Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 7 KR 825/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 256/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 4. Juni 2019 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller vorläufig bis zum 1. August 2020, längstens jedoch bis zur einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, mit Dronabinol zu versorgen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Dem Antragsteller wird unter Beiordnung der B. & Partner Rechtsanwälte GmbH Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren gewährt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller mit Dronabinol zu versorgen ist.
Der 2000 geborene und bei der Antragsgegnerin versicherte Antragsteller leidet seit seiner frühen Kindheit unter einem chronischen schweren abdominellen Schmerzsyndrom bei Hypoganglionose des Darmes. Die von PD Dr. C. (ehemals Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am Klinikum Bad Hersfeld), in dessen Behandlung sich der Antragsteller viele Jahren befand, diagnostizierte seltene Hypogangliose des Darmes verursacht bei dem Antragsteller massive Bauchkrämpfe und -beschwerden. Im März 2017 erfolgten eine Koloteilresektion sowie eine Kolostoma-Anlage. Aufgrund der schweren Schmerzzustände hatte der Antragsteller bis dahin zahlreiche Analgetika incl. Opioide eingenommen. Es entwickelte sich eine Opiatabhängigkeit und eine Unterernährung. Der Antragsteller leidet an Appetitlosigkeit. Im April 2017 lag der BMI bei 16. Nach der Operation konnte das Opioid langsam rückdosiert und schließlich im Frühsommer 2018 abgesetzt werden. Aufgrund einer schweren Schmerzsymptomatik wegen eines Rückenleidens wurde wenige Monate später durch den behandelnden Orthopäden eine erneute Opioidtherapie eingeleitet.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. D. beantragte für den Antragsteller am 10. September 2018 bei der Antragsgegnerin eine Versorgung mit Cannabinoiden. Er verwies auf die Empfehlung von Dr. E. (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Spezielle Schmerztherapie, Physikalische Therapie, Verkehrsmedizin am MVZ Hersfeld-Rotenburg), ein Cannabispräparat zur Besserung der Schmerzen, des Appetits und des Schlafs zu versuchen. Ferner führte er aus, dass Dr. F. (Leiterin der Schmerzambulanz des Klinikums Bad Hersfeld) empfohlen habe, mit einer niedrigen Dosis Dronabinol zu beginnen und auszuprobieren, ob eine positive Wirkung auf das schwierige Krankheitsbild des Antragstellers zu erreichen sei.
Mit Schreiben vom 21. September 2018 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Prüfung beauftragt habe.
Mit Bescheid vom 24. September 2018 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen gemäß § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor.
Dr. D. widersprach mit Schreiben vom 4. Oktober 2018 und führte aus, dass bei dem Antragsteller eine komplexe organische Erkrankung vorliege, in deren Folge schwere Schmerzzustände aufgetreten seien, die sich auch nach Behandlung der Ursprungserkrankung (Darmmotilitätsstörung) aufgrund hinzutretender Leiden (Rückenleiden, schwere Zahnerkrankung) nicht wesentlich gebessert hätten. Dem allgemeinen medizinischen Standard entsprechend sei eine analgetische Therapie durch den Hausarzt, Fachärzte und die Schmerzambulanz eingeleitet worden. Diese habe letztendlich zur Opioid-Abhängigkeit und zeitweise sogar Verschlechterung der Symptomatik aufgrund der darmmotilitätsstörenden Wirkung der Opioide geführt. Andere analgetische Behandlungsversuche unter anderem mit zentral wirksamen Medikamenten wie Antidepressiva, die typischerweise bei schweren Schmerzzuständen zusätzlich eingesetzt würden, seien entweder nicht vertragen worden oder hätten keine ausreichende Wirkung gehabt. Neben der Schmerzsymptomatik sei es zusätzlich zu ausgeprägten Zuständen innerer Unruhe und Schlafstörungen gekommen, die auch mit dafür zugelassenen und zur Verfügung stehenden Medikamenten behandelt worden seien. Auch hier habe ein durchgreifender Erfolg nicht erreicht werden können. Der Antragsteller habe im Laufe seiner Leidensgeschichte mit fast permanenter Schlaflosigkeit, innere Unruhe, ständige Schmerzen und mittlerweile auch einen bedrohliches Untergewicht entwickelt. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung stehe nicht zur Verfügung. Dies sei ihm auch von den mitbehandelnden Fachärzten Dr. E. und Privatdozent Dr. C. bestätigt worden. Die zur Verfügung stehende Schmerztherapie mit Opioiden könne nur unter Inkaufnahme erneuter schwerer Nebenwirkungen und auch Entwicklung von Abhängigkeit durchgeführt werden und solle daher nicht zur Anwendung kommen. Von einer Behandlung mit Dronabinol verspreche er - Dr. D. - sich eine Reduktion der Schmerzen sowie eine Besserung der schweren Schlafstörungen, der großen inneren Unruhe und der permanenten Übelkeit, die zum Untergewicht geführt hätten. Geplant sei eine Behandlung mit Dronabinol-Lösung, die mit drei Mal ein Tropfen pro Tag auf max. 32 Tropfen pro Tag aufdosiert werden könne. Erst im Zuge eines Behandlungsversuches könne eine Wirkung wirklich beurteilt werden.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein.
In einer nach Aktenlage erstellten Stellungnahme des SMD vom 23. Oktober 2018 (Fragebogen insbesondere mit Ankreuzoptionen) führte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie G. aus, dass vorliegend der Einsatz von Cannabis kontraindiziert aufgrund der erheblichen psychiatrischen Störungen des Antragstellers sei. Es lägen eine Angststörung (F41.9), eine artifizielle Störung (F68.1), eine Opiatabhängigkeit (F11.2), eine Polytoxikomanie (F19.3) sowie eine Anorexia nervosa (F50.0) vor. Es bestehe die Gefahr einer Abhängigkeit von Cannabis bei bereits vorliegender Suchterkrankung. Mit der multimodalen stationären Schmerztherapie sowie der Psychotherapie stehe eine dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung. Eine begründete Einschätzung des behandelnden Arztes, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehe, liege nicht vor.
Unter Verweis auf die Stellungnahme des SMD wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2018 den Widerspruch zurück.
Am 13. Dezember 2018 erhob der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Gießen (S 7 KR 1481/18).
