L 4 KA 29/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 775/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 29/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach § 44 Abs. 1 SGB X besteht kein Anspruch auf Aufhebung und Neufeststellung der Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung, da diese keine Sozialleistungen im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X darstellen. Die Überprüfung erfolgt allein auf der Grundlage von § 44 Abs. 2 SGB X.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 31. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Neufeststellung der Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten für die 18 Quartale I/11 bis II/12 und III/12 bis II/15 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X).

Der Kläger war zur vertragsärztlichen Versorgung in Hessen zugelassen. Als solcher unterlag er den Grundsätzen der EHV der Beklagten. Er nimmt seit 1. Dezember 2010 an der EHV teil, war aber noch bis 30. Juni 2012 aktiv als Vertragsarzt tätig. Die Beklagte hat einen Anspruch an der EHV mit dem Höchstsatz von 18,0 % anerkannt.

Die Beklagte setzte jeweils mit Bescheid den EHV-Anspruch des Klägers für die Quartale I/11 bis II/12 wie folgt fest:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann.

Quartal Bescheid vom BI. (VAe) Durchschnitts- honorar in EUR Brutto- honorar in EUR Quote in % Nettohonorar in EUR
I/11 7. März 2012 10 47.374,21 8.527,36 77,3964 6.599,87
II/11 22. Juni 2012 7. Mai 2012 13 12 46.254,46 46.254,46 8.407,49 8.325,80 77,0578 77,0578 6.425,23 6.415,68
III/11 27. August 2012 14 46.708,30 8.407,49 76,4227 6.425,23
IV/11 31. Oktober 2012 15 47.916,25 8.624,93 80,0000 6.899,94
I/12 21. Januar 2013 16 48.037,21 8.646,70 80,0000 6.917,36
II/12 10. April 2013 17 46.865,12 8.435,72 80,0000 6.748,58

Die Beklagte wandelte mit Bescheid vom 29. Juni 2012 aufgrund der Neuregelung der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung den Anspruchssatz von 18 % mit dem Umrechnungsfaktor 666,666 in einen EHV-Anspruch in Höhe von 12.000 Punkten zum 1. Juli 2012 um. Ferner setzte sie die monatliche EHV-Zahlung bei einem Auszahlungspunktwert von 0,1867 EUR für ein Jahr ab 1. Juli 2012 auf 2.240,40 EUR brutto fest. Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 27. Juni 2013 den Auszahlungspunktwert auf 0,1917 EUR und setzte die monatliche EHV-Zahlung ab 1. Juli 2013 für ein Jahr auf 2.300,40 EUR brutto fest. Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 26. Juni 2014 den Auszahlungspunktwert auf 0,1966 EUR und setzte die monatliche EHV-Zahlung ab 1. Juli 2014 für ein Jahr auf 2.359,20 EUR brutto fest.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 29. Juni 2015 die monatliche EHV-Zahlung ab 1. Juli 2015 für ein Jahr auf 2.752,80 EUR brutto fest. Bezüglich dieses Bescheides und der Bescheide für die Folgejahre sind gesonderte Widerspruchsverfahren anhängig.

Der Kläger beantragte am 30. Dezember 2015 die Neufeststellung seiner Leistungen aus der EHV ab dem Jahr 2011.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29. Juli 2016 den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Bescheide bzgl. der Quartale I/11 bis II/15 seien bestandskräftig geworden. Bei der EHV handele es sich nicht um eine Sozialleistung, die Bezüge seien Honoraren gleichzusetzen, so dass nur § 44 Abs. 2 SGB X in Betracht komme. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide jedoch immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Hierbei müsse festgestellt werden, dass sie, stimme sie einer Rückabwicklung im Falle des Klägers zu, nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gehalten wäre, auch alle anderen bestandskräftig gewordenen Widerspruchsbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen führen, dass damit ein dramatischer Punktewertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wäre. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei sie lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden, die auch ausreichend seien, um in diesen Verfahren Nachvergütungen vorzunehmen. Die Rückabwicklung bestandskräftiger Verfahren ginge hingegen zu Lasten der Honorarverteilung und würde somit zu dem bereits dargestellten Punktwertverfall führen. Dieses Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert worden. Das Bundessozialgericht habe bereits mit Urteil vom 18. März 1998 - B 6 KA 69/97 R - entschieden, dass kein Anspruch auf Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide bestehe. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 22. Juni 2005 - B 6 KA 21/04 R - seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt. Danach sei es auch nicht von Belang, ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe.

Hiergegen hat der Kläger am 11. August 2016 Widerspruch erhoben. Er trägt vor, bei der EHV handele es sich nicht um kassenärztliches Honorar, sondern eine Leistung mit dem ausschließlichen Zweck einer Versorgung im Alter und bei Invalidität. Diese Zweckbindung folge auch daraus, dass die Vertragsärzte an das Versorgungswerk nur einen halben Beitrag zahlten im Hinblick auf die Leistungen der EHV. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betreffe die Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide. Hier gehe es nicht um das Honorar als Gegenleistung für die quartalweise erbrachten vertragsärztlichen Leistungen, sondern um Leistungen der Versorgung, die zudem nach Art. 14 GG als Eigentum geschützt seien. Seitens der Beklagten sei von Anfang an bekannt gewesen, dass der von der Vertreterversammlung verabschiedete Nachhaltigkeitsfaktor Wirksamkeit ab dem Jahr 2006 einer juristischen Überprüfung unterzogen werden müsse. Die Vertreterversammlung habe sich insoweit nicht auf gesetzliche Regelungen berufen, oder z. B. auf Vorarbeiten seitens des Bewertungsausschusses oder der Vertragspartner des Bundesmantelvertrages. Es sei Aufgabe der Beklagten, im Hinblick auf diese Verfahren Rückstellungen zu bilden, aus denen dann auch an die Mitglieder Nachzahlungen geleistet werden könnten, die nach § 44 SGB X eine Neufeststellung beantragten. § 44 SGB X begrenze die Nachzahlungspflicht auf einen 4-Jahres-Zeitraum. Mit dem Hinweis auf eine Gleichbehandlung könne diese Nachzahlung nicht verweigert werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2016 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, das Hessische Landessozialgericht habe mit rechtskräftigen Urteilen vom 14. Dezember 2005 sowie 15. März 2006 festgestellt, dass die "weitere Teilnahme" der inaktiven Vertragsärzte an der hessischen EHV einer Sozialleistung ähnele, in ihrem Rechtscharakter jedoch Honorarverteilung bleibe. Danach gehöre sie nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) und Honoraransprüche der Vertragsärzte dienten nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I. Es bleibe damit bei der Rechtsgrundlage nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Eine Rückabwicklung der bestandskräftigen und auch rechtswidrigen Bescheide stehe in ihrem Ermessen. § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X eröffne der Beklagten zwar eine Befugnis Gesamt Vergütungsbestandteile solchen Leistungserbringern zugute zu bringen, die in der Vergangenheit auf der Grundlage bestandskräftiger Bescheide eine zu niedrige Vergütung erhalten hätten. Insoweit sei jedoch zu beachten, dass jeder Vorwegabzug von Gesamtvergütungsanteilen in mehr oder weniger großem Ausmaß den Auszahlungswert und damit auch den EHV-Bezug vermindere, der der Honorierung der im laufenden Quartal erbrachten vertragsärztlichen Leistungen zugrunde liege. Sowohl die Vertragsärzte, als auch die die Gesamtvergütung entrichtenden Krankenkassen hätten einen Rechtsanspruch darauf, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung möglichst ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Die Rechtswidrigkeit der Bescheide resultiere nicht aus Fehlern in der Rechtsanwendung, sondern darauf, dass sich die den Bescheiden zu Grunde liegenden Bestimmungen der Grundsätze der EHV als fehlerhaft erwiesen hätten. Alle Bescheide über das EHV-Honorar seien daher seit dem Quartal III/06 rechtswidrig, soweit die EHV-Honorare unter Berücksichtigung des sog. Nachhaltigkeitsfaktors ausgezahlt worden seien. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass auch zahlreiche EHV-Empfänger entsprechende Anträge stellen würden. Die Rückabwicklung aller bestandskräftigen Bescheide über das EHV-Honorar führe neben einem immensen Verwaltungsaufwand auch zu finanziellen Belastungen, die mit einem dramatischen Honorarverlust in aktuellen Quartalen verbunden wären. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei die Beklagte lediglich verpflichtet gewesen, für anhängige Verfahren Rückstellung zu bilden.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Dezember 2016 die Klage erhoben. Er trägt vor, er habe zunächst keine Widersprüche eingelegt. Erst im Jahre 2015 habe er durch ein Rundschreiben erfahren, dass es rückwirkend zu Neuregelungen gekommen sei. Er habe dann die Neufeststellung beantragt. Im Übrigen sei er weiterhin der Auffassung, es handele sich bei der EHV um eine Sozialleistung, sodass § 44 Abs. 1 SGB X anzuwenden sei. Bei der EHV handele es sich um eine Versorgungsleistung, wie das Bundessozialgericht wiederholt herausgearbeitet habe. Anders als bei einem Honorar handele es sich um eine Sozialleistung. Eine Befreiung von der Umlagepflicht gebe es nicht. § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung habe die Beklagte insoweit zu einem "Sozialleistungsträger" gemacht. Selbst wenn man mit der Beklagten von der Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB X ausgehe, bedürfe es hier einer differenzierten Ermessensentscheidung. Der Beklagten sei bereits im Jahr 2006 bekannt gewesen, dass der sog. Nachhaltigkeitsfaktor umstritten sei, weshalb sie Rückstellungen hätte bilden müssen. Die Rückwirkung sei auch nach § 44 Abs. 4 SGB X begrenzt. Der Verwaltungsaufwand sei gering.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei im Hinblick auf den Zeitraum ab dem Quartal III/15 unzulässig. Im Übrigen sei sie unbegründet. Sie ist weiterhin der Auffassung, bei den EHV-Leistungen handele es sich nicht um Sozialleistungen, was das Hessische Landessozialgericht wiederholt festgestellt habe. Das Bundessozialgericht habe nicht festgestellt, dass die EHV-Zahlungen als Sozialleistungen i. S. d. § 11 SGB I anzusehen seien. Das Bundessozialgericht gehe von einer besonderen Form der Honorarverteilung aus. Sie habe ausreichend Ermessen ausgeübt. Die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen bestehe nicht schon deshalb, weil sich im Rahmen der Anfechtung eines Honorarbescheids herausstellen könnte, eine Vorschrift des Honorarverteilungsmaßstabs sei unwirksam. Bei der Vielzahl der Anfechtungen müsste sie einen erheblichen Teil der Gesamtvergütung zurückhalten. Sie könne ihre Verpflichtungen gegenüber den inaktiven Ärzten nur aus den Vorwegabzügen von der ihr für jedes Quartal zufließenden Gesamtvergütung erfüllen, weil die EHV als reines Umlageverfahren ohne Kapitaldeckungselemente organisiert sei. Unanfechtbare Verwaltungsakte hätten auch dann Bestand, wenn sie auf unwirksamen Rechtsgrundlagen beruhten.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 31. Mai 2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung der Bescheide über das EHV-Honorar für die Quartale I/11 bis II/15 und auf Neufestsetzung seines EHV-Anspruchs. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide komme ausschließlich Absatz 2, nicht Absatz 1 des § 44 SGB X in Betracht. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X setze voraus, dass es sich um Sozialleistungen handele. Ebenso wie vertragsärztliches Honorar keine Sozialleistung sei, handele es sich auch bei Ansprüchen aus der EHV nicht um eine Sozialleistung. Nach der Rechtsprechung des Hessischen LSG gehöre eine Kassenärztliche Vereinigung nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 SGB I und dienten die Honoraransprüche der Kassen- bzw. Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I. Vielmehr handele es sich insoweit um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen. Dies gelte auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der EHV, bei denen es sich ebenfalls um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I handele. Das auf mitgliedschaftlicher Beziehung beruhende Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner Kassenärztlichen Vereinigung unterscheide sich wesentlich von dem Rechtsverhältnis eines möglichen Leistungsempfängers gegenüber einem Sozialleistungsträger i.S.d § 12 SGB I. Dies gelte im Grundsatz auch für das Verhältnis zwischen der geschiedenen Ehefrau eines Vertragsarztes, deren Anspruch auf Teilnahme an der EHV auf einem durchgeführten Versorgungsausgleich beruhe. Die Leistungen aus der EHV würden damit nicht zu einer Sozialleistung im Sinne von § 11 SGB I und die Kassenärztliche Vereinigung nicht zu einem Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I. Von daher scheide auch Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren aus, da es sich bei der EHV um keine Leistungen mit ähnlicher oder vergleichbarer (Schutz-)Funktion wie bei echten Sozialleistungen i. S. des § 11 SGB I handelt. Die weitere Teilnahme der inaktiven Vertragsärzte an der EHV ähnele zwar einer Sozialleistung zur Alterssicherung, in ihrem Rechtscharakter bleibt sie jedoch Honorarverteilung. Anders als bei üblichen Versicherungen, bei denen personenbezogen eine Anwartschaft durch eine Kapitaldeckung abgesichert werde und anders als bei der durch Beiträge - und öffentliche Leistungen - finanzierten Sozialversicherung sei die EHV umlagefinanziert. Sie sei in der Höhe variabel, weil sie abhängig sei von der Höhe der jeweiligen Gesamtvergütung und damit dem Umfang des von allen hessischen Vertragsärzten erwirtschafteten Gesamthonorars. Die Höhe des jeweiligen individuellen EHV-Betrages richte sich nicht nach der Höhe geleisteter Beiträge, sondern sei zum einen abhängig von dem Verhältnis des zu aktiven Zeiten erwirtschafteten Honorars zu dem Durchschnittshonorar und zum anderen von der Höhe des jeweiligen Durchschnittshonorars der aktiven Vertragsärzte. Somit sei sowohl die Quotierung der Punktwerte der aktiven Ärzte zur Finanzierung der EHV als auch die Berechnung der individuellen Höhe der ausgeschütteten EHV-Beträge untrennbar mit der allgemeinen Honorarverteilung verbunden. Entsprechend habe die Kammer zuletzt entschieden, dass es sich bei der EHV nicht um eine Sozialleistung handele, wenn auch die Ausgestaltung und die Funktion der Ansprüche eine sozialleistungsähnliche Funktion habe. Unter Berücksichtigung der Unterschiede könnten daher Verwaltungskosten weiterhin abgezogen werden.

§ 8 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen (KVHG) in der Fassung des hessischen Landesgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen vom 14. Dezember 2009, GVBI. 2009, Teil I, 662, in Kraft getreten am 23. Dezember 2009, habe hieran nichts geändert. Das Gesetz gehe zurück auf einen Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vom 9. Juni 2009 (LTag-Drs. 18/767), in dem diese auf die Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V bis zum 30. Juni 2009 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15. Dezember 2008, BGBI. I, S. 2426 hinweise. Hierdurch würden Leistungen, die bisher von zugelassenen Vertragsärzten im System der gesetzlichen Krankenversicherung für die Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten erbracht worden und über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen als Gesamtvergütung abgerechnet worden seien, aus diesem Abrechnungskreislauf ausgegliedert werden. Dies führe zu dem Problem, dass aus der Gesamtvergütung herausgebrochene Teile auch nicht ohne weiteres in die Berechnung der Umlage für die EHV zur Deckung der bereits erworbenen Ansprüche und Anwartschaften der Altersversorgung einbezogen werden könnten. Im Ergebnis werde die Bemessungsgrundlage für die EHV deutlich verringert. Deshalb sei eine Änderung des § 8 KVHG dringend erforderlich. Die Endfassung gehe zunächst weitgehend auf den nicht weiter begründeten Änderungsantrag der SPD-Fraktion vom 16. September 2009 (LTag-Drs. 18/1104) zurück. Der Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit habe dann dem Plenum mit den Stimmen der Fraktion der SPD bei Enthaltung der übrigen Fraktionen empfohlen, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags in zweiter Lesung anzunehmen (LTag-Drs. 18/1610 vom 27. November 2009). In einem weiteren, ebenfalls nicht begründeten Änderungsantrag vom 8. Dezember 2009 (LTag-Drs. 18/1682) habe die SPD-Fraktion dann die verabschiedete Fassung vorgeschlagen (zur parlamentarischen Beratung s. PIPr. 18/14 vom 17. Juni 2009, S. 874-879; 18/29 vom 9. Dezember 2009, S. 2085-2087). Der Landesgesetzgeber habe damit auf das sinkende Niveau der Bemessungsgrundlage und damit letztlich der Bezugsgröße für die EHV-Ansprüche verwiesen. Seine Reform habe auf die geänderten Verhältnisse reagiert, um den Bezug auf die Honorarentwicklung zu erhalten. Eine grundlegende Änderung des EHV-Systems oder die Einbeziehung der EHV in das Sozialleistungssystem des SGB sei damit nicht beabsichtigt gewesen. Die EHV sei damit nicht zur Sozialleistung und die Beklagte nicht zum Sozialleistungsträger geworden.

Nach § 44 Abs. 2 SGB X sei im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er könne auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rechtswidrigkeit der EHV-Bescheide sei zwischen den Beteiligten nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts zum sog. Nachhaltigkeitsfaktor nicht umstritten. Die Beklagte habe in nicht zu beanstandender Weise ihr Ermessen ausgeübt. Sie habe auf vergleichbare Fälle und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen hingewiesen. Wenn sie dies auch in allgemeiner Weise getan hat, so stehe dies noch im Einklang mit der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das diesbezüglich keine allzu hohen Anforderungen aufgestellt habe. Dabei sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine mögliche Nachvergütung weiterer Antragsteller einbeziehe, da aufgrund des Verteilungsmechanismus immer Auswirkungen auf die Honorarverteilung insgesamt bestünden. Soweit diese nicht nachgeholt werden könne, sei die Nachvergütung aus eventuellen Rücklagen zu bilden oder aus der aktuellen Gesamtvergütung, so dass immer andere Arztgruppen oder Vertragsärzte tangiert würden. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei auch nicht nach dem Grund für die Rechtswidrigkeit zu unterscheiden. Von daher könne es nicht darauf ankommen, ob nur eine Praxis, mehrere oder viele Praxen bzw. EHV-Bezieher von einem Abrechnungsfehler betroffen würden und in welchem Umfang eine Nachvergütung u. U. fällig werde. Dies wäre auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung problematisch, da der einzelne Vertragsarzt nicht auf den Umfang der Abrechnungsfehler oder einer eventuellen Nachvergütung Einfluss nehmen könne. Es sei jedenfalls nicht erkennbar, dass die Beklagte den Kläger von einer Widerspruchseinlegung abgehalten hätte. Vielmehr sei seit Jahren bekannt, dass die Rechtmäßigkeit der EHV umstritten sei und regelmäßig in Musterverfahren bis zum Bundessozialgericht überprüft werde. Von daher müsse es sich der Kläger selbst zurechnen lassen, seinerzeit keinen Rechtsbehelf eingelegt zu haben

Das Urteil ist dem Kläger am 6. Juni 2017 zugestellt worden.

Die hiergegen gerichtete Berufung zum Hessischen Landessozialgericht ist am 21. Juni 2017 bei dem Sozialgericht Marburg eingegangen.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe auf der Basis der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Februar 2004 – B 6 KA 8/13 R – für den Zeitraum I/11 bis II/15 in vergleichbaren Fällen die Versorgungsbezüge neu berechnet, soweit die Betroffenen Widerspruch eingelegt hätten. Der Kläger nehme als Empfänger der EHV nicht mehr an den üblichen Informationen teil, die die Beklagte ihren Mitgliedern zukommen lasse. Die EHV-Rentner bekämen ausschließlich das Rundschreiben "EHV aktuell". Diese Mitteilungen hätten niemals ein Hinweis auf die rechtliche Problematik der Quotierung der EHV-Rente enthalten oder auf hierzu anhängige Verfahren. Der Kläger habe keine Kenntnis über Musterstreitverfahren gehabt; deshalb habe er erst am 30. Dezember 2015 die Neufeststellung beantragen können.

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X anwendbar sei. Es handele sich bei den Leistungen der EHV um Sozialleistungen. Die Leistungen der EHV stellten materiell-rechtlich "Versorgung" dar und zwar für den Fall des Alters. Ursächlich für diese Art der Versorgung sei § 8 KVHG, der letztlich darauf beruhe, dass eine angedachte bundesrechtliche Regelung in der Reichsversicherungsordnung nicht zu Stande kam und stattdessen auf Landesebene berufsständische Versorgungswerke errichtet worden seien. Der Versorgungsgedanke komme in einer Stellungnahme des damaligen Vorsitzenden der KVH aus dem Jahr 1955 und der damaligen Zielsetzung zum Ausdruck, auch der besonderen Situation von Kriegsheimkehrern bei der Versorgung Rechnung zu tragen.

Für die Auslegung des Begriffes der Sozialleistung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei der Sinn und Zweck der Leistung maßgeblich; die Vorschrift beschränke die Sozialleistung nicht auf solche des Sozialgesetzbuches. Insoweit werde auf die Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 2012 – L 4 KA 43/11 – verwiesen. Dort werde auf die zwei Säulen der Versorgung als Mitglieder des Versorgungswerks und der weitere Teilnahme an der Honorarverteilung ab Eintritt in den Ruhestand nach Maßgabe des durch Dauer und Höhe der Beiträge erworbenen Anspruchssatzes verwiesen. Zudem unterlägen nach der Rechtsprechung des Senats Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in gleicher Weise dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG wie auch Anwartschaften auf Leistungen der EHV. Auch das Bundessozialgericht habe festgehalten, dass Leistungen der EHV strukturell und im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit Ansprüchen aus betrieblichen Versorgungsanwartschaften und aus dem beitragsfinanzierten Sozialversicherungssystem vergleichbar seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 10/13 R – Rn. 34). Der Versorgungszweck der EHV-Leistungen können nicht bestritten werden und sei bei der Auslegung allgemeiner Normen mit zu berücksichtigen. Die Leistungen der EHV unterlägen einem Pfändungsschutz, der dem der Altersversorgung aus Riester-Renten entspreche. Dies folge aus § 3 Abs. 4 der EHV-Grundsätze. Die EHV sei umlagefinanziert. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung errechneten sich die Beiträge nach Maßgabe des durch eigene Arbeit erzielten Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens. Im Leistungsfall komme es nun zu einer Umgestaltung, nämlich zu einem Anspruch auf Sozialleistung, der mit den jeweiligen Beitragszahlungen korrespondiere. Dass die Erwartungssicherheit bei dem System der EHV nicht konstant sei, sondern als veränderliche Größe angesehen werde, sei für alle Systeme der Altersversorgung typisch, auch für die gesetzliche Rentenversicherung. Zur Auslegung des Tatbestandes der Sozialleistung sei auch EU-Recht heranzuziehen. Die VO (EG) 883/2004 beziehe auch Sondersysteme für Selbstständige einschließlich der berufsständischen Versorgungswerke mit ein.

Die Beklagte sei auch Leistungsträgerin gemäß § 12 SGB I. Die Frage des Privilegs der Kostenfreiheit nach § 183 SGG präjudiziere nicht die Auslegung des §§ 44 Abs. 1 SGB X.

Die Beklagte habe bei ihrer Ermessensausübung nach § 44 Abs. 2 SGB X nicht berücksichtigt, dass sie in den Jahren 2011 bis 2015 nicht irgendeinen Rechtsverstoß begangen habe, sondern durch die Anwendung eines Nachhaltigkeitsfaktors massiv das Eigentumsgrundrechts des Klägers verletzt habe. Bei der Ermessensausübung sei auch die Intensität der Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Die Ausführungen der Beklagten, es seien 1200 Widerspruchsverfahren offen, sei falsch. Die Zahl der Antragsteller, die im Jahr 2015 ein Antrag nach § 44 SGB X gestellt hätten, sei verschwindend gering. Dies habe keinerlei finanzielle Auswirkungen auf die Haushaltssituation.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 31. Mai 2015 und
den Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
den Bescheid vom 7. März 2012 (I/2011),
den Bescheid vom 7. Mai 2012 (II/2011),
den Bescheid vom 22. Juni 2012 (II/2011),
den Bescheid vom 27. August 2012 (III/2011),
den Bescheid vom 31. Oktober 2012 (IV/2011),
den Bescheid vom 21. Januar 2013 (I/2012),
den Bescheid vom 10. April 2013 (II/2012),
den Bescheid vom 29. Juni 2012 (EHV 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013),
den Bescheid vom 27. Juni 2013 (EHV 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014),
und den Bescheid vom 26. Juni 2014 (EHV 1. Juli 2014 bis 30. Juni 2015)
aufzuheben und ihn über seinen EHV-Anspruch unter Anwendung der geänderten Satzungsbestimmungen neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Rechtsauffassung, Ansprüche aus der EHV seien keine Sozialleistungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der erkennende Senat habe in seinem Urteil vom 14. Dezember 2005 – L 4 KA 41/05 – ausgeführt, dass die Beklagte nicht zu den Leistungsträger nach § 12 SGB I gehörten und die Honoraransprüche der Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I dienten. Vielmehr handele es sich um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen. Auch bei den Ansprüchen ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung handele sich ebenfalls um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen. Das auf mitgliedschaftlicher Beziehung beruhende Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner Kassenärztlichen Vereinigung unterscheide sich wesentlich vom Rechtsverhältnis eines Leistungsempfängers gegenüber dem Sozialleistungsträger. Nach § 12 Satz 1 SGB I seien die Leistungsträger die in den §§ 18-29 genannten Körperschaften, in § 21 SGB I werde die kassenärztliche Vereinigung nicht genannt.

In einem weiteren Urteil des Senats vom 15. März 2006 – L 4 KA 8/05 – werde ausgeführt dass die so genannte weitere Teilnahme zwar einer Sozialleistung ähnele, in ihrem Rechtscharakter jedoch Honorarverteilung bleibe. Auch aus dem vom Kläger angeführten Urteil vom 27. Juni 2012 ergebe sind sich nichts anderes. Auch in der zitierten BSG-Entscheidung werde nicht festgestellt, dass die EHV-Zahlungen als Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I anzusehen seien. Vielmehr werde ausgeführt, dass sich die Beklagte seit dem 1. Januar 1954 dafür entschieden habe, die Alterssicherung im Wege einer limitierten Teilnahme der ehemaligen Vertragsärzte an der Honorarverteilung durchzuführen. Im Hinblick auf die Pfändbarkeit könne ebenfalls nichts im Hinblick auf das Vorliegen einer Sozialleistung abgeleitet werden.

Die Beklagte habe ihr Ermessen im Rahmen des § 44 Abs. 2 SGB X zutreffend ausgeübt. Soweit der Kläger anführe, dass er nicht mehr an den üblichen Informationen teilnehmen würde, sei anzumerken, dass der Kläger noch bis zum 30. Juni 2012 vertragsärztlich tätig gewesen sei. Im jeweiligen Bescheid sei die Kürzung, die aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors erfolgt sei, aufgeführt gewesen. In dem EHV-Bescheid sei auch eine Rechtsbehelfsbelehrung aufgeführt gewesen. Ergänzend sei anzumerken, dass der Kläger während seiner vertragsärztlichen Tätigkeit hinsichtlich verschiedener Rechtsfragen Widersprüche und auch Klagen erhoben habe.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 10. April 2019 gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass die auf die Verzinsung der EHV-Nachzahlung gerichtete Klage unbegründet ist.

Ein Anspruch auf Aufhebung und Neufeststellung der Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung könnte sich allein aus § 44 Abs. 1 SGB X ergeben. Diese Vorschrift ist jedoch auf vertragsärztliches Honorar nicht anzuwenden, weil dieses keine Sozialleistung im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X darstellt (allgemein BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R –, SozR 4-1300 § 44 Nr 6; BSGE 82, 50, 51 = SozR 3-1300 § 44 Nr 23 S 49).

Der Senat geht dabei mit dem Bundessozialgericht davon aus, dass das in § 44 Abs. 1 SGB X verwendete Tatbestandsmerkmal auf den Begriff der Sozialleistung in der Einweisungsnorm des § 11 SGB I verweist (BSG, Urteil vom 18. März 1998 – B 6 KA 16/97 R –, BSGE 82, 50, zitiert nach juris Rn. 13; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 14). Sozialleistungen sind danach die im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen; damit sind letztlich alle Vorteile gemeint, die nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches zur Verwirklichung sozialer Rechte dem Einzelnen zugutekommen sollen (vgl. BT-Drs. 7/868, S. 24).

In der Rechtsprechung des Senats ist insbesondere geklärt, dass die Honoraransprüche der Kassen- bzw. Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I dienen, sondern es sich um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen handelt. Dies gilt auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung (Senatsurteil vom 27. Juni 2012 – L 4 KA 63/11 –, Rn. 18, juris). Das Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner Kassenärztlichen Vereinigung unterscheidet sich wesentlich von dem Rechtsverhältnis eines möglichen Leistungsempfängers gegenüber einem Sozialleistungsträger im Sinne des § 12 SGB I. Dieses ist besonders durch das Sozialstaatsprinzip geprägt, weil es hier in besonderem Maße um Bürger geht, die auf diese Leistungen angewiesen, im Umgang mit Recht und Behörden aber überwiegend besonders unerfahren sind. Vertragsärzte sind nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein Großteil der Sozialleistungsempfänger (Senatsurteil vom 27. Juni 2012 – L 4 KA 63/11 –, Rn. 18, juris).

Die Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen der EHV nach Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit sind zwar nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16. Juli 2008, B 6 KA 38/07 R, BSGE 101, 106 ff., zitiert nach juris Rn. 39; Urteil vom 19. Februar 2014, B 6 KA 10/13 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 79, zitiert nach juris Rn. 34) ebenso wie nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27. Juni 2012, L 4 KA 43/11) strukturell und im Hinblick auf ihre besondere Schutzbedürftigkeit Ansprüchen aus betrieblichen Versorgungsanwartschaften und aus den beitragsfinanzierten Sozialversicherungssystem vergleichbar und daher (auch) durch Art. 14. Abs. 1 GG geschützt. Sie sind dem Inhaber nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts als privatnützig zugeordnet, dienen seiner Existenzsicherung und beruhen auf Eigenleistungen ihres Inhabers. Dabei übernimmt der Vorwegabzug des Anteils der aktuellen Gesamtvergütung, der für die Zwecke der als reines Umlagesystem organisierten EHV benötigt wird, die Funktion des Beitrags in der Rentenversicherung und der berufsständischen Altersversorgung. Der Vertragsarzt muss in der aktiven Phase hinnehmen, dass seine Vergütung vermindert wird, um aus dem nicht verteilten Betrag die Versorgung von invaliden und alten Ärzten zu finanzieren. Dafür erwirbt er in der aktiven Phase Teilhabeansprüche an dem zukünftig erwirtschafteten Honorar der Vertragsärzte (Senatsurteil vom 27. Juni 2012, L 4 KA 43/11). Dies erfolgte in den streitgegenständlichen Quartalen nach den bis zum 30. Juni 2012 geltenden Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung (GEHV) durch den Erwerb von "Punkten", die widerspiegeln, wie sich der für die EHV relevante Umsatz des Vertragsarztes zum Durchschnittshonorar verhält (§ 3 Abs. 1 lit. c GEHV in der bis zum 30. Juni 2012 maßgeblichen Fassung (a.F.)). Diese Punkte werden bei der Leistungsberechnung aufaddiert und nach Maßgabe der Normalstaffel in einen prozentualen Anspruch bezogen auf das aktuelle Durchschnittshonorar aus der vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen umgerechnet (§ 3 Abs. 1 lit. c, GEHV a.F.). Ebensowenig wie etwa Leistungen aus betrieblichen Versorgungsanwartschaften werden die Leistungen aus der EHV aber durch den grundrechtlich gewährten Eigentumsschutz zu einer Sozialleistung im Sinne von § 11 SGB I und die Beklagte zu einem Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I.

Soweit Rentenansprüche und Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die wesentlich durch eigene Beitragsleistungen erworben wurden, unter den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fallen (BVerfGE 53, 257 ff.; BVerfGE 100, 1 ff.; BVerfGE 112, 368; BVerfGE 122, 151 ff.), ist dies nicht der Fall, weil es sich dabei um Sozialleistungen handelt, sondern weil sie als vermögenswerte Güter die - vorgenannten - wesentlichen Merkmale verfassungsrechtlich geschützten Eigentums tragen (BVerfGE 53, 257 ff., vgl. BVerfGE 50, 290 ff. mwN). Denn diese erfüllen eine soziale Funktion, deren Schutz gerade Aufgabe der Eigentumsgarantie ist, und weisen auch die konstitutiven Merkmale des Eigentums im Sinne von Art. 14 GG auf. Die Anrechte des Einzelnen auf Leistungen der Rentenversicherung sind an die Stelle privater Vorsorge und Sicherung getreten und verlangen daher denselben Grundrechtsschutz, der dieser zukommt. (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Juni 2012 – L 4 KA 47/11 –, Rn. 78, juris).

Soweit der erkennende Senat im Urteil vom 11. April 2018 – L 4 KA 2/15 – Parallelen zum Solidarausgleich in der Sozialversicherung gezogen hat, sprechen die dortigen Ausführungen nicht für eine Einordnung der Leistungen aus der EHV als Sozialleistungen, weil sie allein die "Beitragsseite" betrafen (vgl. Rn. 72 nach juris).

Auch soweit in Betracht zu ziehen wäre, dass die EHV möglicherweise eine Leistung bei Alter nach Art. 3 Abs. 1 lit. d) VO (EG) 883/2004 ist, weil auch Normen über Sondersysteme für Selbständige – anders noch als unter der VO (EWG) 1408/71 – Rechtsvorschriften sind, die die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 bezeichneten System der sozialen Sicherheit ausgestalten (Kahil-Wolff, in: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht, VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 1 Rn. 24), folgt nichts anderes. Die insoweit auszulegenden Begriffe "Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen" und "Leistungen bei Alter" sind vielmehr unionsrechtlich autonom und gerade ohne Rücksicht auf nationale Begriffs- und Systemverständnisse auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – Rs. C-140/12 –, juris Rn. 49). Insoweit kann jedenfalls für die nationale Systembildung nichts aus einem unionsrechtlichen Begriff hergeleitet werden. Nur dort, wo es um die Einordnung der nationalen Leistungen im Hinblick auf unionsrechtliche Rechtsfolgen ginge (z.B. beim Leistungsexport von EHV-Leistungen in andere Mitgliedstaaten), griffe dieser Aspekt ein.

Insbesondere die Anknüpfung der Leistungshöhe an das aktuelle Durchschnittshonorar und die Finanzierung über eine Umlage aus der aktuellen Gesamtvergütung spricht dafür, dass die Leistungen aus der EHV ihren Charakter als Honorar für vertragsärztliche Tätigkeit nicht verlieren. Nicht zuletzt wird die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für die Regelung landesrechtlicher Versorgungssysteme wie der EHV nach § 8 KVHG durch Art. 4 § 1 Abs. 2 GKAR als Ausnahme gerade von der grundsätzlich in § 85 Abs. 4 SGB V abschließend und einer der ergänzenden Gesetzgebung durch die Länder nicht zugänglichen Weise geregelten Verteilung der von den Krankenkassen zu entrichtenden Gesamtvergütung abgeleitet (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2008, B 6 KA 38/07 R, Rn. 35 m.w.N.).

Selbst wenn man der Auffassung des Klägerbevollmächtigten dahingehend folgen würde, dass eine teleologische Auslegung des Merkmals der Sozialleistung nicht zu einer Beschränkung auf Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch führt, so haben die vorstehenden Ausführungen gezeigt, dass die Leistungen aus der EHV als Honorar auch im Hinblick auf den Zweck von § 44 Abs. 1 SGB X so gewichtige Unterschiede zu den Sozialleistungen nach § 11 SGB I aufweisen, dass eine Einbeziehung im Rahmen von § 44 Abs. 1 SGB X nicht geboten ist.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und Neubescheidung.

Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X kann die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit erfolgen. Die Entscheidung über die Rücknahme der bestandskräftigen Honorarbescheide – auch solche über die Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung – steht danach im Ermessen der Beklagten (allgemein BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R –, SozR 4-1300 § 44 Nr. 6, Rn. 15 m.w.N.). Die Ausübung des Ermessens ist auch im Vertragsarztecht nur im Hinblick auf Ermessensfehler zu überprüfen. (vgl. BSG a.a.O., Rn. 17). Kein Ermessensfehlgebrauch ist darin zu sehen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung die finanziellen Auswirkungen im Falle einer dem Kläger positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtigt und als ausschlaggebend ansieht, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass kein individueller Fehler in Rede steht, sondern sich eine Norm als unwirksam erwiesen hat und daher eine Vielzahl von Fällen betroffen ist. Im Urteil vom 18. März 1998 – B 6 KA 16/97 R –, SozR 3-1300 § 44 Nr. 23 führte das BSG unter Rn. 19 aus:

"Die Beklagte mußte deshalb davon ausgehen, daß sie sich nicht nur beim Kläger, sondern in zahlreichen weiteren Fällen Anträgen auf rückwirkende Aufhebung von Honorarkürzungsbescheiden ausgesetzt sehen würde, denen sie, falls sie dem Begehren des Klägers stattgeben würde, ebenfalls hätte entsprechen müssen. Damit wären nicht nur Rückzahlungsverpflichtungen im Falle des Klägers auf sie zugekommen. Sie hätte Honorarrückzahlungen auch in vergleichbaren Fällen leisten müssen. Gesamtvergütungsanteile aus länger zurückliegenden Zeiträumen stünden ihr hierfür nicht mehr zur Verfügung, so daß eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung aus der laufenden Gesamtvergütung hätte beglichen werden müssen. Dies hätte Auswirkungen auf die aktuelle Honorarauszahlung und würde auch diejenigen Ärzte belasten, die in den früheren, hier betroffenen Zeiträumen noch nicht Mitglieder der Beklagten gewesen waren."

In einem solchen Fall ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, bei ihrer auf generelle Erwägungen abstellenden Ermessensausübung als maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche besondere individuelle Betroffenheit des Klägers zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R –, SozR 4-1300 § 44 Nr. 6, Rn. 19).

Gemessen an diesem Maßstab ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der angegriffene Bescheid nicht unter Ermessensfehlern leidet. Insbesondere im Widerspruchsbescheid beschreibt die Beklagte die notwendige Abwägung zwischen dem Interesse an einer Nachvergütung für bereits bestandskräftig geregelte Quartale und dem Gebot, die von den Krankenkassen für ein Quartal geleistete Gesamtvergütung an die in diesem Quartal an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten zu verteilen. Insoweit ist ein Ermessensausfall oder Ermessensfehlgebrauch nicht erkennbar. Der Bescheid leidet auch nicht an einer Fehlgewichtung der in Ausgleich zu bringenden Interessen. Die Beklagte durfte insbesondere die Überlegung anstellen, welchen Aufwand es bedeutete, alle materiell Berechtigten im Sinne einer Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller EHV-Empfänger einheitlich zu behandeln. Insoweit war es für die Beklagten naheliegend festzustellen, dass die Rückabwicklung aller bestandskräftiger Bescheide über das EHV-Honorar neben einem immensen Verwaltungsaufwand auch zu finanziellen Belastungen führen würde, die mit einem dramatischen Honorarverlust in aktuellen Quartalen verbunden wären. Da dies eine prognostische Erwägung ist, ist es irrelevant, wieviele Personen letztlich tatsächlich die Widerspruchsfrist versäumt hatten und einen Antrag nach § 44 Abs. 2 SGB X gestellt haben. Bereits eine überschlägige Betrachtung, dass es eine Vielzahl materiell Berechtigter ist, rechtfertigt ein solches Vorgehen. Ob die in der mündlichen Verhandlung thematisierte Einschätzung richtig ist, dass noch 1400 Anträge offen seien, ist irrelevant, da es nicht auf eine ex ante-Sicht ankommt. Dem gegenüber wäre das Abstellen auf die Situation im Jahr 2015 – wie der Kläger vorschlägt – mit der Gefahr ermessensfehlerhaften Handelns verbunden gewesen. Hätte die Beklagte ihre Linie nur in den Jahren verfolgt, in denen eine Vielzahl von bestandskräftigen Bescheiden zu ändern gewesen wären, und in späteren Jahren, in denen die Fallzahl gering war, sich zu einer Änderung der Bescheide entschlossen, wäre dies kaum mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung vereinbar gewesen. Es begegnet daher keinen Bedenken, dass die Beklagte die Gesamtheit der aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Februar 2014 zum Nachhaltigkeitsfaktor resultierenden potentiellen Folgen betrachtet hat, und sich zu einer konsequenten Linie für alle bestandskräftigen Bescheide entschieden hat. Keinen Bedenken unterliegt zudem die Überlegung, dass Rückstellungen nur insoweit zu bilden sein, als Verfahren noch anhängig seien und hieraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass im Ermessen zu Lasten der Klägerin einzustellen sei, dass für rechtswidrige bestandskräftige Bescheide keine Rückstellungen erfolgt seien.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger gehört nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis nach § 183 SGG. Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I kostenfrei, soweit sie in der jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind. Nach § 183 Satz 3 SGG steht den genannten Personen gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Der Kläger ist als EHV-Berechtigter weder Versicherter noch Leistungsempfänger im Sinne dieser Vorschrift. Zwar knüpft der Begriff des Leistungsempfängers im Sinne des § 183 SGG nicht zwingend an Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I an (BSG SozR 4-1500 § 183 Nr. 2 Rn. 9; SozR 4-1500 § 183 Nr. 3 Rn. 8). Jedoch muss es sich zumindest um Leistungen mit ähnlicher oder vergleichbarer (Schutz-)Funktion wie bei echten Sozialleistungen i. S. des § 11 SGB I handeln (BSG, SozR 4-1500 § 183 Nr. 3 Rn. 9; BSGE 96, 190 ff. Rn. 21). Dies ist bei den Leistungen an Vertragsärzte aus der EHV nach der Rechtsprechung des Senats nicht der Fall (Urteil des Senats vom 27. Juni 2012 – L 4 KA 63/11 –, Rn. 26, juris). Darüber hinaus spricht auch das Fehlen einer Kostenprivilegierung für Empfänger von Leistungen aus der berufsständischen Versorgung in Streitverfahren vor den Verwaltungsgerichten für die fehlende Schutzfunktion, nachdem § 188 Satz 2 VwGO lediglich in Verfahren der Fürsorgeangelegenheiten anordnet.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben, nachdem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist, dass § 44 Abs. 1 SGB X auf Honorarbescheide nicht anwendbar ist (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 21/04 R –, SozR 4-1300 § 44 Nr. 6; Urteil vom 18. März 1998 – B 6 KA 16/97 R –, BSGE 82, 50, 51).
Rechtskraft
Aus
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