L 5 AS 554/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 AS 402/16
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 554/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt noch die "Auszahlung seines persönlichen Eigentums" nach "Kündigung der Staatsangehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland". Zunächst ging es um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit von Oktober 2015 bis März 2016.

Der am ... 1986 geborene Kläger war bis zum Wintersemester 2015/16 bei der Hochschule A. (ASA) im Bachelor-Studiengang "Naturschutz und Landschaftsplanung" eingeschrieben. Er war zunächst bei der IKK-Classic freiwillig kranken- und pflegeversichert. Nach deren Auskunft gegenüber der ASA war er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen und nicht mehr krankenversichert. Wegen fehlender Rückmeldung/Krankmeldung wurde der Kläger von der ASA zum 31. März 2016 exmatrikuliert. Der Kläger bezog bis zur Förderungshöchstdauer im September 2015 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Der Kläger beantragte am 21. August 2015 beim Beklagten Leistungen nach dem SGB II und gab den Wegfall des Nebenverdiensts sowie das Ende des BAföG-Bezugs an.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 ab, weil der Kläger gemäß § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei. Seine Ausbildung sei nach dem BAföG dem Grunde nach förderfähig. Auch eine darlehensweise Leistungsbewilligung komme mangels besonderen Härtefalls nicht in Betracht. Mit dem bereits erlangten Berufsabschluss als Energieelektroniker sei der Arbeitsmarkt für ihn nicht verschlossen.

Dagegen legte der Kläger am 10. Oktober 2015 Widerspruch ein, den er nicht handschriftlich unterschrieben hatte. Als nicht bei den Eltern wohnender Student sei er leistungsberechtigt nach dem SGB II. Auf den Hinweis des Beklagten wegen einer fehlenden Unterschrift des Widerspruchs machte der Kläger weitere Ausführungen und unterzeichnete dieses Schreiben mit eigenhändiger Unterschrift.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2016 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, da er nicht eigenhändig unterzeichnet worden sei. Der Aufforderung, den Widerspruch mit Unterschrift einzureichen, sei der Kläger nicht nachgekommen.

Der Kläger hat dagegen am 11. Februar 2016 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Die in § 7 Abs. 6 SGB II geregelte Ausnahme vom Leistungsausschluss träfe auf ihn zu. Zudem habe er die Unterschrift im Widerspruchsverfahren nachgeholt. Des Weiteren hat der Kläger die Mitgliedschaft in dem "Verwaltungsstaat Bundesrepublik Deutschland" zum 1. April 2016 0:00 Uhr MEZ gekündigt und die Erstattung seiner geleisteten Rentenversicherungsbeiträge von den zuständigen Behörden gefordert.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2017 abgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten entspreche der Rechtslage. Darüber hinaus sei der Kläger auch nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Er habe im streitigen Zeitraum eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviert. Das Überschreiten der Förderungshöchstdauer stehe dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II nicht entgegen. Ein Darlehen nach § 27 Abs. 4 SGB II habe der Kläger nicht beantragt.

Der Gerichtsbescheid ist an die bis zum 17. September 2012 gültige Meldeanschrift des Klägers in C. durch Einlegung in den Briefkasten der Wohnung zugestellt worden.

Der Kläger hat dagegen am 26. Juli 2017 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Den Gerichtsbescheid habe er erst am 6. Juli 2017 persönlich erhalten. Ergänzend hat der Kläger unter dem 24. Januar 2018 ausgeführt: Er habe ab 1. (oder 10.) Oktober 2015 nach der UN-Menschenrechtskonvention einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen gehabt. Weiter heißt es: "Ich begehre (jetzt, im Jahr 2018, nach über 2 Jahren und 3 Monaten Wartezeit) von Ihnen (Staat Bundesrepublik Deutschland) keine sozialen Leistungen mehr, da ich seit 01. Apr. 2016 nicht mehr Ihr Staatsbürger bin." Er habe jedoch Anspruch auf Erstattung seines persönlichen Eigentums zur Begleichung eingetretener Schäden sowie zur Rückerstattung seines finanziellen Eigentums. Der Anspruch betrage 39.414,77 EUR (Briefpauschalen für Schreiben nach C. 4 x 750 EUR, Kosten für E-mail-Ausdruck 0,40 EUR, Aufschlag für ignorante Bösartigkeit 750 EUR, eingezahlte Rentenversicherungsbeiträge vom 1. Januar 2003 bis 30. November 2015 25.572,81 EUR, Verzugszinsen Stand April 2017 4.152,03 EUR und Stand April 2018 5.939,53 EUR, Kosten für Druck und Porto 1,70 EUR).

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen, die Behörden der Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, ihm 39.414,77 EUR zuzüglich weiterer Verzugszinsen ab dem 1. April 2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 15. Juli 2019 die öffentliche Zustellung der Ladung des Klägers zum Termin zur mündlichen Verhandlung bewilligt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Da dieser sich am 17. September 2012 von der Anschrift in C. abgemeldet hatte, war die Zustellung des Gerichtsbescheids an diese Adresse unwirksam. Der Kläger hat angegeben, den Gerichtsbescheid am 6. Juli 2017 persönlich erhalten zu haben; die Berufungsfrist ist daher mit der am 26. Juli 2017 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegten Berufung gewahrt.

Die Berufung ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Kläger begehrt von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland Geldleistungen i.H.v. mehr als 750 EUR.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch das Begehren einer Auszahlung in Höhe von 39.414,77 EUR. Diese setzt sich zusammen aus Kosten für einen Briefverkehr nach C. sowie mit dem Senat, einem Aufschlag wegen Bösartigkeit, den eingezahlten Rentenversicherungsbeiträgen sowie Verzugszinsen. Der Kläger hat im Berufungsverfahren sein ursprüngliches Ziel der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. (10.) Oktober 2015 bis 31. März 2016 ausdrücklich zurückgenommen. Er hat unter dem 24. Januar 2018 ausgeführt, er begehre im Jahr 2018 keine sozialen Leistungen mehr, da er seit April 2016 nicht mehr Bürger der Bundesrepublik Deutschland sei.

Der Senat hat nach pflichtgemäßem Ermessen davon abgesehen, den für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträger zu ermitteln und nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG einfach zum Rechtsstreit beizuladen. Es ist kein berechtigtes Interesse dieser Behörde an der (zunächst begehrten) Entscheidung über die Leistungen nach dem SGB II erkennbar. Bislang ist auch keine Entscheidung des für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträgers über einen solchen Antrag bekannt, über die im Rahmen eines Klageverfahrens zu entscheiden wäre.

Der Senat konnte auch ohne Erscheinen des Klägers in der mündlichen Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden. Denn der Kläger ist mit der Ladung vom 18. Juli 2019 darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.

Die Ladung ist durch öffentliche Zustellung wirksam zugegangen. Die öffentliche Zustellung der Ladung des Klägers ist mit Beschluss des Senats vom 15. Juli 2019 bewilligt worden. Die öffentliche Zustellung gemäß § 186 Zivilprozessordnung (ZPO) ist durch Aushang des Beschlusses an der Gerichtstafel im Justizzentrum Halle vom 17. Juli bis zum 20. August 2019 erfolgt. Die Monatsfrist ist damit gewahrt.

Unschädlich ist insoweit, dass der Kläger nach Auskunft des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung seit April 2019 wieder sporadischen Kontakt zum Beklagten hat. Angesichts der Obdachlosigkeit des Klägers ist dessen Aufenthalt weiterhin unbekannt. Darüber hinaus war die nach § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung nicht erkennbar fehlerhaft. Nur soweit diese bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen, wäre die Zustellungsfiktion nicht eingetreten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Juli 2012, XII ZR 94/10 (19)). Ein solcher Fall hat nicht vorgelegen.

II.

Die Berufung ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf die begehrten Zahlungen hat.

Soweit der Kläger Pauschalen in Höhe von jeweils 750 EUR für Briefe an eine Anschrift in C. im Zusammenhang mit der Zustellung des Gerichtsbescheids geltend macht, ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Das gleiche gilt für den Aufschlag wegen ignoranter Bösartigkeit sowie Druck- und Portokosten für den Schriftverkehr mit dem Senat.

Ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten im Rahmen des SGB II besteht unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt.

Es handelt sich vielmehr um außergerichtliche Kosten der Prozessführung, die dem Beklagten nur im Rahmen von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zur Erstattung gestellt werden können. Insoweit hat der Senat eine Entscheidung über eine Kostentragungspflicht des Beklagten getroffen (dazu III.).

Die geltend gemachte Auszahlung i.H.v 25.572,81 EUR für Rentenversicherungsbeiträge kann ebenfalls nicht gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden. Denn es handelt sich nicht um den für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträger. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch bemisst sich nach § 210 f. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Danach werden Beiträge auf Antrag erstattet, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Insoweit bedarf es eines gesonderten Antrags des Klägers bei seinem Rentenversicherungsträger.

Für die geltend gemachten Verzugszinsen existiert ebenfalls keine Rechtsgrundlage.

Eine Verzinsung gemäß § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) i.H.v. 4 v.H. scheidet ebenfalls aus. Es fehlt schon an einer fälligen Forderung gegenüber dem Beklagten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Erstattung der dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten kommt nicht in Betracht. Dieser hat im Berufungsverfahren das Begehren in der Hauptsache zurückgenommen. Seine Zahlungsforderungen sind erfolglos geblieben.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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