Am 18. März 2019 hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht zudem einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Sein Gesundheitszustand habe sich so deutlich verschlechtert, dass mit einer Unterversorgung zu rechnen sei, die schwerste gesundheitliche Folgen habe. Die Dickdarmteilresektion habe zu einer Aufhebung der peristaltischen Transportleistung des Darmes in diesem Abschnitt mit massiver Verstopfung mit Bauchkrämpfen und schweren Schmerzzuständen geführt. Dies habe ein stark ausgeprägtes Untergewicht bewirkt, so dass der Antragsteller zeitweise über einen Port intravenös habe ernährt werden müssen. Trotz der im März 2017 erfolgten Colon-Teilresektion mit Anlage eines künstlichen Darmausgangs bestünden weiterhin ausgeprägte Schmerzzustände im Bauchbereich. Hinzu seien chronische Rückenschmerzen aufgrund einer Skoliose sowie intensive Zahnschmerzen bei schwer kariösem Gebiss gekommen. Aufgrund der zahlreichen medizinischen Eingriffe habe er eine zunehmende phobische Tendenz gegenüber Ärzten und Medizin entwickelt. Er wiege derzeit bei einer Körpergröße von 180 cm nur noch 45 kg (BMI von 14). Das mittlerweile lebensbedrohliche Untergewicht entstehe einerseits durch chronische Appetitlosigkeit als Folge der Opioide, andererseits aus Sorge um erneut auftretende starke Bauchschmerzen. Ende des Jahres 2018 sei mittels Privatrezept ein Versuch mit Cannabinoiden durchgeführt worden. Dies habe zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik und zu einer Reduktion der Schmerzmedikation geführt. Leider sei dies nur kurzzeitig der Fall gewesen, da die Finanzierung des Medikaments nur mithilfe von dritten Personen habe erreicht werden können. Er und seine alleinerziehende Mutter könnten die Kosten nicht tragen. Er legte eine entsprechende ärztliche Stellungnahme von Dr. D. vom 22. Februar 2019 vor. Dieser hat darüber hinaus ausgeführt, dass die zur Verfügung stehende Schmerztherapie mit Opioiden und zentralwirksamen Schmerzmedikamenten nur unter Inkaufnahme erneuter schwerer Nebenwirkungen insbesondere Untergewicht durchgeführt werden könne und daher möglichst nicht mehr zur Anwendung kommen sollte. Gemeinsam mit den mitbehandelnden Fachärzten Dr. E., H. und PD Dr. C. sei er der Auffassung, dass eine allgemein anerkannte dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Zeit nicht zur Verfügung stehe. Von einer Behandlung mit Cannabinoiden würden sie sich hingegen eine Reduktion der Schmerzen sowie eine Besserung des Appetits mit dringend erforderlicher Gewichtszunahme sowie Verbesserung der ausgeprägten Schlafstörungen und der damit verbundenen inneren Unruhe versprechen. Aufgrund des bedrohlichen BMI sei ein schneller Einsatz von helfenden Medikamenten dringend erforderlich. Ab einem BMI von unter 17 werde bei vielen Patienten bereits eine parenterale Ernährung oder Sondenernährung erwogen. Dies könne bei dem Antragsteller trotz des noch liegenden Ports nicht durchgeführt werden, da es im letzten Jahr mehrfach zu septischen Zuständen gekommen sei. Jede Möglichkeit, die den Leidenszustand lindern und die Lebenserwartung des Antragstellers verbessern könne, sollte aus ärztlicher Sicht ganz dringend und unbedingt eingesetzt werden. Dr. E. hat unter dem 3. August 2018 berichtet, dass der Antragsteller seit langem unter starken Schlafstörungen und nächtlicher Unruhe aufgrund der Schmerzen leide. Er laufe stundenlang durch die Wohnung und komme nicht zur Ruhe. Aufgrund der langwierigen Erkrankung habe er (ohne Schulabschluss) die Schule in der achten Klasse abbrechen müssen. Da der Antragsteller einen stationären (ganzheitlichen) Behandlungsansatz nicht wünscht, schlage sie einen ambulanten Behandlungsversuch mit Cannabis vor. Hiermit habe der Antragsteller positive Erfahrungen zur Behandlung seiner Schmerzen gemacht. Bei positivem Verlauf könne ein vollständiger Verzicht auf Opioide gelingen. Zusätzlich habe sie zur schmerzdistanzierenden Therapie wie auch zur Anstoßung des Schlafes Amitriptylin verordnet. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie H. beschreibt in seinem Befundbericht vom 18. Dezember 2018 eine massive Unterernährung und Muskelatrophie sowie Kachexie (schwere Form der Abmagerung). Ziel der Therapie sollte es sein, eine strukturierte Schmerztherapie zu etablieren. Er versuche den Antragsteller mit Amitriptylin zu behandeln. Darunter sollten sich auch der Appetit und das Gewicht verbessern. Sollte dies nicht ausreichend verträglich sein, könne eine Therapie mit Duloxetin versucht werden. Sollte dies zu keinem akzeptablen Zustand führen, wäre der Antragsteller ähnlich wie bei einer Tumorkachexie mit Cannabinoiden zu behandeln.
Das Sozialgericht hat daraufhin Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Dr. D. hat unter dem 24. April 2019 angegeben, dass die Grunderkrankung und ihre sekundären Folgen aufgrund des schweren Untergewichts von zuletzt 47 Kilo bei einer Größe von 180 cm für den Antragsteller lebensbedrohlich seien. Er sei hierdurch in sämtlichen Alltagsaktivitäten eingeschränkt. Dr. D. hat eingeräumt, dass er nicht beurteilen könne, welche Rolle Drobabinol bei der Behandlung spielen könne, da er selbst wenig Erfahrung damit habe. Dies sei jedoch von Dr. E., dem Facharzt H. und Dr. F. (Leiterin der Schmerzambulanz des Klinikum Bad Hersfeld) empfohlen worden. Entscheidende Nachteile einer Behandlung mit Cannabispräparaten könne er in Anbetracht der schweren Erkrankung des Antragstellers zudem nicht erkennen. Das Krankheitsbild des Antragstellers sei selten und extrem kompliziert verlaufend, so dass es keine einfachen Standards für diese Behandlung gebe. Derzeit werde eine Abdosierung jeglicher Opiode-Schmerzmittel versucht. Dies erweise sich allerdings als sehr schwierig, da der Tramadolol-Konsum zwischenzeitlich hohe Dosen erreicht habe. Unter Rückdosierung komme es einerseits zu massiver innerer Unruhe und Schlafstörungen sowie zur Zunahme der Schmerzen. Daher sei zusätzlich unter anderem Amitriptylin eingesetzt worden. Aufgrund einer Unverträglichkeit habe dies jedoch nicht fortgesetzt werden können. Zusätzlich sei antidepressiv mit Mirtazapin behandelt worden. Zudem seien Pregabalin, Celebrex, Diclofenac, Iboprufen, Paracetamol und Novaminsulfon eingesetzt worden. Diese Medikamente hätten jedoch nur einen geringen Effekt. Dies gelte gleichermaßen für Promethazin und Bromazanil. Neben der medikamentösen Behandlung werde wegen der bestehenden Rückenschmerzen bei Skoliose eine krankengymnastische Behandlung durchgeführt. Zudem werde ambulant psychotherapeutisch behandelt. Von weiteren psychopharmakologischen Behandlungsversuchen sei kein nennenswerter Effekt zu erwarten. Er habe dem Antragsteller immer wieder eine stationäre Schmerztherapie bzw. auch eine vorhergehende stationäre Entzugstherapie von Opioiden empfohlen. Alternativ käme eventuell auch eine langfristige Substitutionsbehandlung mit einem dafür zugelassenen Substitutionspräparat in Frage. Dies lehne der Antragsteller jedoch ab und äußere Suizidabsichten für den Fall einer erzwungenen Behandlung. Dies werde ärztlicherseits ernst genommen. Zudem sei mit einer erzwungenen Entzugstherapie kein dauerhafter Effekt zu erreichen. Durch die Einnahme von Dronabinol habe der Antragsteller eine erhebliche Besserung seiner Unruhe verspürt. Es sei zu einer leichten Gewichtszunahme und Appetitsteigerung gekommen. Auch sei es ihm leichter gefallen, die Analgetika-Dosierung zu reduzieren. Der Antragsteller habe auch interessierter und teilnahmefähiger gewirkt. Aufgrund der geringen Nebenwirkungen von Cannabinoiden halte er einen Behandlungsversuch über eine längere Zeit für indiziert, zumal andere Therapieoptionen praktisch nicht mehr bestünden. Ein Therapieversuch über eine längere Zeit mit Dronabinol sei sinnvoll und in begrenztem Maße auch aussichtsreich. Eine positive Einwirkung auf das Krankheitsbild sei im Bereich der Gewichtsentwicklung zu erwarten. Da eine deutlich appetitsteigernde Wirkung einsetze, sei die gewünschte und unbedingt erforderliche Gewichtszunahme zu erreichen. Auch könne der Schmerzmittelgebrauch leichter zu reduzieren sein. Kontraindikationen sehe er unter Anbetracht der schweren Grunderkrankung und der Aussichtslosigkeit sonstiger Behandlungsversuche nicht.
