L 4 (2) U 4/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 148/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 (2) U 4/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.11.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls über den Januar 2000 hinaus.

Der am 00.00.1950 geborene Kläger marokkanischer Staatsangehörigkeit erlitt während seiner Beschäftigung als Kranführer am 21.01.1999 gegen 16:00 Uhr einen Arbeitsunfall. Ihm fiel ein Kalksandsteinbrocken auf den rechten Fuß (Unfallanzeige vom 27.01.1999). Am nächsten Tag um 09:00 Uhr bzw. 10:42 Uhr stellte er sich bei dem Arzt für Orthopädie Dr. B vor. Dieser erhob als Befund "Schwellung, Prellung, Bewegungsschmerz, Druckschmerz" und diagnostizierte in seinen - inhaltlich unterschiedlichen - zwei Unfallmeldungen (22.01.1999) "Prellung re. Fuß n. Arbeitsunfall" bzw. "Z.n. Alte Arbeitsunfall re. OSG & Fußverletzung CT zeigt nicht vollständige Heilung Fraktur der Talus & Osnavikular re ..." In einer Rechnung (14.04.1999) gab Dr. B als Diagnose an "Distorsion re. OSG. n. Arbeitsunfall, Z.n. alter Fraktur Os. navikular re. Fuß".

Die Beklagte zog Berichte über eine Kernspintomographie des rechten Fußes (27.04.1999), Behandlungsberichte von Dr. B (15.09.1999, 28.02.2000, 10.07.2000, 21.08.2000), den Bericht über eine Kernspintomographie (23.09.1999), ein Gutachten des MDK Westfalen-Lippe (08.11.1999) und Behandlungsberichte der Berufsgenossenschaftlichen Klinik E (08.05.2000, 18.05.2000, 20.06.2000, 05.07.2000 und 22.08.2000) bei. Ärztin für Chirurgie/Sozialmedizin Dr. T meinte, es sei nicht zu erklären, dass sich die Behandlung über ein 3/4 Jahr hingezogen habe; nach den spärlich vorliegenden Befunden sei nicht damit zu rechnen, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verbleiben werde (27.10.1999). Dr. C berichtete, dem Kläger sei am 21.01.1999 beim Abbauen eines Absperrungszaunes dieser auf den rechten Fuß gefallen; der kernspintomographische Aspekt entspreche jetzt eher einer aktivierten Arthrose im unteren Sprunggelenk, es bestehe kein Hinweis auf eine Refraktur (06.10.1999). Nach Eingang von Auskünften des Klägers (19.10.1999) und der Innungskrankenkasse (IKK 27.01.2000) sowie Anerkennung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum 07.11.1999 gegenüber der IKK (07.06.2000) veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch PD Dr. L. Dieser gelangte in seinem Gutachten (21.09.2000) zu der Beurteilung, der Kläger habe sich am 21.01.1999 Brüche des Kahnbeines und des Sprungbeines des "linken" Fußes zugezogen. Es bestehe eine endgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung des "linken" unteren Sprunggelenkes, eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Talo-Naviculargelenkes und eine posttraumatische Arthrose ebenda. Die MdE schätze er mit 10 % ein. In einer Stellungnahme nach Aktenlage kam Prof. Dr. F zu der Einschätzung, nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im November 1999 sei dem Kläger eine MdE von 20 % für die Dauer von 3 Monaten zu gewähren. Für die Folgezeit schätze er die MdE auf 10 % für ein halbes Jahr ein. Anschließend bestehe keine messbare MdE (15.11.2000). Die Beklagte gewährte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung vom 08.11.1999 bis 31.01.2000 nach einer MdE von 20 v.H., lehnte Rente auf unbestimmte Zeit darüber hinaus ab und erkannte Folgen des Versicherungsfalls an (Bescheid vom 12.12.2000).

Der Kläger legte Widerspruch ein und ein Schreiben des Orthopäden Dr. B (15.02.2001) vor, der eine MdE von 20 % sei Dauer für angezeigt hielt. Für die Beklagte meinte Dr. T1 (11.04.2001), die im Gutachten vom 21.09.2000 beschriebenen nur geringfügigen funktionellen Störungen könnten keinesfalls eine MdE von 20 % auf Dauer begründen, eine solche wäre z.B. erst bei einer vollständigen Versteifung vom oberen und unteren Sprunggelenk möglich, womit der Befund beim Kläger keineswegs vergleichbar sei. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf zurück (Widerspruchsbescheid vom 29.06.2001).

Mit der am 18.07.2001 erhobenen Klage hat der Kläger weiter die Auffassung vertreten, aufgrund der Unfallfolgen müsse eine MdE von wenigstens 20 % angenommen werden.

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend gehalten.

Der Kläger hat Schreiben des Orthopäden Dr. B (14.09.2001 und 06.09.2002) vorgelegt. Unter dem 14.09.2001 gab dieser Arzt an, der Kläger befinde sich "seit Februar 1999" in seiner Behandlung wegen Beschwerden am rechten Mittelfuß "nach alter Fraktur".

In einem fachchirurgischen Gutachten für das Sozialgericht (13.05.2002) hat Dr. X, Chefarzt der chirurgischen Abteilung am Evangelischen Krankenhaus D, die Auffassung vertreten, die Abgrenzung von Unfallfolgen zu primär unfallunabhängig bedingten Veränderungen bei den beidseits vorliegenden ausgeprägten Senk-Spreizfüßen des Klägers sei nicht möglich. Die Einschätzung der MdE durch Dr. L sei aufgrund des funktionellen Ergebnisses korrekt. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass Dr. B zunächst röntgenologisch keine Knochenverletzung erwähnt und erst in der im Mai 1999 bei der Beklagten eingegangenen zweiten Unfallmeldung auf einen Zustand nach altem Arbeitsunfall und Fraktur hingewiesen hat. Die magnetresonanztomographische Untersuchung vom 27.04.1999 sei nicht geeignet, die dort abgebildeten Veränderungen eindeutig einer Fraktur zuzuordnen. Der Annahme einer Fraktur stehe entgegen, dass sich der Kläger erst am Folgetage bei Dr. B vorgestellt und dieser mit einem Gehgips behandelt habe. In aller Regel sei bei einer traumatischen Fraktur des Talo-Naviculargelenkes eine stationäre Behandlung erforderlich. Dr. L habe nach dessen Angaben die BG-Akte zur Begutachtung nicht vorgelegen. Dieser sei somit in Unkenntnis des Verlaufes und der genaueren Umstände von einer im Zusammenhang mit dem Unfall erlittenen Fraktur ausgegangen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.11.2002, zugestellt am 12.12.2002).

Mit der am 10.01.2003 eingelegten Berufung vertritt der Kläger weiter die Auffassung, die Unfallfolgen bedingten über den 31.01.2000 hinaus eine MdE von 20 v.H ... Dr. X habe die maßgeblichen Beweisfragen nicht beantwortet und bei seinen geäußerten Zweifeln an der Kausalität übersehen, dass die Brüche des Kahnbeins und des Sprunggelenks bestandskräftig anerkannt worden seien (GA 68).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Dortmund vom 28.11.2002 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 12.12.2000 und 29.06.2001 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 21.01.1999 Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. gemäß den gesetzlichen Bestimmungen über den 31.01.2000 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass Dr. X in seinem Gutachten ausdrücklich dargelegt habe, dass die Einschätzung der MdE im Gutachten von Dr. L korrekt erfolgt sei.

Auf Erinnerung hat Dr. B im Juli 2003 die Kopie einer Karteikarte mit 2 Behandlungsdaten aus 2003, Schreiben der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik vom 19.12.2002 und 29.01.2003 sowie ein Schreiben der Beklagten vom 05.12.2002 vorgelegt und dazu mitgeteilt, weitere Unterlagen betreffend den Kläger seien nicht vorhanden. Das Gericht hat Dr. B in einem Erörterungstermin am 15.10.2003 als sachverständigen Zeugen gehört. Der Arzt hat angegeben, Behandlungsunterlagen vor dem 1. Quartal 2003 lägen bei der Staatsanwaltschaft. Er hat Kernspintomogramme und Röntgenaufnahmen ausgehändigt und zunächst angegeben, von einer Fraktur im Fußbereich vor dem Arbeitsunfall vom 22.01.1999 keine Kenntnis zu haben. Nach Vorhalt von Einzelheiten aus der Verwaltungsakte hat er ausgeführt, es könne schon sein, dass vor diesem Unfall eine Fraktur im rechten oberen Sprunggelenk bzw. im Talo-Naviculargelenk bestanden habe; Funktionswerte nach der sogenannten "Neutral-0-Methode" habe er nicht erhoben. Der im Termin anwesende Kläger hat angegeben, es könne sein, dass er etwa 1971 oder 1972 einen Arbeitsunfall erlitten habe, bei dem entweder der linke oder der rechte Fuß betroffen gewesen sei. Auch damals sei ihm ein Steinpaket auf den Fuß gefallen. Die Beklagte hat rekonstruierte Unterlagen betreffend einen Unfall vom 28.11.1991 übersandt. Praktischer Arzt Salameh diagnostizierte demnach am 29.11.1991 eine Distorsion linkes oberes Sprunggelenk. Nach der Unfallanzeige der Bauunternehmung Rundholz bestand eine Verletzung am rechten Fußgelenk in Form einer Schwellung (GA 121 f.).

