L 7 U 281/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1343/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 U 281/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Erfüllung der Mindestteilnehmerzahl einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung reichen 19,5 v.H.der Mitarbeiter aus.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Oktober 2000 und der Bescheid der Beklagten vom 3. November 1999 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2000 aufge-hoben.Es wird festgestellt, dass der Zustand nach Kniegelenkstrauma rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 10.07.1999 ist.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 10.07.1999 einen von der Be-klagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1978 geborene Kläger war im Jahre 1999 bei der Firma J. L. GmbH + Co.KG in V.-S. beschäftigt. Diese Firma, die damals rund 82 Mitarbeiter hatte, gehört zu der P. & M.-G. Großhandel AG in K., der weitere Niederlassungen in K., O., F., M., T., R., S. und D. angehören. Zum 31.12.1999 hatte die P. & M.-G. 1072 Mitarbeiter. Zur Stärkung des "Wir-Gefühls" veranstaltet die Firmenmutter in unregelmäßigen Abständen Turniere an verschiedenen Orten (10.07.1999 Fußball, 2001 und 2002 Volleyball). Zu diesen Ereig-nissen werden von der Firmenmutter alle angehörigen Firmen eingeladen, die Teilnah-me ist freiwillig. Die Angehörigen der einzelnen Niederlassungen werden durch Aus-hang im jeweiligen Betrieb hierüber informiert. Die einzelnen Firmenmannschaften wer-den gemeldet, die Zugehörigkeit zu einer Betriebsmannschaft ist ebenfalls freiwillig. Die Kosten der Veranstaltung werden von den teilnehmenden Firmen getragen. Teilnahme-berechtigt sind nur Mitarbeiter, nicht jedoch auch deren Angehörige. Bei dem Fußball-spiel am 10.07.1999 auf dem Sportplatz in H., an dem der Kläger in der Mannschaft seines Betriebes teilnahm, handelte es sich um die erste solche Gemeinschaftsveran-staltung der Firmenmutter, die von der Niederlassung in F. ausgerichtet wurde und bei der ein Pokal ausgesetzt war. Mit Ausnahme einer Niederlassung waren alle anderen durch eine Mannschaft mit je 10 Spielern inklusive Auswechselspieler vertreten. Ca. weitere 100 Mitarbeiter der P. & M.-G. waren als Zuschauer anwesend. Das Turnier begann um 11:00 Uhr und wurde offiziell um 18:00 Uhr für beendet erklärt. Den ganzen Tag über gab es Essen und Trinken und wurde auch gegrillt. Die Veranstaltung endete um 21:30 Uhr. Von der Niederlassung des Klägers nahmen neben den 10 Turnierteil-nehmern noch etwa 6 Mitarbeiter als Zuschauer an der Veranstaltung teil. Die Hin- und Rückfahrt erfolgte mit Privat-Pkws.

Bei dem Fußballspiel zog sich der Kläger eine Kniedistorsion rechts zu, wegen der er am 11.07.1999 den Durchgangsarzt Dr. Dr. T., Chirurg/Unfallchirurg in V-S., aufsuchte (Durchgangsarztbericht (DAB) vom 11.07.1999). Der behandelnde Arzt des Klägers Dr. F., Orthopäde, diagnostizierte am 12.07.1999 eine mediale Meniskopathie am rech-ten Knie mit Verdacht auf ACL-Läsion, eine laterale Meniskopathie mit ACL-Ruptur (Arztbrief vom 12.07.1999) bzw. mediale Meniskopathie rechts mit Verdacht auf ACL-Läsion (weiterer Arztbrief vom 12.07.1999). Die zunächst angegangene Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft gab den Vorgang an die zuständige Beklagte ab, die die Behandlungskosten übernahm. Die Beklagte holte von der DAK V.-S. das Vorerkran-kungsverzeichnis vom 09.08.1999 ein und befragte den Kläger, der unter dem 11.08.1999 angab, im Rahmen seines Betriebes würden gelegentlich Sportveranstal-tungen durchgeführt, bei der die Geschäftsleitung zur Teilnahme am Sport anrege. In der Arbeitgeberauskunft vom 30.08.1999 hieß es hierzu, es würde gelegentlich außer-halb der Arbeitszeit im Rahmen des Betriebes Sport getrieben. Die Geschäftsleitung rege zur Teilnahme an und fördere dies. Die Überwachung und Leitung des Sportes geschehe in betrieblichem Auftrag. Auch zur Teilnahme an dem Fußballturnier habe die Geschäftsleitung aufgefordert. Ein Mitglied der Unternehmensleitung oder ein von ihr Beauftragter habe an der Veranstaltung teilgenommen. Die Kosten der Veranstaltung seien von der Geschäftsleitung getragen worden.

Nach Abschluss der medizinischen Ermittlungen hörte die Beklagte ihren Beratenden Arzt Dr. J., der unter dem 03.11.1999 ausführte, aus der pathologischen Beurteilung ergebe sich, dass eindeutige traumatisch bedingte Schäden nicht festgestellt worden seien. Vielmehr seien die festgestellten Veränderungen sämtlich älterer Natur und somit unfallunabhängig. Nach dem beschriebenen Ereignishergang sei auch nicht zu erken-nen, dass eine Gewalteinwirkung von außen auf das Knie vorgelegen habe. Vielmehr habe sich der Kläger während eines Laufs das Knie verdreht. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Meniskus bereits degenerative Veränderungen aufgewiesen habe, sei nicht zu beurteilen, allenfalls zu vermuten. Es sei nach medizinischer Erfahrung un-wahrscheinlich, dass der Meniskus keinerlei degenerative Veränderungen aufweise, während das Umfeld erheblich vorgeschädigt sei. Hierauf gestützt teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 03.11.1999 mit, dem Ereignis vom 10.07.1999 komme - als auslösender Faktor - nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die rechtlich wesentli-che Ursache der erfolgten medizinischen Behandlung liege in den Vorschäden. (Weite-re) Leistungen würden nicht mehr erbracht.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit der Begründung, er habe am 10.07.1999 an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung teilgenommen, welche die Geschäftsleitung organisiert, gebilligt sowie gefördert habe und an der alle Betriebs-angehörige hätten teilnehmen können. Bei dem Fußballspiel, bei dem es zu dem Unfall gekommen sei, habe er während des Laufens von einem Gegenspieler einen Stoß von hinten bekommen, dadurch sei er ins Straucheln geraten und in ein Loch des unebenen Rasenplatzes getreten. Als Folge davon sei er mit dem leicht gebeugten Knie nach in-nen eingeknickt und nach vorne gefallen. Ohne das Unfallereignis hätte es keine Knie-schädigung gegeben. Die Beklagte holte unter anderem von der Arbeitgeberin des Klägers die weitere Aus-kunft vom 10.02.2002 ein, worin es hieß, es habe sich (1999) um das erste Turnier die-ser Art gehandelt, eine Wiederholung im Jahr 2000 sei vorgesehen. Der Austragungsort stehe noch nicht fest. An dem Turnier hätten ca. 10 bis 15 Betriebsangehörige teilge-nommen, insgesamt habe die Firma 78 Betriebsangehörige. Teilgenommen hätten 10 Mannschaften, es sei ein Pokal ausgespielt worden, der von der Mutterfirma gestiftet worden sei. Es seien ca. 100 Zuschauer anwesend gewesen. Die Einladung zum Fuß-ballturnier sei durch Aushang in der Firma bekannt gemacht worden (siehe auch weite-re schriftliche Auskunft vom 14.03.2000). Der Arbeitskollege des Klägers R. P. bestätigte mit Schreiben vom 19.03.2000 die An-gaben des Klägers zum Unfallhergang. Während des Laufens habe dieser einen Stoß von hinten von einem Gegenspieler bekommen, sei dadurch ins Straucheln geraten und ungewollt in ein Loch auf dem unebenen Rasenplatz getreten. Dabei sei er umgeknickt. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei dem Fußballturnier habe es sich um eine Freizeitaktivität gehandelt. Auch wenn der Arbeitgeber diese finanziert habe, begründe dies keinen Versicherungsschutz, selbst wenn die Beschäftigten dadurch erfreut würden und hierdurch die persönliche Verbun-denheit mit dem Betrieb gestärkt werde. Erforderlich sei, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit und des Vertrauensverhältnisses zwischen der Unterneh-mensleitung und Belegschaft sowie unter den Belegschaftsmitgliedern diene und an der deshalb grundsätzlich alle Betriebsangehörigen teilnehmen könnten und sollten. Es rei-che nicht aus, wenn allein einer ausgewählten Gruppe von Betriebsangehörigen die Teilnahme an einer für sie ausgerichteten Veranstaltung offen stehe. Um Betriebssport habe es sich auch nicht gehandelt, denn es fehle bereits an der zu fordernden gewissen Regelmäßigkeit der sportlichen Aktivitäten. Deshalb könne auch ungeprüft bleiben, ob die Knieverletzung durch einen geeigneten Unfallmechanismus oder durch eine Gele-genheitsursache entstanden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 24.05.2000 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung, bei dem Fußballturnier am 10.07.1999 habe es sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Laut Auskunft des Arbeitgebers habe die Geschäftsleitung zur Teilnahme an diesem Fußballturnier aufge-fordert. Ein Mitglied der Unternehmensleitung habe an der Veranstaltung teilgenom-men. Die Überwachung und Leitung des Spiels sei durch die Geschäftsleitung erfolgt, die auch die Kosten der Veranstaltung getragen habe. Zwar hätten nicht alle Betriebs-angehörige teilgenommen, aber die Veranstaltung als solche habe allen Betriebsange-hörigen offen gestanden. Die Beklagte trat der Klage mit der Begründung entgegen, zur Annahme einer versi-cherten Gemeinschaftsveranstaltung sei es erforderlich, dass die Veranstaltung von der Planung her für alle Betriebsangehörigen bestimmt sei und nicht lediglich eine im Ver-gleich zur Gesamtbelegschaft unverhältnismäßig kleine Zahl von Beschäftigten teil-nehmen solle. Hieran fehle es. Bei 78 Betriebsangehörigen trieben nur 10 bis 15 Perso-nen Sport. Es hätten sich nur einige Zuschauer das Spiel angesehen. Es seien ca. 100 Zuschauer gewesen. Bei 8 Betriebsmannschaften à 11 Spieler und weiteren Ersatzspie-lern liege hier eindeutig ein Missverhältnis vor. Bereits diese geringe Beteiligung sei als Indiz gegen eine Gemeinschaftsveranstaltung zu werten. Es reiche nicht aus, dass für eine ausgewählte Gruppe von Betriebsangehörigen allen die Teilnahme an einer für sie ausgerichteten Veranstaltung offen stehe. Der Zweck einer Veranstaltung, Verbunden-heit zwischen Betriebsleitung und den Betriebsangehörigen zu fördern, könne grund-sätzlich nur erreicht werden, wenn ein nennenswerter Teil der Gesamtbelegschaft sich überhaupt angesprochen fühle. Aus der Natur der Veranstaltung ergebe sich hier, dass die Einladung bloß einen begrenzten Personenkreis erreicht habe, nämlich den Teil der Belegschaft, der sich besonders für Fußball interessiere. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit eine Veranstaltung, die nur aus einem Fußballspiel zu Wettkampfzwecken ohne weiteres Rahmenprogramm bestehe, geeignet sei, das Zusammengehörigkeitsge-fühl zwischen den Betriebsangehörigen bzw. zwischen der Belegschaft und der Be-triebsleitung zu fördern.

Durch Urteil vom 23.10.2000 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, bei der Veranstaltung am 10.07.1999 habe es sich weder um Betriebssport noch um eine be-triebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Hinsichtlich letzterem genüge es nicht, dass, wie hier, nur eine - unverhältnismäßig - kleine Anzahl von Betriebsangehö-rigen an der Veranstaltung teilnehme. Von etwa 80 Beschäftigten der Arbeitgeberfirma des Klägers trieben nur 10 bis 15 Personen Sport. Schon aus der Natur der Veranstal-tung ergebe sich, dass die Einladung, an dem Fußballturnier am 10.07.1999 teilzuneh-men, nur einem begrenzten Personenkreis erreicht habe, nämlich die Betriebsangehö-rigen, die sich besonders für Fußball interessierten. Es reiche aber für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht aus, dass nur für eine ausgewähl-te Gruppe von Betriebsangehörigen allen die Teilnahme einer auf sie ausgerichteten Veranstaltung offen stehe. Viel mehr könne der Zweck der Veranstaltung, die Verbun-denheit zwischen Geschäftsleitung und den Betriebsangehörigen zu fördern, grundsätz-lich nur erreicht werden, wenn sich ein nennenswerter Teil der Belegschaft angespro-chen fühle.

Gegen das am 18.12.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.01.2001 Berufung eingelegt mit der Begründung, sein damaliger Arbeitgeber habe für den Transport der Belegschaft zu der Veranstaltung und zurück eigens einen Bus gemietet, der ca. 46 bis 50 Personen Platz geboten habe. Tatsächlich sei er allerdings nur halb besetzt gewe-sen. Darüber hinaus seien ca. 6 bis 8 Personen mit Privat-Pkws eingereist. Insgesamt hätten an der Veranstaltung ca. 30 Betriebsangehörige der Firma teilgenommen. Dies stelle bei einer Belegschaftsstärke von 78 Personen keine "unverhältnismäßig kleine Anzahl" dar. Auch sei die Programmgestaltung am 10.07.1999 geeignet gewesen, das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Betriebsklima zu fördern. Direkt im Anschluss an das Fußballturnier sei die Veranstaltung zeitlich unbegrenzt fortgesetzt worden mit Mu-sik, Essen vom Grill und Getränken. Gegen einen betrieblichen Zusammenhang spre-che auch nicht, dass die Veranstaltung an einem Samstag stattgefunden habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.10.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.11.1999 in der Fassung des Wi-derspruchsbescheides vom 02.05.2000 aufzuheben und festzustel-len, dass der Zustand nach Kniegelenkstrauma rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 10.07.1999 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wie die Umstände zeigten, sei die gesamte Planung der Veranstaltung darauf abge-stellt gewesen, für einen begrenzten Teil der Belegschaft - hier Fußballspieler - eine Sportveranstaltung durchzuführen, wobei allerdings die sonstigen Betriebsangehörigen als Zuschauer der Veranstaltung auf dem Sportgelände nicht ausgeschlossen sein soll-ten. Nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung sei jedoch erforderlich, dass es sich um eine Veranstaltung handeln müsse, welche nach ihrer Programmgestaltung geeig-net sei, zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens im Betrieb beizutragen, indem sie die Belegschaft in ihrer Gesamtheit und nicht nur einen eng begrenzten Interessenkreis der Betriebsangehörigen anspreche.

Der Senat hat von der früheren Arbeitgeberfirma des Klägers die Auskünfte vom 29.08.2001, 04.06.2002, 31.03. und 11.06.2003 eingeholt, von der Muttergesellschaft die Auskünfte vom 06.12.2001, 29.04.2002 und 28.05.2003. Von der F. Niederlassung sind die Auskünfte vom 18.03., 13.05. und 27.05.2003 eingeholt worden. Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.08.2003 ausgeführt, Unfallversiche-rungsschutz unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme am Betriebssport sei zu vernei-nen, da die sportlichen Aktivitäten nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit stattgefunden hätten. Ein Versicherungsschutz des Klägers beim Spiel am 10.07.1999 unter dem As-pekt der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung scheide ebenfalls aus. Zur Annah-me einer versicherten Gemeinschaftsveranstaltung sei es erforderlich, dass die Veran-staltung für die Betriebsangehörigen bestimmt sei und nicht lediglich eine im Vergleich zur Gesamtbelegschaft unverhältnismäßig kleine Zahl von Beschäftigten daran teilneh-me. Bei der Niederlassung des Klägers seien 1999 ca. 82 Personen beschäftigt gewe-sen. Neben der am Turnier teilnehmenden Fußballmannschaft seien lediglich 6 Mitar-beiter als Zuschauer mitgegangen. Dies zeige ein deutliches Missverhältnis zwischen der Zahl der Teilnehmer und der Gesamtbelegschaft. Betriebsbedingte Gründe, etwa Schichtbetrieb, die die geringe Teilnehmerzahl erklären könnten, lägen nicht vor. Der Zweck einer Veranstaltung, die Verbundenheit zwischen der Betriebsleitung und den Betriebsangehörigen zu fördern, könne grundsätzlich nur erreicht werden, wenn ein nennenswerter Teil der Gesamtbelegschaft sich überhaupt angesprochen fühle, was bei einem Fußballturnier naturgemäß nicht der Fall sei. Im übrigen bestätige auch die Be-legschaft von 1072 Personen im Jahre 1999 der gesamten P. & M.-G. und eine Zu-schauerzahl von ca. 100 Personen das offensichtliche Missverhältnis. Wohl habe das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung bislang keine definitive Unter-grenze für eine Mindestteilnehmerzahl benannt. Jedoch seien die genannten Zahlen in keinem Fall ausreichend für die Annahme einer versicherten Gemeinschaftsveranstal-tung, zumal neben dem Fußballspiel kein eigentliches Rahmenprogramm geboten wor-den sei. Dass während des bis zum Abend dauernden Turniers Getränke und Essen gereicht worden sei und im Anschluss daran noch ein Teil der Spieler und Zuschauer zusammengesessen habe, liege in der Natur der Sache, könne jedoch nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 02.09.2003 erwidert, diese Sportveranstaltung sei allgemein für alle Betriebsangehörigen offen und bestimmt gewesen. Unstreitig habe ihr die Förderung der Verbundenheit zwischen der Betriebsleitung und den Betriebsange-hörigen zugrundegelegen. Das BSG habe bislang hinsichtlich der Teilnehmerzahl, be-zogen auf die Gesamtbelegschaftszahl, keine Untergrenze festgelegt. Das Fußballspiel als Gemeinschaftsveranstaltung sei auch von einem Rahmenprogramm umgeben wor-den, da nach Ablauf des Fußballspiels und später bis zum Abend Getränke und Essen dargereicht worden sei und im Anschluss an das Turnier Spieler und Zuschauer gesellig beisammen gesessen hätten und genau aus dieser Verbundenheit eine Förderung der Zusammengehörigkeit zwischen Betriebsleitung und Betriebsangehörigen erfolgt sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einver-standen erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Ein-verständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gem. § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Nach Auffassung des Senats ist der Klä-ger am 10.07.1999 bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung verunglückt und zwar zumindest unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstal-tung der Niederlassung V.-S ... Das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Be-scheide der Beklagten waren daher aufzuheben und festzustellen, dass ein Zustand nach Kniegelenkstrauma rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 10.07.1999 ist.

Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII handelt es sich bei Unfällen von Versi-cherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII begrün-denden Tätigkeit um Arbeitsunfälle. Neben der Voraussetzung, dass es sich bei dem Ereignis um einen Unfall i. S. v. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII handelt, bedarf es noch ei-nes inneren Zusammenhangs des zum Unfall führenden Verhaltens mit der versicher-ten Tätigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Teilnahme von Beschäftigten an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in der Regel dem Unternehmen zuzurechnen und der versicherten Tätigkeit gleichzu-setzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbunden-heit zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft sowie der Betriebsangehö-rigen untereinander durch die Teilnahmemöglichkeit möglichst aller Betriebsangehöriger dient und deshalb grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offen stehen soll und dass die Zusammenkunft von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert wird und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsver-anstaltung getragen wird (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 25.8.1994, SozR 3-2200 § 548 Nr. 21). Ausnahmsweise kann auch die Veranstal-tung einzelner Abteilungen oder Gruppen eines Unternehmens eine in diesem Sinne betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sein, wenn die Größe des Unternehmens oder dessen besondere Gegebenheiten es verlangen oder jedenfalls es zweckmäßig er-scheinen lassen, nicht für die gesamte Belegschaft eine einzige betriebliche Gemein-schaftsveranstaltung vorzusehen. Bei der Teilnahme von Betriebsangehörigen an Frei-zeit- und Erholungsveranstaltungen fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zu-sammenhang, wenn Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund stehen, auch wenn die Veranstaltung vom Unternehmen organisiert oder finanziert wurde (vgl. BSG aaO mit weiteren Hinweisen).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nach Auffassung des Senats davon aus-zugehen, dass die Veranstaltung vom 10.07.1999 sämtliche erforderlichen Merkmale einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung aufweist. Sie wurde von der Unterneh-mensleitung initiiert und von deren Autorität getragen. Sie war nur für Angehörige des Gesamtunternehmens zugänglich und sollte der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft sowie der Betriebsangehörigen untereinan-der ("Wir-Gefühl") dienen. Sie wurde von der Unternehmensleitung gefördert durch Aushang bei den einzelnen Niederlassungen und durch Übernahme der Kosten als Ge-schäftskosten. Angehörige der Firmenleitung waren auch anwesend. Unschädlich ist hierbei, dass die Veranstaltung an einem arbeitsfreien Samstag stattfand. Zu der Gemeinschaftsveranstaltung waren auch sämtliche Betriebsangehörigen der gesamten P. & M.-G. eingeladen. Der Einwand der Beklagten, im Hinblick auf den Cha-rakter der Gemeinschaftsveranstaltung als Fußballturnier habe sich die Einladung nur an einen beschränkten Kreis von Firmenangehörigen gewandt, nämlich an Fußballbe-geisterte, geht fehl. Zwar ist richtig, dies wird unten noch näher ausgeführt, dass nur ca. 18 % der Mitarbeiter der gesamten P. & M.-G. beim Turnier anwesend waren, von der Niederlassung des Klägers immerhin fast 20 %. Sportliche Gemeinschaftsveranstaltun-gen betreffen jedoch naturgemäß immer nur einen begrenzten Personenkreis. Deshalb eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu verneinen, würde bedeuten, dass sämtliche sportlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dieser Art nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen würden. Hierbei muss auch noch berück-sichtigt werden, dass es sich gerade beim Fußball um eine der weitestverbreiteten Sportarten handelt, an denen im Rahmen eines solchen betrieblichen Turniers teilzu-nehmen auch Personen möglich ist, die diesen Sport sonst nicht praktizieren. Gerade solche sportlichen Mannschaftswettbewerbe fördern jedoch den Gemeinschaftsgeist besonders und vor allem dann, wenn - wie hier - sich an dem Wettbewerb noch ein ge-selliges Beisammensein anschließt, bei dem man zuvor gewonnene Eindrücke bespre-chen und vertiefen kann.

Die Veranstaltung ist auch von einem wesentlichen Teil der Betriebsangehörigen be-sucht worden. Was insoweit unter "wesentlich" zu verstehen ist, ist nicht näher definiert. Das BSG ist in seinem Urteil vom 26.06.1958 (2 RU 281/55 - BSGE 7, 249, 252) - allerdings ohne nähere Begründung - davon ausgegangen, dass ein Vomhundertsatz der Teilnehmer in Höhe von 26,5 nicht unbedeutend ist, vor allem auch im Hinblick auf die Höhe der abso-luten Teilnehmerzahl (800 Beschäftigte von 3020). Ebenso lapidar hat das BSG in sei-nem Urteil vom 02.03.1971 (2 RU 162/69 - SozR § 548 Nr. 24) die Anwesenheit von 2/5 der Belegschaft bei einem Fußballspiel für ausreichend erachtet, um den Erfordernissen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung zu entsprechen. In seinem Urteil vom 22.06.1976 (8 RU 148/75 - SozR 2200 § 548 Nr. 21) hat das BSG ausgeführt, dass nicht jedem noch so geringen Teil der Belegschaft die Fähigkeit zugesprochen werden könne, sich zu einer Gemeinschaftsveranstaltung zusammenzufinden. Vielmehr müss-ten die Teilnehmer zumindest die Gemeinschaft der im Unternehmen Tätigen - oder wenigstens einem betrieblich abgrenzbaren Teil - "repräsentieren", was bei einem zah-lenmäßigen Missverhältnis nicht angenommen werden könne. Dabei handelte es sich im konkreten Fall um 485 Betriebsangehörige, von denen 5 Mitarbeiter an einer Veran-staltung teilnahmen. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zur Mindestteilnehmerzahl bei sportli-chen Gemeinschaftsveranstaltungen wird hier nach Auffassung des Senats auch ein Vomhundertsatz erreicht, der eine wesentliche Teilnahme von Firmenangehörigen an der Gemeinschaftsveranstaltung begründet. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der P. & M.-G. vom 29.04.2002 und der Auskunft der ausrichtenden Niederlassung vom 18.03.2003 nahmen an dem eigentlichen Fußballturnier insgesamt 90 Spieler teil und waren noch 100 Unternehmensangehörige als Zuschauer anwesend. Dies ergibt eine Gesamtzahl von 190 Teilnehmern. Dies entspricht bei einer Gesamtmitarbeiterzahl der P. & M.-Gruppe von 1072 (vgl. Auskunft vom 28.05.2003) einem Vomhundertsatz von ca. 18. Höher war der Vomhundertsatz der Niederlassung V.-S., bei der der Kläger da-mals beschäftigt war. Am Turnier selbst nahmen 10 Betriebsangehörige teil, 6 weitere Mitarbeiter waren als Zuschauer anwesend (Auskunft vom 31.03.2003), insgesamt also 16 Personen. Bei einer Gesamtzahl der Mitarbeiter in V.-S. von 82 im Jahre 1999 ergibt dies einen Vomhundertsatz von fast 20 (ca. 19,5). Dies hält der Senat im Hinblick auf das zu sportlichen Gemeinschaftsveranstaltungen Ausgeführte hierfür ausreichend. Dabei genügt es seiner Auffassung nach, dass eine entsprechende Teilnehmerzahl - nur - von dem (selbständigen) Unternehmensteil erreicht wird, bei dem der verunglückte Versicherte beschäftigt gewesen ist. Denn eine solche überbetriebliche Gemeinschafts-veranstaltung stellt gleichzeitig eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung des ein-zelnen Unternehmensteils dar; denn nichts verbindet mehr als der gemeinsame "Kampf" gegen andere Niederlassungen. Die Leitung des einzelnen Teilunternehmens hat auch ein besonderes Interesse an der Repräsentation ihres Betriebes gegenüber den anderen Mitgliedsunternehmen.

Bei diesem Sachverhalt kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger sich nicht auch auf Vertrauensschutz berufen könnte (vgl. Ricke in Kasskomm, Stand August 2002, Rand-nummer 78 zu § 7 SGB VII sowie Senatsurteil vom 24.10.2002 - L 7 U 4605/01). Der Kläger nahm an einer Veranstaltung teil, von der er davon ausgehen konnte, dass sie sowohl im Interesse der Gesamtgruppe als auch im Interesse seines Unternehmens lag. Da es sich um die erste Veranstaltung dieser Art handelte, konnte er sich auch noch keine Vorstellungen über die Höhe der Teilnehmerzahl machen. Er hätte deshalb möglicherweise darauf vertrauen können, im Rahmen einer betrieblich geförderten Tä-tigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stehen.

Im Hinblick auf den vom Kläger zulässig gestellten Feststellungsantrag (§ 55 Ziffer 3 SGG) war daher festzustellen, dass bei ihm ein Zustand nach Kniegelenkstrauma rechts als Arbeitsunfallfolge besteht. Eine darüber hinaus gehende Feststellung wäre dem Senat nach derzeitigem Sachstand im Hinblick auf die beratungsärztliche Stel-lungnahme vom 03.11.1999 auch nicht möglich gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved