Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 RA 1033/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 RA 2133/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Vorziehen und die Beschleunigung der Altersgrenzenanhebung bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit durch das sog. Gleitegesetz, welche beim Kläger anstelle eines Zugangsfaktors von 0,994 (Abschlag 0,003 mal 2) zu einem Zugangsfaktor von 0,832 (Abschlag von 0,003 mal 56) geführt hat, ist nicht verfassungswidrig. Revision zugelassen (vgl. die vielen beim BSG anhängigen Verfahren u.a. B 4 RA 42/02 R und B 4 RA 64/02 R)
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kon-stanz vom 27. März 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer höheren Altersrente.
Der am 1941 geborene Kläger schloss am 19.1.1996 (bzw. nach der zeitweisen Be-hauptung des Klägers am 19.2.1996) mit seinem Arbeitgeber, der M. Mo. und T. U. F. GmbH, einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 30.6.1999 aufgelöst werden sollte. Der Kläger verpflichtete sich, sich unverzüglich nach dem Ausscheiden beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden und Arbeitslosengeld zu beantragen. Ferner verpflichtete er sich, zum frühestmöglichen Zeitpunkt seinen Anspruch auf vorgezoge-nes Altersruhegeld gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung geltend zu machen. Die M. verpflichtete sich dagegen, zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit und zum Ausgleich ausfallender Rentenjahre Leistungen nach der Richtlinie zur Frühpensionierung vom 23.9.1993 und der Abrechnung vom 17.1.1996 zu gewähren. Diese Vereinbarung wurde unter der Voraussetzung geschlossen, dass die zur Zeit geltenden gesetzlichen Bedingungen bzw. die bereits bekannten Veränderungen auch während der Laufzeit der vertraglichen Vereinba-rung gelten. Sollten gesetzliche Änderungen eintreten, die die wichtigsten Grundlagen dieser Vereinbarung in Frage stellten, könnten beide Seiten eine Änderung unter Aufhebung dieser Vereinbarung verlangen.
Vom 5.7.1998 bis zum 1.8.2000 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und vom 2.8.2000 bis 1.8.2001 Arbeitslosenhilfe.
Am 8.3.2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente ab 1.9.2001.
Mit Bescheid vom 16.8.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1.9.2001 Altersrente we-gen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit in Höhe von DM 2257,93 monatlich (Brut-torente DM 2.448,94 abzüglich der Beitragsanteile für Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 170,20 und DM 20,81). Bei der Rentenberechnung waren 59,4513 Entgelt-punkte (EP) zu berücksichtigen, die sich zusammensetzen aus 55,1938 EP für Beitragszeiten, 2,2500 EP für beitragsfreie Zeiten und 2,0075 zusätzliche EP für beitragsgeminderte Zeiten. Sodann multiplizierte die Bekl. die zu berücksichtigenden EP in Höhe von 59,4513 mit dem Zugangsfaktor 0,832 und errechnete 49,4635 persönliche EP, welche, multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von DM 49,51 den Bruttorentenbetrag von DM 2.448,94 ergaben. Sie führte dazu aus, der Zugangsfaktor 1,000 vermindere sich für jeden Kalendermonat, für den die Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen werde, um 0,003. Die Verminde-rung betrage für 56 Kalendermonate 0,168.
Hiergegen erhob der Kläger am 31.8.2001 Widerspruch, soweit ein Zugangsfaktor von 0,832 ausgewiesen worden sei. Er habe am 19.1.1996 den Aufhebungsvertrag mit der Firma M. ge-schlossen, der eine Arbeitslosigkeit ab dem 1.2.1998 zur Folge gehabt habe. Er bitte daher um Anwendung der Vertrauensschutzregelung.
Mit Schreiben vom 20.11.2001 legte die Beklagte dem Kläger dar, dass die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung gemäß § 237 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) VI bei ihm nicht gegeben seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3.5.2002 wies die Bekl. den Widerspruch des Klägers zurück.
Gegen den am 3.5.2002 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 4.6.2002 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben und vorgetragen, er habe den Auf-hebungsvertrag mit der Firma M. vom 19.2.1996 vor der Veröffentlichung der Gesetzesände-rung am 23.2.1996 unterschrieben. Er bitte daher um Anwendung von § 159 BGB. Da der Beginn des Gesetzes vom 14.2.1996 vor der Veröffentlichung am 23.2.1996 liege, halte er dieses für verfassungswidrig.
