Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 RA 1305/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 RA 3690/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sind Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung versehentlich nicht bei der laufenden Rente einbehalten worden, können die rückständischen Beiträge nur aus der weiterhin zu zahlenden Rente einbehalten werden. Ein Verwaltungsakt gegenüber dem Rentenempfänger, der die Erstattung der rückständigen Beiträge anordnet, ist rechtswidrig.
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. August 2003 aufgehoben. Der Bescheid vom 5. Juni 2002, geändert durch Bescheid vom 22. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2003 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Pflicht zur Zahlung von EUR 703,41 aus nicht zustehenden Zuschüssen sowie nicht einbehaltenen Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner.
Der 1939 geborene Kläger beantragte im Juni 2001 Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die Beklagte bewilligte diese Rente durch Bescheid vom 10. Oktober 2001 antragsgemäß ab 1. Dezember 2001 - brutto DM 2934,87 - zu einem monatlichen Zahlbetrag nach Abzug der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung von DM 2739,71. Hiervon wurde ein pfändbarer Betrag von DM 521,50 zur Befriedigung einer Forderung der C. angewiesen. Durch Bescheid vom 2. Januar 2002 erfolgte eine Neuberechnung. Da jetzt irrtümlich angenommen wurde, der Kläger sei nicht versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner, sondern freiwillig versichert, wurde für Dezember 2001 der Bruttobetrag von DM 2934,87 um einen Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag von DM 86,34 und zum Pflegeversicherungsbeitrag von DM 24,95 erhöht, so dass der monatliche Zahlbetrag DM 3046,16 erreichte. Die Beträge nach der Währungsumstellung ab Januar 2002 lauteten auf brutto EUR 1500,58 zuzüglich Zuschuss zur Krankenversicherung von EUR 44,14 sowie zur Pflegeversicherung von EUR 12,76, insgesamt EUR 1557,48. Einbehalte zugunsten der C. fanden zunächst trotz Absenkung der pfändbaren Beträge wegen Problemen bei der entsprechenden Umstellung in den Monaten Januar und Februar 2002 in Höhe von monatlich EUR 266,35 statt; der Kläger erhielt am 23. Januar 2002 eine Einmalzahlung von EUR 843,35 (Nachzahlung EUR 1003,35 abzüglich EUR 160,00 zugunsten der C.).
Durch Bescheid vom 18. März 2002, neu datiert mit 9. April 2002 wurde die Rente wiederum ab 1. Dezember 2001 neu berechnet. Es war wieder erkannt worden, dass der Kläger versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner war. Der Bruttobetrag von EUR 1500,58 verminderte sich um den Beitragsanteil zur Krankenversicherung von EUR 87,03 und zur Pflegeversicherung von EUR 12,75 auf EUR 1400,80. Dementsprechend wurde der Bescheid vom 2. Januar 2002 mit Wirkung für die Zukunft ab 1. Mai 2002 aufgehoben. Im übrigen sei vorgesehen, die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Ferner sei beabsichtigt, die Bewilligungsbescheide mit Wirkung vom 1. Dezember 2001 aufzuheben und die von Dezember 2001 bis April 2002 entstandene Überzahlung von EUR 783,41 zurückzufordern. Dieser Betrag wurde daraus errechnet, dass von Dezember 2001 bis April 2002 Beiträge in Höhe von insgesamt EUR 498,91 nicht erhoben worden seien, während die fehlerhaft bewilligten Zuschüsse (fünf mal EUR 56,90) insgesamt EUR 284,50 betragen hätten. Der Kläger könne sich hierzu äußern. Er erhob "Widerspruch" unter anderem mit der Behauptung, er habe die bewilligten Beträge nicht im genannten Umfang erhalten. Die Beklagte klärte ihn mit Schreiben vom 29. April 2002 auf, die rückständigen Beitragsanteile in Höhe von EUR 498,91 sollten im Wege der Verrechnung nach § 255 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) einbehalten werden. Betreffend den überzahlten Beitragszuschuss von insgesamt EUR 284,50 sei noch keine Entscheidung ergangen. Durch Bescheid vom 5. Juni 2002 hob die Beklagte den Bescheid vom 2. Januar 2002 über die Bewilligung des Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung ab "1.12.2002" (gemeint 2001) auf und nannte wiederum die zu erstattenden Beträge von EUR 284,50 zuzüglich EUR 498,91. Zugunsten des Klägers sprechende Ermessenserwägungen seien nicht ersichtlich. Mit dem Widerspruch rügte der Kläger wiederum Berechnung und tatsächliche Auszahlung. Auf ein Aufklärungsschreiben der Beklagten vom 5. August 2002 verblieb er mit Schreiben vom 20. August 2002 bei dieser Auffassung. Die Niederlassung Rentenservice St. der Deutschen Post AG erläuterte mit Schreiben vom 7. Oktober 2002, es seien gezahlt worden im Dezember 2001 DM 2218,21, im Januar und Februar 2002 jeweils EUR 1134,15, im März und April 2002 jeweils EUR 1477,48 sowie im Mai und Juni 2002 jeweils EUR 1340,80. Außerdem sei am 23. Januar 2002 eine Einmalzahlung von EUR 843,35 überwiesen worden. An die C. war am 23. Januar 2002 die Einmalzahlung von EUR 160 für Januar und Februar 2002 geleistet worden; sodann wurden im März und April 2002 jeweils EUR 80, im Mai und Juni 2002 jeweils EUR 60 überwiesen; der zustehende Betrag hätte sich in jedem Monat auf EUR 60 belaufen. Aus diesen Zahlen ergab sich, dass sich der geforderte Betrag um (vier mal 20 = ) EUR 80 auf EUR 703,41 verminderte. Die entsprechende Berechnung wurde im Änderungsbescheid vom 22. Oktober 2002 dargelegt. Mit seinem Widerspruch bezweifelte der Kläger wiederum die Richtigkeit der Berechnung; insgesamt habe er zu wenig erhalten. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 9. April 2003.
