L 6 V 4505/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 V 1064/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 4505/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Entziehung von Versorgungsleistungen nach den Vorschriften des Unterstützungsabschlussgesetzes vom 06.05.1994
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Oktober 2002 aufgehoben und die Klage ab-gewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu er-statten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist (im Wege der Neufeststellung gem. § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X) streitig, ob der Beklagte der Klägerin die nach der Anordnung über die Erwei-terung der materiellen Unterstützung der Bürger bei Schäden infolge medizinischer Ein-griffe vom 16.12.1974 (AO-EmU) (Gesetzblatt der DDR I, Nr. 3 S. 59 ff.) gewährten Ver-sorgungsleistungen wegen einer wesentlichen Änderung entziehen konnte.

Die 1943 geborene Klägerin lebte und arbeitete bis zu ihrem Umzug in die Bundesre-publik am 28.05.1989 in der damaligen DDR. Im August 1975 ließ sie sich in der Chi-rurgischen Klinik der Universität L. einen Knoten an der rechten Halsseite entfernen, der sich im Narbenbereich nach einer Operation im Jahre 1962 gebildet hatte. Am 03.02.1977 kam es zu einer Plexusrevision. Dabei fanden sich starke narbige Verände-rungen im Operationsgebiet, Verwachsungen der proximalen Armplexusanteile mit dem umgebenden Weichteilgewebe und eine Verschmächtigung der aus dem Plexus abge-henden Nervenfasern. Die Klägerin bezog Leistungen nach der AO-EmU, unter anderem monatliche Zahlun-gen entsprechend den Rechtsvorschriften der Sozialversicherung über die Gewährung von Unfallrenten auf der Grundlage eines Körperschadens von 50 % bis 30.08.1979, und eine einmalige Zahlung in Höhe von 3.000,00 M. Die Weiterzahlung der monatli-chen Rente in Höhe von 200,00 M wurde für die Zeit vom 01.10.1979 bis 28.02.2003 in einem zwischen der Klägerin und der Staatlichen Versicherung der DDR am 10.07./03.08.1979 geschlossenen Vertrag vereinbart. Diese Leistung wurde der Kläge-rin bis einschließlich Mai 1989 gewährt.

Aufgrund einer Petition der Klägerin an den Petitionsausschuss des Sächsischen Land-tages wies das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie den Beklagten mit Schreiben vom 10.02.1992 an, der Klägerin rückwirkend ab 03.10.1990 monatlich DM 200,00 zu zahlen. Dies wurde der Klägerin mit formlosem Schreiben vom 06.04.1992 mitgeteilt. Nach Verkündung des rückwirkend zum 01.01.1991 in Kraft ge-tretenen Gesetzes über den Abschluss von Unterstützungen der Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen (Unterstützungsabschlussgesetz - UntAbschlG) vom 06.05.1994 am glei-chen Tage, nahm der Beklagte die Ermittlungen auf und holte vom behandelnden Arzt der Klägerin Dr. H., Arzt für Allgemeinmedizin in W., die Auskünfte vom 21.02.1995 und 13.02.1996 ein, denen zahlreiche Arztbriefe beigefügt waren. Diese wurden in der ver-sorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 24.04.1995 ausgewertet. Darin hieß es u.a., an Operationsfolgen bestehe eine Läsion des Nervus accessorius rechts mit Pare-se des Musculus sternocleidomastoideus und Musculus trapezius sowie eingeschränk-ter Schultergelenksbeweglichkeit rechts. Die hierdurch bedingte Minderung der Er-werbsfähigkeit (MdE) betrage 30 vom Hundert (v. H.). Ferner wurden von Dr. L., Arzt für Orthopädie/Chirotherapie in W., von Dr. M., Nerven-arzt in B., und von Dr. H. die schriftlichen Auskünfte vom Januar, 23.01. und 13.02.1996 eingeholt. Hierzu wurde in einer vä Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin Sch. vom 05.03.1996 die Auffassung vertreten, weitere Schädigungsfolgen lägen nicht vor, die MdE sei mit 30 v. H. korrekt bewertet. Mit Schreiben vom 15.01.1998 kündigte das Versorgungsamt C. den Vertrag vom 10.07.1979 mit Wirkung ab 01.03.1998. Zur Begründung hieß es, nach § 4 Abs. 1 Un-tAbschlG sei eine laufende Zahlung nur möglich, wenn die schädigungsbedingten Ge-sundheitsstörungen die Erwerbsfähigkeit mindestens um 50 v. H. minderten und nach-weislich das Einkommen durch diese Gesundheitsstörung gemindert werde. Die Aus-wertung der medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass aufgrund der operationsbe-dingten Gesundheitsstörungen keine MdE um 50 v. H. erreicht werde. Zudem sei ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht erkennbar. Die mangelnde Vermittel-barkeit auf dem Arbeitsmarkt sei überwiegend Nichtschädigungsfolgen anzulasten. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Sächsischen Lan-desamtes für Familie und Soziales/Landesversorgungsamt vom 29.07.1998). Auf die hiergegen zum Sozialgericht Heilbronn erhobene und an das Sozialgericht Mannheim (SG) verwiesene Klage (S 1 V 2347/98) verurteilte das SG den Beklagten mit Urteil vom 21.09.2000, der Klägerin über den 28.02.1998 hinaus nach der AO-EmU monatliche Zahlungen in Höhe von 200,00 DM zu erbringen. In der Begründung hieß es, das Kündigungsschreiben vom 15.01.1998 sei kein Verwaltungsakt im Sinne von § 48 SGB X. Aufgrund der Leistungsbewilligung nach der AO-EmU, die nach den Vor-schriften des Einigungsvertrages als Bundesrecht weitergelte, könne die Klägerin die Zahlungen in Höhe von 200,00 DM monatlich ab 01.03.1998 weiter beanspruchen. Der Beklagte legte kein Rechtsmittel gegen das Urteil ein (Ausführungsbescheid vom 20.10.2000).

Nach erneuter Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 27.03.2001) erließ das Versor-gungsamt C. den Neufeststellungsbescheid gem. § 48 SGB X vom 26.04.2001, mit dem der Bescheid vom 24.02.1992 mit Wirkung für die Zukunft für die Zeit ab 01.06.2001 aufgehoben wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die AO-EmU sei durch das Un-tAbschlG abgelöst worden, welches rückwirkend zum 01.01.1991 in Kraft getreten sei. Mit der Verabschiedung des UntAbschlG sei eine Änderung in den rechtlichen Verhält-nissen eingetreten. Das UntAbschlG sehe gem. § 4 Abs. 1 grundsätzlich eine laufende Leistung erst bei einer MdE um 50 v. H. vor. Dabei sei zu ermitteln, ob ein schädi-gungsbedingter Einkommensverlust entstanden sei. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Schädigungsbedingte wirtschaftliche Folgen für die Anwendung der Härtereglung im Sinne des § 6 aaO lägen nicht vor. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesversorgungsamt C. mit Widerspruchs-bescheid vom 26.04.2002 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 08.05.2002 Klage beim SG. Dieses hob durch Urteil vom 31.10.2002 die angefochtenen Bescheide auf. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das Inkrafttreten des UntAbschlG keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X. Das UntAbschlG diene allein dem Zweck, noch nicht abgeschlossene Verfah-ren nach der AO-EmU abzuschließen, solle also der rechtsstaatlichen Entscheidung über noch nicht abgeschlossene Verfahren und Neuanträge dienen. Bereits bewilligte Dauerleistungen sollten nicht angetastet und einer Überprüfung durch das UntAbschlG unterzogen werden. Nach der Rechtssprechung des BSG folge aus § 7 Abs. 4 Unt- AbschlG, dass eine Überprüfung bindender, ablehnender Bescheide der DDR nicht möglich sei. Da diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut jedoch nicht nur die Wiederauf-nahme von ablehnenden Bescheide der DDR ausschließe, folge hieraus im Umkehr-schluss, dass auch begünstigende Bescheide bestandskräftig blieben und nicht einer erneuten Überprüfung unterliegen sollten.

Der Beklagte hat gegen das Urteil am 19.11.2002 Berufung eingelegt mit der Begrün-dung, der vom SG aufgestellte Rechtsgrundsatz, dass alle übernommenen Fälle mit Dauerleistungen nicht der Regelung des UntAbschlG unterlägen, sei nicht zutreffend. Mit der Schaffung des UntAbschlG habe man diese Form der Unterstützung nach der AO-EmU für alle Fälle zum raschen Abschluss bringen wollen. Deshalb seien auch Einmalzahlungen für die Betroffenen vorgesehen worden, die einen Körperschaden un-ter 50 v. H. hätten. Es würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen und wäre auch nicht sachgerecht, wenn nur die noch nicht geregelten Fälle eine Abfindung bekommen und die Zahlfälle weiter eine monatliche Leistung erhalten würden. Die AO-EmU und die Fortführungsklausel des Einigungsvertrages seien rückwirkend zum 01.01.1991 außer Kraft gesetzt worden mit der Folge, dass für den Versorgungsanspruch vom 24.04.1992 rückwirkend die gesetzliche Leistungsgrundlage entfallen sei. Schon allein dadurch sei eine wesentliche rechtliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die den Beklagten verpflichte, in allen Fällen eine Änderung nach § 48 SGB X anzunehmen. Durch das UntAbschlG bestehe nun die rechtliche Möglichkeit, in den Fällen mit einem Körper-schaden ab 50 v. H. eine den wirtschaftlichen Verhältnissen angepasste Entscheidung zu Gunsten der Betroffenen vorzunehmen. Betrachte man diese Änderung nun isoliert, hätte damit eine weitere Leistungsverpflichtung in allen bisherigen Zahlfällen nach der AO-EmU nicht mehr bestanden. Die Folge dieser Argumentation sei, dass sämtliche begünstigende Entscheidungen nach der AO-EmU nicht nach dem UntAbschlG über-prüft und angepasst werden dürften und dass deshalb die Leistungspflicht der Versor-gungsämter mit dem Außerkrafttreten der AO-EmU enden würde. Sämtliche nach die-sem Zeitpunkt vorgenommen Zahlungen wären Leistungen, die dann ohne Rechtsgrund geleistet worden wären. Dies hätte die Konsequenz, dass eine Prüfung der ungerecht-fertigten Bereicherung bei den Betroffenen erfolgen müsste. Dies sei vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen. § 7 Abs. 4 UntAbschlG betreffe offensichtlich Ablehnungsent-scheidungen, denn Zahlfälle seien keine alten, abschließend geregelte Fälle, die nicht mehr lebten. In § 4 Abs. 8 Satz 4 UntAbschlG werde genau das Problem des jetzigen Streitfalls geregelt, nämlich dass der Gesetzgeber auch den Leistungsentzug habe ge-regelt wissen wollen. Damit komme klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber auch die Zahlungseinstellung, aus welchen Gründen auch immer, bewusst gesehen habe. Auch § 6 UntAbschlG lasse sich nicht entnehmen, dass eine Neufeststellung nur aufgrund von Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen möglich sei. Daraus, dass ein-deutig abgeschlossene abgelehnte Verwaltungsverfahren nicht wieder aufleben sollten, lasse sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass bisherige Dauerleistungen nicht ange-griffen, also auch nicht dynamisiert werden dürften.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31.10.2002 aufzuhe-ben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist hierzu auf das angefochtene Urteil. Im Streit stehe nur noch der Zeitraum von April 2001 bis Februar 2003.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einver-standen erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten des Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Seant mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozial-gerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gem. § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Zu Unrecht ist das SG davon ausge-gangen, dass das UntAbschlG im vorliegenden Fall keine rechtlich wesentlichen Ände-rungen im Sinne von § 48 SGB X ist, die die Neufeststellung durch den Beklagten in den angefochtenen Bescheiden rechtfertigt.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SBG X ist ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit in den tat-sächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine sol-che rechtlich wesentliche Änderung ist das UntAbschlG, das mit abschließender Wir-kung an die Stelle der AO-EmU 1987 getreten ist, die die AO-EmU 1974, nach der der Klägerin in der DDR (zunächst) Leistungen gewährt worden sind, abgelöst hat.

Nach Anlage II Kap X Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 6 des Einigungsvertrages (EinigVtr) galt die AO-EmU 1987 - zunächst als Bundesrecht (vgl. Artikel 9 Abs. 4 EinigVtr) - wei-ter "für Schäden, die auf medizinische Maßnahmen zurückzuführen sind, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts durchgeführt wurden". Die EmU in damaliger Form ent-sprach aber nicht rechtsstaatlichen Anforderungen. Weder waren die Bewertungskrite-rien der gesundheitlichen Schädigung noch der Leistungsumfang definiert, noch gab es eine Regelung zur Dynamisierung der Leistung. Auch fehlte eine Möglichkeit, Kommis-sionsentscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998 - B 9 V 22/97 R - BSGE 82, 271 - 276). Deshalb schuf der Gesetzgeber mit dem Unt-AbschlG eine neue Grundlage. Danach erhalten Berechtigte, denen schon vor dem 03.10.1990 EmU gewährt worden war, diese Leistungen weiter. Der Leistungsumfang versucht, die Balance zu halten zwischen Fortführung der Unterstützung an geschädig-te ehemalige DDR-Bürger als Vertrauensschutz nach dem EinigVtr und möglicher Un-gleichbehandlung gegenüber vergleichbaren Personengruppen der alten Bundesländer. (BSG aaO). Diesen Ausführungen des BSG schließt sich der Senat im Hinblick auf die vom BSG zitierten Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 12/4874) an.

