Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AL 2290/03 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3445/03 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Kündigt der Maßnahmeträger den mit dem Umschüler geschlossenen Rehabilitationsvertrag außerordentlich und gestattet er die Teilnahme am Lehrgang nicht mehr, stellt dies eine die Aufhebung des Leistungen wegen Teilhabe am Arbeitsleben bewilligenden Verwaltungsaktes rechtfertigende wesentliche Änderung auch dann dar, wenn die Bewilligung wegen von vornherein fehlender Eignung rechtswidrig war.
2. Für die Entscheidung, ob die Vollziehbarkeit eines Leistungsentziehungsbescheids eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist maßgebend, ob durch den Vollzug nicht oder kaum wiedergutzumachende persönliche Härten drohen, der Vollzug also z.B. existenzvernichtenden Charakter hat.
2. Für die Entscheidung, ob die Vollziehbarkeit eines Leistungsentziehungsbescheids eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist maßgebend, ob durch den Vollzug nicht oder kaum wiedergutzumachende persönliche Härten drohen, der Vollzug also z.B. existenzvernichtenden Charakter hat.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 27. August 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (vgl. § 174 Satz 1 1. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (vgl. § 172 Abs. 1 SGG) sowie nach § 173 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Beschwerde ist sachlich aber nicht begründet. Das dem Kläger folgend vom Sozialgericht unzutreffend als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verstandene Begehren geht in Wirklichkeit dahin, dass die aufschiebende Wirkung der Klage wegen des Bescheids vom 28. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2003 sowie des Bescheids vom 26. August 2003 angeordnet wird. Mit dem Bescheid vom 28. Juli 2003 hat das Arbeitsamt H. (ArbA) den Bescheid vom 6. Juni 2003 ab 26. Juli 2003 nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben, die Aufhebung im Widerspruchsbescheid auf die Zeit ab 1. August 2003 beschränkt und durch Bescheid im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 26. August 2003 eine weitere Beschränkung auf die Zeit ab 14. August 2003 vorgenommen. Der Bescheid vom 6. Juni 2003 hatte die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit vom 30. Juni 2003 bis 21. Juli 2004 verfügt; bewilligt waren nach neuer sachlicher Prüfung Übergangsgeld (Übg), Lehrgangs- sowie Reisekosten, wobei sich die Bewilligung entsprechend dem Antrag des Klägers für die Beteiligten ohne weiteres erkennbar auf die Fortsetzung der mit dem Rehabilitationsvorbereitungslehrgang vom 22. Januar bis 28. März 2001 eingeleiteten, am 29. März 2001 begonnen und am 2. Oktober 2002 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beendeten Maßnahme der beruflichen Weiterbildung zum Fachinformatiker, Fachrichtung Systemintegration bezog.
Die wegen der streitbefangenen Bescheide erhobene Anfechtungsklage hat abweichend von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Denn nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, auf welchen § 336a Satz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ausdrücklich verweist, entfällt die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Mit der Entziehung laufender Leistungen ist die auch mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise verfügte Beseitigung von Bescheiden über die Bewilligung von Leistungen gemeint; eine solche Entziehung hat hier das ArbA angeordnet. Damit richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die aufschiebende Wirkung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes [GG]) anzuordnen, wenn bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsentziehungsbescheide bestehen oder deren Vollziehung für den Kläger eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (Senatsbeschluss vom 22. Juli 1996 in Breithaupt 1997, 376 ff. = E-LSG B-076; Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1998 - L 13 AL 2209/98 ER-B - veröffentlicht in Juris). Die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorausgesetzten ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsentziehung bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Juli 1996 und 21. Oktober 1998 a.a.O.). Für die Beurteilung, ob ein Obsiegen des Klägers im Anfechtungsprozess wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen, ist auf die Sach- und Rechtslage bei Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2003 sowie des Bescheids vom 26. August 2003 abzustellen, denn dies ist auch der für die Anfechtungsklage maßgebliche Zeitpunkt.
Dafür, dass an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide keine ernstlichen Zweifel bestehen, sind bei zusammenfassender Würdigung folgende Überlegungen maßgebend: Die Beklagte hat dem Kläger mit dem aufgrund erneuter sachlicher Prüfung ergangenen Bescheid vom 6. Juni 2003 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 97 ff. SGB III i.V.m. den seit 1. Juli 2001 geltenden §§ 33, 44 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) bewilligt. Es kann offen bleiben, ob für die Weiterbewilligung der ab 30. Juni 2003 fortgesetzten Maßnahme das ab 1. Juli 2001 geltende Recht gilt oder, wofür § 422 Abs. 1 SGB III spricht, weiterhin die §§ 97 ff SGB III in der bis 30. Juni 2001 geltenden Fassung maßgebend sind. Denn in beiden Fällen ist Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen für Behinderte (bis 30. Juni 2001: Förderung der beruflichen Eingliederung Behinderter; ab 1. Juli 2001: Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben), die - wie hier - für eine berufliche Weiterbildung gefördert werden (§§ 98 Abs. 1 Nr. 1, 100 Nr. 6 SGB III in der bis 30. Juni 2001 geltenden Fassung, § 109 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. Juli 2001 geltenden Fassung i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX), dass diese das Eingliederungsziel erreichen, also für den konkret angestrebten Beruf geeignet sind und voraussichtlich mit Erfolg an der Bildungsmaßnahme teilnehmen (vgl. § 97 Abs. 2 SGB III, § 109 Abs. 1. Satz 1 SGB III n.F. i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX; zur Eignung und Erfolgsaussicht vgl. auch BSG SozR 3-4100 § 60 Nr. 1, BSG SozR 3-4100 § 36 Nr. 5, BSG, Urteil vom 18. Mai 2000 - B 11 AL 107/99 R - in DBlR 4613 AFG/§ 56). Dass der Kläger über die der Absolvierung der Weiterbildungsmaßnahme und die spätere Berufsausübung benötigten intellektuellen Fähigkeiten verfügt, kann nicht bezweifelt werden und steht fest. Indes sprechen ganz gewichtige Umstände dafür, dass beim Kläger neben dem bekannten Klinefelter-Syndrom seit längerem stark ausgeprägte psychische Störungen und Auffälligkeiten bestehen.
Diese sind bereits am 21. November 1994 von dem den Kläger damals behandelnden Prof. Dr. R., Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik H. eindrucksvoll beschrieben worden. Dieser hat von einem schweren Schulverweigerungssyndrom, welches im weiteren Verlauf der diagnostischen Abklärung noch eine neue Akzentuierung erfahren hatte, berichtet. Danach litt der Kläger an Ängsten vor anderen Menschen und Unsicherheit, sich in der Außenwelt zu behaupten; es bestand eine Schwäche in der sozialen Auseinandersetzung, aufgrund der sich der Kläger in eine Verweigerungshaltung flüchtete. Druck zur Mitarbeit wich er aus; die Motivation des Klägers und seine Belastungsfähigkeit unter psychischem Druck wurden als labil bezeichnet. Mit ursächlich für die psychische Labilität war nach Auffassung von Prof. Dr. R. ein überbehüteter Schonraum der Eltern. An dieser Beurteilung hat sich zur Überzeugung des Senats bis heute wenig oder nichts geändert. Dies zeigt bereits der Verlauf der weiteren von der Beklagten finanzierten Bildungsversuche. Bei einem Förderlehrgang vom 13. März bis Ende September 1995, mit die Motivation, Belastbarkeit und das Durchhaltevermögen gesteigert werden sollten, fiel der Kläger durch häufige Fehlzeiten auf, weshalb er zunächst nur probeweise in die anschließende dreijährige Ausbildung zum technischen Zeichner übernommen wurde; eine psychotherapeutische Betreuung blieb erforderlich. Auch während dieser vom Kläger nicht angenommenen Ausbildung kam es immer wieder zu gesundheitsbedingten Fehlzeiten; die Ausbildung musste wegen gesundheitlicher Probleme vor der Abschlussprüfung zur Stabilisierung des inneren Gleichgewichtes verlängert werden. Nach Erreichen des Ausbildungsziels endete die sodann ab April 1999 ausgeübte Beschäftigung als technischer Zeichner, in der der Kläger durchgehend ab Dezember 1999 arbeitsunfähig krank geschrieben war, im Februar 2000; hierzu bemerkte der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. in seiner Bescheinigung vom 22. September 2000, die Ablehnung des Berufs sei aus der Persönlichkeitsentwicklung mit entsprechenden neurosenspezifischen Daten ausreichend begründet. Ob damit die Rehabilitation schon als gescheitert zu betrachten war, wie die Beklagte zu Gunsten des Klägers angenommen hatte, kann dahinstehen. Jedenfalls konstatierten sowohl Dr. J., das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 21. Juni 2000, aber auch die Stellungnahme der Ärztin Dr. T.-Z. des Berufsförderungswerks H. vom 15. Januar 2001, dass beim Kläger vorrangig eine Somatisierungsstörung besteht, die sich in Befindensstörungen äußert und bei Belastung zunimmt. Dr. T.-Z. hat wegen der Schwere der Symptomatik eine intensive und längerfristig, am besten stationär durchzuführende psychotherapeutische Behandlung für erforderlich gehalten. Erst nach Klärung aller Beschwerden sowie auch konsequenter Behandlung könne über die Frage der vom Kläger erneut beantragten Umschulung entschieden werden. Dennoch ist dem Kläger zunächst ein Rehabilitationsvorbereitungslehrgang vom 22. Januar bis 28. März 2001 und anschließend, obwohl der Kläger es im Vorbereitungslehrgang an der notwendigen Ernsthaftigkeit fehlen ließ, die etwa zweijährige Ausbildung zum Fachinformatiker bewilligt worden. Bei dieser kam es erneut zu sehr vielen Fehlzeiten, die der Kläger jeweils mit Krankheit begründete und die sich zu Beginn der Fachstufe häuften; zu einem aufgrund einer Leistungs- und Entwicklungskonferenz vom 15. Oktober 2001 erstellten Förderplan mit dem vorrangigen Ziel der Verringerung von Fehlzeiten verweigerte der Kläger die Unterschrift. Ab 2. September 2002 schließlich war der Kläger durchgehend krank gemeldet; nachdem er vier Klausuren nicht geschrieben hatte, wurde die Ausbildung aus gesundheitlichen Gründen vorerst beendet. Um ein erneutes Praktikum in der ausbildungsfreien Zeit kümmerte sich der Kläger nicht. Vielmehr wurde, nachdem der behandelnde Arzt Dr. J. (Attest vom 19. November 2002) die volle Belastbarkeit ab 7. Januar 2003 und der Allgemeinmediziner Medizinaldirektor Dr. W. vom ärztlichen Dienst der Beklagten in einer gutachtlichen Äußerung nach Aktenlage vom 3. April 2003 die Ausbildungsfähigkeit des Klägers bejaht hatten, die weitere Fortsetzung der Maßnahme mit den hierfür vorgesehenen Leistungen bewilligt. Nachdem der Kläger bereits am ersten Tag nicht erschienen war, blieb er dem Unterricht ab 15. Juli 2003 fern. Die Krankschreibung durch Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. erfolgte erst am 21. Juli 2003 rückwirkend ab 15. Juli 2003; Dr. G. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit schließlich bis 14. September 2003, wobei er allerdings keine objektiven, die Arbeitsunfähigkeit begründenden krankhaften Befunde, sondern nur nicht belegte Diagnosen mitteilen konnte. Dabei berichtete er von reaktiven Schmerzerlebnissen. Facharzt Dr. J., der keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellte, fand bei der Untersuchung am 12. August 2003 eine akute und depressive Belastungsstörung, eine Affektlabilität sowie eine Neigung zu psychovegetativer Erregung und psychomotorischer Unruhe. Zwar fanden sich in der psychometrischen Testung anlässlich einer am 8. September 2003 vorgenommenen neuropsychologischen Befunderhebung keine Hinweise auf eine erhöhte subjektive Belastung durch depressive und körperliche Symptome, wobei sich der Kläger allerdings wenig aufgeschlossen für die Beurteilung der Fragebögen zeigte, so dass diese Beurteilung nur geringe Aussagekraft hat. Damals teilte der Kläger auch mit, er fühle sich heute verspannt, habe Kopfschmerzen und denke, dass er nicht gut arbeiten könne; er bräuchte die Schule nicht mehr, er könne schon fast alles. Diese bewusst ausführlich gehaltene Verlaufsschilderung zeigt mit beeindruckender Deutlichkeit, dass sich an den von Prof. Dr. R. erhobenen Befunden praktisch nichts geändert hat und diese noch eine eigene Ausprägung im Sinne einer Somatisierungsstörung erfahren haben. Wie schon in der Vergangenheit wird es deshalb aller Voraussicht nach auch in der Zukunft immer wieder zu Befindlichkeitsstörungen kommen, die den Kläger daran hindern, den Unterricht zu besuchen. Ein einigermaßen regelmäßiger Unterrichtsbesuch war schon bei der Bewilligung und ist aller Voraussicht nach auch zukünftig nicht zu erwarten. Soweit Dr. J., möglicherweise auch interessengeleitet, die Auffassung vertreten hat, Ausbildungsfähigkeit liege vor, gibt ihm der bisherige Verlauf nicht recht. Die Beurteilung nach Aktenlage von Dr. W. ist nicht brauchbar, weil sie ganz unkritisch die Beurteilung von Dr. J. übernimmt und nicht alle ärztlichen und psychologischen Beurteilungen berücksichtigt.
Zur Überzeugung des Senats lag also bereits bei der Bewilligung der Leistung am 6. Juni 2003 keine Ausbildungs- und Schulungsfähigkeit, mithin keine Eignung für die ausschließlich in einer Rehabilitationseinrichtung durch schulischen Vollzeitunterricht vermittelte Weiterbildung vor; die von der zuständigen Bediensteten des ArbA schon immer geäußerten Bedenken haben sich als zutreffend herausgestellt. Solange die psychische Labilität und die Somatisierungsstörung nicht vorrangig z. B. durch eine stationäre psychotherapeutische Maßnahme wesentlich gebessert ist, ist der Kläger auch nicht für den Beruf des Fachinformatikers geeignet. Denn die Zielsetzung der beruflichen Rehabilitation, die berufliche Eingliederung des Behinderten in größt möglichem Umfang und auf Dauer zu sichern (vgl. BSG SozR 2200 § 1237 Nr. 6, BSG SozR 4100 § 56 Nr. 8, BSG vom 18. Mai 2000 - B 11 AL 107/99 R - DBlR 4613 AFG/§ 56), erlaubt die Gewährung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation grundsätzlich nur, wenn gerade durch den angestrebten Beruf eine gesundheitliche Gefährdung möglichst vollständig und auf Dauer vermieden wird (BSG vom 18. Mai 2000 a.a.O. m.w.N.). Eine nach § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich mögliche Rücknahme ist von der Beklagten zwar nicht verfügt worden. Eine solche Entscheidung erfordert zunächst die in § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X vorgesehene Interessenabwägung und sodann, weil die Rücknahme im auch tatsächlich auszuübenden Ermessen des Leistungsträgers steht (ständige Rechtsprechung des BSG und des Bundesverwaltungsgerichts [BverwG] vgl. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 39 m.w.N., BverwG Buchholz 436.36 § 20 Nr. 29), eine den Anforderungen von § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X Rechnung tragende Begründung der Ermessensentscheidung. Wegen des Verbotes eine gebundene Entscheidung in eine Ermessensentscheidung umzudeuten (vgl. § 43 Abs. 1 und 3 SGB X; vgl. BSGE 65, 301, 302 m.w.N.), scheidet auch eine Umdeutung in eine Rücknahme nach § 45 SGB X aus.
Es liegt jedoch eine Fallgestaltung vor, bei der wegen einer wesentlichen Änderung die Aufhebung eines von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 48 SGB X erlaubt ist. Eine solche Änderung liegt zwar nicht in der ab 15. Juli 2003 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, denn nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGB III wird Übg auch für die Dauer von bis zu sechs Wochen wegen gesundheitsbedingter Verhinderung an der Teilnahme erbracht; diese Zeitspanne war am 14. August 2003 noch nicht abgelaufen. Die wesentliche Änderung liegt aber darin, dass der Maßnahmeträger den mit dem Kläger am 1. Juli 2003 geschlossenen Rehabilitationsvertrag durch Schreiben vom 25. Juli 2003 außerordentlich zu diesem Zeitpunkt gekündigt hat. Solange der Maßnahmeträger aufgrund dieser Kündigung dem Kläger die Teilnahme am Lehrgang nicht mehr gestattet hat, ist dieser gehindert, an der Weiterbildungsmaßnahme teilzunehmen. Daran ändert nichts, dass die Herausnahme des Klägers aus der Maßnahme vom Maßnahmeträger und dem ArbA gemeinsam verabredet worden ist und jeder die hierfür notwendigen Schritte unternommen hat. Ob der Maßnahmeträger einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages im Sinn von § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (vgl. Bundesarbeitsgericht vom 15. März 1991 - 2 AZR 516/90 - AP Nr. 2 zu § 47 BBiG; zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung vgl. auch BSGE 84, 270, 276) hatte, hat der Senat nicht zu entscheiden; diese Entscheidung ist dem hierfür zuständigen und angerufenen Arbeitsgericht vorbehalten. Änderungen der Sach- und Rechtslage nach dem 14. August 2003 kann und darf der Senat nicht berücksichtigen; ihnen hat allein die Beklagte Rechnung zu tragen. Deshalb ist es auch unerheblich, dass der Maßnahmeträger durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 10. Oktober 2003 im einstweiligen Rechtsschutz verurteilt wurde, dem Kläger vorläufig die Teilnahme am Unterricht bis längstens 31. Oktober 2003 zu gestatten.
Die Vollziehbarkeit des Aufhebungsbescheids vom 28. Juli 2003 hat schließlich für den Kläger auch keine unbillige nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Dieser vornehmlich auf Geldleistungspflichten zugeschnittene selbständige Anordnungsgrund betrifft nur die Fälle, in denen durch den Vollzug nicht oder kaum wieder gutzumachende persönliche Härten drohen, der Vollzug etwa existenzvernichtenden Charakter hat (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen NVwZ-RR 1999, 210, 211 m.w.N., abgedruckt in juris). Davon kann vorliegend keine Rede sein. Zunächst ist die Aufhebung nur für die Dauer der wesentlichen Änderung, nämlich Nichtteilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme wegen der vom Maßnahmeträger ausgesprochenen Kündigung des Rehabilitationsvertrages rechtmäßig. Der Entzug von Leistungen insbesondere des Übg für diese Dauer führt auch nicht zu einer Existenzvernichtung. Der Kläger lebt noch bei seinen Eltern. Diese sind, sofern er seinen Lebensunterhalt nicht durch die von ihm ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit sicher stellen kann, ihm gegenüber zum Unterhalt verpflichtet und hierzu offensichtlich auch fähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (vgl. § 174 Satz 1 1. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (vgl. § 172 Abs. 1 SGG) sowie nach § 173 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Beschwerde ist sachlich aber nicht begründet. Das dem Kläger folgend vom Sozialgericht unzutreffend als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verstandene Begehren geht in Wirklichkeit dahin, dass die aufschiebende Wirkung der Klage wegen des Bescheids vom 28. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2003 sowie des Bescheids vom 26. August 2003 angeordnet wird. Mit dem Bescheid vom 28. Juli 2003 hat das Arbeitsamt H. (ArbA) den Bescheid vom 6. Juni 2003 ab 26. Juli 2003 nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben, die Aufhebung im Widerspruchsbescheid auf die Zeit ab 1. August 2003 beschränkt und durch Bescheid im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 26. August 2003 eine weitere Beschränkung auf die Zeit ab 14. August 2003 vorgenommen. Der Bescheid vom 6. Juni 2003 hatte die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit vom 30. Juni 2003 bis 21. Juli 2004 verfügt; bewilligt waren nach neuer sachlicher Prüfung Übergangsgeld (Übg), Lehrgangs- sowie Reisekosten, wobei sich die Bewilligung entsprechend dem Antrag des Klägers für die Beteiligten ohne weiteres erkennbar auf die Fortsetzung der mit dem Rehabilitationsvorbereitungslehrgang vom 22. Januar bis 28. März 2001 eingeleiteten, am 29. März 2001 begonnen und am 2. Oktober 2002 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beendeten Maßnahme der beruflichen Weiterbildung zum Fachinformatiker, Fachrichtung Systemintegration bezog.
Die wegen der streitbefangenen Bescheide erhobene Anfechtungsklage hat abweichend von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Denn nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, auf welchen § 336a Satz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ausdrücklich verweist, entfällt die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Mit der Entziehung laufender Leistungen ist die auch mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise verfügte Beseitigung von Bescheiden über die Bewilligung von Leistungen gemeint; eine solche Entziehung hat hier das ArbA angeordnet. Damit richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die aufschiebende Wirkung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes [GG]) anzuordnen, wenn bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsentziehungsbescheide bestehen oder deren Vollziehung für den Kläger eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (Senatsbeschluss vom 22. Juli 1996 in Breithaupt 1997, 376 ff. = E-LSG B-076; Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1998 - L 13 AL 2209/98 ER-B - veröffentlicht in Juris). Die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorausgesetzten ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsentziehung bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Juli 1996 und 21. Oktober 1998 a.a.O.). Für die Beurteilung, ob ein Obsiegen des Klägers im Anfechtungsprozess wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen, ist auf die Sach- und Rechtslage bei Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2003 sowie des Bescheids vom 26. August 2003 abzustellen, denn dies ist auch der für die Anfechtungsklage maßgebliche Zeitpunkt.
Dafür, dass an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide keine ernstlichen Zweifel bestehen, sind bei zusammenfassender Würdigung folgende Überlegungen maßgebend: Die Beklagte hat dem Kläger mit dem aufgrund erneuter sachlicher Prüfung ergangenen Bescheid vom 6. Juni 2003 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 97 ff. SGB III i.V.m. den seit 1. Juli 2001 geltenden §§ 33, 44 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) bewilligt. Es kann offen bleiben, ob für die Weiterbewilligung der ab 30. Juni 2003 fortgesetzten Maßnahme das ab 1. Juli 2001 geltende Recht gilt oder, wofür § 422 Abs. 1 SGB III spricht, weiterhin die §§ 97 ff SGB III in der bis 30. Juni 2001 geltenden Fassung maßgebend sind. Denn in beiden Fällen ist Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen für Behinderte (bis 30. Juni 2001: Förderung der beruflichen Eingliederung Behinderter; ab 1. Juli 2001: Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben), die - wie hier - für eine berufliche Weiterbildung gefördert werden (§§ 98 Abs. 1 Nr. 1, 100 Nr. 6 SGB III in der bis 30. Juni 2001 geltenden Fassung, § 109 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. Juli 2001 geltenden Fassung i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX), dass diese das Eingliederungsziel erreichen, also für den konkret angestrebten Beruf geeignet sind und voraussichtlich mit Erfolg an der Bildungsmaßnahme teilnehmen (vgl. § 97 Abs. 2 SGB III, § 109 Abs. 1. Satz 1 SGB III n.F. i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX; zur Eignung und Erfolgsaussicht vgl. auch BSG SozR 3-4100 § 60 Nr. 1, BSG SozR 3-4100 § 36 Nr. 5, BSG, Urteil vom 18. Mai 2000 - B 11 AL 107/99 R - in DBlR 4613 AFG/§ 56). Dass der Kläger über die der Absolvierung der Weiterbildungsmaßnahme und die spätere Berufsausübung benötigten intellektuellen Fähigkeiten verfügt, kann nicht bezweifelt werden und steht fest. Indes sprechen ganz gewichtige Umstände dafür, dass beim Kläger neben dem bekannten Klinefelter-Syndrom seit längerem stark ausgeprägte psychische Störungen und Auffälligkeiten bestehen.
Diese sind bereits am 21. November 1994 von dem den Kläger damals behandelnden Prof. Dr. R., Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik H. eindrucksvoll beschrieben worden. Dieser hat von einem schweren Schulverweigerungssyndrom, welches im weiteren Verlauf der diagnostischen Abklärung noch eine neue Akzentuierung erfahren hatte, berichtet. Danach litt der Kläger an Ängsten vor anderen Menschen und Unsicherheit, sich in der Außenwelt zu behaupten; es bestand eine Schwäche in der sozialen Auseinandersetzung, aufgrund der sich der Kläger in eine Verweigerungshaltung flüchtete. Druck zur Mitarbeit wich er aus; die Motivation des Klägers und seine Belastungsfähigkeit unter psychischem Druck wurden als labil bezeichnet. Mit ursächlich für die psychische Labilität war nach Auffassung von Prof. Dr. R. ein überbehüteter Schonraum der Eltern. An dieser Beurteilung hat sich zur Überzeugung des Senats bis heute wenig oder nichts geändert. Dies zeigt bereits der Verlauf der weiteren von der Beklagten finanzierten Bildungsversuche. Bei einem Förderlehrgang vom 13. März bis Ende September 1995, mit die Motivation, Belastbarkeit und das Durchhaltevermögen gesteigert werden sollten, fiel der Kläger durch häufige Fehlzeiten auf, weshalb er zunächst nur probeweise in die anschließende dreijährige Ausbildung zum technischen Zeichner übernommen wurde; eine psychotherapeutische Betreuung blieb erforderlich. Auch während dieser vom Kläger nicht angenommenen Ausbildung kam es immer wieder zu gesundheitsbedingten Fehlzeiten; die Ausbildung musste wegen gesundheitlicher Probleme vor der Abschlussprüfung zur Stabilisierung des inneren Gleichgewichtes verlängert werden. Nach Erreichen des Ausbildungsziels endete die sodann ab April 1999 ausgeübte Beschäftigung als technischer Zeichner, in der der Kläger durchgehend ab Dezember 1999 arbeitsunfähig krank geschrieben war, im Februar 2000; hierzu bemerkte der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. in seiner Bescheinigung vom 22. September 2000, die Ablehnung des Berufs sei aus der Persönlichkeitsentwicklung mit entsprechenden neurosenspezifischen Daten ausreichend begründet. Ob damit die Rehabilitation schon als gescheitert zu betrachten war, wie die Beklagte zu Gunsten des Klägers angenommen hatte, kann dahinstehen. Jedenfalls konstatierten sowohl Dr. J., das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 21. Juni 2000, aber auch die Stellungnahme der Ärztin Dr. T.-Z. des Berufsförderungswerks H. vom 15. Januar 2001, dass beim Kläger vorrangig eine Somatisierungsstörung besteht, die sich in Befindensstörungen äußert und bei Belastung zunimmt. Dr. T.-Z. hat wegen der Schwere der Symptomatik eine intensive und längerfristig, am besten stationär durchzuführende psychotherapeutische Behandlung für erforderlich gehalten. Erst nach Klärung aller Beschwerden sowie auch konsequenter Behandlung könne über die Frage der vom Kläger erneut beantragten Umschulung entschieden werden. Dennoch ist dem Kläger zunächst ein Rehabilitationsvorbereitungslehrgang vom 22. Januar bis 28. März 2001 und anschließend, obwohl der Kläger es im Vorbereitungslehrgang an der notwendigen Ernsthaftigkeit fehlen ließ, die etwa zweijährige Ausbildung zum Fachinformatiker bewilligt worden. Bei dieser kam es erneut zu sehr vielen Fehlzeiten, die der Kläger jeweils mit Krankheit begründete und die sich zu Beginn der Fachstufe häuften; zu einem aufgrund einer Leistungs- und Entwicklungskonferenz vom 15. Oktober 2001 erstellten Förderplan mit dem vorrangigen Ziel der Verringerung von Fehlzeiten verweigerte der Kläger die Unterschrift. Ab 2. September 2002 schließlich war der Kläger durchgehend krank gemeldet; nachdem er vier Klausuren nicht geschrieben hatte, wurde die Ausbildung aus gesundheitlichen Gründen vorerst beendet. Um ein erneutes Praktikum in der ausbildungsfreien Zeit kümmerte sich der Kläger nicht. Vielmehr wurde, nachdem der behandelnde Arzt Dr. J. (Attest vom 19. November 2002) die volle Belastbarkeit ab 7. Januar 2003 und der Allgemeinmediziner Medizinaldirektor Dr. W. vom ärztlichen Dienst der Beklagten in einer gutachtlichen Äußerung nach Aktenlage vom 3. April 2003 die Ausbildungsfähigkeit des Klägers bejaht hatten, die weitere Fortsetzung der Maßnahme mit den hierfür vorgesehenen Leistungen bewilligt. Nachdem der Kläger bereits am ersten Tag nicht erschienen war, blieb er dem Unterricht ab 15. Juli 2003 fern. Die Krankschreibung durch Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. erfolgte erst am 21. Juli 2003 rückwirkend ab 15. Juli 2003; Dr. G. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit schließlich bis 14. September 2003, wobei er allerdings keine objektiven, die Arbeitsunfähigkeit begründenden krankhaften Befunde, sondern nur nicht belegte Diagnosen mitteilen konnte. Dabei berichtete er von reaktiven Schmerzerlebnissen. Facharzt Dr. J., der keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellte, fand bei der Untersuchung am 12. August 2003 eine akute und depressive Belastungsstörung, eine Affektlabilität sowie eine Neigung zu psychovegetativer Erregung und psychomotorischer Unruhe. Zwar fanden sich in der psychometrischen Testung anlässlich einer am 8. September 2003 vorgenommenen neuropsychologischen Befunderhebung keine Hinweise auf eine erhöhte subjektive Belastung durch depressive und körperliche Symptome, wobei sich der Kläger allerdings wenig aufgeschlossen für die Beurteilung der Fragebögen zeigte, so dass diese Beurteilung nur geringe Aussagekraft hat. Damals teilte der Kläger auch mit, er fühle sich heute verspannt, habe Kopfschmerzen und denke, dass er nicht gut arbeiten könne; er bräuchte die Schule nicht mehr, er könne schon fast alles. Diese bewusst ausführlich gehaltene Verlaufsschilderung zeigt mit beeindruckender Deutlichkeit, dass sich an den von Prof. Dr. R. erhobenen Befunden praktisch nichts geändert hat und diese noch eine eigene Ausprägung im Sinne einer Somatisierungsstörung erfahren haben. Wie schon in der Vergangenheit wird es deshalb aller Voraussicht nach auch in der Zukunft immer wieder zu Befindlichkeitsstörungen kommen, die den Kläger daran hindern, den Unterricht zu besuchen. Ein einigermaßen regelmäßiger Unterrichtsbesuch war schon bei der Bewilligung und ist aller Voraussicht nach auch zukünftig nicht zu erwarten. Soweit Dr. J., möglicherweise auch interessengeleitet, die Auffassung vertreten hat, Ausbildungsfähigkeit liege vor, gibt ihm der bisherige Verlauf nicht recht. Die Beurteilung nach Aktenlage von Dr. W. ist nicht brauchbar, weil sie ganz unkritisch die Beurteilung von Dr. J. übernimmt und nicht alle ärztlichen und psychologischen Beurteilungen berücksichtigt.
Zur Überzeugung des Senats lag also bereits bei der Bewilligung der Leistung am 6. Juni 2003 keine Ausbildungs- und Schulungsfähigkeit, mithin keine Eignung für die ausschließlich in einer Rehabilitationseinrichtung durch schulischen Vollzeitunterricht vermittelte Weiterbildung vor; die von der zuständigen Bediensteten des ArbA schon immer geäußerten Bedenken haben sich als zutreffend herausgestellt. Solange die psychische Labilität und die Somatisierungsstörung nicht vorrangig z. B. durch eine stationäre psychotherapeutische Maßnahme wesentlich gebessert ist, ist der Kläger auch nicht für den Beruf des Fachinformatikers geeignet. Denn die Zielsetzung der beruflichen Rehabilitation, die berufliche Eingliederung des Behinderten in größt möglichem Umfang und auf Dauer zu sichern (vgl. BSG SozR 2200 § 1237 Nr. 6, BSG SozR 4100 § 56 Nr. 8, BSG vom 18. Mai 2000 - B 11 AL 107/99 R - DBlR 4613 AFG/§ 56), erlaubt die Gewährung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation grundsätzlich nur, wenn gerade durch den angestrebten Beruf eine gesundheitliche Gefährdung möglichst vollständig und auf Dauer vermieden wird (BSG vom 18. Mai 2000 a.a.O. m.w.N.). Eine nach § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich mögliche Rücknahme ist von der Beklagten zwar nicht verfügt worden. Eine solche Entscheidung erfordert zunächst die in § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X vorgesehene Interessenabwägung und sodann, weil die Rücknahme im auch tatsächlich auszuübenden Ermessen des Leistungsträgers steht (ständige Rechtsprechung des BSG und des Bundesverwaltungsgerichts [BverwG] vgl. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 39 m.w.N., BverwG Buchholz 436.36 § 20 Nr. 29), eine den Anforderungen von § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X Rechnung tragende Begründung der Ermessensentscheidung. Wegen des Verbotes eine gebundene Entscheidung in eine Ermessensentscheidung umzudeuten (vgl. § 43 Abs. 1 und 3 SGB X; vgl. BSGE 65, 301, 302 m.w.N.), scheidet auch eine Umdeutung in eine Rücknahme nach § 45 SGB X aus.
Es liegt jedoch eine Fallgestaltung vor, bei der wegen einer wesentlichen Änderung die Aufhebung eines von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 48 SGB X erlaubt ist. Eine solche Änderung liegt zwar nicht in der ab 15. Juli 2003 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, denn nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGB III wird Übg auch für die Dauer von bis zu sechs Wochen wegen gesundheitsbedingter Verhinderung an der Teilnahme erbracht; diese Zeitspanne war am 14. August 2003 noch nicht abgelaufen. Die wesentliche Änderung liegt aber darin, dass der Maßnahmeträger den mit dem Kläger am 1. Juli 2003 geschlossenen Rehabilitationsvertrag durch Schreiben vom 25. Juli 2003 außerordentlich zu diesem Zeitpunkt gekündigt hat. Solange der Maßnahmeträger aufgrund dieser Kündigung dem Kläger die Teilnahme am Lehrgang nicht mehr gestattet hat, ist dieser gehindert, an der Weiterbildungsmaßnahme teilzunehmen. Daran ändert nichts, dass die Herausnahme des Klägers aus der Maßnahme vom Maßnahmeträger und dem ArbA gemeinsam verabredet worden ist und jeder die hierfür notwendigen Schritte unternommen hat. Ob der Maßnahmeträger einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages im Sinn von § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (vgl. Bundesarbeitsgericht vom 15. März 1991 - 2 AZR 516/90 - AP Nr. 2 zu § 47 BBiG; zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung vgl. auch BSGE 84, 270, 276) hatte, hat der Senat nicht zu entscheiden; diese Entscheidung ist dem hierfür zuständigen und angerufenen Arbeitsgericht vorbehalten. Änderungen der Sach- und Rechtslage nach dem 14. August 2003 kann und darf der Senat nicht berücksichtigen; ihnen hat allein die Beklagte Rechnung zu tragen. Deshalb ist es auch unerheblich, dass der Maßnahmeträger durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 10. Oktober 2003 im einstweiligen Rechtsschutz verurteilt wurde, dem Kläger vorläufig die Teilnahme am Unterricht bis längstens 31. Oktober 2003 zu gestatten.
Die Vollziehbarkeit des Aufhebungsbescheids vom 28. Juli 2003 hat schließlich für den Kläger auch keine unbillige nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Dieser vornehmlich auf Geldleistungspflichten zugeschnittene selbständige Anordnungsgrund betrifft nur die Fälle, in denen durch den Vollzug nicht oder kaum wieder gutzumachende persönliche Härten drohen, der Vollzug etwa existenzvernichtenden Charakter hat (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen NVwZ-RR 1999, 210, 211 m.w.N., abgedruckt in juris). Davon kann vorliegend keine Rede sein. Zunächst ist die Aufhebung nur für die Dauer der wesentlichen Änderung, nämlich Nichtteilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme wegen der vom Maßnahmeträger ausgesprochenen Kündigung des Rehabilitationsvertrages rechtmäßig. Der Entzug von Leistungen insbesondere des Übg für diese Dauer führt auch nicht zu einer Existenzvernichtung. Der Kläger lebt noch bei seinen Eltern. Diese sind, sofern er seinen Lebensunterhalt nicht durch die von ihm ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit sicher stellen kann, ihm gegenüber zum Unterhalt verpflichtet und hierzu offensichtlich auch fähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved