L 11 KR 2112/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 332/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2112/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem seit 10 Jahren eingebürgerten Kläger muss aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit davon ausgegangen werden, dass er der deutschen Sprach ausreichend mächtig ist. Ihm muss für die mündliche Verhandlung kein Dolmetscher gestellt werden.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. April 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligen ist die Kostenübernahme einer spezifischen Hyposensibilisie-rungstherapie im Allergiezentrum der Stadt A., streitig.

Der 1944 geborene Kläger lebt seit 1992 in Deutschland, wurde 1994 eingebürgert und be-zieht seit Februar 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seit August 1992 ist er bei der Be-klagten pflichtversichert.

Seit 1974 leidet er u.a. an einem Asthma bronchiale und wurde deswegen seinen Angaben zufolge halbjährlich in dem Allergiezentrum A. mit einer spezifischen Hyposensibilisie-rungstherapie behandelt.

Im Juli 2002 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme von zweimal jährlich einer drei-monatigen Behandlung. Hierfür würden jeweils 10.260,75 EUR an Gesamtkosten entstehen (Vi-sum für 3 Monate 285 EUR, Fahrausweise 3.795,00 EUR, Beratungen und Untersuchungen 6.180,75 EUR). Auf die Aufforderung der Beklagten, ein Attest eines zugelassenen Vertragsarz-tes mit den aktuellen Diagnosen, der eingeleiteten Behandlungsmaßnahme sowie Angaben darüber, warum die Behandlung nicht in Deutschland möglich sei und aus welchen Gründen die Behandlung in Kasachstan als erfolgversprechender angesehen werde, vorzulegen, legte der Kläger ein Schreiben von Prof. Dr. R. der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, TU M., vor, wonach die Fragen nicht in einem die Kassen überzeugenden Sinne beantwortet werden könnten. Auch das Bundesministerium für Gesundheit teilte auf seine Anfrage mit, mit der Republik Kasachstan habe die Bundesrepublik Deutschland kein Sozialversicherungsabkommen ge-schlossen, so dass grundsätzlich Kosten einer medizinischen Behandlung in Kasachstan von deutschen Krankenkassen nicht übernommen werden könnten. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Behandlungen in einer Art und Weise in Kasachstan erfolgen würden, die in der Bundesrepublik Deutschland so nicht erbracht werden. Deswegen bestehe für die Kranken-kasse die Verpflichtung, sich nach Art und Behandlungsmöglichkeit der Krankheit zu erkun-digen.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). In dem Gutachten nach Aktenlage kam Dr. F. zu dem Ergebnis, dass bei der Diagnose eines allergischen Asthma bronchiale mit Sen-sibilisierung auf Hausstaubmilben und Hausstaub vielfache und ausreichende Behandlungs-möglichkeiten in der BRD bestünden. Neben einer notwendigen Medikation müsse eine eng-maschige lungenfachärztliche/allergologische Betreuung erfolgen. Dabei werde dann auch auf mögliche Nebenwirkungen geachtet. Weitere Behandlungsmöglichkeiten seien eine ambulan-te oder stationäre Klimakur, die ebenfalls im Inland durchgeführt werden könne. Die medizi-nische Notwendigkeit der beantragten zweimal jährlichen dreimonatigen Behandlung im Al-lergiezentrum in Kasachstan könne daher nicht festgestellt werden. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2002 die beantragte Kosten-übernahme ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.01.2003).

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er werde in Deutschland nur mit Hormontabletten behandelt, als deren Folge sich das Sehvermögen beider Auge verringert habe.

Mit Urteil vom 09.04.2003 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe bereits die Erforderlichkeit der spezifischen Hyposensibilisierungstherapie durch ein Attest oder eine entsprechende Verordnung eines zugelassenen Arztes nicht belegt. Auch sei nicht ersichtlich, warum die begehrte Therapie in Deutschland nicht durchgeführt werden könne. Insbesondere ergebe sich aus der Empfehlung von Prof. Dr. E., sich einer Luftveränderung in Davos zu unterziehen, nichts im Hinblick auf eine Hyposensibilisierungstherapie, denn diese sei nicht Gegenstand der Empfehlungen gewesen.

Gegen das am 08.05.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.05.2003 Berufung beim Sozialgericht Stuttgart eingelegt, zu deren Begründung er ergänzend vorträgt, die spezifische hyposensibilisierende Therapie fehle in der deutschen Behandlungspraxis. Diese werde aber bei (mittelschweren) Bronchialasthma angewendet, die begründet auf statistische Forschun-gen gute Ergebnisse aufweise. Demgegenüber sei die bei ihm zur Anwendung gekommene Hormontherapie nur für Behandlungen von kurzer Dauer geeignet oder wenn der Patient kei-ne andere Wahl habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. April 2003 sowie den Bescheid vom 13. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, zweimal jährlich die Kosten für die drei-monatige spezifische hyposensibilisierende Therapie im mittelasiatischen Allergie-zentrum (A., Kasachstan) zu übernehmen und ihm hierzu einen Vorschuss zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingeleg-te Berufung ist zulässig und insbesondere nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da der gel-tend gemachte Kostenübernahmeanspruch die Berufungssumme von 500,-EUR übersteigt.

Dem Kläger musste, da er 1994 eingebürgert wurde und aufgrund seiner deutschen Staatsan-gehörigkeit davon ausgegangen werden muss, dass er der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVFG), für die mündliche Verhandlung kein Dolmet-scher gestellt werden (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 5. Februar 2003, Az.: 6 S 2060/02, VBlBW 2003, 260). Dies gilt umso mehr als der Kläger sich umfangreich schriftsätzlich äu-ßern konnte, gerichtserfahren ist und sich der Senat auch aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Verhandlung davon überzeugen konnte, dass er sich gut verständigen, dem Gang der Sitzung folgen und entsprechende Anträge stellen konnte.

Die zulässige Berufung ist indessen nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewie-sen, denn die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme einer zweimal jährlichen dreimonatigen Hyposensibi-lisierungstherapie in Kasachstan.

Nach § 16 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ruht der Anspruch auf Leistungen, solan-ge sich Versicherte im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthaltes erkranken. Unberührt hiervon bleiben die Fälle, in denen auf-grund zwischen -bzw. überstaatlichen Rechts Leistungsansprüche im Zusammenhang mit ei-nem Auslandsaufenthalt verwirklicht werden können. Maßgebend sind hierfür die Regelun-gen der bilateralen Sozialversicherungsabkommen bzw. die Verordnungen der europäischen Union. Mit der Republik Kasachstan hat die Bundesrepublik Deutschland ein solches Sozial-versicherungsabkommen nicht geschlossen. Folglich richtet sich der Anspruch nach § 18 Abs. 1 SGB V. Diese Vorschrift normiert eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und ermöglicht es den Krankenkassen, die Kosten einer erforderlichen Kran-kenbehandlung im Ausland ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Aus-land möglich ist. Voraussetzung ist, dass die im Ausland angebotene Behandlung dem allge-mein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genügt und im Inland keine diesem Standard entsprechende Behandlung der beim Versicherten bestehenden Erkrankung möglich ist. Die Regelung greift auch ein, wenn die Behandlung im Inland zwar an sich möglich ist, wegen fehlender Kapazitäten oder aus anderen Gründen nicht rechtzeitig erfolgen kann. Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 SGB V reicht es indessen nicht aus, das die konkrete, von dem Versicherten gewünschte Therapie nur im Ausland durchgeführt werden kann. Die Krankenkasse darf die Kosten dieser Therapie vielmehr nur übernehmen, wenn für die betref-fende Krankheit im Inland überhaupt keine, also auch keine andere Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse genügt (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.1999 -B 1 KR 4/98 R). Denn die Auslandsbehandlung stellt, ebenso wie eine ge-gebenenfalls im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V zu ermöglichende Be-handlung durch nicht zugelassene Ärzte und Krankenhäuser im Inland einen bloßen Notbehelf für den Fall dar, dass der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung mit den Mitteln des Sachleistungssystems nicht erfüllt werden kann.

Ebenso wie für die Beklagte und das SG steht für den Senat im Anschluss an die Ausführun-gen des MDK fest, dass eine Behandlung des Asthma bronchiale auch in Deutschland angeboten wird. Bei dem Kläger ist bereits nicht ersichtlich, welche Behandlungen mit welchem Erfolg bislang durchgeführt wurden und ob demzufolge überhaupt eine Hyposensibilisierungstherapie erforderlich ist. Nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast geht die Nichterweislichkeit dieser Tatsache zu Lasten desjenigen, der Rechte hieraus geltend machen will, hier also der Kläger. Unabhängig davon kann eine solche Therapie - wie oben ausgeführt- auch in Deutschland mit Erfolg durchgeführt werden, so dass keine Notwendigkeit einer Auslandsbehandlung besteht.

Des weiteren fehlt es an der erforderlichen Verordnung der Hyposensibilisierungstherapie durch einen zugelassenen Kassenarzt. Nur der vom Versicherten freigewählte "Kassenarzt" wird durch das Gesetz mit der öffentlich-rechtlichen Rechtsmacht (Kompetenz) beliehen, die medizinischen Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalles der Krankheit für den Versicherten und die Krankenkasse verbindlich festzustellen, in dem er eine medizinisch nach Zweck oder Art bestimmte Behandlung verordnet (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 12).

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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