L 13 RA 3859/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 RA 4823/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 RA 3859/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Greift ein Versicherter die Bewilligung einer stationären Heilbehandlung nur noch mit der isolierten Anfechtungsklage an, weil er keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mehr erstrebt und die Bewilligung deshalb aufgehoben werden soll, ist die isolierte Anfechtungsklage wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse unzulässig.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. September 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt zuletzt nur noch die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer auf Dauer von voraussichtlich 16 Wochen angelegten Maßnahme.

Die 1947 geborene Klägerin hat den Beruf der Rechtsanwaltsgehilfin erlernt. Sie ist derzeit als Sachbearbeiterin beim Sozialamt bei S. beschäftigt. Am 10. April 2000 stellte sie bei der Beklagten den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Beklagte erhob den Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 28. April 2000. Dieser nannte ein Erschöpfungssyndrom, Übergewicht, vasomotorische Rhinitis und Hypercholesterinämie. Es bestehe eine seelische Belastung durch den Beruf, ein schlechtes Betriebsklima wegen Personalabbau und hoher Fluktuation. Außerdem liege ein regelmäßiger Alkoholkonsum "zum Abschalten" vor. Die Beschwerden hätten in den letzten Jahren zugenommen. Mit Bescheid vom 29. Juni 2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab. Der vorliegende Erschöpfungszustand sowie das Übergewicht seien durch geeignete Maßnahmen wie eine ambulante nervenärztliche Behandlung am Wohnort zu beheben. Hiergegen erhob die Klägerin am 28. Juli 2000 Widerspruch. Sie legte eine Kopie des Bescheids des Versorgungsamt S. vom 25. Oktober 1994 vor, das bei ihr mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 als Behinderungen festgestellt hatte: "Sehbehinderung. Funktionsminderung der Wirbelsäule.". Weiter überreichte sie ein Attest des Dr. M. vom 28. August 2000, das u.a. eine Suchtgefährdung durch Alkohol bestätigte und einen Milieuwechsel befürwortete. Es liege ein komplexes Krankheitsbild vor, welches durch Belastung am Arbeitsplatz und im privaten Umfeld bedingt werde. Eine stationäre Maßnahme mit konkreten Hilfen zur Gesundheitsbildung sei erforderlich. Die Beklagte holte das Gutachten der Nervenärztin Dr. O. vom 27. November 2001 ein. Diese stellte einen episodischen Gebrauch von Alkohol ohne Zeichen der körperlichen Abhängigkeit, eine Anpassungsstörung sowie eine sensible alkoholtoxische Polyneuropathie der Arme und Beine fest und schlug eine stationäre Maßnahme außerhalb von Baden-Württemberg vor, die einen Behandlungszeitraum von mindestens sechs Wochen umfassen solle. Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 29. Januar 2001 ab und bewilligte medizinische Leistungen zur Rehabilitation in Form einer Therapie für die Dauer von voraussichtlich 16 Wochen in der Psychosomatischen Fachklinik M. Am 13. Februar 2001 erhob die Klägerin auch gegen diesen Bescheid Widerspruch. Sie könne sich mit einer Maßnahme von maximal sechs Wochen einverstanden erklären. Im Rahmen des von Dr. M. beschriebenen komplexen Krankheitsbildes liege keine Alkoholkrankheit vor; vielmehr bestehe eine Suchtgefährdung. Sie legte den Befundbericht des Orthopäden Dr. E. vom 13. Februar 2001 vor, der die Diagnose "Lumboischialgie" stellte und eine Rehabilitationsmaßnahme als "angeraten" bezeichnete; geeignet sei nach Meinung ihres behandelnden Arztes eine Therapie nach dem Konzept der Hochgrat-Klinik W. Mit Schreiben vom 4. April 2001 legte die Beklagte dar, sie halte eine kürzere als die bewilligte Heilbehandlung nicht für indiziert, da bereits Folgeschäden durch Alkohol bestünden. Deshalb sei eine Entzugsbehandlung erforderlich; die weiteren Beschwerden würden in diesem Zusammenhang adäquat mitbehandelt. Die Klägerin erwiderte, eine Entzugsbehandlung sei nicht erforderlich; die aktuellen Laborwerte belegten, dass eine Abhängigkeit nicht bestehe, daher lehne sie eine Maßnahme wegen Alkoholsucht ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die bewilligte Alkoholentwöhnungsbehandlung sei nach medizinischer Prüfung geeignet und erforderlich, die vorliegenden Erkrankungen zu behandeln. Bei der Schwere und Art der bestehenden Gesundheitsstörungen könne nicht erwartet werden, dass sich durch allgemeine Leistungen zur medizinischer Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit wesentlich bessern werde. Dies sei nur durch eine stationäre Entwöhnungsbehandlung zu erreichen.

Am 18. September 2001 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben. Nachdem die Klage nicht begründet und ein Prozessantrag nicht gestellt worden ist, hat das SG diese nach entsprechendem Hinweis durch Gerichtsbescheid vom 17. September 2002 abgewiesen. Der Beklagten stehe bei der Entscheidung, für welche Dauer Rehabilitationsleistungen zu erbringen seien, grundsätzlich Ermessen zu. Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung lasse Rechtsfehler nicht erkennen. Im Übrigen wird auf den den Bevollmächtigten der Klägerin am 26. September 2002 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid Bezug genommen.

Hiergegen hat die Klägerin am 4. Oktober 2002 schriftlich beim Sozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vortragen lassen, für sie komme eine ambulante Rehabilitation in Betracht, bevor weitergehende medizinische Leistungen stationärer Art notwendig seien. Die Beurteilung der Erfolgswahrscheinlichkeit der Reha-Maßnahme stehe nicht im Ermessen der Beklagten und die angebotene Maßnahme werde voraussichtlich nicht zur Besserung des Gesundheitszustands beitragen. Im Hinblick auf das eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit verneinende ärztliche Attest des Dr. M. vom 20. Juni 2003 und die Untersuchungsbefunde sei es sachgerecht, eine mögliche stationäre Maßnahme auf einen üblichen Zeitraum zu begrenzen. Den zunächst gestellten Antrag nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat die Klägerin nicht weiterverfolgt. Schließlich hat sie ihr Begehren darauf beschränkt, den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bewilligenden Bescheid aufzuheben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. September 2002 sowie den Bescheid vom 29. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. September 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die ausgesprochene Bewilligung und den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage im Termin am 23. Januar 2003 erörtert. Auf deren Antrag ist mit Beschluss vom 23. Januar 2003 das Ruhen des Verfahrens des Verfahrens angeordnet worden. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2003 hat die Klägerin das Verfahren wieder angerufen. Der Prozessbevollmächtigte hat gegenüber dem Senatsvorsitzenden in einem Telefongespräch am 16. September 1003 bestätigt, dass lediglich ein Aufhebungsantrag gestellt werde und die Klägerin derzeit keine medizinischen Leistungen zur Rehabilitation wünsche.

Im Übrigen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten des Versorgungsamts S., die Klageakten des SG (S 3 RA 4823/01) und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin konnte keinen Erfolg haben.

Gegenstand des Verfahrens ist nach der Einschränkung des Antrags im Schriftsatz vom 15. September 2003 nur noch die isolierte Anfechtungsklage mit dem Begehren, den Bewilligungsbescheid vom 29. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. September 2001 aufzuheben. Einen Anspruch auf neue Bescheidung des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verfolgt die Klägerin nicht mehr.

Die Klägerin kann ihr noch maßgebliches Begehren (§ 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) nicht mit der isolierten Anfechtungsklage verfolgen, weil diese unzulässig ist.

Im Verwaltungsverfahren begehrte die Klägerin nach Erlass des eine stationäre Heilbehandlung in der Entwöhnungsabteilung einer Psychosomatischen Fachklinik für voraussichtlich 16 Wochen bewilligenden Bescheides vom 29. Januar 2001, dass die Beklagte ihr eine stationäre Heilbehandlung in Form einer allgemeinen Heilbehandlung von maximal sechs Wochen bewilligen möge, weil bei ihr keine Alkoholentwöhnung angezeigt sei. Dieses im Verwaltungsverfahren erfolglos gebliebene Begehren hat sie sinngemäß im Klageverfahren mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) weiterverfolgt; für eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage war, weil medizinische Leistungen zur Rehabilitation im Ermessen der Beklagten stehen, grundsätzlich kein Raum (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. BSG SozR 2200 § 1236 Nr. 50 m.w.N.; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr. 3, BSG, Urteil vom 21. März 2001 - B 5 RJ 8/00 R - soweit ersichtlich nicht veröffentlicht). Das Verpflichtungsbegehren gab dabei der Klage das Gepräge, so dass wie regelmäßig bei der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Anfechtungsklage selbst keine eigene Bedeutung zu kam (vgl. BSGE 7, 256, 258, 8, 129, 133 Meyer-Ladewig, SGG 7. Auflage § 54 Rz. 43). In Fällen, in denen - wie hier - eine spezielle Klageart zur Verfügung steht, um den Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes geltend zu machen, ist eine isolierte Anfechtungsklage grundsätzlich unzulässig; für diese ist dann nämlich das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen (vgl. BSGE 36, 181, 183, Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 25, 387, 358). Erstrebt die Klägerin keine medizinische Leistungen zur Rehabilitation mehr, geht von dem solche Leistungen bewilligenden Bescheid keine Beschwer mehr aus; eine der Entscheidung des BVerwG in BVerwGE 88, 111, 112 vergleichbare Konstellation liegt nicht vor. Die Klägerin hat ihr Begehren auch nicht auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Deshalb ist nicht darauf einzugehen, ob das für die Zulässigkeit dieser auch bei Erledigung einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegebenen Klage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung vorliegen würde. Hierzu ist schon von der Klägerin nichts vorgetragen worden. Die Klägerin kann im Übrigen die von ihr begehrte Aufhebung des Bescheides vom 29. Januar 2001 auf einfacherem Weg erreichen. Leistungen zur Rehabilitation bedürfen stets der Zustimmung des Versicherten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 des bis 30. Juni 2001 geltenden Gesetzes über die Ausgleichung der Leistungen zur Rehabilitation; § 115 Abs. 4 Satz 1 SGB VI). Wird diese Zustimmung verweigert, ohne dass - wie hier - der Leistungsträger die Teilnahme an der medizinischen Leistung zur Rehabilitation verlangt (vgl. §§ 63, 64 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), wird der Rentenversicherungsträger die Bewilligung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch aufheben; dies ist dem Senat aus anderen Verfahren, an denen die Beklagte beteiligt war, bekannt. Auch hier hat die Beklagte ausweislich des Bescheides vom 29. Januar 2001 eine solche Zustimmung gefordert. Sie wird deshalb, da die Klägerin die Zustimmung verweigert, an der Bewilligung nicht mehr festhalten und diese aufheben. Auf diesen einfacheren Weg ist die Klägerin zu verweisen, so dass auch deshalb für eine Aufhebung durch das Gericht das Rechtschutzbedürfnis fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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