L 4 KR 1365/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2928/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1365/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bestimmte Art von Mitgliederwerbung
Auf die Berufung der Beklagten wird das Ur-teil des Sozialgericht Heilbronn vom 21. Februar 2002 aufgehoben. Unter Abwei-sung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, künftig die Werbemaßnahmen wie im Schreiben vom Mai 2000 zu unterlassen. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Klägerin die Unterlassung einer Maß-nahme der Mitgliederwerbung verlangen kann.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, deren Tätigkeit auf das Land Baden-Württemberg begrenzt ist. Bei der Beklagten, gleichfalls eine gesetzliche Krankenkasse, handelt es sich um eine so genannte geöffnete Betriebskrankenkasse mit Sitz in Aarbergen.

Im Mai 2000 wandte sich die Beklagte mit dem nachfolgend wiedergegebenen Schreiben an ver-schiedene Unternehmen bzw. Behörden in deren Funktion als Arbeitgeber, u.a. auch an die Re-gionaldirektion Calw-Nagold-Neuenbürg der Beklagten:

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Mit Schreiben vom 26. Juni 2000 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass dieses Vorge-hen wettbewerbswidrig sei und forderte die Beklagte auf, derartige Schreiben an Arbeitgeber zukünftig zu unterlassen. Die Beklagte trat dieser Auffassung mit Schreiben vom 18. Juli 2000 entgegen, erklärte sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht allerdings bereit, in zukünftigen Schreiben den Passus "Je mehr Mitarbeiter Sie von den Vorteilen eines Wechsels zur TAUNUS BKK überzeugen können, desto mehr Lohnnebenkosten können Sie als Unternehmen sparen" nicht mehr zu verwenden. Die Unterzeichnung der der Beklagten mit Schreiben vom 26. September 2000 sodann übermittelten vorbereiteten Unterlassungserklärung lehnte diese ab. (Schreiben vom 24. Oktober 2000)

Am 16. November 2000 erhob die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Reutlingen, das den Rechts-streit mit Beschluss vom 06. Dezember 2000 an das SG Heilbronn verwies, mit dem Antrag Kla-ge, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Arbeitgeber unaufgefordert zum Zwecke der Mitgliederwerbung anzuschreiben, hilfsweise, es zu unterlassen, Arbeitgeber aufzufordern, ihre Mitarbeiter von einem Wechsel zur Beklagten zu überzeugen, hilfsweise die beanstandete Wer-bemaßnahmen (Schreiben vom Mai 2000) zu unterlassen. Sie machte unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 02. Februar 1994 (BSGE 56, 140) und 31. März 1998 (BSGE 82, 78) geltend, im Rahmen des Wettbewerbs zwischen den gesetzlichen Kranken-kassen seien die allgemeinen Wertmaßstäbe der §§ 1 und 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten, d.h. die Werbung der Krankenkasse dürfe weder sittenwidrig noch unwahr sein. Bei allen Werbe- und Marketingmaßnahmen hätten die gesetzlichen Kran-kenkassen die besondere Sensibilität des Gesundheitswesens und der Krankenversicherung und ihre hervorgehobene Bedeutung für den einzelnen betroffenen Versicherten, das Allgemeinwohl sowie ihre sozialrechtliche Verpflichtung zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den ande-ren gesetzlichen Krankenversicherungen zu beachten. Dies verpflichte sie in besonderem Maße zur Seriosität, Zurückhaltung und Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen. Die Einbezie-hung von Arbeitgebern in die Mitgliedswerbung sei von vornherein unzulässig. Denn dieser solle nach dem gesetzlichen Leitbild keinen Einfluss auf die Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zu einer gesetzlichen Krankenkasse haben, insbesondere solle der Arbeitgeber seine Machtstellung gegenüber dem Arbeitnehmer nicht bei der Wahl der Krankenkasse ausüben, nur weil der Ar-beitgeber bei einer bestimmten