Im Hinblick darauf, dass nach § 10 Abs. 2 UntAbschlG mit Inkrafttreten des Unt-AbschlG zum 01.01.1991 auch die EmU-AO außer Kraft trat, bedeutet dies nach Auf-fassung des Senats, dass auch bisher nach der EmU-AO bereits gewährte Leistungen an die Regelung des UntAbschlG - im Sinne einer rechtlich wesentlichen Änderung - anzupassen sind. Bereits in § 3 Abs. 5 des das UntAbschlG initiierenden Bundesrats-Entwurfs eines Gesetzes über die Fortführung von Unterstützungen der Bürger der e-hemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei Gesundheitsschäden infolge medi-zinischer Maßnahmen (UntFortG, BT-Drucks. 12/4874, Anl. 1, S.5) war vorgesehen, dass nach der EmU-AO bereits bewilligte Leistungen für den Zeitraum ab 03.10.1990 auf die Leistungen nach Abs. 3 mit der Maßgabe der Abs. 2 und 3 umgestellt werden sollten. Hätte dabei die nach dem UntAbschlG neu festgestellte Unterstützung unter den bisher erbrachten Leistungen gelegen, hätten diese weiter gewährt werden sollen. Dabei war nach den Abs. 1 und 2 aaO grundsätzlich eine Unterstützung entsprechend der MdE des bestehenden Körperschadens mit der Ruhensmöglichkeit für den Fall, dass das Einkommen die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversiche-rung übersteigt, vorgesehen. In der Begründung zu Abs. 5 hieß es, hierdurch werde geregelt, dass nach der EmU anerkannte Leistungen rückwirkend auf den Katalog des Bundesversorgungsgesetzes umstellen seien. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Bundesrats vorge-schlagen, laufende Leistungen in einem neu einzufügenden § 3 a zu regeln, einmalige Leistungen in einem neu einzufügenden § 3 b und Härtefälle in einem neu einzufügen-den § 3 c. Zur Anpassung hieß es in § 3 a Abs. 8: "Sind die bisher gewährten Leistun-gen höher als die nach diesem Gesetz, so werden die bisherigen Leistungen weiterge-währt, bis sie durch Anpassung erreicht sind. Soweit Leistungen nach diesem Gesetz mit dem Folgemonat der Bekanntgabe nicht mehr zustehen, sind bereits gewährte Leis-tungen nicht zu erstatten". Zur Begründung heißt es hierzu nur, diese Vorschrift betreffe im Falle von Pflegezulagen für Angehörige auch diese mit der Folge, dass sie alte Zah-lungen einbehalten könnten, diese Zahlungen aber auf die Pflegezulage im Sinne von § 3 a Abs. 5 (neu) anzurechnen seien. Aus dieser Formulierung folgt, dass die vom SG insoweit vertretene Rechtsauffassung, diese Vorschrift gelte - nur - für die Fälle von Pflegezulagen für Angehörige, unzutreffend ist. Sie gilt vielmehr für alle Fälle der Unter-stützung im Sinne des § 3 aaO. Aus der Formulierung des Abs. 8, die so in das Unt-AbschlG übernommen worden ist (§ 4 Abs. 8), folgt unter Berücksichtigung der von der Bundesregierung abgegebenen Begründung, dass nach der AO-EmU gewährte Leis-tungen nach dem UntAbschlG anzupassen sind, wobei nicht nur eine Besitzstandsrege-lung im Falle der Gewährung von Leistungen vorgesehen ist, sondern der Gesetzgeber offensichtlich auch davon ausgeht, dass es bei der Anpassung an die Vorschriften des UntAbschlG dazu kommen kann, dass keine Leistung mehr zu gewähren ist. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Formulierung des § 3 a Abs. 8 ist in der Be-schlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (15. Ausschuss) wortgleich über-nommen worden. Dies gilt auch für die Begründung, wonach diese Vorschrift im Falle von Pflegezulagen für Angehörige auch diese betreffe mit der Folge, dass sie alte Zah-lungen einbehalten könnten, diese Zahlungen aber auf die Pflegezulage nach § 3 a Abs. 5 anzurechnen seien. Bestätigt wird die Auffassung des Senats im Übrigen durch die von Bundesregierung und Bundestag vorgeschlagene Härteregelung in § 3 c (nun-mehr § 6 UntAbschlG), worin es in Satz 2 heißt, eine (besondere) Härte könne insbe-sondere vorliegen, wenn eine bisherige Dauerleistung durch die Anwendung dieses Gesetzes wegfalle. Übereinstimmend wurde dies mit der Möglichkeit begründet, diese Fälle einer sozialverträglichen Lösung zuführen zu können.

Aus dem Dargelegten folgt nach Auffassung des Senats, dass die der Klägerin nach der AO-EmU (weiter-)gewährte Leistung vom Beklagten an die Leistungen nach dem Unt-AbschlG anzugleichen war, ohne dass es dabei grundsätzlich auf die Höhe der bisher gewährten Leistung ankam.

Damit erweisen sich die angefochtenen Bescheide des Beklagten als zutreffend. Dieser hat seine Entscheidung auf eine rechtlich wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X aufgrund des Erlasses des UntAbschlG gestützt mit der Begründung, eine MdE in Höhe von 50 v. H. als Anspruchsvoraussetzung für eine laufende Leistung (§ 4 Abs. 1 UntAbschlG) liege nicht vor. Dies ist nach Auffassung des Senats zutreffend. Er stützt sich hierzu auf die vä Stellungnahmen vom 24.04.1995 und 05.03.1996, die auf den vom Beklagten eingeholten Auskünften behandelnder Ärzte beruhen. Insbesondere überzeugen die Ausführungen in der vä Stellungnahme vom 05.03.1996, wonach ein großer Teil der von der Klägerin geklagten Beschwerden nicht durch die Lähmung des Nervus accessorius verursacht wird, sondern durch das schädigungsunabhängige Halswirbelsäulen-Syndrom. Nach der von der Klägerin vorgelegten arbeitsamtsärztli-chen Beurteilung aus dem Jahre 1996 besteht im Bereich der rechten Schulter eine Muskelverschmächtigung, der ausgestreckte Arm kann nicht über die Horizontale ge-hoben werden, es besteht eine deutliche Kraftminderung; eine Störung der Ellenbogen- und Handgelenksbeweglichkeit sowie der Fingerbeweglichkeit liegt nicht vor. Nach den vom Senat im Interesse einer Gleichbehandlung aller Beschädigten und Behinderten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädi-gungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", Ausgabe 1996 (AP) bedingt eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes (einschließlich Schultergürtel), bei der der Arm nur um 90° erhoben werden kann, mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit eine MdE um 20 v. H. Daraus folgt nach Auffassung des Se-nats - die Bewertung der MdE ist eine Rechtsfrage - dass eine MdE um 50 v. H. hier keineswegs in Betracht kommt, wie dies auch in der vä Stellungnahme vom 05.03.1996 so gesehen wird. Das dort genannte Beispiel, dass erst die Gebrauchsunfähigkeit einer Hand (Verlust aller 5 Finger), ein Zustand der bei der Klägerin nicht vorliegt, eine MdE um 50 v. H. bedingt (vgl. AP, S. 146), zeigt, dass erst bei einer erheblich höheren Be-einträchtigung ein GdB von 50 in Betracht kommt.

Außerdem lässt sich bei der Klägerin auch kein schädigungsbedingter Einkommensver-lust feststellen. Sie ging seit März 1981 keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach. Sie war zuletzt als Kassiererin im Zoologischen Garten L. tätig. Laut einer vom Beklagten ein-geholten Auskunft des Zoologischen Gartens L. vom 09.09.1996 beendete die Klägerin das Arbeitsverhältnis aus persönlichen Gründen. Sie habe laut Aussage einer ehemali-gen Mitarbeiterin gesundheitliche Probleme mit dem Rücken und dem Nackenbereich gehabt. Hierzu heißt es in der vä Stellungnahme vom 05.03.1996 überzeugend, die deutlichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule könnten nicht mit der Lähmung des N. accessorius in Zusammenhang gebracht werden, sodass ein großer Teil der geklagten Beschwerden nicht schädigungsbedingt sei. Daraus folgt zur Über-zeugung des Senats, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit 1981 (sie hatte zudem zwei 1973 und 1975 geborene Kinder) schädigungsbe-dingt aufgegeben hat. Im Bundesgebiet war sie nachweislich erst seit 25.04.1996, also schon 53 Jahre alt, als arbeitslos gemeldet. Wie das Arbeitsamt T. dem Beklagten mit Schreiben vom 01.07.1996 mitgeteilt hat, war sie wegen gesundheitlicher Einschrän-kungen und fehlender beruflicher Qualifikation nur schwer vermittelbar. Nach der von ihr vorgelegten arbeitsamtsärztlichen Beurteilung kann sie auf dem allgemeinen Arbeits-markt vollschichtig leichte körperliche Arbeiten ausführen in Werkhallen oder temperier-ten Räumen, nicht ständig sitzend oder stehend. Auszuschließen sind Arbeiten wie Ü-berkopfarbeiten, Arbeiten in Armvorhalte und einseitige Belastung des rechten Armes durch länger anhaltende Kraftanwendung. Belastungen durch Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen sowie Arbeiten unter Zeitdruck und Schichtarbeiten seien ebenfalls nicht zumutbar. Hierzu heißt es in der vä Stellungnahme vom 13.01.1997, dass die Klägerin schwer vermittelbar sei, liege zum überwiegenden Teil an noch ge-klagten Nichtschädigungsfolgen und fehlender beruflicher Qualifikation. Sicher spiele auch die Tatsache eine Rolle, dass sie seit 1980 aus dem Berufsprozess ausgeschlos-sen sei, was allerdings nicht schädigungsbedingt gewesen sei. Diese Beurteilung ist für den Senat - auch unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin - nachvollzieh-bar und überzeugend. Die Klägerin hat deshalb keinen Anspruch gem. § 4 Abs. 1 Un-tAbschlG auf Gewährung einer laufenden Zahlung.

Zutreffend hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid auch eine besondere Härte im Sinne von § 6 UntAbschlG verneint. Danach kann mit Zustimmung der obersten Lan-desbehörde ein Ausgleich gewährt werden, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes eine besondere Härte ergibt. Eine solche Härte kann insbesondere vorliegen, wenn - wie hier - eine bisherige Dauerleistung durch die Anwendung dieses Gesetzes wegfällt. Liegt aber überhaupt kein schädigungsbedingter Einkommensverlust vor, der bis jetzt durch die gewährte Unterstützungsleistung ausgeglichen worden ist, stellt der Wegfall dieser Leistung auch keine besondere Härte dar.

Nicht zu entscheiden hatte der Senat im vorliegenden Fall, ob die Klägerin Anspruch auf eine Einmalzahlung gem. § 5 UntAbschlG hat. Streitgegenstand ist im vorliegenden Fall - mangels anderweitiger Entscheidung des Beklagten - nur, ob der Klägerin nach dem UntAbschlG laufende Leistungen zu gewähren sind. Eine der Klägerin in der DDR entsprechend gewährte Leistung dürfte einem solchen Anspruch nicht entgegenstehen, da § 5 Abs. 3 Unt-AbschlG insoweit lediglich eine Anrechnung vorsieht.

Nach alledem war auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revisionszulassung beruht auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 sowie Nr. 2 SGG. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Senat mit seiner Rechtsauffassung, das UntAbschlG erlaube gem. § 48 SGB X eine totale Anspruchsüberprüfung nach dem UntAbschlG, von dem zitierten Urteil des BSG vom 27.08.1998 abweicht. Dort heißt es nämlich in den Entscheidungsgründen, der Gesetzgeber habe mit dem UntAbschlG eine neue Grundlage geschaffen. Danach erhielten Berechtigte, denen schon vor dem 03.10.1990 EmU gewährt worden sei, diese Leistung weiter. Dies deutet darauf hin, dass das BSG in Fällen wie dem der Klägerin davon ausgeht, dass auch nach Inkrafttreten des UntAbschlG bisher nach der EmU-AO gewährte Leistungen (ohne Anpassung) weiter zu gewähren sind.
Rechtskraft
Aus
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