L 7 U 3580/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 6980/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 U 3580/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Veranlagung eines Heimatvereins nach dem Fahrttarif 1998 der Verwaltungs- BG.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Veranlagung des Klägers nach dem Gefahrtarif (GT) für den Zeitraum vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 und die darauf gestützten Beitragsbe-scheide.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. In seiner Satzung vom 11.05.1991 ist in § 2 als Zweck des Vereins bestimmt:

"1. Der S. H. will die naturgegebenen und kulturellen Grundlagen unserer s. Hei-mat erhalten und stärken, für die Aufgaben der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft nutzen und dadurch einen sachgerechten und zeitgemäßen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und ihrer Umwelt leisten.

2. Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch: a) Vereinseigene Veröffentlichungen, b) Vorträge, Führungen, Studien- und Lehrfahrten, Ausstellungen, Konzerte, Dichterlesungen, Tagungen, Verleihung von Preisen, c) sachverständige Beratungen und Stellungnahmen zu wichtigen, mit der Ar-beit des Vereins zusammenhängenden Tagesfragen, auch in Presse und Rundfunk, d) Erwerb und Pflege von Kulturdenkmalen und naturschutzwürdigen Grundstücken.

3. Der S. H. verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 Abs. 2 Abgabenordnung 1977, und zwar insbesondere durch Förderung der Volksbildung, der Denkmalpflege und des Naturschutzes.

4. Der S. H. ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.

5. Der S. H. ist parteipolitisch und konfessionell neutral."

Bereits die Satzung des Klägers vom 05.02.1949 enthielt in § 2 eine vergleichbare Re-gelung zum Vereinszweck, in dem die Pflege der Kultur in ihrer Bindung an die Land-schaft und Volkstum als Zweck genannt war, dem mit Veröffentlichungen und Vorträgen usw. gedient werden sollte. Zuletzt war der Kläger mit Veranlagungsbescheid vom 29.09.1995 in dem Tarifzeitraum ab 01.01.1995 unter der GT-Stelle 5 (Kammer, Ver-band, Organisation der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft/Arbeit-geberverband/Gewerkschaft/diplomatische, konsularische Vertretung/Automobilclub/Zu-sammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen/ Sportverband) zur Gefahr-klasse 2,0 veranlagt worden.

In dem ab 01.01.1998 geltenden GT der Beklagten sind für die bisher unter der alten GT-Stelle 5 veranlagten Unternehmen gesondert ausgewiesene GT-Stellen gebildet worden. Mit Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 veranlagte die Beklagte den Kläger zu der neugebildeten GT-Stelle 20 als Unternehmensart "Zusammenschluss zur Verfol-gung gemeinsamer Interessen" mit der Gefahrklasse 1,14. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er sei in die GT-Stelle 54 als "sonstiges Dienst-leistungsunternehmen" einzustufen. Dem Verein gehörten 6000 Mitglieder aus 13 Orts-gruppen an. Er vergebe jährlich einen Denkmalschutz- und Kulturlandschaftspreis, ver-lege eine Zeitschrift, die "S. H.", unterhalte ein Naturschutzzentrum und führe Seminare und Tagungen durch. Im Rahmen der Volksbildung würden 60 Führungen, Exkursionen und Studienreisen abgehalten. Außerdem betreibe er in U. ein Kalkofenmuseum und besitze in Naturschutzgebieten 255 ha Grundstücke. Diese Aufgaben würden von einer Geschäftsstelle in Stuttgart mit 3,5 Beschäftigten, im Natur-schutzzentrum mit 3 Beschäftigten und über 200 ehrenamtlichen Helfern wahrgenom-men. In einem Aufklärungsschreiben vom 18.10.1999 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach dem neuen GT insgesamt 54 GT-Stellen ausgewiesen seien, wo-bei Unternehmensarten, die in ihrer Schwankungsbreite über einen längeren Zeitraum stabil gewesen seien, eigene GT-Stellen bildeten. Nur solche Unternehmensarten, die eine zu große Schwankungsbreite ihrer Gefahrklasse aufwiesen und daher keine eige-ne GT-Stelle bilden könnten, seien in der GT-Stelle 53 zusammengefasst. Für die GT-Stelle 20 habe sich im Beobachtungszeitraum von 1994 bis 1996 eine Lohnsumme von 6,8 Milliarden DM und Entschädigungsleistungen in Höhe von 7,8 Millionen errechnet, was eine Gefahrklasse von 1,14 bei einer Belastungsziffer von 1,13842 ergebe. Die Veranlagung nach GT-Stelle 54 für die Unternehmen der Unternehmensart "sonstige Dienstleistungen, sofern sie nicht einer namentlich genannten Unternehmensart zuzu-ordnen sind" erfolge nur dann, wenn Art und Gegenstand des veranlagten Unterneh-mens keiner anderen GT-Stelle zugewiesen werden könne. Der Kläger teilte mit, er hal-te gleichwohl an seinem Widerspruch gegen die Veranlagung fest.