Der Facharzt H. hat unter dem 17. April 2019 ausgeführt, dass aufgrund der Darmerkrankung bei dem Antragsteller ein komplexes Schmerzsyndrom und ein großes Ernährungsproblem bestünden. Die Aufnahme der Nahrungsstoffe durch den Darm sei extrem eingeschränkt und behindert. Die Erkrankung könne nach seinen Erkenntnissen und Nachforschungen durchaus lebensbedrohliche Ausmaße erreichen. Jede Form der Schmerztherapie sei wegen der Darmerkrankung sehr problematisch und häufig auch mit starken Nebenwirkungen verbunden. Nach seiner Einschätzung stelle Drobabinol eine sehr gute schmerzlindernde Therapie dar, welche im Vergleich zu Morphinpräparaten weniger gastrointestinale Nebenwirkungen aufweise. Der Appetit werde gesteigert. Die Darmpassage werde weniger beschleunigt oder beeinflusst. Nach seinen Erkenntnissen und Durchsicht der Vorbefunde sei eine komplexe und sehr umfangreiche Therapie bereits mit allen üblichen Medikamenten durchgeführt worden. Die Erfolgsaussicht für die Behandlung mit Drobabinol sei bei dem Antragsteller gut, zumal bereits ein Behandlungsversuch durchgeführt worden sei, der eine erhebliche Linderung der Schmerzen ohne gastrointestinale Nebenwirkungen erreicht habe. Er halte bei dem Antragsteller aufgrund des seltenen Krankheitsbildes und der bereits durchgeführten Therapieversuche die Therapie mit Drobabinol für sinnvoll und medizinisch geboten. Die Nebenwirkungen seien offensichtlich gering und der Antragsteller zeige bei einem seltenen sehr bedrohlichen Krankheitsbild einen erfreulich guten Effekt. Als Neurologe und Psychiater habe er keine Bedenken bezüglich Missbrauch und Abhängigkeit. Es handele sich um eine wirtschaftliche, nebenwirkungsarme und sinnvolle Therapie für den Antragsteller. Es bestünden ausreichend Erfahrungen und Studienerkenntnisse zur Behandlung mit Cannabispräparaten in der Palliativmedizin. Auch bei Behandlung von gastrointestinalen Störungen seien seines Wissens nach ausreichend wissenschaftliche Studien durchgeführt worden, die alle eine sehr gute Wirksamkeit belegt hätten. Insbesondere bestünde Wirksamkeit bei chronischen Tumorschmerzen und chronisch gastrointestinalen Schmerzen. Dies sei auf den Antragsteller durchaus übertragbar. Die Berichte des Antragstellers, dass es aufgrund der Einnahme von Drobabinol zu einer deutlichen Reduktion der Schmerzen und kolikartigen Beschwerden im Abdomenbereich gekommen sei, halte er für einleuchtend und plausibel. Eine Kontraindikation sehe er bei dem Antragsteller nicht. Dr. E. hat unter dem 16. April 2019 unter anderem ausgeführt, dass ihr Kontraindikationen vorliegend nicht bekannt seien. PD Dr. C. hat unter dem 18. April 2019 ausgeführt, dass er aufgrund des Ausscheidens aus der Klinik keinen Zugriff mehr auf die Behandlungsunterlagen habe.
Der SMD hat in seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 22. Mai 2019 darauf hingewiesen, dass den ärztlichen Stellungnahmen Behandlungsoptionen zu entnehmen seien. Aus sozialmedizinischer Sicht bestehe weiterhin die Diagnose der artifiziellen Störung (F68.1). Aus den vorliegenden Befunden gehe zudem eine psychiatrische Mitbehandlung hervor. Der Antragsteller habe in deutlich psychisch labilisiertem Zustand von schlimmen Erfahrungen bis hin zur Zwangseinweisung berichtet. Einzelheiten zur psychiatrischen Behandlung lägen nicht vor. Aufgrund offensichtlich erheblicher psychiatrischer Störungen läge eine Kontraindikation für die Verordnung von Cannabinoiden vor.
Unter dem 3. Juni 2019 hat der Antragsteller vorgetragen, dass sich sein Zustand rapide verschlechtere. Insbesondere nehme sein Gewicht weiter ab. Durch die Opiatgabe seien die inneren Organe soweit angegriffen, dass es ständig nach Einnahme zu Übelkeit und Erbrechen komme. Er könne am normalen Leben nicht teilnehmen und vermeide Kontakt mit anderen Menschen. Eine Substitutionsbehandlung mit Methadon würde seinen Zustand weiter verschlechtern. Stationäre langfristige Maßnahmen seien kontraindiziert, weil er aufgrund der bisherigen Behandlungsmethoden Angst vor Kliniken und Krankenhäusern habe. Im Verhältnis zu den jetzt verordneten Medikamenten sei eine Cannabinoid-Behandlung das deutlich mildere Mittel mit erheblich weniger Nebenwirkungen und daher nicht kontraindiziert.
Mit Beschluss vom 4. Juni 2019 hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei vorliegend nicht glaubhaft gemacht und könne nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Eine Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a SGB V sei nicht eingetreten. Die beantragte Genehmigung sei auch nicht gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB V zu erteilen. Zwar sei vorliegend von einer schwerwiegenden Erkrankung auszugehen. Es sei jedoch weder erkennbar, dass dem anerkannten medizinischen Standard entsprechende Leistungen (objektiv) nicht mehr verfügbar seien, noch dass zumindest nach begründeter vertragsärztlicher Einschätzung im Einzelfall unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen nicht zur Anwendung kommen könnten. Im Vordergrund stünde ein massives Untergewicht, Schmerzen infolge einer Skoliose und einer Darmerkrankung sowie eine Opioidabhängigkeit, welche nebenwirkungsbedingt das Untergewicht weiter begünstige. Von Seiten der Ärzte werde jedoch eine stationäre Therapie als Standardbehandlung empfohlen. Auch sei der vom Facharzt H. angeführte, vorrangige Behandlungsversuch mit Amitryptilin und der eventuell zusätzlichen Gabe von Duloxetin nicht konsequent erfolgt. Soweit Dr. D. darauf verwiesen habe, dass der Antragsteller aus Gründen der Unverträglichkeit Amitryptilin selbsttätig abgesetzt habe, sei näheres nicht bekannt. Ein Versuch mit Duloxetin sei nicht aktenkundig. Vor diesem Hintergrund sei eine Behandlung mit Dronabinol nicht die einzig verfügbare Alternative zu den offensichtlich ungeeigneten Opiaten. In Bezug auf das massive Untergewicht habe Dr. D. deutlich gemacht, dass nach anerkannten medizinischen Maßstäben ab einem BMI von 17 eine stationäre Aufnahme zur Gewichtszunahme anzustreben sei. Unabhängig davon sei derzeit nicht geklärt, ob die beantragte Therapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome habe. Nicht ausreichend seien insoweit bloße subjektive positive Erfahrungen und eine hierauf gestützte ärztliche Empfehlung. Vielmehr bedürfe es eines Anhalts für allgemeine Wirksamkeitsindizien. Konkrete Erkenntnisgrundlagen würden in den eingeholten Befundberichten jedoch nicht benannt. Lediglich der Facharzt H. habe ausgeführt, dass Cannabis bei chronischen Tumorschmerzen und chronischen gastrointestinalen Schmerzen wirke. Tumorschmerzen lägen aber im Fall des Antragstellers nicht vor. Nach dem im Auftrag der Techniker Krankenkasse erstellten Cannabis-Report würden keine ausreichenden Indizien für eine Wirksamkeit von Cannabinoiden zur Behandlung von Darmerkrankungen gesehen werden. Ob und gegebenenfalls wegen welcher Indikationen eine Erfolgsaussicht im Sinne von § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB V bestehen könnte, könne bei dieser Sachlage erst sinnvoll im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Bei summarischer Prüfung überwiege somit derzeit die Wahrscheinlichkeit eines Unterliegens des Antragstellers in der Hauptsache. Es sei nicht ersichtlich, dass bis zur endgültigen Klärung der Hauptsache eine einstweilige Anordnung erforderlich wäre, zumal nach übereinstimmender Auffassung des SMD und der behandelnden Ärzte vorrangig eine (stationäre) multimodale Schmerztherapie zu etablieren wäre. Wegen des Untergewichts sei ebenfalls eine stationäre Aufnahme angezeigt. Einen Therapieversuch mit Dronabinol bezeichne auch Dr. D. nur als begrenzt aussichtsreich.
Der Antragsteller hat gegen den ihm am 5. Juni 2019 zugestellten Beschluss am 27. Juni 2019 vor dem Hessischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgebracht, dass seine Schmerzzustände mittlerweile unerträglich geworden seien. Eine stationäre Schmerztherapie könne nicht erfolgreich sein, da mit dieser nur versucht werde, die Opiat-Behandlung zu lindern, ohne eine Alternativbehandlung an deren Stelle zu setzen. Die Behandlung mit Amitryptilin habe er nicht vertragen. Eine kurzfristige Therapie sei nötig, eine mittelfristig irgendwann durchzuführende stationäre Therapie sei hingegen nicht ausreichend. Zudem stelle eine stationäre Aufnahme zur Gewichtszunahme einen deutlich stärkeren Eingriff in den Zustand und das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar als die Dronabinol-Behandlung. Die im Herbst 2018 privat finanzierte Dronabinol-Behandlung sei erfolgreich gewesen. Sie habe zu einer deutlichen Verbesserung seines Gesundheitszustandes geführt. Mit Schreiben vom 10. Juli 2019 hat er vorgetragen, dass sein Gewicht aktuell 44 kg betrage. Nach der Essenszunahme, welche aufgrund der Schmerzempfindlichkeit ohnehin nur in sehr geringem Umfang erfolge, erbreche er mehrfach täglich unkontrolliert. Aufgrund der über längere Zeit erfolgten Opiat-Einnahmen verfüge er auch nicht mehr über Zähne, die eine Nahrungsaufnahme ermöglichten. Stationäre Schmerztherapien seien bereits mehrfach erfolgt und nicht mehr erfolgversprechend.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 4. Juni 2019 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Antragsteller mit Dronabinol zu versorgen und ihm unter Beiordnung der B. & Partner Rechtsanwälte GmbH Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf einstweilige Anordnung im tenorierten Umfang.