Das Sozialgericht Heilbronn hat die hiergegen erhobene Klage durch Gerichtsbescheid vom 7. August 2003 abgewiesen. Es hat die Darlegungen der Beklagten als zutreffend erachtet.
Gegen den mit Einschreiben vom 19. August 2003 abgesandten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. September 2003 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er bringt vor, er habe die Rente zunächst durch Bescheid vom 10. Oktober 2001 zutreffend gezahlt erhalten. Nunmehr werde ein nicht durchsichtig erklärter Betrag als Überzahlung zurückgefordert. Es könne nicht einfach behauptet werden, es gehe nur um Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die im Januar 2003 zugeflossene Einmalzahlung von EUR 843,35 sei längst ausgegeben. Die Beklagte müsse für ihre Fehler verantwortlich sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. August 2003 und den Bescheid vom 5. Juni 2002, geändert durch Bescheid vom 22. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre hinreichend erläuterten Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der geforderte Gesamtbetrag von EUR 703,41 überschreitet den Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). In der Sache muss die Berufung auch in vollem Umfang Erfolg haben. Zwar sind dem Kläger materiellrechtlich nicht zustehende Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung zugeflossen und statt dessen die zu entrichtenden Pflichtbeiträge nicht einbehalten worden; eine entsprechende Forderung vermag die Beklagte jedoch nicht in den von ihr gewählten Formen erfolgreich durchzusetzen.
Die durch Bescheid vom 2. Januar 2002 erfolgte Bewilligung von Zuschüssen zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung war von Anfang an rechtswidrig, weil der Kläger, wie im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 10. Oktober 2001 zutreffend berücksichtigt, pflichtversichert war und keinen Anspruch auf solche Zuschüsse hatte. Letztere sind für die fünf Monate von Dezember 2001 bis April 2002 in Höhe von fünf mal EUR 56,90, insgesamt EUR 284,50 gezahlt worden; die durch Bescheid vom 9. April 2002 erfolgte Aufhebung dieser Bewilligung für die Zukunft ab 1. Mai 2002 greift der Kläger nicht an. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der von Anfang an rechtswidrigen Bewilligung ist freilich, anders als von der Beklagten zitiert, nicht die Vorschrift des § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X - Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse), sondern die Vorschrift über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X. Hierbei ist nach gefestigter Rechtsprechung Ermessen auszuüben; ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null liegt hier offensichtlich nicht vor. Die Beklagte hat zwar im angefochtenen Bescheid vom 5. Juni 2002 formularmäßig Ermessen ausgeübt; dass dies - wie bereits erwähnt - unter fehlerhafter Zitierung von § 48 SGB X erfolgt ist, bleibt unschädlich. Der formularmäßige gebrauchte Satz, die bekannten Umstände seien nicht dazu geeignet, von der Bescheidaufhebung abzusehen, weil besondere Umstände zugunsten des Betroffenen nicht ersichtlich seien, vermag hier aber nicht auszureichen. Das grobe Verwaltungsverschulden, das sich in der fehlerhaften und über mehrere Monate nicht korrigierten Bewilligung der freiwilligen Zuschüsse niedergeschlagen hat, muss bei der Ermessensausübung individuellen Ausdruck finden; bei der Annahme einer freiwilligen Versicherung statt einer Pflichtversicherung handelt es sich offenkundig um einen groben Fehler (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht - BSG - BSGE 77, 295, 302 f. = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27; früher schon BSG SozR 1300 § 45 Nr. 19 und Nr. 26; SozR 3-1300 § 45 Nr. 2). Eine formularmäßige Ermessenausübung, die einen solchen Gesichtspunkt nicht einbezieht, ist als defizitär zu beanstanden. Darauf dass dem Kläger aufgrund Persönlichkeit und kaufmännischer Erfahrung die Rechtswidrigkeit der Verfügung möglicherweise auffallen musste, kommt es für die Frage der zutreffenden Ermessensausübung nicht an. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit im Wege der Anfechtungsklage aufzuheben (vgl. § 54 Abs. 1, Ab. 2 Satz 2 SGG). Mithin entfällt die aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X folgende Erstattungspflicht.