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie B1 ein Gutachten erstattet (07.01.2004). Der Sachverständige hat ausgeführt, zur Zeit beständen keine Gesundheitsstörungen, die zumindest mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Unfall vom 21.01.1999 mit bedingt seien. Die von Dr. B am 22.01.1999 angefertigten Röntgenaufnahmen des Sprunggelenkes hätten keinen Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung ergeben, sondern deuteten auf einen älteren knöchern verheilten Sprungbeinbruch hin. Man müsse davon ausgehen, dass es sich am 22.01.1999 nur um eine Prellung im Bereich des Fußes gehandelt habe. Die jetzigen Beschwerden bzw. die Funktionseinschränkung im unteren Sprunggelenk rechts seien auf die posttraumatische Arthrose im Bereich der Fußwurzel zurückzuführen; dieser Zustand habe sich schon vor dem 21.01.1999 gefunden. Mit der Einschätzung der MdE durch Prof. Dr. F stimme er überein. Unabhängig davon schätze er die von der Beklagte im Bescheid vom 12.12.2000 anerkannten Folgen des Arbeitsunfalls ebenfalls für die ersten 3 Monate nach Wiedereinsetzen der Arbeitsfähigkeit mit 20 % und danach für ein halbes Jahr auf 10 % ein. Die von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen hätten im Bereich des oberen Sprunggelenkes rechts keine Funktionseinschränkung und im Bereich des unteren Sprunggelenkes nur geringfügige Funktionseinschränkungen hinterlassen. Er teile die von Dr. X geäußerten Zweifel.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden rechtmäßig die Zahlung der vorläufigen Entschädigung mit Ablauf des Monats Januar 2000 beendet und einen Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit abgelehnt.

Gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist stattdessen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger sein auf Rente gemäß § 56 SGB VII gerichtetes Begehren auch nicht mit Erfolg auf das Ergebnis der Ermittlungen im Berufungsverfahren stützen kann. Selbst unter Berücksichtigung dieser Unterlagen läßt sich nicht feststellen, dass nach Januar 2000 ein Anspruch auf Rente bestand. Vielmehr hat das auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG von dem Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie B1 erstattete Gutachten ausdrücklich bestätigt, dass keine Gesundheitsstörungen bestehen, die zumindest mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Unfall vom 21.01.1999 mit bedingt sind. Demnach haben die von Dr. B am 22.01.1999 angefertigten Röntgenaufnahmen des Sprunggelenkes keinen Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung ergeben, sondern deuteten eher auf einen älteren knöchern verheilten Sprungbeinbruch hin. Die jetzigen Beschwerden seien auf die posttraumatische Arthrose im Bereich der Fußwurzel zurückzuführen, dieser Zustand habe sich schon vor dem 21.01.1999 gefunden. Ausdrücklich stimmt dieser Sachverständige mit der Einschätzung der MDE durch Prof. Dr. F überein. Unabhängig davon hat er auch die von der Beklagten im Bescheid vom 12.12.2000 anerkannten Folgen des Arbeitsunfalls ebenfalls für die ersten drei Monate nach Wiedereinsetzen der Arbeitsfähigkeit mit 20 % und danach für ein halbes Jahr auf 10 % eingeschätzt und ausgeführt, diese hätten im Bereich des oberen Sprunggelenkes jetzt keine Funktionseinschränkung und im Bereich des unteren Sprunggelenkes nur geringfügige Funktionseinschränkungen hinterlassen. Dies stimmt jedenfalls im Ergebnis überein mit den Einschätzungen von Dr. L und Prof. F, die keine rentenberechtigende MdE über Januar 2000 hinaus angenommen haben. Diese Beurteilung hat Dr. X im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich als zutreffend bezeichnet. Damit läßt sich selbst unter Berücksichtigung der - möglicherweise zu Unrecht - anerkannten Unfallfolgen ein Rentenanspruch über Januar 2000 hinaus nicht begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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