Hinsichtlich der Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird auf die Entscheidungsgründe im angegriffenen Beschluss verwiesen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.
Bei summarischer Prüfung gelangt der Senat jedoch zur Überzeugung, dass bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache die erforderliche Folgenabwägung eine einstweilige Anordnung begründet.
Ob die Voraussetzungen gemäß § 31 Abs. 6 SGB V vorliegen, ist offen. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen ist weder nachgewiesen, dass dem anerkannten medizinischen Standard entsprechende Leistungen (objektiv) nicht mehr verfügbar sind, noch dass zumindest nach begründeter vertragsärztlicher Einschätzung im Einzelfall unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen nicht zur Anwendung kommen können. Allerdings lassen die Befundberichte der den Antragsteller behandelnden Ärzte und die darin aufgeführten bereits (erfolglos) durchgeführten Therapien vor dem Hintergrund der seltenen schweren Erkrankung des Antragstellers begründete Zweifel daran aufkommen, dass eine andere dem anerkannten medizinischen Standard entsprechende Therapie bei dem Antragsteller erfolgversprechend und zumutbar wäre oder aber wirkungslos bzw. unverträglich. Insoweit sind im Hauptsacheverfahren weitere Ermittlungen vorzunehmen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Sozialgericht dementsprechend auch bereits mit Schreiben vom 4. Juni 2019 angekündigt. Die lediglich nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Stellungnahmen des SMD sind hingegen wenig aussagekräftig. Für den Senat ist insoweit schon nicht erkennbar, welchen Unterlagen der SMD die Diagnose einer artifiziellen Störung (F68.1) entnimmt. Hierunter fällt das absichtliche Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen. Die im Verfahren vorgelegten Befundberichte enthalten eine derartige Diagnose hinsichtlich des Antragstellers nicht. Dr. E. hat vielmehr unter dem 3. August 2018 ausgeführt, dass es bis zur Diagnose der isolierten Hypoganglionose des Colons viele Fehldiagnosen ärztlicherseits gegeben habe bis hin zur Anorexie. Insoweit habe ihr der Antragsteller in deutlich psychisch labilisiertem Zustand von "schlimmen Erfahrungen" bis zur Zwangseinweisung berichtet. Im Übrigen beschreiben die behandelnden Fachärzte H. (18. Dezember 2018 und 17. April 2019), Dr. E. (16. April 2019) und Dr. D. (24. April 2019) einen eher unauffälligen psychiatrischen Befund bei depressiver Stimmung. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die weiteren vom SMD aufgeführten Diagnosen - wie z.B. eine Angststörung und ein Anorexia nervosas – in den Befundberichten der den Antragsteller behandelnden Fachärzte keine Entsprechung finden. Damit ist entgegen der Auffassung des SMD eine Kontraindikation wegen einer psychiatrischen Erkrankung des Antragstellers, die von den behandelnden Fachärzten zudem nicht angenommen wird, nicht belegt. Aber selbst wenn eine Kontraindikation aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung vorläge, müsste diese in Relation zu der schwerwiegenden akuten Erkrankung des Antragstellers insbesondere im Hinblick auf das lebensbedrohliche Untergewicht bewertet werden.
Eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome erscheint zudem durchaus wahrscheinlich. Insoweit ist vorliegend nicht vorrangig auf Einwirkungen auf die Darmerkrankung des Antragstellers abzustellen, sondern vielmehr auf das lebensbedrohliche Untergewicht. Diesem konnte selbst mit einer parenteralen bzw. Sondenernährung nicht erfolgreich entgegengewirkt werden, da es mehrfach zu septischen Zuständen bei dem Antragsteller gekommen ist (Befundbericht Dr. D. vom 22. Februar 2019). Der Facharzt H. hat überzeugend ausgeführt, dass Dronabinol eine gute schmerzlindernde Therapie darstelle, welche im Vergleich zu Morphinpräparaten weniger gastrointestinale Nebenwirkungen aufweise. Auch werde hierdurch der Appetit gesteigert. Zudem hat er auf ausreichende Erfahrungen und Studienerkenntnisse zur Behandlung mit Cannabispräparaten in der Palliativmedizin hingewiesen. Zudem seien seines Wissens nach bei Behandlung von gastrointestinalen Störungen ausreichend wissenschaftliche Studien durchgeführt worden, die alle eine sehr gute Wirksamkeit belegt hätten. Insbesondere bestünde Wirksamkeit bei chronischen Tumorschmerzen und chronisch gastrointestinalen Schmerzen. Dies sei auf den Antragsteller durchaus übertragbar. Die Berichte des Antragstellers, dass es aufgrund der Einnahme von Dronabinol zu einer deutlichen Reduktion der Schmerzen und kolikartigen Beschwerden im Abdomenbereich gekommen sei, halte er für einleuchtend und plausibel. Auch Dr. D. erwartet eine positive Einwirkung der Dronabinol-Behandlung auf die Gewichtsentwicklung.
Bei der erforderlichen Interessenabwägung ist aufgrund des sehr massiven und offensichtlich fortschreitenden Untergewichts des Antragstellers (aktuell 44 kg bei einer Größe von 180 cm - BMI 13,6) im Hinblick auf die von Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geschützten Rechtsgüter ein deutliches Überwiegen der Interessen des Antragstellers gegenüber den eher geringen wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin festzustellen. Das Ergebnis der Güterabwägung spricht daher für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller im tenorierten Umfang mit Dronabinol zu versorgen. Das grundgesetzlich besonders geschützte Gut des Antragstellers auf körperliche Unversehrtheit und der Anspruch auf Krankenbehandlung zur Linderung von Leiden genießen hierbei Vorrang, weil die Vorenthaltung der Dronabinolversorgung im Fall eines positiven Ausgangs der Hauptsache zur Folge hätte, dass die Symptomlinderung sowie insbesondere eine Gewichtszunahme und damit ein besserer Gesundheitszustand des Antragstellers über Monate nicht erfolgen würde. Dies könnte auch nicht nachgeholt werden. Der Antragsteller ist aufgrund seiner glaubhaft dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse auch nicht in der Lage, zunächst die Dronabinoltherapie auf eigene Kosten zu finanzieren. Insofern war auch zu berücksichtigen, dass die bisher auf Privatrezept durchgeführte Behandlung mit Dronabinol bei dem Antragsteller nach dessen Angaben und den Befundberichten des behandelnden Arztes eine Linderung der Leiden bewirkt hat. So sei es aufgrund der Einnahme von Dronabinol zu einer deutlichen Reduktion der Schmerzen und kolikartigen Beschwerden im Adomenbereich gekommen. Ferner habe die Therapie zu einer Gewichtszunahme und Appetitsteigerung geführt. Demgegenüber hat das monetäre Interesse der Antragsgegnerin bzw. der Versichertengemeinschaft, keine Leistungen erbringen zu müssen, auf die möglicherweise kein Anspruch bestehe, zurückzutreten, denn ungeachtet des streitigen Anspruchs wäre die Antragsgegnerin ohnehin verpflichtet, die Aufwendungen einer anderweitigen, kostenintensiven Alternativbehandlung mit Schmerzmitteln zu übernehmen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. Juni 2018, L 4 KR 119/18 B ER, juris Rn. 62 und Beschluss vom 7. August 2018, L 20 KR 215/18 B ER, juris, Rn. 39 f.). Da auch die behandelnden Ärzte einen Behandlungsversuch über eine längere Zeit für sinnvoll und in begrenztem Maße auch aussichtsreich erachteten und davon auszugehen, dass erst im Zuge eines solchen Behandlungsversuchs die Wirkung beurteilt werden könne, erscheint eine Versorgung zunächst für die Dauer von einem Jahr, maximal bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, für angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist begründet, da der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGGG i.V.m. §§ 114, 115 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Dem Antragsteller wird unter Beiordnung der B. & Partner Rechtsanwälte GmbH Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren gewährt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller mit Dronabinol zu versorgen ist.
Der 2000 geborene und bei der Antragsgegnerin versicherte Antragsteller leidet seit seiner frühen Kindheit unter einem chronischen schweren abdominellen Schmerzsyndrom bei Hypoganglionose des Darmes. Die von PD Dr. C. (ehemals Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am Klinikum Bad Hersfeld), in dessen Behandlung sich der Antragsteller viele Jahren befand, diagnostizierte seltene Hypogangliose des Darmes verursacht bei dem Antragsteller massive Bauchkrämpfe und -beschwerden. Im März 2017 erfolgten eine Koloteilresektion sowie eine Kolostoma-Anlage. Aufgrund der schweren Schmerzzustände hatte der Antragsteller bis dahin zahlreiche Analgetika incl. Opioide eingenommen. Es entwickelte sich eine Opiatabhängigkeit und eine Unterernährung. Der Antragsteller leidet an Appetitlosigkeit. Im April 2017 lag der BMI bei 16. Nach der Operation konnte das Opioid langsam rückdosiert und schließlich im Frühsommer 2018 abgesetzt werden. Aufgrund einer schweren Schmerzsymptomatik wegen eines Rückenleidens wurde wenige Monate später durch den behandelnden Orthopäden eine erneute Opioidtherapie eingeleitet.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. D. beantragte für den Antragsteller am 10. September 2018 bei der Antragsgegnerin eine Versorgung mit Cannabinoiden. Er verwies auf die Empfehlung von Dr. E. (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Spezielle Schmerztherapie, Physikalische Therapie, Verkehrsmedizin am MVZ Hersfeld-Rotenburg), ein Cannabispräparat zur Besserung der Schmerzen, des Appetits und des Schlafs zu versuchen. Ferner führte er aus, dass Dr. F. (Leiterin der Schmerzambulanz des Klinikums Bad Hersfeld) empfohlen habe, mit einer niedrigen Dosis Dronabinol zu beginnen und auszuprobieren, ob eine positive Wirkung auf das schwierige Krankheitsbild des Antragstellers zu erreichen sei.
Mit Schreiben vom 21. September 2018 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Prüfung beauftragt habe.
Mit Bescheid vom 24. September 2018 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen gemäß § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor.
Dr. D. widersprach mit Schreiben vom 4. Oktober 2018 und führte aus, dass bei dem Antragsteller eine komplexe organische Erkrankung vorliege, in deren Folge schwere Schmerzzustände aufgetreten seien, die sich auch nach Behandlung der Ursprungserkrankung (Darmmotilitätsstörung) aufgrund hinzutretender Leiden (Rückenleiden, schwere Zahnerkrankung) nicht wesentlich gebessert hätten. Dem allgemeinen medizinischen Standard entsprechend sei eine analgetische Therapie durch den Hausarzt, Fachärzte und die Schmerzambulanz eingeleitet worden. Diese habe letztendlich zur Opioid-Abhängigkeit und zeitweise sogar Verschlechterung der Symptomatik aufgrund der darmmotilitätsstörenden Wirkung der Opioide geführt. Andere analgetische Behandlungsversuche unter anderem mit zentral wirksamen Medikamenten wie Antidepressiva, die typischerweise bei schweren Schmerzzuständen zusätzlich eingesetzt würden, seien entweder nicht vertragen worden oder hätten keine ausreichende Wirkung gehabt. Neben der Schmerzsymptomatik sei es zusätzlich zu ausgeprägten Zuständen innerer Unruhe und Schlafstörungen gekommen, die auch mit dafür zugelassenen und zur Verfügung stehenden Medikamenten behandelt worden seien. Auch hier habe ein durchgreifender Erfolg nicht erreicht werden können. Der Antragsteller habe im Laufe seiner Leidensgeschichte mit fast permanenter Schlaflosigkeit, innere Unruhe, ständige Schmerzen und mittlerweile auch einen bedrohliches Untergewicht entwickelt. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung stehe nicht zur Verfügung. Dies sei ihm auch von den mitbehandelnden Fachärzten Dr. E. und Privatdozent Dr. C. bestätigt worden. Die zur Verfügung stehende Schmerztherapie mit Opioiden könne nur unter Inkaufnahme erneuter schwerer Nebenwirkungen und auch Entwicklung von Abhängigkeit durchgeführt werden und solle daher nicht zur Anwendung kommen. Von einer Behandlung mit Dronabinol verspreche er - Dr. D. - sich eine Reduktion der Schmerzen sowie eine Besserung der schweren Schlafstörungen, der großen inneren Unruhe und der permanenten Übelkeit, die zum Untergewicht geführt hätten. Geplant sei eine Behandlung mit Dronabinol-Lösung, die mit drei Mal ein Tropfen pro Tag auf max. 32 Tropfen pro Tag aufdosiert werden könne. Erst im Zuge eines Behandlungsversuches könne eine Wirkung wirklich beurteilt werden.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein.
In einer nach Aktenlage erstellten Stellungnahme des SMD vom 23. Oktober 2018 (Fragebogen insbesondere mit Ankreuzoptionen) führte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie G. aus, dass vorliegend der Einsatz von Cannabis kontraindiziert aufgrund der erheblichen psychiatrischen Störungen des Antragstellers sei. Es lägen eine Angststörung (F41.9), eine artifizielle Störung (F68.1), eine Opiatabhängigkeit (F11.2), eine Polytoxikomanie (F19.3) sowie eine Anorexia nervosa (F50.0) vor. Es bestehe die Gefahr einer Abhängigkeit von Cannabis bei bereits vorliegender Suchterkrankung. Mit der multimodalen stationären Schmerztherapie sowie der Psychotherapie stehe eine dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung. Eine begründete Einschätzung des behandelnden Arztes, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehe, liege nicht vor.
Unter Verweis auf die Stellungnahme des SMD wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2018 den Widerspruch zurück.
Am 13. Dezember 2018 erhob der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Gießen (S 7 KR 1481/18).