Ebenso wenig vermag die Beklagte mit der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von insgesamt EUR 498,91 für die in den Monaten Dezember 2001 bis April 2002 nicht einbehaltenen Pflichtbeiträge - im Bescheid vom 22. Oktober 2002 um zuviel einbehaltene Abzweigungen von insgesamt EUR 80 gekürzt - durchzudringen. Die Zahlung dieser Forderung in einem Gesamtbetrag aufzuerlegen unabhängig von der laufenden Zahlung der Rente, ist vom Gesetz nicht gedeckt. Gemäß § 255 Abs. 1 SGB V sind Pflichtbeiträge bei der Zahlung der Rente einzubehalten (vgl. zum früheren Recht der Reichsversicherungsordnung BSGE 73, 217 = SozR 3-2200 § 393a Nr. 3). Ist dies unterblieben, sind die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift); § 51 Abs. 2 des Ersten Buches (Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit) gilt entsprechend. Mit dieser Spezialregelung ist der im Bescheid vom 5. Juni 2002 verfügten Pflicht zur Erstattung rückständiger Beiträge in einem Betrag ersichtlich der Boden entzogen. Darüber, inwieweit die rückständigen Beiträge jetzt noch einbehalten werden können, ist hier nicht zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Pflicht zur Zahlung von EUR 703,41 aus nicht zustehenden Zuschüssen sowie nicht einbehaltenen Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner.
Der 1939 geborene Kläger beantragte im Juni 2001 Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die Beklagte bewilligte diese Rente durch Bescheid vom 10. Oktober 2001 antragsgemäß ab 1. Dezember 2001 - brutto DM 2934,87 - zu einem monatlichen Zahlbetrag nach Abzug der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung von DM 2739,71. Hiervon wurde ein pfändbarer Betrag von DM 521,50 zur Befriedigung einer Forderung der C. angewiesen. Durch Bescheid vom 2. Januar 2002 erfolgte eine Neuberechnung. Da jetzt irrtümlich angenommen wurde, der Kläger sei nicht versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner, sondern freiwillig versichert, wurde für Dezember 2001 der Bruttobetrag von DM 2934,87 um einen Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag von DM 86,34 und zum Pflegeversicherungsbeitrag von DM 24,95 erhöht, so dass der monatliche Zahlbetrag DM 3046,16 erreichte. Die Beträge nach der Währungsumstellung ab Januar 2002 lauteten auf brutto EUR 1500,58 zuzüglich Zuschuss zur Krankenversicherung von EUR 44,14 sowie zur Pflegeversicherung von EUR 12,76, insgesamt EUR 1557,48. Einbehalte zugunsten der C. fanden zunächst trotz Absenkung der pfändbaren Beträge wegen Problemen bei der entsprechenden Umstellung in den Monaten Januar und Februar 2002 in Höhe von monatlich EUR 266,35 statt; der Kläger erhielt am 23. Januar 2002 eine Einmalzahlung von EUR 843,35 (Nachzahlung EUR 1003,35 abzüglich EUR 160,00 zugunsten der C.).
Durch Bescheid vom 18. März 2002, neu datiert mit 9. April 2002 wurde die Rente wiederum ab 1. Dezember 2001 neu berechnet. Es war wieder erkannt worden, dass der Kläger versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner war. Der Bruttobetrag von EUR 1500,58 verminderte sich um den Beitragsanteil zur Krankenversicherung von EUR 87,03 und zur Pflegeversicherung von EUR 12,75 auf EUR 1400,80. Dementsprechend wurde der Bescheid vom 2. Januar 2002 mit Wirkung für die Zukunft ab 1. Mai 2002 aufgehoben. Im übrigen sei vorgesehen, die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Ferner sei beabsichtigt, die Bewilligungsbescheide mit Wirkung vom 1. Dezember 2001 aufzuheben und die von Dezember 2001 bis April 2002 entstandene Überzahlung von EUR 783,41 zurückzufordern. Dieser Betrag wurde daraus errechnet, dass von Dezember 2001 bis April 2002 Beiträge in Höhe von insgesamt EUR 498,91 nicht erhoben worden seien, während die fehlerhaft bewilligten Zuschüsse (fünf mal EUR 56,90) insgesamt EUR 284,50 betragen hätten. Der Kläger könne sich hierzu äußern. Er erhob "Widerspruch" unter anderem mit der Behauptung, er habe die bewilligten Beträge nicht im genannten Umfang erhalten. Die Beklagte klärte ihn mit Schreiben vom 29. April 2002 auf, die rückständigen Beitragsanteile in Höhe von EUR 498,91 sollten im Wege der Verrechnung nach § 255 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) einbehalten werden. Betreffend den überzahlten Beitragszuschuss von insgesamt EUR 284,50 sei noch keine Entscheidung ergangen. Durch Bescheid vom 5. Juni 2002 hob die Beklagte den Bescheid vom 2. Januar 2002 über die Bewilligung des Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung ab "1.12.2002" (gemeint 2001) auf und nannte wiederum die zu erstattenden Beträge von EUR 284,50 zuzüglich EUR 498,91. Zugunsten des Klägers sprechende Ermessenserwägungen seien nicht ersichtlich. Mit dem Widerspruch rügte der Kläger wiederum Berechnung und tatsächliche Auszahlung. Auf ein Aufklärungsschreiben der Beklagten vom 5. August 2002 verblieb er mit Schreiben vom 20. August 2002 bei dieser Auffassung. Die Niederlassung Rentenservice St. der Deutschen Post AG erläuterte mit Schreiben vom 7. Oktober 2002, es seien gezahlt worden im Dezember 2001 DM 2218,21, im Januar und Februar 2002 jeweils EUR 1134,15, im März und April 2002 jeweils EUR 1477,48 sowie im Mai und Juni 2002 jeweils EUR 1340,80. Außerdem sei am 23. Januar 2002 eine Einmalzahlung von EUR 843,35 überwiesen worden. An die C. war am 23. Januar 2002 die Einmalzahlung von EUR 160 für Januar und Februar 2002 geleistet worden; sodann wurden im März und April 2002 jeweils EUR 80, im Mai und Juni 2002 jeweils EUR 60 überwiesen; der zustehende Betrag hätte sich in jedem Monat auf EUR 60 belaufen. Aus diesen Zahlen ergab sich, dass sich der geforderte Betrag um (vier mal 20 = ) EUR 80 auf EUR 703,41 verminderte. Die entsprechende Berechnung wurde im Änderungsbescheid vom 22. Oktober 2002 dargelegt. Mit seinem Widerspruch bezweifelte der Kläger wiederum die Richtigkeit der Berechnung; insgesamt habe er zu wenig erhalten. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 9. April 2003.
Das Sozialgericht Heilbronn hat die hiergegen erhobene Klage durch Gerichtsbescheid vom 7. August 2003 abgewiesen. Es hat die Darlegungen der Beklagten als zutreffend erachtet.
Gegen den mit Einschreiben vom 19. August 2003 abgesandten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. September 2003 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er bringt vor, er habe die Rente zunächst durch Bescheid vom 10. Oktober 2001 zutreffend gezahlt erhalten. Nunmehr werde ein nicht durchsichtig erklärter Betrag als Überzahlung zurückgefordert. Es könne nicht einfach behauptet werden, es gehe nur um Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die im Januar 2003 zugeflossene Einmalzahlung von EUR 843,35 sei längst ausgegeben. Die Beklagte müsse für ihre Fehler verantwortlich sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. August 2003 und den Bescheid vom 5. Juni 2002, geändert durch Bescheid vom 22. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre hinreichend erläuterten Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der geforderte Gesamtbetrag von EUR 703,41 überschreitet den Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). In der Sache muss die Berufung auch in vollem Umfang Erfolg haben. Zwar sind dem Kläger materiellrechtlich nicht zustehende Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung zugeflossen und statt dessen die zu entrichtenden Pflichtbeiträge nicht einbehalten worden; eine entsprechende Forderung vermag die Beklagte jedoch nicht in den von ihr gewählten Formen erfolgreich durchzusetzen.
Die durch Bescheid vom 2. Januar 2002 erfolgte Bewilligung von Zuschüssen zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung war von Anfang an rechtswidrig, weil der Kläger, wie im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 10. Oktober 2001 zutreffend berücksichtigt, pflichtversichert war und keinen Anspruch auf solche Zuschüsse hatte. Letztere sind für die fünf Monate von Dezember 2001 bis April 2002 in Höhe von fünf mal EUR 56,90, insgesamt EUR 284,50 gezahlt worden; die durch Bescheid vom 9. April 2002 erfolgte Aufhebung dieser Bewilligung für die Zukunft ab 1. Mai 2002 greift der Kläger nicht an. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der von Anfang an rechtswidrigen Bewilligung ist freilich, anders als von der Beklagten zitiert, nicht die Vorschrift des § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X - Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse), sondern die Vorschrift über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X. Hierbei ist nach gefestigter Rechtsprechung Ermessen auszuüben; ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null liegt hier offensichtlich nicht vor. Die Beklagte hat zwar im angefochtenen Bescheid vom 5. Juni 2002 formularmäßig Ermessen ausgeübt; dass dies - wie bereits erwähnt - unter fehlerhafter Zitierung von § 48 SGB X erfolgt ist, bleibt unschädlich. Der formularmäßige gebrauchte Satz, die bekannten Umstände seien nicht dazu geeignet, von der Bescheidaufhebung abzusehen, weil besondere Umstände zugunsten des Betroffenen nicht ersichtlich seien, vermag hier aber nicht auszureichen. Das grobe Verwaltungsverschulden, das sich in der fehlerhaften und über mehrere Monate nicht korrigierten Bewilligung der freiwilligen Zuschüsse niedergeschlagen hat, muss bei der Ermessensausübung individuellen Ausdruck finden; bei der Annahme einer freiwilligen Versicherung statt einer Pflichtversicherung handelt es sich offenkundig um einen groben Fehler (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht - BSG - BSGE 77, 295, 302 f. = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27; früher schon BSG SozR 1300 § 45 Nr. 19 und Nr. 26; SozR 3-1300 § 45 Nr. 2). Eine formularmäßige Ermessenausübung, die einen solchen Gesichtspunkt nicht einbezieht, ist als defizitär zu beanstanden. Darauf dass dem Kläger aufgrund Persönlichkeit und kaufmännischer Erfahrung die Rechtswidrigkeit der Verfügung möglicherweise auffallen musste, kommt es für die Frage der zutreffenden Ermessensausübung nicht an. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit im Wege der Anfechtungsklage aufzuheben (vgl. § 54 Abs. 1, Ab. 2 Satz 2 SGG). Mithin entfällt die aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X folgende Erstattungspflicht.
Ebenso wenig vermag die Beklagte mit der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von insgesamt EUR 498,91 für die in den Monaten Dezember 2001 bis April 2002 nicht einbehaltenen Pflichtbeiträge - im Bescheid vom 22. Oktober 2002 um zuviel einbehaltene Abzweigungen von insgesamt EUR 80 gekürzt - durchzudringen. Die Zahlung dieser Forderung in einem Gesamtbetrag aufzuerlegen unabhängig von der laufenden Zahlung der Rente, ist vom Gesetz nicht gedeckt. Gemäß § 255 Abs. 1 SGB V sind Pflichtbeiträge bei der Zahlung der Rente einzubehalten (vgl. zum früheren Recht der Reichsversicherungsordnung BSGE 73, 217 = SozR 3-2200 § 393a Nr. 3). Ist dies unterblieben, sind die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift); § 51 Abs. 2 des Ersten Buches (Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit) gilt entsprechend. Mit dieser Spezialregelung ist der im Bescheid vom 5. Juni 2002 verfügten Pflicht zur Erstattung rückständiger Beiträge in einem Betrag ersichtlich der Boden entzogen. Darüber, inwieweit die rückständigen Beiträge jetzt noch einbehalten werden können, ist hier nicht zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved