L 4 KR 4775/00

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2753/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4775/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherungspflicht eines unständigtätigen bzw. Beschäftigten TV- Kameramanns
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Ansonsten sind im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger bei kurzfristigen Tätigkeiten als Kamera-mann der Sozialversicherungspflicht und insbesondere der Versicherungspflicht in der Renten-versicherung (RV) unterliegt.

Der am 1955 geborene verheiratete Kläger, bis 1995 polnischer, seither deutscher Staatsangehö-riger, ist seit etwa 1981 beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) bis zu 100 Tage im Jahr als Kameramann tätig, wobei vom ZDF Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wird. Daneben wird er bei bis zu 20 weiteren verschiedenen Fernsehanstalten und Produzenten im Rahmen einzelner Aufträge, etwa bei der Übertragung von Sportereignissen wie z.B. Fußballspielen, tätig. Hierfür erhält er jeweils eine Tagespauschale, Spesen und Kilometergeld. Von diesen Zahlungen führt der Kläger Umsatzsteuer ab. Die Absprachen mit den Auftaggebern erfolgen zumeist kurzfristig und telefonisch. Er ist im Rahmen des Auftrages in der Bilderaufnahme und dem Arrangement frei. Assistent, Tontechniker und Beleuchter erhalten von ihm Anweisungen. Der Kläger war bis 31. Januar 1993 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Er ist zur Zeit bei der DKV privat krankenversichert. Am 25. Mai 1999 stellte der Kläger bei der Beklagten mündlich einen Antrag auf Befreiung von der Sozialversicherungspflicht im Rahmen der Neuregelung "selbstständiger Mitarbeiter". Er gab in dem von der Beklagten übermittelten "Fragebogen zur Beurteilung der Sozialversiche-rungspflicht für arbeitnehmerähnliche Personen" nach den Vorschriften des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) an, dass er bei acht bis zehn Firmen als Kameramann unter Verein-barung eines Honorars und Zahlung pro Auftrag mit durchschnittlichen monatlichen Einkünften von ca. DM 10.000,- beschäftigt sei, wobei Lohnsteuer von den Einkünften nur beim ZDF abge-führt werde, wo eventuell auch Anspruch auf "Gratifikation" bestehe. Bei allen übrigen Auftrag-gebern berechne und zahle er als Auftragnehmer Umsatzsteuer. Die Auftraggeber stellten kos-tenfrei die Arbeitsmittel (Kamera usw.) zur Verfügung. Anwesenheitsnachweise und Arbeits-zeitnachweise habe er nur beim Hessischen Rundfunk, dem ZDF und dem Südwest-Rundfunk zu führen. Der Arbeitsort hänge jeweils vom Drehort ab, wohin er mit seinem eigenen Pkw unter Ersatz der Fahrtkosten durch die Auftraggeber komme. Der Kläger legte verschiedene Rechnun-gen, die jeweils auch Umsatzsteuer ausweisen, sowie die Anmeldung der Umsatzsteuervoraus-zahlung 1999 vor. Mit Bescheid vom 02. Juli 1999 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger fest, "dass die Vermutung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 SGB IV für Ihre Tätigkeit als Kameramann nicht widerlegt ist" und führte zur Begründung aus, er erfülle mindestens drei der in der genannten Regelung aufgeführten Kriterien und sei als Ka-meramann weisungsabhängig und ohne unternehmerisches Eigenrisiko, weshalb er ab 01. Januar 1999 grundsätzlich als Arbeitnehmer der Sozialversicherungspflicht unterliege. Mit gleichlau-tenden Briefen wandte sich die Beklagte an zwölf private Auftraggeber des Klägers, u.a. die Premiere GmbH, und teilte darin mit, dass der Kläger ab 01. Januar 1999 der Sozialversiche-rungspflicht unterliege. Sofern er ab 01. Januar 1999 bei der jeweiligen Firma beschäftigt gewe-sen sei, werde gebeten, die erforderlichen Meldungen nach der Datenerfassungs- und Übermitt-lungsverordnung (DEÜV) einzureichen und die Beiträge zu entrichten. Den gegen den Bescheid der Beklagten vom 02. Juli 1999 eingelegten Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Bescheid vom 30. September 1999 zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dem Kläger fehle das Unternehmerrisiko, da er bei Arbeitsunfähigkeit nicht erle-digte Aufträge an die Auftraggeber zurückgebe und keine Ersatzkraft stelle.

Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage mit dem Antrag, den Be-scheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und festzustellen, dass er nicht versicherungspflichtig im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB IV sei, hilfsweise ihn von der Versicherungspflicht zu befreien. Er führte aus, dass die Bundesversicherungsanstalt für Ange-stellte (BfA) nach einem am 05.Oktober 1999 begonnenen Prüfungsverfahren wegen der Versi-cherungspflicht in der RV für arbeitnehmerähnliche Selbstständige im Bescheid vom 22. Oktober 1999 davon ausgehe, dass er nicht gemäß § 2 Nr. 9 des Sechsten Buches des Sozial-gesetzbuchs (SGB VI) versicherungspflichtig sei. Aufgrund der Intervention der Beklagten unter Übersendung des Widerspruchsbescheids vom 30. September 1999 habe die BfA diesen Be-scheid am 10. November 1999 aufgehoben. Das auf den Widerspruch hin begonnene Wider-spruchsverfahren sei bis zum Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt. Er sei nach § 7 SGB IV n.F. nicht versicherungspflichtig. Unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Ein-zelfalls müsse beurteilt werden, ob jemand als Arbeitnehmer beschäftigt sei und unter dem Schutz der Sozialversicherung stehe. Anhaltspunkt hierfür sei die Eingliederung in die Arbeits-organisation des Auftraggebers. Könne nicht festgestellt werden, welchen Status die betreffende Person habe, weil sie sich am Verfahren nicht beteilige, dürfe zum Mittel der Vermutung gegrif-fen werden, wobei es gemäß § 7 Abs. 4 SGB IV auf fünf Kriterien ankomme: - Im Zusammenhang mit der Tätigkeit werden keine versicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigt; - im Wesentlichen wird nur für einen Auftraggeber gearbeitet; - es werden Arbeitsleistungen erbracht, die für Arbeitnehmer typisch sind; hiervon ist aus-zugehen, wenn der oder ein vergleichbarer Auftraggeber entsprechende Tätigkeiten re-gelmäßig von Arbeitnehmern erbringen lässt; - die Person tritt nicht unternehmerisch am Markt auf; - die bisher als Arbeitnehmer ausgeübte Beschäftigung ist in freie Mitarbeit umgewandelt worden, ohne dass sich an der Form der Zusammenarbeit etwas geändert hat. Von Seiten der Kassen werde von Scheinselbstständigkeit ausgegangen, wenn drei der fünf Kri-terien erfüllt seien, wobei die Möglichkeit bestehe, die Vermutung zu widerlegen und hierzu eine Entscheidung der BfA einzuholen. Die Vermutung sei bei ihm wegen fehlender Eingliederung bei den jeweiligen Auftraggebern und Tätigkeit für eine Vielzahl von Auftraggebern widerlegt. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegengetreten. Das SG lud mit Beschluss vom 13. März 2000 die BfA, jetzige Beigeladene zu 1), zum Rechts-streit bei. Diese hat zur Zuständigkeit ausgeführt, dass bei Inkrafttreten des § 7 Abs. 4 SGB IV zum 01. Januar 1999 von den Sozialversicherungsträgern einheitlich die Auffassung vertreten worden sei, dass in Fällen, in denen die gesetzliche Vermutung eines Beschäftigungsverhältnis-ses nach § 7 Abs. 4 SGB IV bestehe, im Hinblick auf § 28h SGB IV zwingend eine Prüfung durch die Krankenkasse erfolgen müsse. Diese Auffassung sei von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger im Juli 1999 aufgegeben worden. Da jedoch durch die Beklagte eine Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses getroffen worden sei, müsse diese das Verfahren fortführen. Das SG hob nach Anhörung des Klägers am 24. Oktober 2000 mit Urteil vom 23. November 2000, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 04. Dezember 2000 und der Beklagten gegen Emp-fangsbekenntnis am 05. Dezember 2000 zugestellt wurde, den Bescheid der Beklagten vom 02. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 1999 auf und wies im Übrigen die Klage ab. In den Entscheidungsgründen, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, führt das SG im Wesentlichen aus, der Verfügungssatz des Bescheids vom 02. Juli 1999 enthalte keine Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozial-gesetzbuchs (SGB X), da lediglich eine Rechtsansicht geäußert werde. Verwaltungsakt werde der Bescheid nur dann, wenn die Begründung als feststellende Regelung bewertet werde. Diese Regelung sei jedoch mangels Bestimmtheit rechtswidrig, zumal eine Feststellung der Sozialver-sicherungspflicht durch die Beklagte als Einzugsstelle gemäß § 28h Abs. 3 SGB IV ohne Benen-nung der betroffenen Arbeitgeber unzulässig sei. Feststellungsantrag und Hilfsantrag des Klägers seien ebenfalls aus diesen Gründen mangels Bestimmtheit abzuweisen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der am 08. Dezember 2000 durch Fernkopie beim Landessozialgericht (LSG) eingegangenen Berufung wie auch die Beklagte mit der am 22. Dezember 2000 beim LSG durch Fernkopie eingegangenen Berufung.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, er habe ein Feststellungsinteresse daran, dass sehr wohl für die seit 1997 durchgeführten und in der Zukunft anfallenden Auftragsarbeiten eine Rechtssicherheit bezüglich des Bestehens von Sozialversicherungspflicht geschaffen werde, zumal die zahlreichen Auftraggeber bezüglich dieser Frage verunsichert worden seien.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. November 2000 abzuändern und festzustellen, dass er nicht versicherungspflichtig im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB IV ist, hilfsweise festzustellen, dass Sozialversicherungsbeiträge für die streitgegen-ständlichen Auftragsverhältnisse nicht zu zahlen seien.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. November 2000 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung hat sie nichts vorgetragen.

Der Kläger beantragt ergänzend,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 22. April 2002 erörtert und den Kläger angehört, wobei die Beigeladene zu 1) ebenfalls vertreten war. Er hat weiter die Bundes-anstalt für Arbeit (BA), Beigeladene zu 2), mit Beschluss vom 29. Januar 2003 beigeladen Die im Erörterungstermin angeregte Präzisierung des Bescheides der Beklagten durch diese ist seit-her nicht erfolgt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündli-che Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten und der Beigeladenen vorgelegten Akten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegten Berufungen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat mit Zustim-mung der Beteiligten gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind als selbstständige Berufungen statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 02. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1999 den Kläger in seinen Rechten verletzt. Es hat weiter zutreffend die Feststellungsklage des Klägers abgewiesen. Zur Vermeidung von Wieder-holungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgrün-de des SG, denen er sich in vollem Umfang anschließt. Dem Bescheid der Beklagten fehlt die Bestimmtheit. Da die Beklagte im Übrigen auch nicht zuständig ist, die Rentenversicherungspflicht des Klägers auf grund seiner Tätigkeit bei verschiedenen Fernsehanstalten und Fernsehproduzenten festzu-stellen, haben die Feststellungsanträge des Klägers auch keine Grundlage. Ob die Entscheidung der Beklagten im Übrigen auch materiellrechtlich unrichtig ist, kann dahin-gestellt bleiben, zumal die Beklagte ihr Berufung bis heute nicht begründet hat. Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang nur, dass die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 4 SGB IV den Amtsermittlungsgrundsatz nicht ersetzt, sodass alle für die versicherungsrechtliche Beurteilung erfor-derlichen Informationen vom Sozialversicherungsträger zu erheben sind. Dies hat die Beklagte bei ihrer Entscheidung verkannt.

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind somit unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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