Krankenkasse eine Beitragsersparnis habe. Besonders verwerf-lich sei bei derartigen Werbeaktionen, dass der betroffene Arbeitnehmer hiervon nichts erfahre, der ihm gegenüber weisungsbefugte Arbeitgeber quasi hinter seinem Rücken "eingespannt" werde, so dass der Versicherte selbst zum bloßen Gegenstand einer solchen Werbekampagne herabgestuft werde. Da es dem Arbeitgeber verwehrt sei, in irgendeiner Weise darauf hinzuwir-ken bzw. gar Druck auszuüben, dass ein Mitarbeiter seine Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse kündige und zu einer anderen Krankenkasse wechsle, stelle das beanstandete Schreiben der Be-klagten eine Aufforderung zum Rechtsbruch dar. Sittenwidrig und irreführend sei zudem der Hinweis, wonach die Beklagte dem Unternehmen anbiete, " ...erhebliche Lohnkosten einzuspa-ren". Da eine gesetzliche Krankenkasse in keinerlei Rechtsverhältnis zu dem Unternehmen stehe, könne sie diesem nichts "bieten"; eine Beteiligung des Arbeitgebers bei der Wahl der Kranken-kasse sei gesetzlich nicht vorgesehen. Nach den Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätzen der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. März 1998 in der Fassung vom 06. Mai 1999 (Wett-bewerbsgrundsätze) sei eine Werbung durch Einspannen des Arbeitgebers - wie Rdnr. 41 zeige - auch ausdrücklich verboten. Im Sinne dieser Regelung sei der Arbeitgeber Dritter, wobei zu sei-nem Arbeitnehmer ein klassisches Abhängigkeitsverhältnis bestehe, im Rahmen dessen es dem Arbeitnehmer gerade in schweren Zeiten mit hoher Arbeitslosigkeit fast unmöglich sei, sich ei-nem entsprechenden Wunsch des Arbeitgebers zu verschließen. Sorgen und Probleme des ein-zelnen Arbeitnehmers um seine wirtschaftliche Existenz und seinen Arbeitsplatz würden inner-halb derartiger Abhängigkeiten in besonders verwerflicher Art instrumentalisiert. Kaum ein an-derer als der Arbeitgeber sei mehr geeignet, Druck auf den Versicherten auszuüben. In grobem Maße irreführend sei auch der unter "PS" vorgenommene Beitragsvergleich. Denn während die Beklagte einerseits den Einsparbetrag berechne, gehe sie andererseits pflichtwidrig von einem abstrakten, im Einzelfall unzutreffenden "durchschnittlichen Beitragssatz" aus. Ein realistisches Bild davon, welche Ersparnis zu erzielen sei, ergebe sich ohne Kenntnis des konkreten Beitrags-satzes einer konkreten Krankenkasse und eines konkreten Mitarbeiters aber nicht. Der Vergleich sei zudem unvollständig, da auch andere Umstände als die Beitragshöhe (beispielsweise Service, Ortsnähe) marktrelevant seien. Die Klägerin verwies auf mehrere zivilgerichtliche Entscheidun-gen und legte die Wettbewerbsgrundsätze vor. Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Einbeziehung von Arbeitgebern in die Mitgliederwerbung sei nicht von vornherein unzulässig. Soweit die Klägerin auf zivilgericht-liche Entscheidungen verwiesen habe, beträfen diese Urteile nicht den vorliegend zu beurteilen-den Sachverhalt. Jenen Verfahren hätten Sachverhalte zugrunde gelegen, in denen der Arbeitge-ber seine Arbeitnehmer unter Ausübung massiven Drucks aufgefordert habe, zu einer bestimm-ten Krankenkasse zu wechseln. Bei dem streitigen Rundschreiben handle es sich aber nur um ein informatives Werbeschreiben, das im Vorfeld an Arbeitgeber versandt worden sei und weder geeignet sei, selbst auf die Arbeitnehmer Druck auszuüben noch die Arbeitgeber dazu anzustif-ten, ihre Autorität unter Einsatz massiven Drucks einzusetzen. Die Auffassung der Klägerin, wonach die Rechtsordnung die Arbeitgeber im Wettbewerb der Krankenkassen gänzlich aus-schließen wolle, entbehre jeglicher Grundlage. Schließlich sei es nach dem Urteil des Oberlan-desgerichts (OLG) Frankfurt vom 22. Januar 1998 (6 U 216/97) auch nicht verwerflich, wenn ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter einen Hinweis auf günstige Konditionen einer Betriebskranken-kasse gebe, damit der Mitarbeiter diese Konditionen mit den Versicherungsbedingungen seiner Krankenkasse vergleichen könne. Soweit die Klägerin auf Rdnr. 41 der Wettbewerbsgrundsätze verwiesen habe, müsse sie auch Rdnr. 42 berücksichtigen; danach liege ein unzulässiger Einsatz der Autorität Dritter nur vor, wenn zugunsten einer bestimmten Krankenkasse missbräuchlich oder täuschend Einfluss genommen werde und die freie Kassenwahl unterlaufen werde. Zulässig sei jedoch die Inanspruchnahme der Kompetenz Dritter, falls das potentielle Mitglied einen In-formationsbedarf habe, den der Dritte, also der Arbeitgeber, sachlich und neutral befriedigen könne. Zu diesem Zweck habe sie sich auch an die Arbeitgeber gewandt. Mit Urteil vom 21. Februar 2002 verurteilte das SG die Beklagte, es zu unterlassen, unaufgefor-dert Arbeitgeber in ihrer Funktion als solche zum Zwecke der Mitgliederwerbung anzuschreiben. Die Maßnahme der Beklagten, mit der Arbeitgeber wegen der ihnen aufgezeigten Einsparmög-lichkeiten dazu angehalten werden sollen, die bei ihnen Beschäftigten von einem Kassenwechsel zu überzeugen, sei mit ihrer Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht zu vereinbaren, da die Maßnahme geeignet sei, den Arbeitnehmer in seiner Entschließungsfreiheit zu beeinträch-tigen und ihn in seiner Wahl der Krankenkasse unsachgemäß zu beeinflussen. Wegen der Ein-zelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Bevollmächtigten der Beklagten am 03. April 2002 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Hiergegen hat die Beklagte am 18. April 2002 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Beru-fung eingelegt und auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen. Darüber hinaus macht sie geltend, das SG habe seine Begründung zu Unrecht auf das Urteil des BSG vom 20. April 1988 (BSGE 63, 144) gestützt, da jener Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei. In jenem Verfahren sei eine Werbemaßnahme als irreführend und geeignet angesehen worden, die Wahl des Arbeitnehmers sachwidrig zu beeinflussen, weil diese den Hinweis enthalten habe, dass auch der Arbeitgeber bei der entsprechenden Krankenkasse versichert sei, obwohl für Ar-beitgeber und Arbeitnehmer regelmäßig nicht die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen gelten würden. Diese Besonderheit habe das SG nicht erwähnt. Demgegenüber liege eine un-sachgemäße Beeinflussung der Arbeitnehmer nicht vor, wenn der Arbeitgeber zuvor sachlich und wahrheitsgemäß über Leistungen einer bestimmten Krankenkasse informiert werde und die-se Information - ohne Druck auf seine Arbeitnehmer auszuüben - an diese weiter gebe. Nach dem Urteil des OLG Frankfurt vom 22. Januar 1998 (aaO) sei es auch nicht verwerflich, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Hinweis auf günstige Konditionen einer Betriebs-krankenkasse gebe und der angesprochene Mitarbeiter diese Konditionen mit seinen Versiche-rungsbedingungen vergleichen könne. Ihr Werbeschreiben biete keinen Anlass zur der Befürch-tung, dass in die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers eingegriffen werden solle. Allein die starke Position des Arbeitgebers könne jedenfalls dann nicht zu einer unsachgemäßen Beeinflus-sung führen, wenn dieser zurückhaltend verfahre und lediglich Informationen an die bei ihm Beschäftigten verteile. Schließlich enthalte ihr Werbeschreiben keinerlei Handlungsvorschläge für den Arbeitgeber. So bestünde beispielsweise auch die Möglichkeit, dass seitens des Arbeit-gebers lediglich Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, in denen die Beklagte selbst - und nicht die Arbeitgeber - die Arbeitnehmer informiere. Völlig unberücksichtigt lasse das SG, welche Aktivitäten seitens der angeschriebenen Arbeitgeber tatsächlich stattgefunden haben. Auch gehe die Klägerin von zahlreichen Eventualitäten aus und erhebe diese unzulässigerweise zu Tatsachen. Da informative Werbeschreiben wie das streitgegenständliche Mittel der Aufklä-rung im Sinne des § 13 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) seien, schränke das SG sie unangemessen in ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufklärung nach den §§ 13 bis 15 SGB I ein. Letztlich mache auch die Formulierung in Rdnr. 42 der Wettbewerbsgrundsätze "falls das potentielle Mitglied einen Informationsbedarf besitze, den der Dritte sachlich und korrekt befriedigen könne" deutlich, dass der Einsatz der Autorität Dritter grundsätzlich zulässig sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Februar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und macht unter Bezugnahme auf ihren erstin-stanzlichen Vortrag geltend, das vom SG herangezogene Urteil des BSG vom 20. April 1988 (aaO) trage die angefochtene Entscheidung ohne Weiteres. Für die "unzulässige Instrumentali-sierung" des Arbeitgebers sei die Ausübung von Druck nicht erforderlich, vielmehr reiche es aus, dass der Arbeitgeber in der Weise für das Interesse der Krankenkasse nutzbar gemacht werde, dass beim Arbeitnehmer der Eindruck erweckt werde, der Arbeitgeber befürworte eine Mitglied-schaft seiner Arbeitnehmer bei der betreffenden Krankenkasse. Durch die Inanspruchnahme der Autorität des Arbeitgebers werde zumindest eine subtile Zwangswirkung erzeugt. Da dem als "Werbeträger" eingespannten Arbeitgeber seine Vermittlungstätigkeit dadurch schmackhaft ge-macht werde, dass er Lohnnebenkosten einspare, werde für den Arbeitgeber gezielt ein Anreiz geschaffen, seine Überordnungsfunktion zu sachfremden Zwecken einzusetzen. Damit werde gleichzeitig bewusst und gezielt in Kauf genommen, dass der Arbeitgeber die beabsichtigte Empfehlung weitergebe. Dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den eigenen Vorteil in Gestalt der Lohnnebenkostenersparnis direkt zur Kenntnis gebe, sei zumindest absehbar. Da der Arbeit-nehmer dann aber den Eindruck gewinnen müsse, mit einem Kassenwechsel dem Arbeitgeber einen - geldwerten - Gefallen tun zu können, trete genau die Situation ein, die gegen sozialrecht-liche Vorschriften, das UWG und die Wettbewerbsgrundsätze verstoße, dass nämlich bewusst und gezielt die Autorität eines Dritten, demgegenüber der Arbeitnehmer zur Loyalität verpflich-tet sei, eingesetzt werde. Diese Verknüpfung mache die Werbemaßnahme sittenwidrig. Unerheb-lich sei, welche Maßnahmen der Arbeitgeber auf das Werbeschreiben tatsächlich ergreife; ent-scheidend sei vielmehr, welche Zielrichtung mit dem Schreiben nach dem Empfängerhorizont bezweckt werde. Soweit die Beklagte aus Rdnr. 42 der Wettbewerbsgrundsätze die Zulässigkeit der Inanspruchnahme der Kompetenz Dritter herleiten wolle, verkenne sie, dass dem Arbeitgeber in versicherungsrechtlichen Angelegenheiten keinerlei Kompetenz zukomme. Die genannte Ausnahmevorschrift greife nur, wenn der Dritte tatsächlich selbst fachkundig sei und nicht ledig-lich wegen seines besonderen Näheverhältnisses ausgewählt werde.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündli-che Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Be-rufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist je-doch nur insoweit begründet, als anstelle des Hauptantrags dem zweiten Hilfsantrag der Klägerin stattzugeben gewesen wäre.

Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, es zu unterlassen, Arbeitgeber unaufgefordert zum Zwecke der Mitgliederwerbung anzuschreiben, da der auf die diesbezügliche generelle Un-terlassung gerichtete Antrag unzulässig war. Entsprechendes gilt auch für den ersten Hilfsantrag der Klägerin. Auf deren zweiten Hilfsantrag war die Beklagte jedoch zu verurteilen, künftig Werbemaßnahmen wie im Schreiben vom Mai 2000 zu unterlassen.

Der von der Klägerin geltend gemachte, auf Unterlassung gerichtete Anspruch kann gemäß § 54 Abs. 5 SGG mit der allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden, nachdem der Begriff der Leis-tung im Sinne dieser Vorschrift neben dem positiven Tun auch das Unterlassen umfasst und für das im Streit stehende Verhalten keine besondere Klageart im Sinne des § 54 Abs. 1 bis 4 SGG vorgesehen ist. Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag die Verurteilung der Beklagten be-gehrt hat, es zu unterlassen, Arbeitgeber unaufgefordert zum Zwecke der Mitgliederwerbung anzuschreiben, war der Antrag hingegen unzulässig. Insoweit besteht für die Klägerin kein Rechtschutzinteresse. Dieser Antrag geht nämlich deutlich über das von der Klägerin sachlich beanstandete Verhalten der Beklagten, wie es in dem Schreiben vom Mai 2000 zum Ausdruck kommt, hinaus. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich neben dem genannten Schreiben auch in anderer Weise zum Zwecke der Mitgliederwerbung an Arbeitgeber gewandt hat und hierdurch die Möglichkeit begründet worden ist, dass Versicherte der Klägerin beein-flusst wurden und ihr als Mitglieder verloren gegangen sein könnten. Ein entsprechendes Verhal-ten der Beklagten hat die Klägerin auch nicht konkret behauptet. Beschränkt sich das beanstan-dete Verhalten im Einzelfall aber auf eine Art denkbarer Maßnahmen der Mitgliederwerbung, besteht für die abstrakte Klärung eines als rechtswidrig beurteilten Verhaltenskatalogs (jegliche Art von Anschreiben zum Zwecke der Mitgliederwerbung) kein Rechtschutzbedürfnis. Denn die Gerichte sind nicht dazu berufen, Rechtsfragen im Sinne der Prüfung einer Vielzahl denkbarer Maßnahmen im Bereich der Mitgliederwerbung abstrakt zu klären. Das Urteil des SG war daher insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, es zu unterlassen, Arbeitgeber unaufge-fordert zum Zwecke der Mitgliederwerbung anzuschreiben. Auch der erste Hilfsantrag der Klä-gerin war dementsprechend unzulässig. Hingegen war die Klage im Sinne des zweiten Hilfsan-trags der Klägerin, nämlich Werbemaßnahmen wie im Schreiben vom Mai 2000 zu unterlassen, zulässig und auch begründet. Die Beklagte war daher zu der entsprechenden Unterlassung zu verurteilen.

Zutreffend hat das SG in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass Werbemaßnahmen der ge-setzlichen Krankenkassen zum Zwecke der Gewinnung neuer Mitgliedern im Grundsatz zulässig sind. Unbeschadet des in dem gegliederten System der Krankenversicherung mit Kassenwahl-freiheit bestehenden Konkurrenzverhältnisses handelt es sich bei den gesetzlichen Krankenkas-sen jedoch um Organe der mittelbaren Staatsverwaltung, die auch bei ihren Werbemaßnahmen der gemeinsamen öffentlichen Aufgabe der gesundheitlichen Daseinsvorsorge verpflichtet sind. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung dieser Aufgabe dürfen die Belange der Allgemeinheit dem Inte-resse an der Mitgliederwerbung nicht untergeordnet werden. Die Grenzen des Wettbewerbs der Krankenkassen sind daher anhand des gesetzlichen Auftrags und der zu seiner Verwirklichung erlassenen Vorschriften des SGB zu bestimmen. Soweit über Ansprüche aus unzulässigen Wer-bemaßnahmen zu entscheiden ist, sind diese Normen, nicht aber die des privaten Wettbewerbs-rechts anzuwenden. Wettbewerbsrechtliche Regelungen und die dazu von den ordentlichen Ge-richten entwickelten Rechtsgrundsätze können allerdings als Auslegungshilfe ergänzend heran-gezogen werden. Beschränkungen hinsichtlich Form und Inhalt von Maßnahmen der Mitglie-derwerbung ergeben sich insbesondere aus der Pflicht der Krankenkassen zur Aufklärung, Bera-tung und Information der Versicherten gemäß §§ 13 bis 15 SGB I sowie dem Gebot, bei der Er-füllung dieser und anderer gesetzlicher Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern zusammen zu arbeiten (§ 15 Abs. 3 SGB I, § 86 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB X]). In § 4 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) wird nochmals her-vorgehoben, dass speziell die Krankenkassen im Interesse der Leistungsfähigkeit und Wirtschaft-lichkeit der gesetzlichen Krankenversicherung untereinander zur Zusammenarbeit verpflichtet sind. Mit dieser Handlungspflicht korrespondiert die Pflicht, solche Tätigkeiten zu unterlassen, die dem vorgegebenen Handlungsziel zuwiderlaufen. Soweit bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange anderer Krankenversiche-rungsträger nicht beachtet wird, folgt im Umkehrschluss ein Anspruch des beeinträchtigten Trä-gers auf Unterlassung der unzulässigen Werbemaßnahmen (vgl. BSG vom 31. März 1998 m.w.N [aaO]).

Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die von der Beklagten mit ihrem beanstandeten Schreiben vom Mai 2000 gewählte Art der Mitgliederwerbung nicht mit ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts und Träger der sozialen Krankenversicherung vereinbar ist. Die von der Beklagten in dem erwähnten Schreiben gemachten Ausführungen stellen eine Auf-forderung an den angeschriebenen Arbeitgeber dar, ihre Mitarbeiter von einem Wechsel zur Be-klagten zur überzeugen. Dies kommt in der Formulierung "je mehr Mitarbeiter sie von den Vor-teilen eines Wechsels zur TAUNUS BKK überzeugen können, desto mehr Lohnnebenkosten können Sie als Unternehmen sparen" deutlich zum Ausdruck und bedarf keiner weiteren Erläute-rung. Die Zielrichtung dieses Schreibens und die damit einhergehende rechtliche Bewertung ändert sich auch nicht durch Hinwegdenken dieses Satzes aus dem Gesamtschreiben, so dass dahingestellt bleiben kann, wie der Umstand rechtlich zu bewerten ist, dass die Beklagte sich im vorgerichtlichen Schriftwechsel mit der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit erklärt hat, diesen Passus zukünftig nicht mehr zu verwenden. Denn schon der im Betreff des streitigen Schreibens deutlich werdende Anlass des Herantretens an den entsprechenden Arbeit-geber ("Lohnnebenkosten senken mit 11,9 %Beitragssatz") zeigt das Ziel der Maßnahme auf. Die in Aussicht gestellte Senkung der Lohnnebenkosten kann nämlich nur realisiert werden, wenn es dem Arbeitgeber gelingt, seine Mitarbeiter zu einem Wechsel zur Beklagten zu veran-lassen. Diese Form der Werbung ist unzulässig, da die Beklagte als Träger der sozialen Krankenversi-cherung sich zur Abwerbung versicherter Personen deren Arbeitgeber zunutze macht, obwohl der Arbeitgeber nach den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen in das Kassenwahlrecht der Versicherten in keiner Weise einbezogen ist, im Hinblick auf die auf seiner Seite anfallenden Lohnnebenkosten hingegen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Wahl einer Krankenkas-se mit einem günstigen Beitragssatz hat und dadurch die konkrete Gefahr begründet wird, dass er den Versicherten in der freien Wahl seiner Krankenkasse unsachgemäß beeinflusst. Diese Gefahr wird geprägt durch das besondere Abhängigkeitsverhältnis, in dem der Arbeitgeber im Verhält-nis zu seinem Arbeitnehmer steht. Unerheblich ist dabei, ob sich die dargestellte Gefahr konkret dadurch verwirklicht, dass ein Arbeitgeber auf ein entsprechendes Schreiben der Beklagten ge-genüber seinen Arbeitnehmern den Wunsch äußert, die bezeichnete Krankenkasse zu wählen, seinen Mitarbeitern einen entsprechenden Kassenwechsel nahe legt oder gar ausdrücklich Druck dadurch ausübt, dass er diesen Nachteile im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses in Aus-sicht stellt, falls sie seiner Aufforderung nicht entsprechen. Denn allein schon der schlichte Hin-weis auf den günstigen Beitragssatz der Beklagten könnte bei den betroffenen Arbeitnehmern zu der Überzeugung führen, mit einem Kassenwechsel dem mutmaßlichen Wunsch des Arbeitge-bers zu entsprechen, was ihnen im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses, in welcher Form auch immer, zugute kommen könnte. Die Möglichkeit einer derartigen Einflussnahme des Arbeitge-bers bei der Wahl einer Krankenkasse durch den Arbeitnehmer stellt sich als unsachgemäß und damit unzulässig dar. Unerheblich ist daher, ob die Beklagte Arbeitgebern im Hinblick auf deren konkretes Vorgehen Handlungsvorschläge unterbreitet hat, oder ob der Arbeitgeber im Hinblick auf die ihm mit dem Werbeschreiben erteilten Informationen tatsächlich Aktivitäten hinsichtlich eines Kassenwechsels seiner Mitarbeiter entwickelt hat. Denn zu beanstanden ist bereits das mit der dargestellten Zweckrichtung erfolgte Herantreten an den Arbeitgeber, durch das die Mög-lichkeit der unsachgemäßen Beeinflussung des Arbeitnehmers begründet wird, ohne dass die Beklagte auf die konkret seitens des Arbeitgebers ins Auge gefassten Maßnahmen noch Einfluss ausüben könnte.

Nach Auffassung des Senats steht das Verhalten der Beklagten auch nicht in Einklang mit den Wettbewerbsgrundsätzen. Danach darf die Autorität Dritter (Unternehmen, Behörden etc.) nicht zur Werbung eingesetzt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass durch Dritte kein unzu-lässiger Druck auf potenzielle Mitglieder bei der Kassenwahl ausgeübt wird (Rdnr. 41). Nach Rdnr. 42 liegt ein unzulässiger Einsatz der Autorität Dritter dann vor, wenn damit zugunsten einer bestimmten Krankenkasse missbräuchlich oder täuschend Einfluss genommen und insbe-sondere die freie Kassenwahl unterlaufen wird. Dagegen ist die Inanspruchnahme der Kompe-tenz Dritter zulässig, falls das potenzielle Mitglied einen Informationsbedarf besitzt, den der Dritte sachlich korrekt und neutral befriedigen kann. Wie Satz 2 der Rdnr. 42 zeigt, ist die Inan-spruchnahme Dritter nicht generell ausgeschlossen, die Inanspruchnahme von deren Kompetenz unter bestimmten Voraussetzungen vielmehr durchaus zulässig. Die entsprechenden Ausnahmen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt, da der Arbeitgeber - wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat - im Sinne dieser Regelung schon nicht über die Kompetenz verfügt, Versicherte über Fragen im Zusammenhang mit der richtigen Wahl einer Krankenkasse zu beraten.

Da die Berufung nach alledem im Wesentlichen keinen Erfolg haben konnte, war das Urteil des SG zwar insoweit aufzuheben, als die Beklagte entsprechend des Hauptantrags der Klägerin ver-urteilt wurde. Im Hinblick auf den gestellten zweiten Hilfsantrag war die Beklagte jedoch an-tragsgemäß zu verurteilen.

Nachdem das SG im Tenor keine Entscheidung über die Kosten getroffen hat und die Gründe lediglich einen Verweis auf die Vorschrift des § 193 SGG enthalten, hatte der Senat auch über die Kosten des Klageverfahrens zu entscheiden. Die Beklagte war im Hinblick auf § 193 Abs. 4 SGG in Verbindung mit § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 der Rechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO), jeweils in der bis 01. Januar 2002 gültig gewesenen Fassung, beziehungsweise § 193 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 184 Abs. 1, 183 SGG (in der seit 02. Januar 2002 gültigen Fassung) in beiden Rechtszügen nicht mit außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu belasten.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Saved