Am 18. März 2019 hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht zudem einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Sein Gesundheitszustand habe sich so deutlich verschlechtert, dass mit einer Unterversorgung zu rechnen sei, die schwerste gesundheitliche Folgen habe. Die Dickdarmteilresektion habe zu einer Aufhebung der peristaltischen Transportleistung des Darmes in diesem Abschnitt mit massiver Verstopfung mit Bauchkrämpfen und schweren Schmerzzuständen geführt. Dies habe ein stark ausgeprägtes Untergewicht bewirkt, so dass der Antragsteller zeitweise über einen Port intravenös habe ernährt werden müssen. Trotz der im März 2017 erfolgten Colon-Teilresektion mit Anlage eines künstlichen Darmausgangs bestünden weiterhin ausgeprägte Schmerzzustände im Bauchbereich. Hinzu seien chronische Rückenschmerzen aufgrund einer Skoliose sowie intensive Zahnschmerzen bei schwer kariösem Gebiss gekommen. Aufgrund der zahlreichen medizinischen Eingriffe habe er eine zunehmende phobische Tendenz gegenüber Ärzten und Medizin entwickelt. Er wiege derzeit bei einer Körpergröße von 180 cm nur noch 45 kg (BMI von 14). Das mittlerweile lebensbedrohliche Untergewicht entstehe einerseits durch chronische Appetitlosigkeit als Folge der Opioide, andererseits aus Sorge um erneut auftretende starke Bauchschmerzen. Ende des Jahres 2018 sei mittels Privatrezept ein Versuch mit Cannabinoiden durchgeführt worden. Dies habe zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik und zu einer Reduktion der Schmerzmedikation geführt. Leider sei dies nur kurzzeitig der Fall gewesen, da die Finanzierung des Medikaments nur mithilfe von dritten Personen habe erreicht werden können. Er und seine alleinerziehende Mutter könnten die Kosten nicht tragen. Er legte eine entsprechende ärztliche Stellungnahme von Dr. D. vom 22. Februar 2019 vor. Dieser hat darüber hinaus ausgeführt, dass die zur Verfügung stehende Schmerztherapie mit Opioiden und zentralwirksamen Schmerzmedikamenten nur unter Inkaufnahme erneuter schwerer Nebenwirkungen insbesondere Untergewicht durchgeführt werden könne und daher möglichst nicht mehr zur Anwendung kommen sollte. Gemeinsam mit den mitbehandelnden Fachärzten Dr. E., H. und PD Dr. C. sei er der Auffassung, dass eine allgemein anerkannte dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Zeit nicht zur Verfügung stehe. Von einer Behandlung mit Cannabinoiden würden sie sich hingegen eine Reduktion der Schmerzen sowie eine Besserung des Appetits mit dringend erforderlicher Gewichtszunahme sowie Verbesserung der ausgeprägten Schlafstörungen und der damit verbundenen inneren Unruhe versprechen. Aufgrund des bedrohlichen BMI sei ein schneller Einsatz von helfenden Medikamenten dringend erforderlich. Ab einem BMI von unter 17 werde bei vielen Patienten bereits eine parenterale Ernährung oder Sondenernährung erwogen. Dies könne bei dem Antragsteller trotz des noch liegenden Ports nicht durchgeführt werden, da es im letzten Jahr mehrfach zu septischen Zuständen gekommen sei. Jede Möglichkeit, die den Leidenszustand lindern und die Lebenserwartung des Antragstellers verbessern könne, sollte aus ärztlicher Sicht ganz dringend und unbedingt eingesetzt werden. Dr. E. hat unter dem 3. August 2018 berichtet, dass der Antragsteller seit langem unter starken Schlafstörungen und nächtlicher Unruhe aufgrund der Schmerzen leide. Er laufe stundenlang durch die Wohnung und komme nicht zur Ruhe. Aufgrund der langwierigen Erkrankung habe er (ohne Schulabschluss) die Schule in der achten Klasse abbrechen müssen. Da der Antragsteller einen stationären (ganzheitlichen) Behandlungsansatz nicht wünscht, schlage sie einen ambulanten Behandlungsversuch mit Cannabis vor. Hiermit habe der Antragsteller positive Erfahrungen zur Behandlung seiner Schmerzen gemacht. Bei positivem Verlauf könne ein vollständiger Verzicht auf Opioide gelingen. Zusätzlich habe sie zur schmerzdistanzierenden Therapie wie auch zur Anstoßung des Schlafes Amitriptylin verordnet. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie H. beschreibt in seinem Befundbericht vom 18. Dezember 2018 eine massive Unterernährung und Muskelatrophie sowie Kachexie (schwere Form der Abmagerung). Ziel der Therapie sollte es sein, eine strukturierte Schmerztherapie zu etablieren. Er versuche den Antragsteller mit Amitriptylin zu behandeln. Darunter sollten sich auch der Appetit und das Gewicht verbessern. Sollte dies nicht ausreichend verträglich sein, könne eine Therapie mit Duloxetin versucht werden. Sollte dies zu keinem akzeptablen Zustand führen, wäre der Antragsteller ähnlich wie bei einer Tumorkachexie mit Cannabinoiden zu behandeln.
Das Sozialgericht hat daraufhin Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Dr. D. hat unter dem 24. April 2019 angegeben, dass die Grunderkrankung und ihre sekundären Folgen aufgrund des schweren Untergewichts von zuletzt 47 Kilo bei einer Größe von 180 cm für den Antragsteller lebensbedrohlich seien. Er sei hierdurch in sämtlichen Alltagsaktivitäten eingeschränkt. Dr. D. hat eingeräumt, dass er nicht beurteilen könne, welche Rolle Drobabinol bei der Behandlung spielen könne, da er selbst wenig Erfahrung damit habe. Dies sei jedoch von Dr. E., dem Facharzt H. und Dr. F. (Leiterin der Schmerzambulanz des Klinikum Bad Hersfeld) empfohlen worden. Entscheidende Nachteile einer Behandlung mit Cannabispräparaten könne er in Anbetracht der schweren Erkrankung des Antragstellers zudem nicht erkennen. Das Krankheitsbild des Antragstellers sei selten und extrem kompliziert verlaufend, so dass es keine einfachen Standards für diese Behandlung gebe. Derzeit werde eine Abdosierung jeglicher Opiode-Schmerzmittel versucht. Dies erweise sich allerdings als sehr schwierig, da der Tramadolol-Konsum zwischenzeitlich hohe Dosen erreicht habe. Unter Rückdosierung komme es einerseits zu massiver innerer Unruhe und Schlafstörungen sowie zur Zunahme der Schmerzen. Daher sei zusätzlich unter anderem Amitriptylin eingesetzt worden. Aufgrund einer Unverträglichkeit habe dies jedoch nicht fortgesetzt werden können. Zusätzlich sei antidepressiv mit Mirtazapin behandelt worden. Zudem seien Pregabalin, Celebrex, Diclofenac, Iboprufen, Paracetamol und Novaminsulfon eingesetzt worden. Diese Medikamente hätten jedoch nur einen geringen Effekt. Dies gelte gleichermaßen für Promethazin und Bromazanil. Neben der medikamentösen Behandlung werde wegen der bestehenden Rückenschmerzen bei Skoliose eine krankengymnastische Behandlung durchgeführt. Zudem werde ambulant psychotherapeutisch behandelt. Von weiteren psychopharmakologischen Behandlungsversuchen sei kein nennenswerter Effekt zu erwarten. Er habe dem Antragsteller immer wieder eine stationäre Schmerztherapie bzw. auch eine vorhergehende stationäre Entzugstherapie von Opioiden empfohlen. Alternativ käme eventuell auch eine langfristige Substitutionsbehandlung mit einem dafür zugelassenen Substitutionspräparat in Frage. Dies lehne der Antragsteller jedoch ab und äußere Suizidabsichten für den Fall einer erzwungenen Behandlung. Dies werde ärztlicherseits ernst genommen. Zudem sei mit einer erzwungenen Entzugstherapie kein dauerhafter Effekt zu erreichen. Durch die Einnahme von Dronabinol habe der Antragsteller eine erhebliche Besserung seiner Unruhe verspürt. Es sei zu einer leichten Gewichtszunahme und Appetitsteigerung gekommen. Auch sei es ihm leichter gefallen, die Analgetika-Dosierung zu reduzieren. Der Antragsteller habe auch interessierter und teilnahmefähiger gewirkt. Aufgrund der geringen Nebenwirkungen von Cannabinoiden halte er einen Behandlungsversuch über eine längere Zeit für indiziert, zumal andere Therapieoptionen praktisch nicht mehr bestünden. Ein Therapieversuch über eine längere Zeit mit Dronabinol sei sinnvoll und in begrenztem Maße auch aussichtsreich. Eine positive Einwirkung auf das Krankheitsbild sei im Bereich der Gewichtsentwicklung zu erwarten. Da eine deutlich appetitsteigernde Wirkung einsetze, sei die gewünschte und unbedingt erforderliche Gewichtszunahme zu erreichen. Auch könne der Schmerzmittelgebrauch leichter zu reduzieren sein. Kontraindikationen sehe er unter Anbetracht der schweren Grunderkrankung und der Aussichtslosigkeit sonstiger Behandlungsversuche nicht.