Mit Beitragsbescheiden vom 22.04.1999 und 25.04.2000 erhob die Beklagte Beiträge für die Beitragsjahre 1998 und 1999. Mit Schreiben vom 27.05.1999 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 22.04.1999. Der Kläger machte ergän-zend geltend, der Vereinszweck decke sich nur "fast" mit der Unternehmensart nach GT-Stelle 20. Es sei daher der Auffangtatbestand der GT-Stelle 54 anzuwenden. Der Verein verfolge keine gemeinsamen Interessen der Vereinsmitglieder, sondern nehme öffentliche Aufgaben des Natur- und Landschaftsschutzes wahr.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 und gegen den Beitragsbescheid vom 27.04.1999 zurück. Die Veranlagung zur Unternehmensart "Zusammenschluss zur Ver-folgung gemeinsamer Interessen" sei sachgerecht und zutreffend. Bei dieser Unter-nehmensart handele es sich um einen Oberbegriff, unter dem eine Vielzahl kleiner Un-ternehmensgruppen zusammengefasst sei. Dazu gehörten Vereine, deren Gegenstand die Wahrnehmung und Förderung gemeinsamer Interessen ihrer Mitglieder und deren Aktivitäten sei, z. B. die Interessenvertretung gegenüber Behörden oder anderen Ver-bänden. Hierzu gehöre auch die Durchführung geeigneter Veranstaltungen zur Errei-chung der Ziele und die Beratung der Mitglieder. Bei der Unternehmensart "Sonstige Dienstleistungsunternehmen" handele es sich um Unternehmen, die sich auf einzelne büromäßige Dienstleistungen für Auftraggeber spezialisiert hätten oder eine Vielzahl von Dienstleistungen anböten und diese ausschließlich im Büro verrichteten (z. B. Ad-ressen-, Schreib-, Anzeigen- oder Übersetzungsbüros). Der Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 27.04.1999 enthalte inhaltlich die Einwendungen, die gegen den Veranlagungsbescheid erhoben worden seien. Die Widersprüche seien daher insge-samt zurückzuweisen.

Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) am 18.12.2000 Klage mit dem Ziel, ihn ab 01.01.1998 zur GT-Stelle 54 zu veranlagen. Der Verein verfolge nicht nur Vereinsinteressen, sondern erfülle auch öffentliche Aufgaben. Es finde keine Mit-glieder-Beratung im Verein statt. Ein Tatbestandsmerkmal für die GT-Stelle 20 sei da-her nicht erfüllt. Auch der Heimatverein könne wie Schreibbüros in die GT-Stelle 54 ein-gestuft werden. Die formale Anknüpfung an das Kriterium eines Zusammenschlusses zur Verfolgung gemeinsamer Interessen erlaube keine sachliche Differenzierung, denn es treffe auf jeden Verein zu. Die Gleichstellung mit wirtschaftlichen oder sonstigen ei-gennützigen Interessenvertretungen (Mieterverein etc.) sei nicht gerechtfertigt. Die Be-klagte trat der Klage entgegen mit der Begründung, bereits in der Vergangenheit sei der Kläger unter dem Oberbegriff eines Zusammenschlusses zur Verfolgung gemeinsamer Interessen veranlagt worden. Darin seien unter anderem Bürgerinitiativen, Förderungs-gesellschaften, humanitäre Organisationen, Schutzgemeinschaften und Interessenver-tretungen zusammengefasst gewesen. Bei der GT-Stelle 54 handle es sich um büro-mäßige Dienstleistungen. Der Vereinszweck des Klägers sei aber nicht auf Schreibar-beit ausgerichtet.

