L 9 KR 254/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 KR 324/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 254/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 50/19 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Versicherte haben auch in dem Fall, in dem ihr behandelnder Arzt sie als Honorararzt im Krankenhaus operiert und die ambulante Weiterbehandlung übernimmt, für die Zeit nach der Entlassung um eine Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nachzusuchen.
Die Befugnis der Krankenhäuser, im Rahmen des Entlassmanagements die Arbeitsunfähigkeit festzustellen, entbindet nicht von der Obliegenheit Versicherter, eine solche Feststellung ggf. noch im Krankenhaus einzufordern.
Bemerkung
durch Beschluss verworfen
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Juni 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Weiterzahlung von Krankengeld ab dem 22. Mai 2016.

Der Kläger ist am 1961 geboren und Mitglied bei der Beklagten. Er erkrankte am 18. Februar 2016 arbeitsunfähig und bezog ab dem 16. März 2016 Krankengeld. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 15. März 2016.

Mit der als Folgebescheinigung ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 2. Mai 2016 bescheinigte der Facharzt für Innere Medizin Dr. H dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 12. Mai 2016. Der Kläger befand sich ab dem 11. Mai 2016 bis zum 21. Mai 2016, einem Samstag, in stationärer Krankenhausbehandlung. Mit ärztlicher Bescheinigung vom 24. Mai 2016 (ausgestellt als Erstbescheinigung) attestierte der Facharzt für Orthopädie Dr. D, der den Kläger im Rahmen der Krankenhausbehandlung als Honorararzt der Klinik auch operiert hatte, Arbeitsunfähigkeit seit dem 24. Mai 2016 bis zum 27. Mai 2016. In der Zeit vom 26. Mai 2016 bis zum 16. Juni 2016 befand sich der Kläger in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Für die Zeit ab dem 17. Juni 2016 bis zum 17. August 2016 war für den Kläger Arbeitsunfähigkeit ebenso ärztlich bescheinigt wie vom 15. September 2016 bis zum 14. Oktober 2016.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid 7. Juni 2016 die Krankengeldzahlung ab dem 22. Mai 2016 ab. Nach einer stationären Behandlung sei die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit am nächsten Tag durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin festzustellen. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 24. Mai 2016 habe nicht am Tag nach der stationären Behandlung stattgefunden, diese habe hier bis zum 21. Mai 2016 vorgelegen.

Der Kläger erhob unter dem 10. Juni 2016 Widerspruch. Die Entlassung sei am Samstag, den 21. Mai 2016, erfolgt. Am Dienstag, den 24. Mai 2016, sei beim behandelnden Facharzt und Operateur erst Sprechstunde gewesen. Leider sei diesem dann ein Fehler in der Krankschreibung unterlaufen. Er räume ein, dass er den Krankenschein auf Richtigkeit hätte überprüfen müssen, doch sei er mit der Vorbereitung auf die Reha so beschäftigt gewesen, dass ihm das falsche Datum nicht aufgefallen sei. Der Beklagten dürfte bekannt sein, dass eine Hüftoperation nicht nur 10 Tage Krankenhausbehandlung bedürfe. Mit ärztlichem Attest vom 9. Juni 2016 führte der Facharzt für Innere Medizin Dr. H aus, der Kläger sei operiert worden und am 21. Mai 2016 aus dem Krankenhaus entlassen worden. Er habe sich erst am Dienstag, den 24. Mai 2016, beim Orthopäden vorstellen können, dieser habe leider keine rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Da es sich aber um einen kontinuierlichen Arbeitsunfähigkeitsverlauf handele, bitte er, Dr. H, darum, seine rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die nicht beigefügt war, für die fehlende Tage zu akzeptieren.

Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht und teilte ergänzend mit: Im Anschluss an den stationären Aufenthalt sei die Anschlussheilbehandlung in Bad W durchgeführt worden, danach sei er von verschiedenen Ärzten permanent ambulant behandelt worden, er sei ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen. Er habe sich noch am 21. Mai 2016 um einen Arzttermin bemüht, jedoch habe er am Samstag keinen Arzt mehr erreichen können. Auch am Sonntag, den 22. Mai 2016, habe leider kein Arzt offen. Also habe er erst am 23. Mai 2016 einen Termin für den 24. Mai 2016 bei Dr. D vereinbaren können. Die Beklagte werde aufgefordert mitzuteilen, welcher ihrer Vertragsärzte überhaupt an einem Sonntag Sprechstunden durchführe. Am Montag, den 23. Mai 2016, sei der Kläger auf den 24. Mai 2016 vertröstet worden. Er habe daher alles Erforderliche getan, um sofort eine Krankschreibung zu erhalten, ein schuldhaftes Zögern sei ihm nicht vorzuhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 12. September 2016 unter Wiederholung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben.

Mit Urteil vom 19. Juli 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Für einen Krankengeldanspruch ab dem 22. Mai 2016 wäre es erforderlich gewesen, dass der Kläger spätestens am 23. Mai 2016, dem Montag, nach der Entlassung aus der stationären Krankenhausbehandlung am Samstag, sich die weitere Arbeitsunfähigkeit hätte bescheinigen lassen. Es komme nicht darauf an, dass der behandelnde Arzt im Nachhinein auch über den 21. Mai 2016 hinaus durchgehend Arbeitsunfähigkeit für den Kläger bestätigt habe. Die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit setze eine tatsächliche ärztliche Inanspruchnahme voraus, eine rückwirkende Bescheinigung stelle keine solche nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V dar. Ein Ausnahmefall nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege im Fall des Klägers nicht vor. Es sei ihm zumutbar gewesen, am 23. Mai 2016 einen Arzt aufzusuchen. Es komme insoweit nicht darauf an, ob er noch am 21. oder 22. Mai 2016 einen Arzt habe aufsuchen können. Für die lückenlose ärztlich dokumentierte Arbeitsunfähigkeit habe es im Fall des Klägers nicht zwingend der Vorstellung bei dem Operateur bedurft. Ausgehend von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 24. Mai 2016 habe das Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld nicht mehr bestanden.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 5. Juli 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. August 2018 Berufung eingelegt. Er habe mit dem Operateur noch am 21. Mai 2016 vereinbart, dass er am Dienstag, den 24. Mai 2016, zu ihm in die Praxis komme und weiterhin durchgehend krankgeschrieben werde. Hintergrund sei gewesen, dass er nach der Operation nicht habe gehen können. Er habe versucht, noch am Montag, den 23. Mai 2016, einen Termin für diesen Tag bei dem Operateur selbst oder in einer anderen Praxis zu erhalten. Dies sei aufgrund der Kurzfristigkeit nicht möglich gewesen. Obgleich er den Termin ausdrücklich wegen der Krankschreibung verlangt habe, sei er beim Operateur auf den Termin am 24. Mai 2016 verwiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei dem Operateur bekannt gewesen, dass er nur eine Krankschreibung bis zum 21. Mai 2016 habe vorweisen können. Der Operateur habe diesen Umstand offenbar übersehen und dem Kläger deshalb erst am 24. Mai 2016 einen Termin gegeben. Dieses Versehen des Arztes sei mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 9. Juni 2016 (Dr. H) geheilt worden und die Arbeitsunfähigkeit seit dem 22. Mai 2016 bescheinigt worden. Es liege hier ein Ausnahmefall nach der Rechtsprechung des BSG vom 11. Mai 2017 vor. Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, einen anderen Arzt als den Operateur aufzusuchen. Das Sozialgericht habe sogar unberücksichtigt gelassen, dass er in seiner Bewegung erheblich eingeschränkt gewesen sei. Weiterhin hätte der Termin am 24. Mai 2016 nicht dadurch eingespart werden können, dass er am 23. Mai 2016 einen anderen Arzt aufgesucht hätte, da der Termin auch der Nachbereitung der Operation gedient habe. Er müsse sich die Fehlvorstellung und die daraus resultierende Terminvergabe sowie die unrichtig erteilte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Operateurs nicht zurechnen lassen. Dass der Operateur erstinstanzlich nicht angehört oder zur Stellungnahme aufgefordert worden sei, falle nicht in die klägerische Sphäre. Der Operateur als Vertragsarzt der Beklagten hätte spätestens bei der Terminvereinbarung am 21. Mai 2016 selbst oder durch seine Mitarbeiter darauf hinweisen müssen, dass eine nachträgliche Krankschreibung nicht stattfinden könne. Bei der Terminvereinbarung sei dem Kläger von Seiten des Arztes mitgeteilt worden, dass ein früherer Termin nicht nötig sei. Dies habe der Arzt nun in seiner schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Senat auch bestätigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Juni 2018 sowie den Bescheid vom 7. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 22. Mai 2016 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist dem Vorbringen des Klägers entgegen getreten.

Der Senat hat die Liegebescheinigung sowie den Entlassungsbrief des Asklepios Klinikums B vom 21. Mai 2016 beigezogen und eine Stellungnahme des behandelten Facharztes für Orthopädie Dr. Deingeholt. Am 25. Juni 2019 hat ein Termin zur Erörterung stattgefunden, in welchem Dr. D als Zeuge vernommen worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

II.

Der Senat darf über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Juni 2018 ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat für die Zeit ab dem 22. Mai 2016 keinen (weiteren) Anspruch auf Krankengeld.

Die grundlegenden Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld ergeben sich aus den Regelungen der §§ 44 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V, hier in der ab dem 23. Juli 2015 bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16. Juli 2015 (BGBl. I, 1211).

Die Voraussetzungen für einen weiteren Krankengeldanspruch ab dem 22. Mai 2016 liegen für den Kläger nicht vor. Der Anspruch auf Krankengeld setzt nach §§ 44 ff. SGB V zunächst voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig war, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde und er weiterhin gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse versichert war. Diese Voraussetzungen sind ab dem 22. Mai 2016 für den Kläger nicht mehr vollständig erfüllt. Es kann offen bleiben, ob er ab diesem Zeitpunkt noch weiter arbeitsunfähig erkrankt war, jeden-falls fehlt es an einer (nahtlosen) ärztlichen Feststellung ab diesem Tag. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag der ärztlichen Feststellung an, nach Satz 1 Nr. 1 im Übrigen bei Krankenhausbehandlung von ihrem Beginn an. Das gilt auch für einen Anschlusszeitraum, d.h., wenn in dem vorangegangenen Zeitraum die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde oder ein stationärer Krankenhausaufenthalt lag (und Krankengeld bewilligt) wurde.

Für den Kläger lagen aufgrund seiner stationären Krankenhausbehandlung bis zum 21. Mai 2016, einem Samstag, die gesetzlichen Voraussetzungen für den weiteren Anspruch auf Krankengeld nach Satz 1 Nr. 1 vor. Für den 22. Mai 2015 liegt zwar weder eine ärztliche Feststellung i.S. des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V noch eine weitere Krankenhausbehandlung vor. Denn das behandelnde Krankenhaus hat ihm für die Zeit ab dem 22. Mai 2016 keine Arbeitsunfähigkeit (ggf. bis zum nächsten Vorstellungstermin beim ambulant weiterbehandelnden Arzt) bescheinigt, obwohl ihm diese Feststellung nach § 39 Abs. 1a Satz 6 SGB V in der ab dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung erlaubt war. Weder die Liegebescheinigung noch der Entlassungsbericht vom 21. Mai 2016 enthalten entsprechende ärztliche Feststellungen. Das allein wäre aber für die weitere Aufrechterhaltung des Anspruchs unschädlich, denn nach § 46 Satz 2 SGB V bleibt der Anspruch jeweils bis zu dem Tag erhalten, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage. Für den Kläger bedeutet dies, dass er sich (spätestens) am Montag, den 23. Mai 2016, eine ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit hätte beschaffen müssen. Der Kläger hat jedoch für diesen Tag keine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erhalten, sondern erst am Dienstag, den 24. Mai 2016. Diese ärztliche Feststellung von Dr. D konnte einen Anspruch des Klägers (gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V) erst ab diesem Tag (neu) begründen. Zum einen erfolgte die Feststellung nach dem Inhalt der Bescheinigung erst ab diesem Tag, zum anderen wäre eine rückwirkend erfolgende Feststellung nach § 46 SGB V nicht ausreichend und nach dem Gesetz auch nicht zulässig. Vertragsärzte durften zwar nach § 5 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in der ab Januar 2014 maßgeblichen Version vom 14. November 2013 (AU-RL, BAnz AT vom 27. Januar 2014, B 4) ausnahmsweise eine Krankschreibung auch für Tage vor dem Behandlungsbeginn ausstellen. Nach der oben zitierten klaren Fassung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V lässt eine solche rückwirkend erfolgte ärztliche Feststellung aber den Krankengeldanspruch ab diesem Tag oder dem darauffolgenden nicht entstehen. Ein ärztliches Fehlverhalten liegt daher insoweit auch nicht vor.

Am 24. Mai 2016, dem Tag der ärztlichen Feststellung, war der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Da sein Beschäftigungsverhältnis zum 15. März 2016 endete, er zu diesem Zeitpunkt bereits arbeitsunfähig erkrankt war, wurde das Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld (vgl. zu dem Erfordernis des Krankengeldanspruchs, vgl. § 44 Abs. 2 SGB V im Umkehrschluss) nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ab dem Ende der Entgeltfortzahlung allein über den Bezug von Krankengeld aufrechterhalten. Die weitere Aufrechterhaltung des Versicherungsverhältnisses nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V setzt in diesem Fall voraus, dass nahtlos Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird. Im Fall des § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der bis ab dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung erfordert das, dass Versicherte spätestens am ersten Tag nach dem Ende einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit oder einem Krankenhausaufenthalt, bei einem dann folgenden Wochenende am Montag, eine neue ärztliche Feststellung erhalten, so dass an diesem Tag ein neuer Anspruch auf Krankengeld (nahtlos) entstehen kann. Der Kläger hat aber, wie oben ausgeführt, an diesem letzten möglichen Tag keine weitere Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erhalten.

Ein Ausnahmefall, in welchem dem Kläger nicht entgegen gehalten werden könnte, dass das Versicherungsverhältnis wegen der nicht fristgerechten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 192 SGB V aufrechterhalten bliebe, ist nicht nachgewiesen. Aufgrund ihrer Obliegenheit, mit zeitlichem Ablauf der jeweiligen ärztlichen Feststellung dafür zu sorgen, dass spätestens am folgenden Werktag nach Auslaufen der letzten ärztlichen Feststellung eine neue sich anschließende ärztliche Feststellung vorliegt, um den Versicherungsschutz (mit Krankengeldanspruch) aufrechtzuerhalten, müssen es sich Versicherte grundsätzlich entgegenhalten lassen, wenn sie die Frist versäumen (vgl. zu § 46 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung, BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R -, BSGE 123, 134-144, Rn. 20, juris). Die Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, hat nur in engen Grenzen bestimmte Ausnahmen davon anerkannt, dass die ärztliche Feststellung (oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R -, BSGE 123, 134-144, Rn. 22, juris). Solche Umstände sind bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten oder aufgrund von Organisationsmängeln der jeweiligen Krankenkasse anerkannt, die diese selbst zu vertreten hat, sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes. Voraussetzung solcher Ausnahmen ist, dass Versicherte alles in ihrer Macht Stehende tun, um die ärztliche Feststellung zu erhalten: Sie haben dazu ihre Ärzte aufzusuchen und diesen ihre Beschwerden vorzutragen. Unterbleibt die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dann gleichwohl aus Gründen, die dem ärztlichen Verantwortungsbereich zuzuordnen sind, darf sich das nicht zum Nachteil der Versicherten auswirken. Zum ärztlichen Verantwortungsbereich gehört es auch, wenn der Vertragsarzt die von Versicherten nachgesuchte ärztliche Feststellung aus medizinischen oder anderen Gründen zu Unrecht nicht erteilt (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R -, BSGE 123, 134-144, Rn. 22 - 24, 26 juris).

Auf einen solchen Aufnahmefall kann sich der Kläger nicht berufen. Er hat nicht alles getan, um die Arbeitsunfähigkeit noch für den Zeitraum nach seiner Entlassung, spätestens am Montag, den 23. Mai 2016, zu erhalten. Er ist nicht aufgrund eines vertragsärztlichen Fehlverhaltens davon abgehalten worden, die weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit noch bis 23. Mai 2016 und damit rechtzeitig zu erhalten. Er hat am 23. Mai 2016 gar keinen Arzt aufgesucht, um die weitere Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen. Er hat sich – entgegen seinem Vortrag – auch nicht am Wochenende davor oder noch an diesem Tage selbst bemüht, noch einen Vorstellungstermin zu erhalten. Dies wäre ihm aber möglich und auch zumutbar gewesen. Diese Überzeugung gründet der Senat auf die Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 25. Juni 2019. Er hat ausgeführt, er habe sich deshalb um keinen (weiteren, vor allem früheren) Termin gekümmert, da er für den 24. Mai 2016 einen Vorstellungstermin bei dem operierenden Arzt Dr. Dbereits während des stationären Krankenhausaufenthaltes mit diesem vereinbart habe. Er hat sich am Montag allein darum gekümmert, für den Dienstag eine Fahrgelegenheit zum Arzt Dr. Dzu bekommen. Seine vorherigen gegenteiligen Behauptungen hat er im Erörterungstermin nicht bestätigt. Er wäre zudem, so die Einschätzung von Dr. D, der ihn am Donnerstag vor der Entlassung aus dem Krankenhaus untersucht hatte, am 23. Mai 2016 auch gesundheitlich in der Lage gewesen, einen Arzt aufzusuchen.

Der Kläger ist deshalb nicht aufgrund eines Fehlverhaltens, welches der Beklagten zuzurechnen wäre, davon abgehalten worden, noch am 23. Mai 2016 einen Arzt aufzusuchen. Zwar hat Dr. Dnoch im Krankenhaus vor der Entlassung mit dem Kläger einen Vorstellungstermin erst für den 24. Juni 2016 vereinbart. Nach seinen glaub-haften Aussagen im Erörterungstermin vor dem Senat entspricht diese Vereinbarung seiner üblichen Praxis als Honorararzt, der die Operationen im und für das Kranken-haus durchführt, dann aber als niedergelassener Vertragsarzt auch die Behandlung nach der Entlassung übernimmt. Es ist aber nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Kläger den Arzt auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angesprochen und dieser auf entsprechende Frage des Klägers einen früheren Ter-min als den 24. Mai 2016 abgelehnt oder dem Kläger hinsichtlich des Termins am 24. Mai 2016 eine unzutreffende Auskunft zur Arbeitsunfähigkeitsfeststellung gegeben hat. Denn der Kläger kann sich nicht einmal selbst daran erinnern, ob er Dr. Danlässlich der Untersuchung im Krankenhaus im Vorgriff auf die anstehende Entlassung auf die weitere Arbeitsunfähigkeitsfeststellung angesprochen hat. Das gilt auch für Dr. D. Allein die Tatsache, dass er regelhaft mit Patienten bei der durchgeführten Untersuchung im Krankenhaus vor der Entlassung auch über die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung spricht, lässt es zwar möglich erscheinen, dass dies auch im Fall des Klägers so war. Allerdings spricht hiergegen, dass sich der Kläger selbst daran nicht erinnert und auch mitgeteilt hat, er sei davon ausgegangen, bis zum Vorstellungstermin am 24. Juni 2016 weiter krankgeschrieben zu sein. Auch am 24. Mai 2016 habe er die Krankschreibung unbesehen entgegen genommen und nicht auf das enthaltende Datum geachtet. Er habe schlicht auch nicht gewusst, was da hätte angekreuzt werden müssen, zumal er andere Dinge im Kopf gehabt habe. Diese Umstände und seine weitere Angabe, er habe auch mit keiner anderen Person während des Krankenhausaufenthalts über die weitere Feststellung von Arbeitsunfähigkeit (über das Wochenende) gesprochen, sprechen dafür, dass der Kläger sich seiner Obliegenheit, die nahtlose Bescheinigung zu gewährleisten, möglicherweise gar nicht bewusst war. Verantwortlich für die Lücke ist daher auch keine Fehlinformation seitens des Krankenhauses hinsichtlich der weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Insoweit unterscheidet sich der Fall auch von der Fallkonstellation, die das BSG am 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R) zu entscheiden hatte. Dort hatte die Versicherte bei dem behandelnden Arzt rechtzeitig vorgesprochen und diesen gezielt nach der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefragt, der Arzt hatte sie aber mit einer (rechtlich) unzutreffenden Auskunft verweigert.

Der Versicherte ist aber, auch bei einem stationären Aufenthalt, nicht von der Obliegenheit entbunden, selbst für die weitere nahtlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu sorgen, diese ggf. noch im Krankenhaus zu verlangen. Unglücklich erscheint dabei im Fall des Klägers, dass das Krankenhaus von seiner Kompetenz, die Arbeitsunfähigkeit für die unmittelbare Zeit nach der Entlassung festzustellen, nicht von sich aus im Rahmen des Entlassmanagements und damit quasi regelhaft Gebrauch gemacht hat. Das hätte umso näher gelegen als der weiter behandelnde Arzt Dr. D, der hier auch als Honorararzt für das Krankenhaus die OP durchgeführt und den Kläger im Krankenhaus danach untersucht hat, seinerseits regelhaft die Patienten, die am Wochenende entlassen werden, erst für den dann folgenden Dienstag einbestellt. Ein Fehlverhalten, welches der Beklagten zurechenbar wäre, liegt darin aber nicht. § 39 Abs. 1a Satz 6 SGB V ermächtigt die Krankenhäuser zwar zur Arbeitsunfähigkeitsfeststellung, verpflichtet sie aber nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, der Senat wendet die Grundsätze des BSG vom 11. Mai 2017 auf den Fall des Klägers an (B 3 KR 22/15 R).
Rechtskraft
Aus
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