Der Facharzt H. hat unter dem 17. April 2019 ausgeführt, dass aufgrund der Darmerkrankung bei dem Antragsteller ein komplexes Schmerzsyndrom und ein großes Ernährungsproblem bestünden. Die Aufnahme der Nahrungsstoffe durch den Darm sei extrem eingeschränkt und behindert. Die Erkrankung könne nach seinen Erkenntnissen und Nachforschungen durchaus lebensbedrohliche Ausmaße erreichen. Jede Form der Schmerztherapie sei wegen der Darmerkrankung sehr problematisch und häufig auch mit starken Nebenwirkungen verbunden. Nach seiner Einschätzung stelle Drobabinol eine sehr gute schmerzlindernde Therapie dar, welche im Vergleich zu Morphinpräparaten weniger gastrointestinale Nebenwirkungen aufweise. Der Appetit werde gesteigert. Die Darmpassage werde weniger beschleunigt oder beeinflusst. Nach seinen Erkenntnissen und Durchsicht der Vorbefunde sei eine komplexe und sehr umfangreiche Therapie bereits mit allen üblichen Medikamenten durchgeführt worden. Die Erfolgsaussicht für die Behandlung mit Drobabinol sei bei dem Antragsteller gut, zumal bereits ein Behandlungsversuch durchgeführt worden sei, der eine erhebliche Linderung der Schmerzen ohne gastrointestinale Nebenwirkungen erreicht habe. Er halte bei dem Antragsteller aufgrund des seltenen Krankheitsbildes und der bereits durchgeführten Therapieversuche die Therapie mit Drobabinol für sinnvoll und medizinisch geboten. Die Nebenwirkungen seien offensichtlich gering und der Antragsteller zeige bei einem seltenen sehr bedrohlichen Krankheitsbild einen erfreulich guten Effekt. Als Neurologe und Psychiater habe er keine Bedenken bezüglich Missbrauch und Abhängigkeit. Es handele sich um eine wirtschaftliche, nebenwirkungsarme und sinnvolle Therapie für den Antragsteller. Es bestünden ausreichend Erfahrungen und Studienerkenntnisse zur Behandlung mit Cannabispräparaten in der Palliativmedizin. Auch bei Behandlung von gastrointestinalen Störungen seien seines Wissens nach ausreichend wissenschaftliche Studien durchgeführt worden, die alle eine sehr gute Wirksamkeit belegt hätten. Insbesondere bestünde Wirksamkeit bei chronischen Tumorschmerzen und chronisch gastrointestinalen Schmerzen. Dies sei auf den Antragsteller durchaus übertragbar. Die Berichte des Antragstellers, dass es aufgrund der Einnahme von Drobabinol zu einer deutlichen Reduktion der Schmerzen und kolikartigen Beschwerden im Abdomenbereich gekommen sei, halte er für einleuchtend und plausibel. Eine Kontraindikation sehe er bei dem Antragsteller nicht. Dr. E. hat unter dem 16. April 2019 unter anderem ausgeführt, dass ihr Kontraindikationen vorliegend nicht bekannt seien. PD Dr. C. hat unter dem 18. April 2019 ausgeführt, dass er aufgrund des Ausscheidens aus der Klinik keinen Zugriff mehr auf die Behandlungsunterlagen habe.
Der SMD hat in seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 22. Mai 2019 darauf hingewiesen, dass den ärztlichen Stellungnahmen Behandlungsoptionen zu entnehmen seien. Aus sozialmedizinischer Sicht bestehe weiterhin die Diagnose der artifiziellen Störung (F68.1). Aus den vorliegenden Befunden gehe zudem eine psychiatrische Mitbehandlung hervor. Der Antragsteller habe in deutlich psychisch labilisiertem Zustand von schlimmen Erfahrungen bis hin zur Zwangseinweisung berichtet. Einzelheiten zur psychiatrischen Behandlung lägen nicht vor. Aufgrund offensichtlich erheblicher psychiatrischer Störungen läge eine Kontraindikation für die Verordnung von Cannabinoiden vor.
Unter dem 3. Juni 2019 hat der Antragsteller vorgetragen, dass sich sein Zustand rapide verschlechtere. Insbesondere nehme sein Gewicht weiter ab. Durch die Opiatgabe seien die inneren Organe soweit angegriffen, dass es ständig nach Einnahme zu Übelkeit und Erbrechen komme. Er könne am normalen Leben nicht teilnehmen und vermeide Kontakt mit anderen Menschen. Eine Substitutionsbehandlung mit Methadon würde seinen Zustand weiter verschlechtern. Stationäre langfristige Maßnahmen seien kontraindiziert, weil er aufgrund der bisherigen Behandlungsmethoden Angst vor Kliniken und Krankenhäusern habe. Im Verhältnis zu den jetzt verordneten Medikamenten sei eine Cannabinoid-Behandlung das deutlich mildere Mittel mit erheblich weniger Nebenwirkungen und daher nicht kontraindiziert.
Mit Beschluss vom 4. Juni 2019 hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei vorliegend nicht glaubhaft gemacht und könne nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Eine Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a SGB V sei nicht eingetreten. Die beantragte Genehmigung sei auch nicht gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB V zu erteilen. Zwar sei vorliegend von einer schwerwiegenden Erkrankung auszugehen. Es sei jedoch weder erkennbar, dass dem anerkannten medizinischen Standard entsprechende Leistungen (objektiv) nicht mehr verfügbar seien, noch dass zumindest nach begründeter vertragsärztlicher Einschätzung im Einzelfall unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen nicht zur Anwendung kommen könnten. Im Vordergrund stünde ein massives Untergewicht, Schmerzen infolge einer Skoliose und einer Darmerkrankung sowie eine Opioidabhängigkeit, welche nebenwirkungsbedingt das Untergewicht weiter begünstige. Von Seiten der Ärzte werde jedoch eine stationäre Therapie als Standardbehandlung empfohlen. Auch sei der vom Facharzt H. angeführte, vorrangige Behandlungsversuch mit Amitryptilin und der eventuell zusätzlichen Gabe von Duloxetin nicht konsequent erfolgt. Soweit Dr. D. darauf verwiesen habe, dass der Antragsteller aus Gründen der Unverträglichkeit Amitryptilin selbsttätig abgesetzt habe, sei näheres nicht bekannt. Ein Versuch mit Duloxetin sei nicht aktenkundig. Vor diesem Hintergrund sei eine Behandlung mit Dronabinol nicht die einzig verfügbare Alternative zu den offensichtlich ungeeigneten Opiaten. In Bezug auf das massive Untergewicht habe Dr. D. deutlich gemacht, dass nach anerkannten medizinischen Maßstäben ab einem BMI von 17 eine stationäre Aufnahme zur Gewichtszunahme anzustreben sei. Unabhängig davon sei derzeit nicht geklärt, ob die beantragte Therapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome habe. Nicht ausreichend seien insoweit bloße subjektive positive Erfahrungen und eine hierauf gestützte ärztliche Empfehlung. Vielmehr bedürfe es eines Anhalts für allgemeine Wirksamkeitsindizien. Konkrete Erkenntnisgrundlagen würden in den eingeholten Befundberichten jedoch nicht benannt. Lediglich der Facharzt H. habe ausgeführt, dass Cannabis bei chronischen Tumorschmerzen und chronischen gastrointestinalen Schmerzen wirke. Tumorschmerzen lägen aber im Fall des Antragstellers nicht vor. Nach dem im Auftrag der Techniker Krankenkasse erstellten Cannabis-Report würden keine ausreichenden Indizien für eine Wirksamkeit von Cannabinoiden zur Behandlung von Darmerkrankungen gesehen werden. Ob und gegebenenfalls wegen welcher Indikationen eine Erfolgsaussicht im Sinne von § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB V bestehen könnte, könne bei dieser Sachlage erst sinnvoll im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Bei summarischer Prüfung überwiege somit derzeit die Wahrscheinlichkeit eines Unterliegens des Antragstellers in der Hauptsache. Es sei nicht ersichtlich, dass bis zur endgültigen Klärung der Hauptsache eine einstweilige Anordnung erforderlich wäre, zumal nach übereinstimmender Auffassung des SMD und der behandelnden Ärzte vorrangig eine (stationäre) multimodale Schmerztherapie zu etablieren wäre. Wegen des Untergewichts sei ebenfalls eine stationäre Aufnahme angezeigt. Einen Therapieversuch mit Dronabinol bezeichne auch Dr. D. nur als begrenzt aussichtsreich.
Der Antragsteller hat gegen den ihm am 5. Juni 2019 zugestellten Beschluss am 27. Juni 2019 vor dem Hessischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgebracht, dass seine Schmerzzustände mittlerweile unerträglich geworden seien. Eine stationäre Schmerztherapie könne nicht erfolgreich sein, da mit dieser nur versucht werde, die Opiat-Behandlung zu lindern, ohne eine Alternativbehandlung an deren Stelle zu setzen. Die Behandlung mit Amitryptilin habe er nicht vertragen. Eine kurzfristige Therapie sei nötig, eine mittelfristig irgendwann durchzuführende stationäre Therapie sei hingegen nicht ausreichend. Zudem stelle eine stationäre Aufnahme zur Gewichtszunahme einen deutlich stärkeren Eingriff in den Zustand und das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar als die Dronabinol-Behandlung. Die im Herbst 2018 privat finanzierte Dronabinol-Behandlung sei erfolgreich gewesen. Sie habe zu einer deutlichen Verbesserung seines Gesundheitszustandes geführt. Mit Schreiben vom 10. Juli 2019 hat er vorgetragen, dass sein Gewicht aktuell 44 kg betrage. Nach der Essenszunahme, welche aufgrund der Schmerzempfindlichkeit ohnehin nur in sehr geringem Umfang erfolge, erbreche er mehrfach täglich unkontrolliert. Aufgrund der über längere Zeit erfolgten Opiat-Einnahmen verfüge er auch nicht mehr über Zähne, die eine Nahrungsaufnahme ermöglichten. Stationäre Schmerztherapien seien bereits mehrfach erfolgt und nicht mehr erfolgversprechend.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 4. Juni 2019 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Antragsteller mit Dronabinol zu versorgen und ihm unter Beiordnung der B. & Partner Rechtsanwälte GmbH Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf einstweilige Anordnung im tenorierten Umfang.