Mit Beitragsbescheid vom 25.04.2001 erhob die Beklagte den Beitrag für das Beitrags-jahr 2000. In der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2001 beantragte der Kläger die Veranlagung nach dem GT von 1998 in die GT-Stelle 54 und die Aufhebung der nach-folgenden Beitragsbescheide.

Mit Urteil vom 10.05.2001 wies das SG die Klage ab. Die Veranlagung zu der Unter-nehmensart "Verfolgung gemeinsamer Interessen" der GT-Stelle 20 sei zutreffend. Da-mit scheide die Einstufung zur GT-Stelle 54 aus, da dort nur Unternehmensarten erfasst würden, die zu keiner anderen GT-Stelle veranlagt werden könnten. Das konkrete Ver-waltungshandeln der Beklagten erweise sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der Kläger auch öffentliche Interessen verfolge und hierbei öffentliche Haushaltsmittel eingesetzt würden. Mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben sei es unter bei-tragsrechtlichen Gesichtspunkten unbeachtlich.

Gegen das ohne Rückschein mit Einschreibebrief zugestellte Urteil, am 02.08.2001 zur Post gegeben, hat der Kläger am 29.08.2001 Berufung beim Landessozialgericht einge-legt. Er macht zur Begründung geltend, es werde eine niedrigere Veranlagung ange-strebt, nicht die Veranlagung zu einer bestimmten GT-Stelle. Die Veranlagung eines Unternehmens habe sich nach der Unternehmensart zu richten, die nach Art und Ge-genstand des Unternehmens zu bestimmen sei. 60 % des eigenen Unternehmensge-genstands sei die Betätigung als Reisebüro, sonstige Tätigkeiten bestünden in der Ver-waltung von Liegenschaften in Naturschutzgebieten im Sinne der GT-Stelle 22, ansons-ten seien Veranstaltungen und Publikationen im Sinne der GT-Stelle 05 im GT vom 07.12.2000 als "Informations- und Kommunikationsdienstleistungen" zuzuordnen. Der Auffangtatbestand der GT-Stelle sei auf den eigenen Vereinszweck nicht sinnvoll anzu-wenden, da die beschriebenen Unternehmensgegenstände einer spezielleren Veranla-gung entsprächen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.05.2001 und den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 31.03.1998 und den Beitragsbescheid vom 27.04.1999 in der Gestalt des Widerspruch-bescheids vom 23.11.2000 sowie die Beitragsbescheide vom 25.04.2000 und vom 25.04.2001 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihn in eine andere GT-Stelle mit niedrigerer Gefahr-klasse als 1,14 zu veranlagen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung sei auf den Vereinszweck und nicht die hierfür durchgeführten einzelnen Tätigkeiten bei der Veranlagung abzustellen. Die GT-Stelle 20 des ab 01.01.1998 geltenden GT erfasse bereits eine spezielle Unternehmensart. Gerade die vom Kläger geforderte Veranlagung zur GT-Stelle 54 setze voraus, dass die Zuordnung zu einer anderen GT-Stelle nicht möglich sei. Die GT-Stelle 22 erfasse Reisebüros, die ausschließlich gewerbsmäßige Leistungen erbrächten. Die vom Kläger genannte GT-Stelle 05 des hier nicht einschlägigen GT ab 01.01.2001 erfasse Unternehmen, die die Entwicklung der neuen Medien (Software, Internet etc.) zum Unternehmensgegenstand hätten. Im übrigen räume der Kläger selbst ein, dass es sich bei ihm um einen Verein handele, dessen Mitglieder durch ihn gemeinsame Interessen verfolgten.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des SG beigezogen. Auf diese und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsaus-schließungsgründe (§ 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) liegen nicht vor.