Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 3485/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1786/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen der Ermessensausübung zu der Vornahme einer Abzweigung nach § 48 SGB I darf die BA bei mehreren Unterhaltsberechtigten nicht diejeniegen nur deshalb einseitig bevorzugen, weil sie einen Unterhaltstitel erwirkt haben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karls-ruhe vom 11.04.2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte im Rahmen der Abzweigung die Leis-tungen des Klägers nach dem Unterhaltsvorschussgesetz außer Acht lassen durfte.
Der Kläger gewährt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz Leistungen an das Kind S. H., wel-ches aus der Ehe zwischen dem Leistungsempfänger P. K. H. (Beigeladener zu 1.) und B. H. hervorgegangen ist. Die Eheleute H. leben seit Oktober 1998 getrennt. Der Beigeladene zu 1. kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter S. nicht nach. Er bezog von der Be-klagten seit dem 01.04.1999 zunächst Arbeitslosengeld, anschließend Arbeitslosenhilfe.
Seit dem 01.07.1999 zweigte die Beklagte auf Antrag des Magistrats der Stadt Wiesbaden (Beigeladene zu 2.), der einem weiteren minderjährigen Kind des Beigeladenen zu 1., P. U. (Beigeladene Nr. 3) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gewährte, einen Betrag von kalendertäglich 12,92 DM ab. Die Abzweigung endete mit der Volljährigkeit der Beige-ladenen Nr. 1 am 25.07.2000.
Mit Schreiben vom 22.07.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Abzweigung nach § 48 SGB I, da er seit dem 01.12.1998 Leistungen von (derzeit 230,- DM) pro Monat gewäh-re. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 29.07.1999 mit der Begründung ab, dass der Leistungsberechtigte die laufenden Geldleistungen zur Bestreitung des eigenen Le-bensunterhalts benötige. Deshalb bestünde wegen fehlender Leistungsfähigkeit auch keine Unterhaltspflicht, so dass die Voraussetzungen einer Auszahlung nach § 48 SBG I nicht er-füllt seien.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch: Der Beigeladene zu 1. sei zwei minderjährigen Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet, die im Rahmen der Abzweigung gleichrangig zu berücksichtigen seien. Es widerspreche dem Prinzip des Gleichranges, wenn die Beklagte wie hier geschehen, für ein Kind, für das ein Unterhaltstitel bestehe, vorrangig abzweige. Mit Wi-derspruchsbescheid vom 24.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Die Entscheidung über die Abzweigung stehe in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Liege ein rechtskräftiger und vollstreckungsfähiger Unterhaltstitel vor, sei grundsätzlich bis zur Höhe des Leistungssatzes die im Titel als Unterhaltsbetrag festgesetzte Summe an den berechtigten Dritten auszuzahlen. Bei solchen Sachverhalten stehe ihr hinsichtlich der Höhe der Abzwei-gung kein Ermessen zu. Die Beklagte habe zwar die Gleichrangigkeit der beiden Kinder zu beachten, der Unterschied liege jedoch darin, dass für das eheliche Kind S. H. kein Unter-haltstitel vorliege. Hiergegen hat der Kläger am 16.10.1999 Klage zum Sozialgericht Karlsru-he (SG) erhoben: Die Vorgehensweise der Beklagten widerspreche den gesetzlichen Bestim-mungen. Ein wesentlicher Zweck des § 48 SGB I sei es, dem Unterhaltsberechtigten ohne Umwege über einen Unterhaltsprozess und daran anschließende Pfändungen Geldleistungen zufließen zu lassen. Die Beklagte beachte nicht den Gleichrang der minderjährigen Kinder. Hieran ändere sich auch nichts durch den Unterhaltstitel.
Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. Liege ein Unterhaltstitel vor, so sei dessen Inhalt zur gesetzlichen Unterhaltspflicht verbindlich. In diesem Fall sei grundsätzlich nicht mehr zu prüfen, ob überhaupt eine Verpflichtung des Leistungsberechtigten bestehe.
