S 23 AL 1651/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 23 AL 1651/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Mit der Änderung des § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III durch Art. 13 Nr.
1 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) des Bundeswehrneuausrichtungsgesetzes
(BwNeuAusrG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. 2001 Teil I, S. 4013) war
keinerlei sachliche oder gar inhaltliche Änderung der Vorschrift, sondern
ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine „redaktionelle
Klarstellung“ verbunden.

Die Frage, welchen Wehrdienst, der vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat, die
Vorschrift des § 434e SGB III meint, ist dahingehend zu beantworten, dass es
sich sowohl um einen Grundwehrdienst als auch um einen freiwilligen
zusätzlichen Wehrdienst nach § 6b WPflG, der im unmittelbaren Anschluss an
den Grundwehrdienst geleistet wird, handeln kann.
I. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 6. Au-gust 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 8. September 2003 wird aufgehoben. II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Ar-beitslosengeld ab 1. August 2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. III. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtlichen Kosten zu erstatten. IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nach Beendigung des Wehrdienstes ab 1. Au-gust 2003.

Der am ... 1982 geborene Kläger legte nach 12-jährigem Schulbesuch die Abiturprüfung ab. Das ihm ausgehändigte Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife datiert vom 26. Juli 2001. Er meldete sich im Anschluss an den Schulbesuch bei der Beklagten nicht arbeitssuchend oder arbeitslos.

In der Zeit vom 1. September 2001 bis 31. Mai 2002 absol-vierte der Kläger seinen Grundwehrdienst bei der Bundes-wehr. In der Zeit vom 1. Juni 2002 bis 31. Juli 2003 leis-tete er ein 14-monatigen zusätzlichen freiwilligen Wehr-dienst als Soldat bei der Bundeswehr.

Am 28. Juli 2003 meldete er sich bei der Beklagten arbeits-los und beantragt die Zahlung von Arbeitslosengeld.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. August 2003 ab und führte zur Begründung aus: Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil er innerhalb der Rah-menfrist von drei Jahren vor dem 1. August 2003 nicht min-destens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 7. August 2003 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2003 wies die Be-klagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger habe die Anwart-schaftszeit nicht erfüllt, weil er nicht als Wehrdienst-leistender versicherungspflichtig gewesen sei. Er habe als Grundwehrdienstleistender nicht gem. § 26 Abs. 1 Nr. 2 b SGB III in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, weil er sich vor Beginn des Wehrdienstes nicht arbeitslos gemeldet habe und damit keine Beschäftigung gesucht habe, die Versicherungspflicht nach dem SGB III begründe.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 26. September 2003, welches beim Sozialgericht Dresden am 30. September 2003 einging, Klage.

Der Kläger behauptet, er habe in der Zeit zwischen Beendi-gung der Schule und vor Antritt des Wehrdienstes erfolglos eine Beschäftigung gesucht. Der Kläger ist der Ansicht, dass er als im Anschluss an den Grundwehrdienst freiwilli-gen zusätzlichen Wehrdienst Leistender der Versicherungs-pflicht nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III unterläge.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 6. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2003 aufzuheben und ihm Arbeitslosengeld ab 1. August 2003 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Regelung des § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III im vorliegenden Rechtsstreit keine Anwendung finde, da diese nur für Wehrdienste zuträfe, die ab dem 1. Januar 2002 begonnen hätten. Deshalb sei § 434e SGB III zu beachten, der bestimme, das § 26 SGB III in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung für Ansprüche auf Arbeits-losengeld weiterhin anzuwenden sei, wenn der Wehrdienst vor dem 1. Januar 2002 begonnen habe.

Den Beteiligten wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Juli 2004 Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid Stellung zu nehmen. Ein-wände hiergegen wurden nicht erhoben. Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten unter der Kundennummer ... beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Er-gänzend wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Akte und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Gericht entscheidet über den Rechtsstreit gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, weil die Sa-che keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tat-sächlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend ge-klärt ist.

II.

Der Klage war stattzugeben, weil sie zulässig und begründet ist. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 6. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2003 ist rechtwidrig und verletzt den Klä-ger in seinen Rechten, weil der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 1. August 2003 hat.

Nach § 117 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) – in der hier zum Antragszeitpunkt maßgeblichen Fas-sung - haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Nach Beendigung des Wehrdienstes am 31. Juli 2003 war der Kläger arbeitslos und hatte sich bereits am 28. Juli 2003, gem. § 122 Abs. 1 Satz 2 SGB III zulässigerweise, arbeits-los gemeldet. Entgegen der Ansicht der Beklagten, hat der Kläger auch die Anwartschaftszeit erfüllt.

Nach § 123 Satz 1 Nr. 2 SGB III hat die Anwartschaftszeit u.a. erfüllt, wer in der Rahmenfrist als Wehrdienstleisten-der oder Zivildienstleistender (§ 25 Abs. 2 Satz 2, § 26 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 4 SGB III) mindestens sechs Mo-nate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach § 124 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist drei Jah-re und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonsti-gen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Die (rückwärts gerechnete) Rahmenfrist umfasste damit im Falle des Klägers den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2003.

1.

Innerhalb dieser Rahmenfrist stand der Kläger zwar nicht als Wehrdienstleistender mindestens sechs Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III – und zwar weder in der bis zum 31. Dezember 2001 gel-tenden Fassung des Gesetzes, noch in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III sind nämlich Personen, die auf Grund gesetzlicher Pflicht länger als drei Tage Wehrdienst oder Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht als Beschäftigte ver-sicherungspflichtig sind, dann versicherungspflichtig, wenn sie - unmittelbar vor Dienstantritt versicherungspflichtig waren oder eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen haben (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) SGB III), oder - unmittelbar vor Dienstantritt eine Beschäftigung ge-sucht haben (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III – wobei die Vorschrift in der bis 31. Dezember 2001 gel-tenden Fassung den Nebensatz "die Versicherungspflicht nach diesem Buch [gemeint: des SGB III] begründet" enthielt und in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fas-sung den Klammerzusatz "(§ 119)" enthält).

Zwar hat der Kläger auf Grund gesetzlicher Pflicht länger als drei Tage, nämlich in der Zeit vom 1. September 2001 bis 31. Mai 2002, Wehrdienst geleistet und war während die-ser Zeit nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig. Allerdings war der Kläger i.S.d. § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) SGB III weder unmittelbar vor Dienstantritt ver-sicherungspflichtig, noch bezog er eine Entgeltersatzleis-tung nach dem SGB III.