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind außer dem Veranlagungsbescheid der Be-klagten vom 31.3.1998 auch die Beitragsbescheide für die Beitragsjahre ab 1998 bis 2000. Über den Beitragsbescheid vom 22.4.1999 für das Beitragsjahr 1998 hat die Be-klagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 entschieden. Der im noch anhängi-gen Widerspruchsverfahren ergangene Beitragsbescheid vom 25.4.2000 für das Bei-tragsjahr 1999 ist aber nach entsprechender Anwendung von § 86 Abs. 1 SGG (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung), wonach ein neuer, im Vorverfahren des ange-fochtenen Verwaltungsakts ergangener und diesen abändernder Verwaltungsakt Ge-genstand des Vorverfahrens wird, Prüfungsgegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Nach ständiger Rechtsprechung unterfallen die in einem "Dauerschuldver-hältnis" ergangenen, verschiedene Zeitabschnitte betreffenden Verwaltungsakte aus Gründen der Verwaltungs- und Prozessökonomie auch dieser Regelung (a.A. Schlegel in SGG, § 86 Rdnr. 4). Die Beklagte hätte daher sachgerecht mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 auch über den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid für 1999 ent-scheiden müssen. Zutreffend hat das SG auch über den Beitragsbescheid vom 25.04.2000 entschieden. Dies folgt aus der Formulierung des klägerischen Antrags im Tatbestand des angefochtenen Urteils. Gem. § 96 SGG, der für das Klageverfahren die gleiche Regelung enthält, ist deshalb der während des Klageverfahrens ergangene Bei-tragsbescheid vom 25.4.2001 für das Beitragsjahr 2000 Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Veranlagungsbescheid zum GT ab 1.1.2001 und die hierauf beruhenden Beitragsbescheide. Diese Bescheide für die Bei-tragsjahre ab 2001 sind nicht gem. § 96 SGG Gegenstand dieses Berufungsverfahrens geworden, denn sie beruhen auf dem am 1.1.2001 in Kraft getretenen neuen GT der Beklagten.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 219 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) sind die Vorschriften über die Aufbringung der Mittel erstmals für das Haushaltsjahr 1997 anzu-wenden. Für das Haushaltsjahr 1996 und frühere Haushaltsjahre sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) über die Aufbringung und die Verwendung der Mittel sowie Art. 3 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes in der am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung weiter anzuwenden. Mithin sind im vorliegenden Fall die angefochtenen Bescheide nach den Vorschriften des SGB VII zu beurteilen.

Die Höhe der im Wege der Umlage nach Ablauf des Kalenderjahres festzusetzenden (§ 152 SGB VII) Beiträge richtet sich grundsätzlich nach dem Finanzbedarf, dem Ar-beitsentgelt der Versicherten und nach den Gefahrklassen (§ 153 Abs. 1 SGB VII). Die Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers (§ 33 Abs. 1 Viertes Buch Sozi-algesetzbuch -SGB IV-) setzt hierzu gem. § 157 Abs. 1 SGB VII als autonomes Recht einen GT fest, in dem zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen sind. Der GT wird nach Tarifstellen gegliedert, indem Gefahrengemeinschaften nach Gefähr-dungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs ge-bildet werden. Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 2 und 3 SGB VII). Der GT hat eine Gel-tungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs. 5 SGB VII). Die Berufs-genossenschaft veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach der Satzung zu den Gefahrklassen (§ 159 Abs. 1 SGB VII).

Die Vertreterversammlung hat bei der Wahrnehmung der ihr zugewiesenen autonomen Rechtsetzung einen weiten inhaltlichen Regelungsspielraum, der nur durch höherrangi-ges Recht begrenzt ist. Zu beachten sind die gesetzlichen Regelungen und die Wert-entscheidungen des Grundgesetzes, aber auch die tragenden Grundsätze der Unfall-versicherung (BSG SozR 2200 § 731 Nr. 2). Die Gerichte dürfen nur die Übereinstim-mung der satzungsrechtlichen Regelungen mit diesen Grundsätzen prüfen. Nützlich-keits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen sind den Gerichten verwehrt. (BSG a. a. O.). Durch gefahrtarifliche Bestimmungen hervorgerufene Härten in Einzelfall sind als Folge der zulässigen generalisierenden versicherungsrechtlichen Regelungen hinzunehmen (BVerfG SozR 2200 § 734 Nr. 2). Unter den GT-Stellen sind nach unterschiedlichen Zuordnungsmerkmalen Risikogemeinschaften zu bilden. Nach der Natur der Sache kommen die Tarifarten des Gewerbezweigtarifs oder des Tätigkeitstarifs in Betracht. Die unter diesen Gesichtspunkten gebildete Anzahl und die Arten der GT-Stellen stehen im Ermessen der Vertreterversammlung. Alle Tarifarten sind grundsätzlich zulässig, jedoch gebührt dem Gewerbezweigtarif der Vorrang, weil er am besten die gewerbetypischen Gefahren und damit das gemeinschaftliche Risiko erfasst (BSG SozR 2200 § 734 Nr. 1). Aber auch gemischte Tarife in diesem Sinne sind grundsätzlich zulässig (BSG a. a. O.). Jede GT-Stelle bedarf einer ausreichenden Größe, damit zufallsbedingte Schwan-kungen in der Belastungsentwicklung ausgeschlossen werden. Bei Gewerbezweigtari-fen für jeden Gewerbezweig eine eigene GT-Stelle zu bilden, ist mangels ausreichender Größe nicht immer möglich, deshalb sind auch Zusammenfassungen mehrerer Gewer-bezweige mit wenigstens annähernd gleichen Risiken grundsätzlich zulässig und im Einzelfall auch geboten (vgl. hierzu Ricke, Kasseler Kommentar, Bd. 2, § 157 Rdnr. 11). Eine isolierte Überprüfung des GT als autonomes Recht ist den Gerichten im sozialge-richtlichen Verfahren nicht möglich, da kein Normenkontrollverfahren verfahrensrecht-lich normiert ist. Eine inzidente Rechtmäßigkeitskontrolle findet jedoch in gerichtlichen Verfahren statt, die gegen den Veranlagungsbescheid oder gegen einen Beitragsbe-scheid gerichtet sind (Ricke a. a. O., § 157 Rdnr. 6).

Gemessen an diesen Maßstäben sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstan-den.

Der GT der Beklagten besteht aus zwei Teilen. Um die Beiträge nach der Unfallgefahr abzustufen, werden die Unternehmensarten in Teil I den Gefahrklassen zugeteilt. Hier-durch wird die Risikogemeinschaft "Berufsgenossenschaft" in kleinere Risikogemein-schaften nach GT-Stellen gegliedert. Gefahrklassen zeigen den durchschnittlichen Grad der Unfallgefahr jeder Tarifstelle. Je höher das Unfallrisiko, desto höher die Gefahrklas-se und damit der Beitrag. In den GT-Stellen sind jeweils Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengestellt (Gefahrengemeinschaften). Die Gefahrklasse erfasst nicht das Risiko des einzelnen Unternehmens, sondern das Risiko aller in einer bestimmten GT-Stelle zusammengefassten Unternehmen, was grundsätzlich nach den obigen Darlegungen zulässig ist. (vgl. hierzu Ricke, a. a. O. § 157 Rdnr. 6 ff). Bei der im Beobachtungszeitraum von 1994 bis 1996 ermittelten Lohnsumme und den für die unter der GT-Stelle 20 zusammengefassten Unternehmen aufgebrachten Entschädigungs-leistungen ist nicht erkennbar, dass mit Bildung der Gefahrklasse 1,14 insoweit gegen versicherungsrechtliche Grundsätze verstoßen wurde. Weder die Aufspaltung der früher in einer GT-Stelle zusammengefassten Unternehmen in jeweils gesonderte GT-Stellen noch die Berechnung der beitragserheblichen Gefahrklassen lassen diesbezüglich ei-nen Verstoß gegen höherrangiges Recht oder versicherungsrechtliche Grundsätze er-kennen.