Hinsichtlich der Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird auf die Entscheidungsgründe im angegriffenen Beschluss verwiesen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.
Bei summarischer Prüfung gelangt der Senat jedoch zur Überzeugung, dass bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache die erforderliche Folgenabwägung eine einstweilige Anordnung begründet.
Ob die Voraussetzungen gemäß § 31 Abs. 6 SGB V vorliegen, ist offen. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen ist weder nachgewiesen, dass dem anerkannten medizinischen Standard entsprechende Leistungen (objektiv) nicht mehr verfügbar sind, noch dass zumindest nach begründeter vertragsärztlicher Einschätzung im Einzelfall unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen nicht zur Anwendung kommen können. Allerdings lassen die Befundberichte der den Antragsteller behandelnden Ärzte und die darin aufgeführten bereits (erfolglos) durchgeführten Therapien vor dem Hintergrund der seltenen schweren Erkrankung des Antragstellers begründete Zweifel daran aufkommen, dass eine andere dem anerkannten medizinischen Standard entsprechende Therapie bei dem Antragsteller erfolgversprechend und zumutbar wäre oder aber wirkungslos bzw. unverträglich. Insoweit sind im Hauptsacheverfahren weitere Ermittlungen vorzunehmen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Sozialgericht dementsprechend auch bereits mit Schreiben vom 4. Juni 2019 angekündigt. Die lediglich nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Stellungnahmen des SMD sind hingegen wenig aussagekräftig. Für den Senat ist insoweit schon nicht erkennbar, welchen Unterlagen der SMD die Diagnose einer artifiziellen Störung (F68.1) entnimmt. Hierunter fällt das absichtliche Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen. Die im Verfahren vorgelegten Befundberichte enthalten eine derartige Diagnose hinsichtlich des Antragstellers nicht. Dr. E. hat vielmehr unter dem 3. August 2018 ausgeführt, dass es bis zur Diagnose der isolierten Hypoganglionose des Colons viele Fehldiagnosen ärztlicherseits gegeben habe bis hin zur Anorexie. Insoweit habe ihr der Antragsteller in deutlich psychisch labilisiertem Zustand von "schlimmen Erfahrungen" bis zur Zwangseinweisung berichtet. Im Übrigen beschreiben die behandelnden Fachärzte H. (18. Dezember 2018 und 17. April 2019), Dr. E. (16. April 2019) und Dr. D. (24. April 2019) einen eher unauffälligen psychiatrischen Befund bei depressiver Stimmung. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die weiteren vom SMD aufgeführten Diagnosen - wie z.B. eine Angststörung und ein Anorexia nervosas – in den Befundberichten der den Antragsteller behandelnden Fachärzte keine Entsprechung finden. Damit ist entgegen der Auffassung des SMD eine Kontraindikation wegen einer psychiatrischen Erkrankung des Antragstellers, die von den behandelnden Fachärzten zudem nicht angenommen wird, nicht belegt. Aber selbst wenn eine Kontraindikation aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung vorläge, müsste diese in Relation zu der schwerwiegenden akuten Erkrankung des Antragstellers insbesondere im Hinblick auf das lebensbedrohliche Untergewicht bewertet werden.
Eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome erscheint zudem durchaus wahrscheinlich. Insoweit ist vorliegend nicht vorrangig auf Einwirkungen auf die Darmerkrankung des Antragstellers abzustellen, sondern vielmehr auf das lebensbedrohliche Untergewicht. Diesem konnte selbst mit einer parenteralen bzw. Sondenernährung nicht erfolgreich entgegengewirkt werden, da es mehrfach zu septischen Zuständen bei dem Antragsteller gekommen ist (Befundbericht Dr. D. vom 22. Februar 2019). Der Facharzt H. hat überzeugend ausgeführt, dass Dronabinol eine gute schmerzlindernde Therapie darstelle, welche im Vergleich zu Morphinpräparaten weniger gastrointestinale Nebenwirkungen aufweise. Auch werde hierdurch der Appetit gesteigert. Zudem hat er auf ausreichende Erfahrungen und Studienerkenntnisse zur Behandlung mit Cannabispräparaten in der Palliativmedizin hingewiesen. Zudem seien seines Wissens nach bei Behandlung von gastrointestinalen Störungen ausreichend wissenschaftliche Studien durchgeführt worden, die alle eine sehr gute Wirksamkeit belegt hätten. Insbesondere bestünde Wirksamkeit bei chronischen Tumorschmerzen und chronisch gastrointestinalen Schmerzen. Dies sei auf den Antragsteller durchaus übertragbar. Die Berichte des Antragstellers, dass es aufgrund der Einnahme von Dronabinol zu einer deutlichen Reduktion der Schmerzen und kolikartigen Beschwerden im Abdomenbereich gekommen sei, halte er für einleuchtend und plausibel. Auch Dr. D. erwartet eine positive Einwirkung der Dronabinol-Behandlung auf die Gewichtsentwicklung.
Bei der erforderlichen Interessenabwägung ist aufgrund des sehr massiven und offensichtlich fortschreitenden Untergewichts des Antragstellers (aktuell 44 kg bei einer Größe von 180 cm - BMI 13,6) im Hinblick auf die von Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geschützten Rechtsgüter ein deutliches Überwiegen der Interessen des Antragstellers gegenüber den eher geringen wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin festzustellen. Das Ergebnis der Güterabwägung spricht daher für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller im tenorierten Umfang mit Dronabinol zu versorgen. Das grundgesetzlich besonders geschützte Gut des Antragstellers auf körperliche Unversehrtheit und der Anspruch auf Krankenbehandlung zur Linderung von Leiden genießen hierbei Vorrang, weil die Vorenthaltung der Dronabinolversorgung im Fall eines positiven Ausgangs der Hauptsache zur Folge hätte, dass die Symptomlinderung sowie insbesondere eine Gewichtszunahme und damit ein besserer Gesundheitszustand des Antragstellers über Monate nicht erfolgen würde. Dies könnte auch nicht nachgeholt werden. Der Antragsteller ist aufgrund seiner glaubhaft dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse auch nicht in der Lage, zunächst die Dronabinoltherapie auf eigene Kosten zu finanzieren. Insofern war auch zu berücksichtigen, dass die bisher auf Privatrezept durchgeführte Behandlung mit Dronabinol bei dem Antragsteller nach dessen Angaben und den Befundberichten des behandelnden Arztes eine Linderung der Leiden bewirkt hat. So sei es aufgrund der Einnahme von Dronabinol zu einer deutlichen Reduktion der Schmerzen und kolikartigen Beschwerden im Adomenbereich gekommen. Ferner habe die Therapie zu einer Gewichtszunahme und Appetitsteigerung geführt. Demgegenüber hat das monetäre Interesse der Antragsgegnerin bzw. der Versichertengemeinschaft, keine Leistungen erbringen zu müssen, auf die möglicherweise kein Anspruch bestehe, zurückzutreten, denn ungeachtet des streitigen Anspruchs wäre die Antragsgegnerin ohnehin verpflichtet, die Aufwendungen einer anderweitigen, kostenintensiven Alternativbehandlung mit Schmerzmitteln zu übernehmen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. Juni 2018, L 4 KR 119/18 B ER, juris Rn. 62 und Beschluss vom 7. August 2018, L 20 KR 215/18 B ER, juris, Rn. 39 f.). Da auch die behandelnden Ärzte einen Behandlungsversuch über eine längere Zeit für sinnvoll und in begrenztem Maße auch aussichtsreich erachteten und davon auszugehen, dass erst im Zuge eines solchen Behandlungsversuchs die Wirkung beurteilt werden könne, erscheint eine Versorgung zunächst für die Dauer von einem Jahr, maximal bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, für angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist begründet, da der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGGG i.V.m. §§ 114, 115 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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