Auch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III sind im Falle des Klägers nicht erfüllt, weil eine Beschäftigungssuche unmittelbar vor Dienstantritt (die Ver-sicherungspflicht nach dem SGB III begründet – so in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung des Gesetzes - bzw. den Voraussetzungen des § 119 SGB III entspricht – so in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes -) nur dann vorliegt, wenn der Arbeitslose sich beim Arbeitsamt auch arbeitslos bzw. arbeits-/ beschäftigungssuchend gemel-det hat, so dass es nicht genügt, wenn der Kläger – wie er vorträgt – in der Zeit zwischen Beendigung der Schule und vor Antritt des Wehrdienstes eigeninitiativ nach einer Ar-beits-, Aushilfs- oder Ausbildungsstelle gesucht hat, wenn er sich nicht zugleich beim Arbeitsamt als arbeitssuchend bzw. arbeitslos gemeldet hat und damit den Vermittlungsbe-mühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung gestanden hat; dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers brauchte das Gericht aus Rechtsgründen daher im Rahmen seiner Amtsaufklärungs-pflicht nicht nachgehen. Dass § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III, das Zur-Verfügung-Stehen im Rahmen der Vermitt-lungsbemühungen des Arbeitsamtes und damit eine Arbeitssu-chend- bzw. Arbeitslosmeldung – hinsichtlich der es im Fal-le des Klägers unstreitig mangelte – voraussetzt, ergibt sich auf Grund des Klammerzusatzes "(§ 119)" in § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III in der seit 1. Januar 2002 gelten-den Fassung eindeutig (vgl. dazu: Wissing in: Wissing/ Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, Praxiskommentar zum SGB III, 2. Aufl. 2004, § 26, Rn. 25 – mit dem Redaktionsverse-hen, dass dort "§ 109" zitiert wird -; Rolfs in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungs-rechts, 1. Aufl. 2003, § 29, Rn. 78; Wagner in: Gemein-schaftskommentar zum SGB III, Stand: August 2002, § 26, Rn. 14; Fuchs in: Gagel, Kommentar zum SGB III, Stand: November 2003, § 26, Rn. 21; Schlegel in: Hennig, Kommentar zum SGB III, Stand: Februar 2003, § 26, Rn. 45; Timme in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III, Stand: Juni 2004, K § 26, Rn. 19). Denn den Vermittlungsbemühungen des Ar-beitsamtes kann eine Person kraft Natur der Sache nur dann zur Verfügung stehen, von der das Arbeitsamt Kenntnis hat, dass diese Person eine Beschäftigung sucht, weshalb die be-schäftigungssuchende Person dem Arbeitsamt – umgekehrt ge-sprochen - durch persönliche Vorsprache signalisiert haben muss, dass sie eine Beschäftigung sucht und Vermittlungsbe-mühungen des Arbeitsamtes wünscht. Nichts anderes galt aber auch bereits gem. § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, d.h., dass eine Beschäftigung unmittelbar vor Dienstantritt, die Ver-sicherungspflicht nach dem SGB III begründet, nur derjenige gesucht hat, der den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsam-tes zur Verfügung stand und damit beim Arbeitsamt arbeits-los bzw. arbeitssuchend gemeldet war, weil der bis zum 31. Dezember 2001 in § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III enthaltene Nebensatz "die Versicherungspflicht nach diesem Buch begründet", inhaltlich ebenfalls bereits den Bezug zu § 119 SGB III herstellte und dahingehend auszulegen war (vgl. dazu ausdrücklich: Timme in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III, Stand: Juni 2004, K § 26, Rn. 19; Rolfs in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungs-rechts, 1. Aufl. 2003, § 29, Rn. 78; Wagner in: Gemein-schaftskommentar zum SGB III, Stand: August 2002, § 26, Rn. 14; sowie in der älteren – damaligen – Kommentarlitera-tur: Fuchs in: Gagel, Kommentar zum SGB III, Stand: Juli 1999, § 26, Rn. 21; Fuchs in: Gagel, Kommentar zum SGB III, Stand: März 2002, § 26, Rn. 21). Mit der Änderung des § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III durch Art. 13 Nr. 1 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) des Bundeswehrneuausrichtungs-gesetzes (BwNeuAusrG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. 2001 Teil I, S. 4013) war keinerlei sachliche oder gar inhaltli-che Änderung der Vorschrift, sondern ausweislich der Geset-zesbegründung lediglich eine "redaktionelle Klarstellung" (so ausdrücklich in: BT-Drs. 14/6881, S. 33) verbunden (vgl. auch: Rolfs in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 1. Aufl. 2003, § 29, Rn. 78: " ... beinhaltet keine sachliche Änderung, sondern soll le-diglich verdeutlichen ..."; Wagner in: Gemeinschaftskommen-tar zum SGB III, Stand: August 2002, § 26, Rn. 14: " ... hat die Voraussetzung nunmehr durch die Klammerverweisung auf § 119 präzisiert."; Schlegel in: Hennig, Kommentar zum SGB III, Stand: Februar 2003, § 26, Rn. 45: " ... stellt der Klammerzusatz mit Hinweis auf § 119 klar, ..."). Auf Grund der Neufassung des § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III hat der Gesetzgeber damit lediglich "verdeutlicht, dass eine Beschäftigungssuche im Sinne der gesetzlichen Regelung nur dann vorliegt, wenn sich der Betroffene selbst aktiv um ei-ne neue Beschäftigung bemüht und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Dies setzt voraus, dass sich der Betroffene persönlich arbeitslos gemeldet hat." (so ausdrücklich: BT-Drs. 14/6881, S. 33). Fehlte es im Falle des Klägers aber an dieser persönlichen Arbeits-losmeldung für die Beschäftigungssuche in der Zeit zwischen der Beendigung der Schule und des Antritts des Wehrdiens-tes, lagen die Voraussetzungen einer Versicherungspflich-tigkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III – sowohl in der bis 31. Dezember 2001 geltenden als auch in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes - nicht vor.

2.

Innerhalb der Rahmenfrist stand der Kläger auch nicht als Wehrdienstleistender mindestens sechs Monate in einem Ver-sicherungspflichtverhältnis nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung sind Personen während des Wehrdienstes in der Ver-fügungsbereitschaft nach § 5a Abs. 1 des Wehrpflichtgeset-zes und des freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstes nach § 6b Abs. 1 des Wehrpflichtgesetzes, versicherungspflich-tig, wenn sie während des vorangegangenen Grundwehrdienstes versicherungspflichtig waren.

Zwar hat der Kläger in der Zeit vom 1. Juni 2002 bis 31. Juli 2003 einen freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst nach § 6b Abs. 1 des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) geleistet. Allerdings war er – nach den obigen Ausführungen – während des vorangegangenen Grundwehrdienstes nicht versicherungs-pflichtig nach dem SGB III.

3.

Innerhalb der Rahmenfrist, in der Zeit vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2003 stand der Kläger aber als Wehrdienstleis-tender mindestens sechs Monate in einem Versicherungs-pflichtverhältnis nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung sind Personen, die im Anschluss an den Grundwehrdienst freiwil-ligen zusätzlichen Wehrdienst nach 6b WPflG leisten, versi-cherungspflichtig, wenn die Gesamtdauer des Wehrdienstes mindestens 14 Monate umfasst.

Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers erfüllt. Denn er hat – was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - im unmittelbaren Anschluss an den neunmonatigen, die Zeit vom 1. September 2001 bis 31. Mai 2002 umfassenden, Grundwehrdienst, einen 14-monatigen, die Zeit vom 1. Juni 2002 bis 31. Juli 2003 umfassenden, freiwilligen zusätzli-chen Wehrdienst nach 6b WPflG geleistet.

Der Versicherungspflichtigkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung steht auch weder die zusätzliche Bedingung des § 26 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) SGB III (Beschäftigungssuche nach § 119 SGB III unmittelbar vor Dienstantritt) noch die Rückausnahme des § 26 Abs. 4 SGB III entgegen, weil beide Normen im Rahmen des § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht heranzuziehen sind.

Der Versicherungspflichtigkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung steht – ent-gegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht die Übergangs-vorschrift des § 434e SGB III entgegen. Nach dem, durch Art. 13 Nr. 5 BwNeuAusrG vom 20. Dezember 2001 (BGBl. 2001 Teil I, S. 4013) – in Folge eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers - als § 434d SGB III eingefügten und mit Berichtigungsgesetz vom 26. April 2002 (BGBl. 2002 Teil I, S. 1542) umbenannten, § 434e SGB III sind die §§ 26 und 127 SGB III in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf Ansprüche auf Arbeitslosengeld weiterhin anzuwenden, wenn der Wehrdienst oder der Zivildienst vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat.

Fraglich und nach dem Gesetzeswortlaut des § 434e SGB III offen ist jedoch, was ein solcher Wehrdienst ist, der "vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat". Es stellt sich deshalb die auslegungsfähige und auslegungsbedürftige Frage danach, welcher Wehrdienst mit § 434e SGB III gemeint ist. Der rei-ne Gesetzeswortlaut lässt sowohl die Deutung zu, mit Wehr-dienst sei der gesamte Wehrdienst, also der Grundwehrdienst inklusive eines sich ggf. anschließenden freiwilligen zu-sätzlichen Wehrdienstes, gemeint, als auch, mit Wehrdienst sei der jeweilige, also entweder ein Grundwehrdienst oder ein freiwilliger zusätzlicher Wehrdienst gemeint. Zwar kann ein freiwilliger zusätzlicher Wehrdienst nur im Anschluss an einen Grundwehrdienst geleistet werden (§ 6b Abs. 1 Satz 1 WPflG), auch erfolgt die Einberufung zum freiwilligen zu-sätzlichen Wehrdienst mit der Einberufung zum Grundwehr-dienst (6b Abs. 2 Satz 1 WPflG) bzw. führt, bei nachträgli-cher Verpflichtung, zur Änderung des Einberufungsbescheides (§ 6b Abs. 2 Satz 3 WPflG), dessen Gesamtdauer auch ein-heitlich festgesetzt (§ 6b Abs. 2 Satz 2 WPflG) und auf den Grundwehrdienst angerechnet wird (§ 7 Abs. 1 WPflG). Den-noch handelt es sich bei dem freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst nach § 6b WPflG um eine eigenständige, isoliert betrachtungsfähige und damit vom Grundwehrdienst getrennt betrachtungsfähige Art des Wehrdienstes, der bereits des-halb selbstständig ist, weil es sich nicht um einen auf Grund der Wehrpflicht zu leistenden Wehrdienst, sondern um einen – wie der Name bereits sagt -, freiwilligen zusätzli-chen und damit eigenständigen Wehrdienst handelt. Auch das WPflG selbst unterscheidet und differenziert den freiwilli-gen zusätzlichen Wehrdienst in rechtlicher Hinsicht als Wehrdienst eigener Art, wie sich aus der Gegenüberstellung von § 4 Abs. 1 Nr. 1 WPflG zu § 4 Abs. 3 Satz 1 WPflG er-gibt.

Im Falle des Klägers hat die Auslegungsfrage, welche Art Wehrdienst, die vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat, mit § 434e SGB III gemeint ist, auch rechtlich relevante und streitentscheidende Bedeutung, weil dessen Grundwehrdienst zwar vor dem 1. Januar 2002, nämlich am 1. September 2001, nicht aber auch dessen freiwilliger zusätzlicher Wehr-dienst, der erst am 1. Juni 2002 begann, begonnen hat. Der freiwillige zusätzliche, vor dem 1. Januar 2002 begonnene, Wehrdienst des Klägers währte auch genau die für die Erfül-lung der Versicherungspflichtigkeit von § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung erfor-derliche Mindestdauer von 14 Monaten, obwohl sich diese Mindestdauer nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III – im Normfall – auf die Gesamtdauer des Grund- und zusätzlichen freiwilli-gen Wehrdienstes bezieht (vgl. dazu: Brand in: Niesel, Kom-mentar zum SGB III, 2. Aufl. 2002, § 26, Rn. 15; Fuchs in: Gagel, Kommentar zum SGB III, Stand: November 2003, § 26, Rn. 23; Rolfs in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 1. Aufl. 2003, § 29, Rn. 81; Wag-ner in: Gemeinschaftskommentar zum SGB III, Stand: August 2002, § 26, Rn. 19; Schlegel in: Hennig, Kommentar zum SGB III, Stand: Februar 2003, § 26, Rn. 49; Timme in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III, Stand: Juni 2004, K § 26, Rn. 22), wie sich aus der eindeutigen Gesetzesbe-gründung zu Art. 13 Nr. 1 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) BwNeuAusrG (vgl. BT-Drs. 14/6881, S. 33) ergibt.

Die nach dem Wortlaut des § 434e SGB III offene auslegungs-bedürftige und im vorliegenden Fall streitentscheidende Frage, welchen Wehrdienst, der vor dem 1. Januar 2002 be-gonnen hat, die Vorschrift meint, kann nur anhand der Ge-setzesmaterialien des normgebenden Gesetzgebers (= histori-sche Auslegung) und des Sinnes und Zweckes der gesetzlichen Regelung (= teleologische Auslegung) beantwortet werden, weil die semantische und systematische Auslegung nicht wei-ter helfen. Die Gesetzesmaterialien des normgebenden Ge-setzgebers sind allerdings, was allein die Gesetzesbegrün-dung zu Art. 13 Nr. 5 BwNeuAusrG betrifft, wenig aussage-kräftig. Denn zur Begründung der Übergangsregelung wird le-diglich ausgeführt (vgl. BT-Drs. 14/6881, S. 33):

"Die Vorschrift enthält die notwendigen Übergangsrege-lungen zu den Änderungen im Versicherungs- und Leis-tungsrecht des Dritten Buches Sozialgesetzbuch für Wehrdienstleistende und Zivildienstleistende. Für Per-sonen, die ihren Dienst vor dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes angetreten haben, sollen die bis zu die-sem Tag maßgeblichen Regelungen zur Versicherungs-pflicht und zur Dauer des Anspruches auf Arbeitslosen-geld weiterhin gelten."

Deshalb muss ergänzend auf die Gesetzesbegründung zu Art. 13 Nr. 1 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) BwNeuAusrG und auf den Sinn und Zweck der mit dem BwNeuAusrG bewirkten Neufas-sung des § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III abgestellt werden. Nach der Gesetzesbegründung und damit dem positiv verbürgten Willen des normgebenden Gesetzesgebers sollte mit dieser Neufassung aber gerade bewirkt werden, dass "Wehrpflichti-ge, die im Anschluss an den Grundwehrdienst freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst leisten, in den Schutz der Arbeits-losenversicherung einbezogen" (vgl. BT-Drs. 14/6881, S. 33) werden, was dafür spricht, die Auslegungsfrage des § 434e SGB III dahingehend zu beantworten, dass die Neuregelungen dann anzuwenden sind, wenn der freiwillige zusätzliche Wehrdienst nach dem Inkrafttreten des BwNeuAusrG – mithin nach dem 31. Dezember 2001 – begonnen hat. Der Gesetzgeber sah gerade die Regelung des § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung für die freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst Leistenden verbesse-rungsbedürftig an, weil diese nach dem bisherigen Recht des SGB III, Versicherungspflichtigkeit im Recht der Arbeits-förderung nur dann durch ihren Dienst erreichen können, wenn sie während des vorangegangenen Grundwehrdienstes ver-sicherungspflichtig waren. Deren überobligatorischer Ein-satz im Rahmen eines freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstes zum Wohle des Staates und der Allgemeinheit sollte durch Einbeziehung in die Versicherungspflichtigkeit im Recht der Arbeitsförderung berücksichtigt und honoriert werden. Dies wird bestärkt und inhaltlich bestätigt, durch die Formulie-rungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung, der in-soweit zu der mit Art. 13 Nr. 1 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) BwNeuAusrG bewirkten Neufassung des § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ausführte, "dass die Betreffenden" (nämlich die im Anschluss an den Grundwehrdienst freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst Leistenden) "ihrer Dienstpflicht in besonderer Weise nachkommen" (vgl. BT-Drs. 14/6881, S. 33; diese Pas-sage in der Gesetzesbegründung ebenfalls besonders betonend und hervorhebend: Wissing in: Wissing/Mutschler/Bartz/ Schmidt-De Caluwe, Praxiskommentar zum SGB III, 2. Aufl. 2004, § 26, Rn. 28; Brand in: Niesel, Kommentar zum SGB III, 2. Aufl. 2002, § 26, Rn. 15; Rolfs in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungs-rechts, 1. Aufl. 2003, § 29, Rn. 81; Wagner in: Gemein-schaftskommentar zum SGB III, Stand: August 2002, § 26, Rn. 19) und sich deshalb um die Einbeziehung in den Schutz der Arbeitslosenversicherung besonders verdient gemacht ha-ben. Beginnt aber – wie im Falle des Klägers – diese beson-ders zu honorierende und vom Gesetzgeber als im Rahmen der Einbeziehung in den Schutz der Arbeitslosenversicherung zu berücksichtigende Dienstpflicht nach dem von ihm statuier-ten Stichtag, spricht dies dafür, den mit der Übergangsre-gelung des § 434e SGB III eingeführten Stichtag auf den Be-ginn des freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstes zu bezie-hen. Mit anderen Worten: Derjenige, der seiner mit der von der Neufassung des Gesetzes anerkannten "Dienstpflicht in besonderer Weise" ab einem Zeitpunkt nachkommt, nach dem der Gesetzgeber die Einbeziehung in den Schutz der Arbeits-losenversicherung bewirken wollte, hat ein Anrecht darauf in diesen einbezogen zu werden. Dies wiederum ist seiner-seits vor dem Hintergrund der mit Übergangs- und Stichtags-regelungen verbunden Bestands- und Vertrauensschutzaspekte zu sehen: Wer vor dem Stichtag seinen freiwilligen zusätz-lichen Wehrdienst begonnen hat, konnte noch kein Vertrauen in die Besserstellung entwickeln; wer aber – wie der Kläger – seinen freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst, um dessen Anerkennung und Honorierung es im Recht der Arbeitslosen-versicherung mit der Neufassung des § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III einzig geht, nach dem Stichtag begonnen hat, konnte schutzwürdiges Vertrauen in die Besserstellung entwickeln.

Nach alle dem ist die aufgeworfene Auslegungsfrage nach An-sicht des Gerichts dahingehend zu beantworten, dass der Wehrdienst, der nach § 434e SGB III vor dem 1. Januar 2002 begonnen haben muss, sowohl der Grundwehrdienst als auch der freiwillige zusätzliche Wehrdienst sein kann. Hat also auch nur einer dieser beiden Arten von Wehrdiensten nach dem 31. Dezember 2001 begonnen, ist die Übergangsregelung des § 434e SGB III nicht einschlägig, sondern es sind die §§ 26, 127 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fas-sung anzuwenden, selbstverständlich mit der Einschränkung, dass auch die anderen Voraussetzungen der §§ 26, 127 SGB III lediglich mit Zeiträumen ausgefüllt werden können, die nach dem Beginn der Art des Wehrdienstes, der nach dem 31. Dezember 2001 begonnen hat, liegen. Dies bedeutet, dass derjenige Wehrdienstleistende, der zwar seinen freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst nach dem 31. Dezember 2001 begonnen hat, allerdings im Anschluss an den Grundwehrdienst weniger als 14 Monate freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst geleis-tet hat, keine Addition seiner Dienstzeiten von Grundwehr-dienst, der vor dem 1. Januar 2002 begann, und freiwilligem zusätzlichen Wehrdienst, der nach dem 31. Dezember 2001 be-gann, im Rahmen des § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III beanspruchen kann. So liegt der Sachverhalt im Fall des Klägers aber nicht, weil dieser die von § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III gefor-derten mindestens 14 Monaten Wehrdienst auf Grund seines freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstes, der nach dem 31. Dezember 2001 begann, vorweisen kann.

Demnach stand der Kläger gem. § 123 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung innerhalb der Rah-menfrist, also in der Zeit vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2003, als Wehrdienstleistender mindestens sechs Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung, so dass er die für den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Da die Beklagte mithin die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld im Falle des Klägers zu Unrecht verneint hat, musste das Gericht den angegriffenen Ableh-nungsbescheid vom 6. August 2003 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 8. September 2003 aufheben und die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosengeld ab 1. August 2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, die im Falle des Klägers diejenigen der §§ 127 Abs. 2a Nr. 2, 130 Abs. 3, 135 Nr. 2 SGB III sind, verurteilen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

IV.

Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Streitsache wirft die bisher nicht geklärte Rechtsfrage auf, welchen Wehrdienst § 434e SGB III meint, der vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat. Die Klärung dieser Rechtsfrage liegt auch im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu för-dern. Soweit ersichtlich ist bisher keine Entscheidung zu der streiterheblichen Rechtsfrage ergangen.

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Rechtskraft
Aus
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