Mit Urteil vom 11.04.2002 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 29.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu er-teilen. In den Entscheidungsgründen auf die im Übrigen verwiesen wird, hat es unter anderem ausgeführt, die Beklagte habe die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht eingehalten. Der Hinweis, es stehe jedem Unterhaltsgläubiger, der die Abzweigung begehre frei, einen solchen Titel zu erwirken, widerspreche dem Sinn und Zweck der Abzweigungsregelung als einer Art sozialrechtlicher "Soforthilfemaßnahme". Die Erwägungen der Beklagten, sie könne sich nicht im Rahmen der Ermessensausübung über Beschlüsse und Urteile der Zivilgerichte hinwegsetzen, führten zu keinem anderen Ergebnis. Minderjährige Kinder stünden, unabhän-gig davon, ob ihre Unterhaltsansprüche tituliert seien oder nicht, in gleicher Rangfolge hin-sichtlich der Unterhaltsberechtigung (§ 1609 BGB).
Hiergegen richtet sich die am 23.05.2002 eingelegte Berufung der Beklagten: Entgegen der Auffassung des SG sei die Entscheidung der Beklagten lediglich den Unterhaltsanspruch des Kindes mit Unterhaltstitel zu berücksichtigen, nicht ermessensfehlerhaft. Im Rahmen der Er-messensentscheidung, ob und in welchem Umfang ein Unterhaltsanspruch zu befriedigen sei, habe die Beklagte eine zivilgerichtliche Entscheidung in Form eines Unterhaltstitels zu beach-ten und sei hieran bei ansonsten unveränderten Einkommensverhältnissen des Unterhaltsver-pflichteten gebunden. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, eine eigenständige Unterhaltsrege-lung zwischen den Beteiligten vorzunehmen. Gerade hierzu würde es aber führen, wenn die Beklagte unabhängig von bestehenden Unterhaltstiteln nach eigenem Ermessen die Verteilung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsbeträge vornehmen würde. Damit werde auch nicht die grundsätzliche Gleichrangigkeit der streitigen Unterhaltsansprüche außer Acht gelassen. Die Beklagte habe vielmehr zwangsläufig bei der Ausübung ihres Ermessens verschiedene, sich teils entgegenstehende Kriterien gegeneinander abzuwägen, wie sie zum Beispiel im Be-stehen eines den jeweiligen Berechtigten begünstigenden Unterhaltstitels gegenüber der Gleichrangigkeit von Unterhaltstiteln aller Berechtigten zu sehen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. April 2002 und den Be-scheid der Beklagten vom 29.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 24.08.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Urteil des SG sei zuzustimmen. Das Erfordernis eines Titels sei lebensfremd, weil dann zu erwarten sei, dass für minderjährige Kinder innerhalb einer funktionierenden Lebensgemeinschaft Unterhaltstitel präventiv geschaffen werden müssten, um bei einer möglichen Trennung die sofortige Gleichstellung mit Kindern aus einer anderen Beziehung zu sichern. Dies könne nicht Wille des Gesetzgebers sein.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten in dem Termin vom 04.06.2003 den Sach- und Streitstand erörtert.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten I. und II. Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat die angefochtenen Bescheid zurecht aufgehoben, sie sind ermessensfehlerhaft.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I können laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetz-lichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Abzweigung sind, was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist, erfüllt. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum von der Beklagten Ar-beitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe erhalten. Diese Leistungen stellen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I dar. Der Kläger ist seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen beiden Kindern nicht nachgekommen. Weshalb diese Kinder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalten.
Die Entscheidung der Beklagten, die Abzweigung lediglich in voller Höhe zugunsten des Kindes vorzunehmen, welches einen Unterhaltstitel erwirkt hat, ist ermessensfehlerhaft.
Die Entscheidung, ob die Beklagte eine Abzweigung nach § 48 SBG I durchführt, steht in ihrem Ermessen. Die Höhe der Abzweigung hat angemessen zu erfolgen. Diesbezüglich steht der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu. Bei dem Begriff "angemessene Höhe" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, d.h., einen Rechtsbegriff, der nach Inhalt und Umfang weitgehend ungewiss ist und der Ausfüllung für den Einzelfall bedarf. Der Verwal-tung ist insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, jedoch hindert dies nicht die gericht-liche Überprüfung, ob die Verwaltung den ihr zustehenden Spielraum bei der Begrenzung und Auslegung des Begriffs eingehalten hat (BSGE 55, 245).
Die generelle Nichtberücksichtigung des nichtehelichen Kindes stellt einen Ermessensfehl-gebrauch dar. Die Beklagte ist zwar bezüglich einer Unterhaltsforderung, die tituliert ist, inso-fern daran gebunden, als der Abzweigungsbetrag nicht höher sein darf, als der nach dem Un-terhaltstitel ausgewiesene Betrag (BSG SozR 1200 § 48 Nr. 8 und Nr. 10). Das SG hat zutref-fend ausgeführt, dass die generelle Nichtberücksichtigung des nicht mit einem Unterhaltstitel ausgestatteten Kindes sowohl dem Sinn und Zweck des § 48 SGB I, als auch dem materiellen Unterhaltsrecht nicht entspricht. Die in § 48 Abs. 1 SGB I normierte Abzweigungsregelung ermöglicht es dem Leistungsträger solchen Personen, die unterhaltsbedürftig sind und die die ihnen zustehenden Leistungen von dem Unterhaltsverpflichteten nicht erhalten, erleichterten Zugang zu dessen Einnahmen aus Sozialleistungen zu verschaffen. Es ist gerade nicht not-wendig, dass der Leistungsberechtigte einen Titel gegen den Unterhaltsverpflichteten zuvor erwirkt. Die Unterhaltsverpflichtung muss sich lediglich aus dem Unterhaltsrecht ergeben. Die Bevorzugung eines Unterhaltsberechtigten mit entsprechendem Titel ist gesetzlich nicht normiert und kann auch nicht über den Wortlaut des § 48 SGB I gefordert werden. Minderjäh-rige Kinder stehen, worauf das SG ebenfalls zurecht hingewiesen hat, in gleicher Rangfolge hinsichtlich der Unterhaltsberechtigung (§ 1609 BGB). Dem entsprechend haben beide Kin-der Anspruch auf ihren gesetzlichen Unterhalt. Entscheidet sich die Beklagte nunmehr dazu eine Abzweigung vorzunehmen (wobei der Senat für eine andere Entscheidung keine An-haltspunkte sieht), steht sie in der Pflicht entsprechend der Gleichrangigkeit im materiellen Recht auch die beiden Unterhaltsberechtigten möglichst gleich zu behandeln. Dementspre-chend darf ein Unterhaltsanspruch des Kindes, das keinen Titel erwirkt hat, nicht ignoriert werden.
Aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte gerade die Gleichrangigkeit ignoriert hat und ein Titelerfordernis postuliert hat, das einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, sind die genannten Bescheide aufzuheben, weil insofern ein Ermessensfehlgebrauch gegeben ist. In der Ausfül-lung des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bezüglich der Angemessenheit der Höhe der Abzweigungen zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder, kann sich die Beklagte eines pauschalierenden und mit damit vereinfachten Verfahrens bedienen. Dieses Verfahren und die dabei anzuwendenden Pauschalsätze müssen jedoch der Gestalt sein, dass sie tendenziell ge-eignet sind, den notwendigen Selbstbehalt für den Leistungsempfänger sicherzustellen (Hessi-sches LSG Urteil vom 21.06.2000 - L 6 AL 259/00). Hierbei wäre es rechtmäßig, bei der Er-mittlung des Abzweigungsbetrages die Düsseldorfer Tabelle als maßgeblich anzusehen (vgl. SozR 1200 § 48 Nr. 8 und Nr. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte im Rahmen der Abzweigung die Leis-tungen des Klägers nach dem Unterhaltsvorschussgesetz außer Acht lassen durfte.
Der Kläger gewährt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz Leistungen an das Kind S. H., wel-ches aus der Ehe zwischen dem Leistungsempfänger P. K. H. (Beigeladener zu 1.) und B. H. hervorgegangen ist. Die Eheleute H. leben seit Oktober 1998 getrennt. Der Beigeladene zu 1. kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter S. nicht nach. Er bezog von der Be-klagten seit dem 01.04.1999 zunächst Arbeitslosengeld, anschließend Arbeitslosenhilfe.
Seit dem 01.07.1999 zweigte die Beklagte auf Antrag des Magistrats der Stadt Wiesbaden (Beigeladene zu 2.), der einem weiteren minderjährigen Kind des Beigeladenen zu 1., P. U. (Beigeladene Nr. 3) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gewährte, einen Betrag von kalendertäglich 12,92 DM ab. Die Abzweigung endete mit der Volljährigkeit der Beige-ladenen Nr. 1 am 25.07.2000.
Mit Schreiben vom 22.07.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Abzweigung nach § 48 SGB I, da er seit dem 01.12.1998 Leistungen von (derzeit 230,- DM) pro Monat gewäh-re. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 29.07.1999 mit der Begründung ab, dass der Leistungsberechtigte die laufenden Geldleistungen zur Bestreitung des eigenen Le-bensunterhalts benötige. Deshalb bestünde wegen fehlender Leistungsfähigkeit auch keine Unterhaltspflicht, so dass die Voraussetzungen einer Auszahlung nach § 48 SBG I nicht er-füllt seien.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch: Der Beigeladene zu 1. sei zwei minderjährigen Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet, die im Rahmen der Abzweigung gleichrangig zu berücksichtigen seien. Es widerspreche dem Prinzip des Gleichranges, wenn die Beklagte wie hier geschehen, für ein Kind, für das ein Unterhaltstitel bestehe, vorrangig abzweige. Mit Wi-derspruchsbescheid vom 24.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Die Entscheidung über die Abzweigung stehe in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Liege ein rechtskräftiger und vollstreckungsfähiger Unterhaltstitel vor, sei grundsätzlich bis zur Höhe des Leistungssatzes die im Titel als Unterhaltsbetrag festgesetzte Summe an den berechtigten Dritten auszuzahlen. Bei solchen Sachverhalten stehe ihr hinsichtlich der Höhe der Abzwei-gung kein Ermessen zu. Die Beklagte habe zwar die Gleichrangigkeit der beiden Kinder zu beachten, der Unterschied liege jedoch darin, dass für das eheliche Kind S. H. kein Unter-haltstitel vorliege. Hiergegen hat der Kläger am 16.10.1999 Klage zum Sozialgericht Karlsru-he (SG) erhoben: Die Vorgehensweise der Beklagten widerspreche den gesetzlichen Bestim-mungen. Ein wesentlicher Zweck des § 48 SGB I sei es, dem Unterhaltsberechtigten ohne Umwege über einen Unterhaltsprozess und daran anschließende Pfändungen Geldleistungen zufließen zu lassen. Die Beklagte beachte nicht den Gleichrang der minderjährigen Kinder. Hieran ändere sich auch nichts durch den Unterhaltstitel.
Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. Liege ein Unterhaltstitel vor, so sei dessen Inhalt zur gesetzlichen Unterhaltspflicht verbindlich. In diesem Fall sei grundsätzlich nicht mehr zu prüfen, ob überhaupt eine Verpflichtung des Leistungsberechtigten bestehe.
Mit Urteil vom 11.04.2002 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 29.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu er-teilen. In den Entscheidungsgründen auf die im Übrigen verwiesen wird, hat es unter anderem ausgeführt, die Beklagte habe die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht eingehalten. Der Hinweis, es stehe jedem Unterhaltsgläubiger, der die Abzweigung begehre frei, einen solchen Titel zu erwirken, widerspreche dem Sinn und Zweck der Abzweigungsregelung als einer Art sozialrechtlicher "Soforthilfemaßnahme". Die Erwägungen der Beklagten, sie könne sich nicht im Rahmen der Ermessensausübung über Beschlüsse und Urteile der Zivilgerichte hinwegsetzen, führten zu keinem anderen Ergebnis. Minderjährige Kinder stünden, unabhän-gig davon, ob ihre Unterhaltsansprüche tituliert seien oder nicht, in gleicher Rangfolge hin-sichtlich der Unterhaltsberechtigung (§ 1609 BGB).
Hiergegen richtet sich die am 23.05.2002 eingelegte Berufung der Beklagten: Entgegen der Auffassung des SG sei die Entscheidung der Beklagten lediglich den Unterhaltsanspruch des Kindes mit Unterhaltstitel zu berücksichtigen, nicht ermessensfehlerhaft. Im Rahmen der Er-messensentscheidung, ob und in welchem Umfang ein Unterhaltsanspruch zu befriedigen sei, habe die Beklagte eine zivilgerichtliche Entscheidung in Form eines Unterhaltstitels zu beach-ten und sei hieran bei ansonsten unveränderten Einkommensverhältnissen des Unterhaltsver-pflichteten gebunden. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, eine eigenständige Unterhaltsrege-lung zwischen den Beteiligten vorzunehmen. Gerade hierzu würde es aber führen, wenn die Beklagte unabhängig von bestehenden Unterhaltstiteln nach eigenem Ermessen die Verteilung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsbeträge vornehmen würde. Damit werde auch nicht die grundsätzliche Gleichrangigkeit der streitigen Unterhaltsansprüche außer Acht gelassen. Die Beklagte habe vielmehr zwangsläufig bei der Ausübung ihres Ermessens verschiedene, sich teils entgegenstehende Kriterien gegeneinander abzuwägen, wie sie zum Beispiel im Be-stehen eines den jeweiligen Berechtigten begünstigenden Unterhaltstitels gegenüber der Gleichrangigkeit von Unterhaltstiteln aller Berechtigten zu sehen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. April 2002 und den Be-scheid der Beklagten vom 29.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 24.08.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Urteil des SG sei zuzustimmen. Das Erfordernis eines Titels sei lebensfremd, weil dann zu erwarten sei, dass für minderjährige Kinder innerhalb einer funktionierenden Lebensgemeinschaft Unterhaltstitel präventiv geschaffen werden müssten, um bei einer möglichen Trennung die sofortige Gleichstellung mit Kindern aus einer anderen Beziehung zu sichern. Dies könne nicht Wille des Gesetzgebers sein.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten in dem Termin vom 04.06.2003 den Sach- und Streitstand erörtert.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten I. und II. Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat die angefochtenen Bescheid zurecht aufgehoben, sie sind ermessensfehlerhaft.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I können laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetz-lichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Abzweigung sind, was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist, erfüllt. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum von der Beklagten Ar-beitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe erhalten. Diese Leistungen stellen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I dar. Der Kläger ist seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen beiden Kindern nicht nachgekommen. Weshalb diese Kinder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalten.
Die Entscheidung der Beklagten, die Abzweigung lediglich in voller Höhe zugunsten des Kindes vorzunehmen, welches einen Unterhaltstitel erwirkt hat, ist ermessensfehlerhaft.
Die Entscheidung, ob die Beklagte eine Abzweigung nach § 48 SBG I durchführt, steht in ihrem Ermessen. Die Höhe der Abzweigung hat angemessen zu erfolgen. Diesbezüglich steht der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu. Bei dem Begriff "angemessene Höhe" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, d.h., einen Rechtsbegriff, der nach Inhalt und Umfang weitgehend ungewiss ist und der Ausfüllung für den Einzelfall bedarf. Der Verwal-tung ist insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, jedoch hindert dies nicht die gericht-liche Überprüfung, ob die Verwaltung den ihr zustehenden Spielraum bei der Begrenzung und Auslegung des Begriffs eingehalten hat (BSGE 55, 245).
Die generelle Nichtberücksichtigung des nichtehelichen Kindes stellt einen Ermessensfehl-gebrauch dar. Die Beklagte ist zwar bezüglich einer Unterhaltsforderung, die tituliert ist, inso-fern daran gebunden, als der Abzweigungsbetrag nicht höher sein darf, als der nach dem Un-terhaltstitel ausgewiesene Betrag (BSG SozR 1200 § 48 Nr. 8 und Nr. 10). Das SG hat zutref-fend ausgeführt, dass die generelle Nichtberücksichtigung des nicht mit einem Unterhaltstitel ausgestatteten Kindes sowohl dem Sinn und Zweck des § 48 SGB I, als auch dem materiellen Unterhaltsrecht nicht entspricht. Die in § 48 Abs. 1 SGB I normierte Abzweigungsregelung ermöglicht es dem Leistungsträger solchen Personen, die unterhaltsbedürftig sind und die die ihnen zustehenden Leistungen von dem Unterhaltsverpflichteten nicht erhalten, erleichterten Zugang zu dessen Einnahmen aus Sozialleistungen zu verschaffen. Es ist gerade nicht not-wendig, dass der Leistungsberechtigte einen Titel gegen den Unterhaltsverpflichteten zuvor erwirkt. Die Unterhaltsverpflichtung muss sich lediglich aus dem Unterhaltsrecht ergeben. Die Bevorzugung eines Unterhaltsberechtigten mit entsprechendem Titel ist gesetzlich nicht normiert und kann auch nicht über den Wortlaut des § 48 SGB I gefordert werden. Minderjäh-rige Kinder stehen, worauf das SG ebenfalls zurecht hingewiesen hat, in gleicher Rangfolge hinsichtlich der Unterhaltsberechtigung (§ 1609 BGB). Dem entsprechend haben beide Kin-der Anspruch auf ihren gesetzlichen Unterhalt. Entscheidet sich die Beklagte nunmehr dazu eine Abzweigung vorzunehmen (wobei der Senat für eine andere Entscheidung keine An-haltspunkte sieht), steht sie in der Pflicht entsprechend der Gleichrangigkeit im materiellen Recht auch die beiden Unterhaltsberechtigten möglichst gleich zu behandeln. Dementspre-chend darf ein Unterhaltsanspruch des Kindes, das keinen Titel erwirkt hat, nicht ignoriert werden.
Aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte gerade die Gleichrangigkeit ignoriert hat und ein Titelerfordernis postuliert hat, das einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, sind die genannten Bescheide aufzuheben, weil insofern ein Ermessensfehlgebrauch gegeben ist. In der Ausfül-lung des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bezüglich der Angemessenheit der Höhe der Abzweigungen zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder, kann sich die Beklagte eines pauschalierenden und mit damit vereinfachten Verfahrens bedienen. Dieses Verfahren und die dabei anzuwendenden Pauschalsätze müssen jedoch der Gestalt sein, dass sie tendenziell ge-eignet sind, den notwendigen Selbstbehalt für den Leistungsempfänger sicherzustellen (Hessi-sches LSG Urteil vom 21.06.2000 - L 6 AL 259/00). Hierbei wäre es rechtmäßig, bei der Er-mittlung des Abzweigungsbetrages die Düsseldorfer Tabelle als maßgeblich anzusehen (vgl. SozR 1200 § 48 Nr. 8 und Nr. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
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