Durch Urteil vom 27.3.2003 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 SGB VI seien beim Kläger nicht gegeben. Diese Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Das gewählte Datum vom 14.2.1996 habe dem Datum des dem Gesetzes-entwurf zu Grunde liegenden Eckpunktepapiers entsprochen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 25.4.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.5.2003 beim SG Konstanz Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, durch den Aufhebungsvertrag vom 19.2.1996 (bzw. 19.1.1996) sei belegt, dass er den Vertrag vor dem 23.2.1996 (richtig 23.7.1996) unterschrieben habe. Das bedeute, dass für seine Ent-scheidung die Rechtslage vor dem 14.2.1996 ausschlaggebend gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. März 2003 aufzuhe-ben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2001 in Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Altersrente ohne Verminderung des Zugangsfaktors zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, die Gesetzeslage sei so eindeutig, dass sie sich auf die zutreffenden Ausführun-gen im Urteil des SG berufe.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlie-ßungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. nach Altersteilzeitar-beit unter Berücksichtigung eines höheren Zugangsfaktors hat.
Gemäß dem Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI, wonach die Vorschriften dieses Gesetzbu-ches von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestan-den hat, richtet sich der Rentenanspruch des Klägers nach der Vorschrift des § 237 SGB VI (i. d. F. des Art. 3 des Gesetzes vom 27.6.2000, BGBl I 910) in der vom 1.7.2000 bis 31.12.2001 geltenden Fassung. Denn der Kläger hat mit Vollendung des 60. Lebensjahres am 31.8.2001 die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Al-tersteilzeit gemäß § 237 Abs. 1 SGB VI erfüllt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Gemäß § 237 Abs. 3 SGB VI wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruch-nahme der Altersrente bestimmen sich nach Anlage 19. Danach ergibt sich für den nach dem 31.12.1936, nämlich am 1941, geborenen Kläger eine Anhebung der Altersgrenze für die Al-tersrente wegen Arbeitslosigkeit um 56 Monate auf 64 Jahre und 8 Monate, wobei eine Inan-spruchnahme ab dem 60. Lebensjahr möglich ist. Diese führt jedoch dazu, dass der Zugangs-faktor bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Ka-lendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 ist (§ 77 Abs. 1 und 2 Nr. 2a SGB VI). Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente um 56 Monate führt beim Kläger zu einer Verminderung von 0,168 (0,003 x 56) und damit zu dem von der Beklagten zutreffend zugrundegelegten Zugangsfaktor 0,832.
Die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 237 Abs. 4 SGB VI liegen beim Kläger nicht vor, wie die Beklagte dem Kläger im Einzelnen mit Schreiben vom 20.11.2001 und im Widerspruchsbescheid dargelegt hat. Die am ehesten in Betracht kommende Regelung (§ 237 Abs. 4 Nr. 1b) besagt: Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit wird für Versicherte, die 1. bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und b) deren Arbeitsverhältnis auf Grund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und die daran anschließend arbeitslos geworden sind oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, gemäß der nachfolgenden Tabelle angehoben. Bei Anwendung dieser Vorschrift würde sich für den Kläger eine Anhebung der Altersgrenze um lediglich zwei Monate auf 60 Jahre und 2 Monate und dementsprechend ein höherer Zu-gangsfaktor ergeben.
Die Anwendung dieser Alternative scheitert aber schon daran, dass der Kläger erst nach dem 14. Februar 1941 geboren ist, weswegen dahinstehen kann, ob der Aufhebungsvertrag am 19.1.1996 (Unterschrift M.) oder am 19.2.1996 (wie vom Kläger behauptet) geschlossen wor-den ist.
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger den Aufhebungsvertrag vom 19.1.1996 zu einem Zeitpunkt abgeschlossen hat, zu dem er mit einer derartigen Anhebung der Altersgrenze bei Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit nicht rechnen musste. Zu diesem Zeit-punkt galt die Vorschrift des § 41 Abs. 1 SGB VI über die zum 1.1.1992 eingeführte stufen-weise Anhebung und Flexibilisierung der Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren, wonach die Altersgrenze von 60 Jahren für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI in der damaligen Fassung) für Versicherte, die nach dem 31.12.1940 geboren sind, angehoben wur-de und sich für den Kläger mit Geburtsmonat A. und Geburtsjahr 1941 eine Anhebung der Altersgrenze von zwei Monaten auf 60 Jahre und 2 Monate ergeben hätte. Entgegen diesem ursprünglichen Zeitplan sah sich der Gesetzgeber veranlasst, die Anhebung der Altersgrenzen durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 (sog. Gleitegesetz BGBl I, 1078) und durch das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Ar-beitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25. Septem-ber 1996 (BGBl. I, 1461) zu beschleunigen, um einer massiv einsetzenden Frühverrentung von Männern über die Altersrente für Arbeitslosigkeit entgegen zu treten. Von 1990 bis 1997 hatte sich bei steigendem Rentenzugang bei den Altersrenten der Männer der Anteil der Al-tersrenten wegen Arbeitslosigkeit von 21,3,% auf 39,4% fast verdoppelt (vgl. Köhler: Rente mit 60 Jahren für alle? In DangVers 3/99 S. 124). Dabei erweiterte der Gesetzgeber die Anhe-bung der Altersgrenze bei der Altersrente für Arbeitslosigkeit auf Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind (§ 41 Abs. 1a SGB VI i.d.F. des Gleitegesetzes) und über-nahm die bisherige Regelung des § 41 SGB VI als Übergangsregelung in den § 237 Abs. 2 SGB VI i.d.F. des Gleitegesetzes nur noch für Versicherte, die vor dem 14. Februar 1941 ge-boren sind und die am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder deren Arbeitsverhältnis auf-grund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und die anschließend arbeitslos geworden sind. Mithin wird nur für Versicherte, die am 14.2.1996 ihr 55. Lebensjahr vollendet hatten, die Anhebung der Altersgrenze noch entsprechend dem am 31.7.1996 geltenden Recht durchge-führt (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar (Stand Februar 1997) § 41 SGB VI Anm. 5 ).
Soweit der Kläger geltend macht, es sei verfassungswidrig, dass die Übergangsvorschrift an dem 14.2.1996 anknüpfe, obwohl das Gleitegesetz erst am 1.8.1996 in Kraft getreten sei, hat dieses Vorbringen für seinen Fall keine Bedeutung. Auch wenn unterstellt wird, dass die Ü-bergangsvorschrift aus verfassungsrechtlichen Gründen an den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gleitegesetzes hätte anknüpfen und somit die Versicherten umfassen müssen, die am 31.7.1996 das 55. Lebensjahr vollendet hatten, würde dies dem am 1941 geborenen Kläger nicht helfen.
Der Senat ist übereinstimmend mit dem SG der Auffassung, dass § 237 SGB VI nicht verfas-sungswidrig ist.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) liegt nicht vor.
Zwar ist im Falle des Klägers festzustellen, dass er im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gleite-gesetzes am 1.8.1996 nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf allein durch die Beitrags-zeiten (ohne Berücksichtigung von zusätzlichen EP für beitragsgeminderte Zeiten und die EP für beitragsfreie Zeiten) 49,5230 EP erworben hatte (55,1938 EP für 462 Monate Beitragszeit abzüglich der auf die Monate 8/96 bis 8/01 entfallenden EP in Höhe von insgesamt 5,6708 EP) und damit mehr als die der Rentenberechnung zugrunde gelegten persönlichen Entgelt-punkte in Höhe von 49,4635. Auch unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichts Ansprüche auf Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung so-wie Rentenanwartschaften dem Schutz der Eigentumsgarantie. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Rentenversicherungsansprüche und -anwartschaften einen ausgeprägten sozialen Bezug aufweisen. Sie sind Bestandteil eines Leistungssystems, in dem sich die Berechtigung des einzelnen "Eigentümers" nicht von den Rechten und Pflichten anderer lösen lässt. Sie ist vielmehr eingefügt in einen Gesamtzusammenhang, der auf dem Gedanken der Solidarge-meinschaft und des Generationenvertrages beruht. Hieraus folgt, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zusteht. Dies gilt im besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Renten-versicherungen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Ren-tenansprüche und -anwartschaften zu beschränken, sofern dies dem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dabei müssen die Eingriffe zum Erreichen des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn unzumutbar sein. Allerdings verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenansprüche oder -anwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind. Insoweit entspricht der Höhe dieses Anteils ein erhöhter verfassungsrechtlicher Schutz: An die Rechtfertigung eines Eingriffs sind strengere Anforderungen zu stellen als an die Änderung einer Rechtslage, die mit der eigenen Leistung des Versicherten nichts zu tun habe (vgl. BVerfGE 53, 257, 289 ff.).
Diesen strengeren Anforderungen genügen die im Gleitegesetz eingeführten gesetzgeberi-schen Maßnahmen. Die durch dieses Gesetz bewirkte Vorziehung und Beschleunigung der Altersgrenzenanhebung bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit diente dazu, der - wie darge-legt - erheblichen Ausweitung der Frühverrentungspraxis in der ersten Hälfte der 90er Jahren entgegenzuwirken. Durch diese Art der betrieblichen Personalanpassung wurden die gesetzli-che Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung mit Kosten belastet, die letztlich nur über höhere Beitragssätze zu finanzieren sind. Da die Frühverrentungspraxis dem Wirt-schaftsstandort Deutschland schadete und die künftige Finanzierbarkeit der sozialen Siche-rungssysteme gefährdet war, war schnelles Handeln geboten (BR Drucks. 208/96). Die Über-gangsregelung war im Hinblick auf das beabsichtigte und auch tatsächliche "schnellere Han-deln" (Beschluss des Bundeskabinetts am 14.2.1996, Verkündung des Gesetzes am 29.7.1996, Inkrafttreten am 1.8.1996) geschaffen worden. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den 14.2.1996 als Stichtag gewählt hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das BVerfG hat vielmehr in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Bestimmung von Stichta-gen für das Inkrafttreten belastender Regelungen bzw. für das Entfallen von Vergünstigungen grundsätzlich erlaubt sei, obwohl jeder Stichtag für bestimmte Personengruppen unvermeid-lich gewisse Härten mit sich bringe. Voraussetzung für die zulässige Bestimmung eines Stich-tags sei allerdings, dass sich seine Wahl am vorgegebenen Sachverhalt orientiert. Dies war vorliegend der Fall, da der Kabinettsbeschluss vom 14.2.1996 datiert, Personen von der Über-gangsregelung erfasst werden, die am Stichtag 55 Jahre und älter waren und es das Anliegen des Gesetzgebers im Interesse der Allgemeinheit war, so schnell wie möglich das System der gesetzlichen Rentenversicherung finanziell zu entlasten und weitere Dispositionen zu Lasten der Rentenversicherung zu verhindern (vgl. Binne in Deutsche Rentenversicherung 1996, Seite 145, 154). Die Anknüpfung an die Vollendung des 55. Lebensjahres entspricht der be-sonderen Schutzwürdigkeit der Rechtsposition eines Versicherten nach Erfüllung der Warte-zeit und mit Vollendung des 55. Lebensjahres, welche sich nach der Auffassung des 4. Senats des BSG (vgl. Vorlagebeschlüsse vom 16.12.1999 - u.a. B 4 RA 11/99 R und B 4 RA 18/99 R) als vermögenswertes Anwartschaftsrecht so verfestigt hat, dass es dem Vollrecht bei Leis-tungsbeginn gleichzustellen ist.
Im übrigen hat das Gleitegesetz auch für die nicht von der Vertrauensschutzregelung Begünstigten eine Ausgleichsmöglichkeit für die durch das Vorziehen der Altersgrenzenanhebung entstandenen Zahlbetragsminderungen vorgesehen, und zwar in der umfangreichen und detaillierten Regelung des § 187a SGB VI. Durch diese Regelung wird es den Betroffenen gestattet, durch Zahlung zusätzlicher Beiträge den Rentenzahlbetrag (ausgleichend) zu erhöhen und damit der zahlbetragssenkenden Wirkung entgegen zu steuern. Dabei war der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Betroffenen ihnen gezahlte Abfindungen zur Beitragsleistung einsetzen würden (vgl. hierzu Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. 6 2002 - L 1 RA 239/01, juris.doc).
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, da die Wahl des Stichtags - wie oben darge-stellt - sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfGE 58, 81, 126).
Die Regelung verstößt auch nicht gegen Art. 20 GG und insbesondere nicht gegen das Rück-wirkungsverbot. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl. BVerfGE 72, 175, 196). Dies ist in Bezug auf den Kläger nicht der Fall. Er bezieht Rente erst ab 1.9.2001. Die gesetzlichen Änderungen datieren schon vom 23.7.1996 und 25.9.1996. Ein Anspruch darauf, dass Gesetze unverändert bleiben und sich Rentenansprüche und Rentenanwartschaften nicht vermindern bzw. Hoffnungen und Chancen nicht enttäuscht werden, lässt sich aus der Verfas-sung nicht ableiten.
Im übrigen ist in § 5 des Aufhebungsvertrages auch an Gesetzesänderungen gedacht und ge-regelt worden, dass dann, wenn gesetzliche Änderungen eintreten, die die wichtigsten Grund-lagen der Vereinbarung in Frage stellen könnten, von beiden Seiten eine Aufhebung oder Än-derung der Vereinbarung verlangt werden könne.
Nach alledem ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelas-sen. Beim Bundessozialgericht sind in den drei für die Rentenversicherung zuständigen Sena-ten mehrere Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Vorziehens und der Beschleunigung der Altersgrenzenanhebung durch das Gleitegesetz und zur Verfassungsmäßigkeit der Stichtags-regelung (14.2.1996) anhängig (u.a. B 4 RA 42/02 R und B 4 RA 64/02 R). Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert wurde, kann der Kläger für den Fall, dass er ein Revisi-onsverfahren selber nicht betreiben will oder kann, seine Rechte bis zu den Entscheidungen des Bundessozialgerichts dadurch wahren, dass er bei der Beklagten umgehend einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 16.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2002 gemäß § 44 SGB X stellt und die Beklagte bittet, das Verfahren bis zu den Ent-scheidungen des Bundessozialgerichts ruhen zu lassen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer höheren Altersrente.
Der am 1941 geborene Kläger schloss am 19.1.1996 (bzw. nach der zeitweisen Be-hauptung des Klägers am 19.2.1996) mit seinem Arbeitgeber, der M. Mo. und T. U. F. GmbH, einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 30.6.1999 aufgelöst werden sollte. Der Kläger verpflichtete sich, sich unverzüglich nach dem Ausscheiden beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden und Arbeitslosengeld zu beantragen. Ferner verpflichtete er sich, zum frühestmöglichen Zeitpunkt seinen Anspruch auf vorgezoge-nes Altersruhegeld gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung geltend zu machen. Die M. verpflichtete sich dagegen, zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit und zum Ausgleich ausfallender Rentenjahre Leistungen nach der Richtlinie zur Frühpensionierung vom 23.9.1993 und der Abrechnung vom 17.1.1996 zu gewähren. Diese Vereinbarung wurde unter der Voraussetzung geschlossen, dass die zur Zeit geltenden gesetzlichen Bedingungen bzw. die bereits bekannten Veränderungen auch während der Laufzeit der vertraglichen Vereinba-rung gelten. Sollten gesetzliche Änderungen eintreten, die die wichtigsten Grundlagen dieser Vereinbarung in Frage stellten, könnten beide Seiten eine Änderung unter Aufhebung dieser Vereinbarung verlangen.
Vom 5.7.1998 bis zum 1.8.2000 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und vom 2.8.2000 bis 1.8.2001 Arbeitslosenhilfe.
Am 8.3.2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente ab 1.9.2001.
Mit Bescheid vom 16.8.2001 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1.9.2001 Altersrente we-gen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit in Höhe von DM 2257,93 monatlich (Brut-torente DM 2.448,94 abzüglich der Beitragsanteile für Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 170,20 und DM 20,81). Bei der Rentenberechnung waren 59,4513 Entgelt-punkte (EP) zu berücksichtigen, die sich zusammensetzen aus 55,1938 EP für Beitragszeiten, 2,2500 EP für beitragsfreie Zeiten und 2,0075 zusätzliche EP für beitragsgeminderte Zeiten. Sodann multiplizierte die Bekl. die zu berücksichtigenden EP in Höhe von 59,4513 mit dem Zugangsfaktor 0,832 und errechnete 49,4635 persönliche EP, welche, multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von DM 49,51 den Bruttorentenbetrag von DM 2.448,94 ergaben. Sie führte dazu aus, der Zugangsfaktor 1,000 vermindere sich für jeden Kalendermonat, für den die Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen werde, um 0,003. Die Verminde-rung betrage für 56 Kalendermonate 0,168.
Hiergegen erhob der Kläger am 31.8.2001 Widerspruch, soweit ein Zugangsfaktor von 0,832 ausgewiesen worden sei. Er habe am 19.1.1996 den Aufhebungsvertrag mit der Firma M. ge-schlossen, der eine Arbeitslosigkeit ab dem 1.2.1998 zur Folge gehabt habe. Er bitte daher um Anwendung der Vertrauensschutzregelung.
Mit Schreiben vom 20.11.2001 legte die Beklagte dem Kläger dar, dass die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung gemäß § 237 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) VI bei ihm nicht gegeben seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3.5.2002 wies die Bekl. den Widerspruch des Klägers zurück.
Gegen den am 3.5.2002 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 4.6.2002 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben und vorgetragen, er habe den Auf-hebungsvertrag mit der Firma M. vom 19.2.1996 vor der Veröffentlichung der Gesetzesände-rung am 23.2.1996 unterschrieben. Er bitte daher um Anwendung von § 159 BGB. Da der Beginn des Gesetzes vom 14.2.1996 vor der Veröffentlichung am 23.2.1996 liege, halte er dieses für verfassungswidrig.
Durch Urteil vom 27.3.2003 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 SGB VI seien beim Kläger nicht gegeben. Diese Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Das gewählte Datum vom 14.2.1996 habe dem Datum des dem Gesetzes-entwurf zu Grunde liegenden Eckpunktepapiers entsprochen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 25.4.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.5.2003 beim SG Konstanz Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, durch den Aufhebungsvertrag vom 19.2.1996 (bzw. 19.1.1996) sei belegt, dass er den Vertrag vor dem 23.2.1996 (richtig 23.7.1996) unterschrieben habe. Das bedeute, dass für seine Ent-scheidung die Rechtslage vor dem 14.2.1996 ausschlaggebend gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. März 2003 aufzuhe-ben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2001 in Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Altersrente ohne Verminderung des Zugangsfaktors zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, die Gesetzeslage sei so eindeutig, dass sie sich auf die zutreffenden Ausführun-gen im Urteil des SG berufe.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlie-ßungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. nach Altersteilzeitar-beit unter Berücksichtigung eines höheren Zugangsfaktors hat.
Gemäß dem Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI, wonach die Vorschriften dieses Gesetzbu-ches von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestan-den hat, richtet sich der Rentenanspruch des Klägers nach der Vorschrift des § 237 SGB VI (i. d. F. des Art. 3 des Gesetzes vom 27.6.2000, BGBl I 910) in der vom 1.7.2000 bis 31.12.2001 geltenden Fassung. Denn der Kläger hat mit Vollendung des 60. Lebensjahres am 31.8.2001 die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Al-tersteilzeit gemäß § 237 Abs. 1 SGB VI erfüllt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Gemäß § 237 Abs. 3 SGB VI wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruch-nahme der Altersrente bestimmen sich nach Anlage 19. Danach ergibt sich für den nach dem 31.12.1936, nämlich am 1941, geborenen Kläger eine Anhebung der Altersgrenze für die Al-tersrente wegen Arbeitslosigkeit um 56 Monate auf 64 Jahre und 8 Monate, wobei eine Inan-spruchnahme ab dem 60. Lebensjahr möglich ist. Diese führt jedoch dazu, dass der Zugangs-faktor bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Ka-lendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 ist (§ 77 Abs. 1 und 2 Nr. 2a SGB VI). Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente um 56 Monate führt beim Kläger zu einer Verminderung von 0,168 (0,003 x 56) und damit zu dem von der Beklagten zutreffend zugrundegelegten Zugangsfaktor 0,832.
Die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 237 Abs. 4 SGB VI liegen beim Kläger nicht vor, wie die Beklagte dem Kläger im Einzelnen mit Schreiben vom 20.11.2001 und im Widerspruchsbescheid dargelegt hat. Die am ehesten in Betracht kommende Regelung (§ 237 Abs. 4 Nr. 1b) besagt: Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit wird für Versicherte, die 1. bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und b) deren Arbeitsverhältnis auf Grund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und die daran anschließend arbeitslos geworden sind oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, gemäß der nachfolgenden Tabelle angehoben. Bei Anwendung dieser Vorschrift würde sich für den Kläger eine Anhebung der Altersgrenze um lediglich zwei Monate auf 60 Jahre und 2 Monate und dementsprechend ein höherer Zu-gangsfaktor ergeben.
Die Anwendung dieser Alternative scheitert aber schon daran, dass der Kläger erst nach dem 14. Februar 1941 geboren ist, weswegen dahinstehen kann, ob der Aufhebungsvertrag am 19.1.1996 (Unterschrift M.) oder am 19.2.1996 (wie vom Kläger behauptet) geschlossen wor-den ist.
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger den Aufhebungsvertrag vom 19.1.1996 zu einem Zeitpunkt abgeschlossen hat, zu dem er mit einer derartigen Anhebung der Altersgrenze bei Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit nicht rechnen musste. Zu diesem Zeit-punkt galt die Vorschrift des § 41 Abs. 1 SGB VI über die zum 1.1.1992 eingeführte stufen-weise Anhebung und Flexibilisierung der Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren, wonach die Altersgrenze von 60 Jahren für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI in der damaligen Fassung) für Versicherte, die nach dem 31.12.1940 geboren sind, angehoben wur-de und sich für den Kläger mit Geburtsmonat A. und Geburtsjahr 1941 eine Anhebung der Altersgrenze von zwei Monaten auf 60 Jahre und 2 Monate ergeben hätte. Entgegen diesem ursprünglichen Zeitplan sah sich der Gesetzgeber veranlasst, die Anhebung der Altersgrenzen durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 (sog. Gleitegesetz BGBl I, 1078) und durch das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Ar-beitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25. Septem-ber 1996 (BGBl. I, 1461) zu beschleunigen, um einer massiv einsetzenden Frühverrentung von Männern über die Altersrente für Arbeitslosigkeit entgegen zu treten. Von 1990 bis 1997 hatte sich bei steigendem Rentenzugang bei den Altersrenten der Männer der Anteil der Al-tersrenten wegen Arbeitslosigkeit von 21,3,% auf 39,4% fast verdoppelt (vgl. Köhler: Rente mit 60 Jahren für alle? In DangVers 3/99 S. 124). Dabei erweiterte der Gesetzgeber die Anhe-bung der Altersgrenze bei der Altersrente für Arbeitslosigkeit auf Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind (§ 41 Abs. 1a SGB VI i.d.F. des Gleitegesetzes) und über-nahm die bisherige Regelung des § 41 SGB VI als Übergangsregelung in den § 237 Abs. 2 SGB VI i.d.F. des Gleitegesetzes nur noch für Versicherte, die vor dem 14. Februar 1941 ge-boren sind und die am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder deren Arbeitsverhältnis auf-grund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und die anschließend arbeitslos geworden sind. Mithin wird nur für Versicherte, die am 14.2.1996 ihr 55. Lebensjahr vollendet hatten, die Anhebung der Altersgrenze noch entsprechend dem am 31.7.1996 geltenden Recht durchge-führt (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar (Stand Februar 1997) § 41 SGB VI Anm. 5 ).
Soweit der Kläger geltend macht, es sei verfassungswidrig, dass die Übergangsvorschrift an dem 14.2.1996 anknüpfe, obwohl das Gleitegesetz erst am 1.8.1996 in Kraft getreten sei, hat dieses Vorbringen für seinen Fall keine Bedeutung. Auch wenn unterstellt wird, dass die Ü-bergangsvorschrift aus verfassungsrechtlichen Gründen an den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gleitegesetzes hätte anknüpfen und somit die Versicherten umfassen müssen, die am 31.7.1996 das 55. Lebensjahr vollendet hatten, würde dies dem am 1941 geborenen Kläger nicht helfen.
Der Senat ist übereinstimmend mit dem SG der Auffassung, dass § 237 SGB VI nicht verfas-sungswidrig ist.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) liegt nicht vor.
Zwar ist im Falle des Klägers festzustellen, dass er im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gleite-gesetzes am 1.8.1996 nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf allein durch die Beitrags-zeiten (ohne Berücksichtigung von zusätzlichen EP für beitragsgeminderte Zeiten und die EP für beitragsfreie Zeiten) 49,5230 EP erworben hatte (55,1938 EP für 462 Monate Beitragszeit abzüglich der auf die Monate 8/96 bis 8/01 entfallenden EP in Höhe von insgesamt 5,6708 EP) und damit mehr als die der Rentenberechnung zugrunde gelegten persönlichen Entgelt-punkte in Höhe von 49,4635. Auch unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichts Ansprüche auf Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung so-wie Rentenanwartschaften dem Schutz der Eigentumsgarantie. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Rentenversicherungsansprüche und -anwartschaften einen ausgeprägten sozialen Bezug aufweisen. Sie sind Bestandteil eines Leistungssystems, in dem sich die Berechtigung des einzelnen "Eigentümers" nicht von den Rechten und Pflichten anderer lösen lässt. Sie ist vielmehr eingefügt in einen Gesamtzusammenhang, der auf dem Gedanken der Solidarge-meinschaft und des Generationenvertrages beruht. Hieraus folgt, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zusteht. Dies gilt im besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Renten-versicherungen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Ren-tenansprüche und -anwartschaften zu beschränken, sofern dies dem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dabei müssen die Eingriffe zum Erreichen des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn unzumutbar sein. Allerdings verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenansprüche oder -anwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind. Insoweit entspricht der Höhe dieses Anteils ein erhöhter verfassungsrechtlicher Schutz: An die Rechtfertigung eines Eingriffs sind strengere Anforderungen zu stellen als an die Änderung einer Rechtslage, die mit der eigenen Leistung des Versicherten nichts zu tun habe (vgl. BVerfGE 53, 257, 289 ff.).
Diesen strengeren Anforderungen genügen die im Gleitegesetz eingeführten gesetzgeberi-schen Maßnahmen. Die durch dieses Gesetz bewirkte Vorziehung und Beschleunigung der Altersgrenzenanhebung bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit diente dazu, der - wie darge-legt - erheblichen Ausweitung der Frühverrentungspraxis in der ersten Hälfte der 90er Jahren entgegenzuwirken. Durch diese Art der betrieblichen Personalanpassung wurden die gesetzli-che Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung mit Kosten belastet, die letztlich nur über höhere Beitragssätze zu finanzieren sind. Da die Frühverrentungspraxis dem Wirt-schaftsstandort Deutschland schadete und die künftige Finanzierbarkeit der sozialen Siche-rungssysteme gefährdet war, war schnelles Handeln geboten (BR Drucks. 208/96). Die Über-gangsregelung war im Hinblick auf das beabsichtigte und auch tatsächliche "schnellere Han-deln" (Beschluss des Bundeskabinetts am 14.2.1996, Verkündung des Gesetzes am 29.7.1996, Inkrafttreten am 1.8.1996) geschaffen worden. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den 14.2.1996 als Stichtag gewählt hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das BVerfG hat vielmehr in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Bestimmung von Stichta-gen für das Inkrafttreten belastender Regelungen bzw. für das Entfallen von Vergünstigungen grundsätzlich erlaubt sei, obwohl jeder Stichtag für bestimmte Personengruppen unvermeid-lich gewisse Härten mit sich bringe. Voraussetzung für die zulässige Bestimmung eines Stich-tags sei allerdings, dass sich seine Wahl am vorgegebenen Sachverhalt orientiert. Dies war vorliegend der Fall, da der Kabinettsbeschluss vom 14.2.1996 datiert, Personen von der Über-gangsregelung erfasst werden, die am Stichtag 55 Jahre und älter waren und es das Anliegen des Gesetzgebers im Interesse der Allgemeinheit war, so schnell wie möglich das System der gesetzlichen Rentenversicherung finanziell zu entlasten und weitere Dispositionen zu Lasten der Rentenversicherung zu verhindern (vgl. Binne in Deutsche Rentenversicherung 1996, Seite 145, 154). Die Anknüpfung an die Vollendung des 55. Lebensjahres entspricht der be-sonderen Schutzwürdigkeit der Rechtsposition eines Versicherten nach Erfüllung der Warte-zeit und mit Vollendung des 55. Lebensjahres, welche sich nach der Auffassung des 4. Senats des BSG (vgl. Vorlagebeschlüsse vom 16.12.1999 - u.a. B 4 RA 11/99 R und B 4 RA 18/99 R) als vermögenswertes Anwartschaftsrecht so verfestigt hat, dass es dem Vollrecht bei Leis-tungsbeginn gleichzustellen ist.
Im übrigen hat das Gleitegesetz auch für die nicht von der Vertrauensschutzregelung Begünstigten eine Ausgleichsmöglichkeit für die durch das Vorziehen der Altersgrenzenanhebung entstandenen Zahlbetragsminderungen vorgesehen, und zwar in der umfangreichen und detaillierten Regelung des § 187a SGB VI. Durch diese Regelung wird es den Betroffenen gestattet, durch Zahlung zusätzlicher Beiträge den Rentenzahlbetrag (ausgleichend) zu erhöhen und damit der zahlbetragssenkenden Wirkung entgegen zu steuern. Dabei war der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Betroffenen ihnen gezahlte Abfindungen zur Beitragsleistung einsetzen würden (vgl. hierzu Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. 6 2002 - L 1 RA 239/01, juris.doc).
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, da die Wahl des Stichtags - wie oben darge-stellt - sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfGE 58, 81, 126).
Die Regelung verstößt auch nicht gegen Art. 20 GG und insbesondere nicht gegen das Rück-wirkungsverbot. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl. BVerfGE 72, 175, 196). Dies ist in Bezug auf den Kläger nicht der Fall. Er bezieht Rente erst ab 1.9.2001. Die gesetzlichen Änderungen datieren schon vom 23.7.1996 und 25.9.1996. Ein Anspruch darauf, dass Gesetze unverändert bleiben und sich Rentenansprüche und Rentenanwartschaften nicht vermindern bzw. Hoffnungen und Chancen nicht enttäuscht werden, lässt sich aus der Verfas-sung nicht ableiten.
Im übrigen ist in § 5 des Aufhebungsvertrages auch an Gesetzesänderungen gedacht und ge-regelt worden, dass dann, wenn gesetzliche Änderungen eintreten, die die wichtigsten Grund-lagen der Vereinbarung in Frage stellen könnten, von beiden Seiten eine Aufhebung oder Än-derung der Vereinbarung verlangt werden könne.
Nach alledem ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelas-sen. Beim Bundessozialgericht sind in den drei für die Rentenversicherung zuständigen Sena-ten mehrere Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Vorziehens und der Beschleunigung der Altersgrenzenanhebung durch das Gleitegesetz und zur Verfassungsmäßigkeit der Stichtags-regelung (14.2.1996) anhängig (u.a. B 4 RA 42/02 R und B 4 RA 64/02 R). Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert wurde, kann der Kläger für den Fall, dass er ein Revisi-onsverfahren selber nicht betreiben will oder kann, seine Rechte bis zu den Entscheidungen des Bundessozialgerichts dadurch wahren, dass er bei der Beklagten umgehend einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 16.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2002 gemäß § 44 SGB X stellt und die Beklagte bittet, das Verfahren bis zu den Ent-scheidungen des Bundessozialgerichts ruhen zu lassen.
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