngeld unberücksichtigt bleiben, dieses nicht ausdrücklich gegen den Willen des Berechtigten kann/soll- war der Bemessungszeitraum nun auf August 2013 bis einschließlich Juli 2014 zu verschieben. Dieser Rechtsprechung des BSG folgt auch die Beklagte.

Unter Berücksichtigung dieses Bemessungszeitraumes (August 2013 bis Juli 2014) hat die Klägerin einen Anspruch auf Berücksichtigung eines Gesamtbemessungsentgeltes von 22.933,33 EUR.

Bezüglich der genauen Aufstellung der gezahlten Entgelte in den Monaten August 2013 bis Juli 2014 und der Gesamtsumme von 22.933,33 EUR wird auf Blatt 2 der Klageschrift der Kläge-rin vom 17. April 2015 verwiesen. Die Klägerin hat dabei auch Anspruch auf Berücksichtigung der im August 2013 erfolgten Nachzahlung für den Monat Juni 2013 und der im September 2013 erfolgten Nachzahlung für den Monat Juli 2013 in Höhe von jeweils 1.900,00 EUR.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: In Gefolge mit den zutreffenden Ausführungen der Klägerseite stellt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 BEGG darauf ab, dass der Berechtigte im Bemessungszeitraum Einkommen aus der Erwerbstätigkeit aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG "hat". Diese Einkünfte sind der Klägerin aber tatsächlich im Bemessungszeitraum August 2013 bis Juli 2014 zugeflossen und waren daher zu berücksichtigen. Dem steht auch nicht die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zu der sogenannten "modifizierten Zuflusstheorie" entgegen. Diese Rechtsprechung des BSG betraf ausschließlich Entgeltzahlungen nach dem Recht vor dem 18. September 2012 und nicht solche nach der mit Wirkung zum 18. September 2012 erfolgten Gesetzesänderung des BEEG.

Diese Auslegung entspricht nach Auffassung der Kammer auch dem Normzweck. Die Regelung dient einem einkommensabhängigen Ausgleich für den Verdienstausfall infolge der Aufgabe einer Erwerbstätigkeit wegen Erziehung eines Kindes. Dabei stellt der Gesetzgeber zutreffend auf einen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes ab. Entscheidend für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern des Kindes sind aus Sicht der Kammer aber die Beträge, die die Eltern des Kindes und die Familie im Bemessungszeitraum tatsächlich zur Verfügung hatten und nicht welche diese in diesem Zeitraum verdient haben, ohne dass ihnen diese Beträge in diesem Zeitraum tatsächlich zur Verfügung standen.

Für eine solche Auslegung des Gesetzes spricht auch die Entstehungsgeschichte der ab 18. September 2012 neu geregelten Vorschriften der §§ 2 - 2f BEEG. So hat der Ausschuss Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner Empfehlung in der Bundestagsdrucksache 17/9841, Seite 18 zur Neuregelung des § 2 BEGG Folgendes ausgeführt: "Die in Satz 3 erfolgende Klarstellung des Einkommensbegriffes macht es erforderlich, dass das Wort "erzielt" durch das Wort "hat" ersetzt wird. Zur Änderung von Satz 3 wird im Übrigen auf den folgenden Abschnitt verwiesen. Absatz 1 Satz 3 übernimmt in redaktionell überarbeiteter Form den Regelungsgehalt des bisherigen Satzes 2. Auf den bisherigen Begriff der "Einkommenserzielung" wird verzichtet, da das Wort "erzielt" in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes dahingehend ausgelegt wird, dass im Elterngeldrecht das Elterngeld recht spezifisch modifizierte Zuflussprinzip Anwendung findet (vgl. BSG Urteil vom 30. September 2010, B 10 DG 19/09 R, Rdnr ... 23). Die Umformulierung dient der Klarstellung, dass das elterngeldrechtliche Einkommen auch hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen in Anlehnung an den steuerlichen Einkommensbegriff ermittelt wird. Dementsprechend sind die steuerlichen Grundsätze der zeitlichen Zuordnung von Einnahmenzufluss- und Realisationsprinzip ggf. unter Berücksichtigung von bereichsspezifischen Besonderheiten (wie im Lohnsteuerrecht) zu berücksichtigen. Die Anwendung dieser Grundsätze kann dabei dazu führen, dass in der Bezugszeit zufließendes Einkommen, das durch eine Erwerbstätigkeit in der Bemessungszeit erwirtschaftet wurde, als Einkommen während der Bezugszeit elterngeldmindernd zu berücksichtigen ist. Dies stellt sicher, dass den gesetzlich vorgesehenen Nachweisdokumenten (etwa Lohn- und Gehaltsbescheinigungen/Einkommenssteuerbescheide) die gesetzgeberisch beabsichtigte Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung beigemessen werden kann."

Dies bedeutet aus Sicht der Kammer, dass es hier nach einem sogenannten strengen Zuflussprinzip nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch darauf ankommen soll, welches Einkom-men der Leistungsempfänger im Bemessungszeitraum tatsächlich hatte; unabhängig davon, in welchem Zeitraum er es erarbeitet hat, sofern dies noch im steuerrechtlichen Veranlagungszeitraum (dem gleichen Jahr) erfolgte. Der Gesetzgeber wollte gerade mit Blick auf die Rechtsprechung des BSG zum sogenannten "modifizierten Zuflussprinzip" eine Änderung/ Klarstellung in einem anderen Sinne deutlich machen. Dies ist ihm aus Sicht der Kammer mit der Einführung des Wortes "hat" anstelle von "erzielt" ausreichend deutlich gelungen.

Das heißt, vorliegend waren die in den Monaten August und September 2013 zugeflossenen Nachzahlungen für die Monate Juni bis Juli 2013 ebenfalls bei der Bemessung zu berücksichtigen.

Dem steht nach Auffassung der Kammer auch nicht der Einwand der Beklagten zu den sogenannten Lohnsteuerrichtlinien (R 39b.5) der im Jahr 2014 maßgeblichen Lohnsteuerrichtlinie 2011 entgegen. Es mag dort geregelt sein, dass Nachzahlungen dem Lohnabrechnungszeitraum zuzurechnen sind, für die sie geleistet wurden. Etwas anderes soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers aber im Elterngeld gelten. Dies wird bereits durch die Ausführungen in der Bundestagsdrucksache deutlich, dass die Anwendung der neuen Grundsätze des Gesetzes auch dazu führen kann, dass in der Bezugszeit zufließendes Einkommen, das durch eine Erwerbstätigkeit in der Bemessungszeit erwirtschaftet wurde, als Einkommen während der Bezugszeit elterngeldmindernd zu berücksichtigen ist. Dies deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber gerade von dem strengen Erarbeitungsmonatsprinzip Abstand nehmen wollte und ein reines Zuflussprinzip in das Elterngeldrecht einführen wollte.

Dieser Auslegung stehen nach den zutreffenden Ausführungen der Klägerseite auch keine gesetzessystematischen Aspekte entgegen. Die Kammer hält sogar nachträglich im Bemessungszeitraum zufließendes monatliches Entgelt, welches keine Einmalzahlung darstellt, eher für repräsentativ, als im Bemessungszeitraum erarbeitetes aber gar nicht zugeflossenes Entgelt. Dieses Entgelt hat dem Erziehenden im Bemessungszeitraum nie zur Verfügung gestanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der Vorschrift des § 193 des Sozialge-richtsgesetzes (SGG).

Im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes von nicht über 750,00 EUR bedurfte eine eventuell gegen dieses Urteil einzulegende Berufung der Zulassung im Urteil nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Kammer hat die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung bei der Frage der Auslegung des § 2 Abs. 1 SGG -im Hinblick auf das sogenannte Zuflussprinzip- zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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