Soweit der Kläger geltend macht, seine Zuordnung zur GT-Stellen 20 als "Zusammen-schluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen" verstoße gegen das von der Beklag-ten selbst herangezogene versicherungsrechtliche Prinzip des Gewerbezweigtarifs, ist ein gerichtlich nachprüfbarer Rechtsfehler nicht zu erkennen.

In der notwendigerweise auch einen gewissen Abstraktionsgrad beinhaltenden sat-zungsrechtlichen Umschreibung der in einer GT-Stelle erfassten Gefahrgemein-schaft/en ist der Beklagten ein weites Ermessen eingeräumt, weshalb der Senat nur zu überprüfen vermag, ob die Satzungsregelung eine hinreichende tatbestandliche Be-stimmtheit besitzt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Tatbestand der GT-Stelle 20 mit den Mitteln der Auslegung hinreichend konkret abzugrenzen. Denn die vom Kläger behauptete Anwendbarkeit auf alle Vereinigungen bzw. Vereine trifft inso-weit nicht zu, als bei systematischer Auslegung die Zweckbindung der Interessenverfol-gung der Unternehmen der anderen GT-Stellen zur Abgrenzung heranzuziehen ist.

Auch eine fehlerhafte Anwendung des Prinzips des Gewerbezweigtarifs auf den Kläger liegt nicht vor. Nach der von der Beklagten im Rahmen ihrer autonomen Rechtsset-zungsbefugnis, für die ihr ein weites Regelungsermessen zusteht, vorgenommenen Bewertung ist der der Vereinssatzung des Klägers zu entnehmende Vereinszweck, zu dem der Zusammenschluss der Mitglieder im Verein erfolgt, für die Zuordnung des Ver-eins zu dem ihn betreffenden "Gewerbezweig" maßgeblich. Die zur Verfolgung dieses Zweckes ausgeübten Tätigkeiten sind entsprechend dem Grundprinzip des Gewerbe-zweigtarifs gerade nicht entscheidend. Es ist deshalb auch nicht entscheidungserheb-lich, ob der privatrechtlich konstitutiv artikulierte Vereinszweck teilweise mit öffentlichen Mitteln verfolgt wird und diese Zweckverfolgung sich teilweise mit öffentlichen Interes-sen deckt. Dies ist unter den oben dargelegten, dem Gericht allein offen stehenden Prü-fungsmaßstäben nicht zu beanstanden.

Da der Kläger zutreffend als Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interes-sen im Sinne der vom Satzungsgeber vorgegebenen authentischen Auslegung der GT-Stelle 20 veranlagt wurde, kommt bereits eine Veranlagung zu der vom Kläger zumin-dest auch hilfsweise geltend gemachten GT-Stelle 54 nicht in Betracht. Abgesehen da-von, dass hiervon nur gewerbliche Dienstleistungsunternehmen erfasst sind, ist diese als Auffang-GT-Stelle für den Klägern nicht einschlägig, da der Kläger der spezielleren GT-Stelle 20 zuzuordnen ist. Auch die Veranlagung zur GT-Stelle 22 (Reisebüro) scheidet aus, denn der Vereinszweck ist nicht auf die Organisation von Reisen oder Gewinnerzielung als Reisebüro gerichtet, sondern dem im Tatbestand genannten ideel-len Zweck verhaftet.

Nach alledem erweisen sich die angefochtene Veranlagung und die hierauf gestützten Beitragsbescheide, deren rechnerische Richtigkeit weder gerügt noch durch den Senat zu beanstanden ist, als rechtmäßig. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved