Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 795/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der Behandlungsmaßnahme „PET-CT bei Prostatakarzinom zum Staging“ handelt es sich nach wie vor um eine „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“. Abhängig von den Umständen des Einzelfalles kann aber ein Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V bestehen.
2. § 2 Abs. 1a SGB V kann einen Anspruch auf Versorgung mit einer PET-CT begründen, wenn einerseits bei unterstelltem operablem Primärkarzinom ein Zuwarten einen (schnelleren) tödlichen Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten würde, andererseits bei unterstelltem nicht operab-lem Karzinom der Eingriff selbst unmittelbar lebensgefährlich ist oder seine Folgen einen schnelleren tödlichen Krankheits-verlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten würden, und es kein anderes geeignetes diagnostisches Verfahren mehr gibt (Anschluss an BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 29/17 R).
3. In der Regel kann jede Krebserkrankung, die sich nicht mehr im Frühstadium befindet, lebensbedrohlich sein und tödlich verlaufen, sobald eine positive Metastasierung in Lymphknoten oder Fernmetastasen vorliegen.
4. Eine Vermutung, dass bei unbekanntem Krebsstadium stets von einem grundsätzlich nicht lebensbedrohlichen Frühstadium ausgegangen werden muss, ist dem Regelungssystem des SGB V fremd und lässt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V entnehmen.
5. Ein PET-CT dient gerade dieser Feststellung. Zum Staging eines Prostatakarzinoms existieren vertraglich keine anderen gleich effektiven Diagnostikmethoden.
6. Es ist nicht mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit vereinbar, den Versicherten auf eine neben der Untersuchungsmethode bestehende Behandlungsmethode zu verweisen. Bei der Beurteilung, ob alternative Untersuchungsmethoden bestehen, darf nur der Kreis aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden betrachtet werden.
2. § 2 Abs. 1a SGB V kann einen Anspruch auf Versorgung mit einer PET-CT begründen, wenn einerseits bei unterstelltem operablem Primärkarzinom ein Zuwarten einen (schnelleren) tödlichen Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten würde, andererseits bei unterstelltem nicht operab-lem Karzinom der Eingriff selbst unmittelbar lebensgefährlich ist oder seine Folgen einen schnelleren tödlichen Krankheits-verlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit bedeuten würden, und es kein anderes geeignetes diagnostisches Verfahren mehr gibt (Anschluss an BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 29/17 R).
3. In der Regel kann jede Krebserkrankung, die sich nicht mehr im Frühstadium befindet, lebensbedrohlich sein und tödlich verlaufen, sobald eine positive Metastasierung in Lymphknoten oder Fernmetastasen vorliegen.
4. Eine Vermutung, dass bei unbekanntem Krebsstadium stets von einem grundsätzlich nicht lebensbedrohlichen Frühstadium ausgegangen werden muss, ist dem Regelungssystem des SGB V fremd und lässt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V entnehmen.
5. Ein PET-CT dient gerade dieser Feststellung. Zum Staging eines Prostatakarzinoms existieren vertraglich keine anderen gleich effektiven Diagnostikmethoden.
6. Es ist nicht mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit vereinbar, den Versicherten auf eine neben der Untersuchungsmethode bestehende Behandlungsmethode zu verweisen. Bei der Beurteilung, ob alternative Untersuchungsmethoden bestehen, darf nur der Kreis aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden betrachtet werden.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2018 verurteilt, dem Kläger die Kosten für das am 26.05.2017 durchgeführte PET-CT in Höhe von 1.269,16 EUR zu erstatten. 2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Positronen-Emissions-Tomographie in Kombination mit einer Computertomographie (PET-CT) in Höhe von 1.269,16 EUR.
Der 1946 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten gesetzlich gegen Krankheit ver-sichert. Er befand sich wegen eines erstmals 2013 diagnostizierten Prostatakarzinoms bis 2015 in chemotherapeutischer Behandlung. Im Rahmen der stationären Nachsorge ließ der Kläger jeweils Oktober 2015 und August 2016 ein PET-CT durchführen.
Die behandelnden Ärzte des Klägers empfahlen ihm Anfang 2017 erneut eine PET-CT zur Aufklärung bei Verdacht neuer Metastasen im Bereich der Prostata durchführen zu lassen. Eine Terminbestätigung für den 24.05.2017 erhielt er am 26.04.2017. Vor diesem Hinter-grund erkundigte sich der Kläger telefonisch am 22.05.2017 bei der Beklagten, ob die Kos-ten für diese PET-CT erstattet werden würden. Ein Mitarbeiter der Beklagten teilte ihm mit, er solle die Untersuchung zunächst durchführen lassen; die Beklagte werde die Kosten der Maßnahme im Wege der Einzelentscheidung erstatten.
Der Kläger führte sodann unter dem 24.05.2017 die Untersuchung mittels PET-CT durch. Mit Schreiben vom 25.07.2017 (bei der Beklagten eingegangen am 27.07.2017) forderte der Kläger die Beklagte unter Attestvorlage zur Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 1.269,19 EUR auf.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 11.09.2017 (zugegangen am 13.09.2017) unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Kranken-versicherung (MDK) vom 04.09.2017. Die PET-CT sei beim klägerischen Krankheitsbild als "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode" zu klassifizieren und damit nicht erstat-tungsfähig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht gegeben.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sich die Beklagte weiterhin auf die fehlende medizinische Indikation der PET-CT. Sie wies zuletzt darauf hin, dass der Klä-ger den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe.
Dagegen hat der Kläger am 06.03.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er ist der Ansicht, im stünde die Kostenerstattung bereits deswegen zu, weil eine Genehmigungs-fiktion eingetreten sei. Zumindest habe er einen Anspruch auf Kostenerstattung wegen Sys-temversagen, da der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über die wissenschaftlich gesi-cherte PET-CT-Diagnostik seit langem eine positive Empfehlung hätte aussprechen müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.09.2017 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheids vom 07.02.2018 zu verurteilen, ihm die Kosten für das am 26.05.2017 durchgeführte PET-CT in Höhe von 1.269,16 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide weiterhin als rechtmäßig und verweist im Wesent-lichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 07.02.2018.
Das Gericht hat sodann den behandelnden Urologen des Klägers Dr. H. als sachverständi-gen Zeugen schriftlich befragt. Dieser hat dem Gericht unter anderem mitgeteilt, dass der Kläger vor Durchführung des PET-CT darauf hingewiesen worden sie, dass es sich um eine Leistung außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Das PET-CT habe er im Rahmen einer ambulanten Behandlung verordnet. Dieses sei zur diagnostischen Abklärung sinnvoll.
Das Gericht hat ferner ein Gutachten bei der Nuklearmedizinerin Dr. P in Auftrag gegeben. Diese ist zu dem Ergebnis gekommen, dass alternative Diagnostikmethoden mittels CT, MRT und Knochszintigraphie zwar nicht unzumutbar seien, aber für die Beurteilung eines Lokalbefundes bei Rezidivverdacht nach Prostatakarzinom weniger effektiv seien als die PET-CT-Diagnostik. Das Prostatakarzinom sei prinzipiell wie jede andere Krebserkrankung auch lebensbedrohlich und könne tödlich verlaufen. Zum Zeitpunkt der PET-CT-Untersuchung habe sich der Kläger aber in einem altersentsprechenden klinisch guten Zu-stand befunden; akuter Handlungsbedarf zur Lebenserhaltung oder zum Erhalt von Körper-funktionen habe nicht bestanden. Die PET-CT sei daher nicht unaufschiebbar gewesen. Die Rechnungsstellung für die Untersuchung am 24.05.2017 sei an den Patienten nach einfa-chem GOÄ-Satz erfolgt. Ein stationärer Einweisungsschein habe ihr nicht vorgelegen. Der Kläger sei auf die Problematik der Kostenübernahme hingewiesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowohl zulässig als auch begründet. Der Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 4 SGG). Dieser hat einen An-spruch auf Kostenerstattung für das am 26.05.2017 durchgeführte PET-CT in Höhe von 1.269,16 EUR.
1. Ein Kostenerstattungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion scheidet vorliegend aus. Nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V ist die Krankenkasse zwar zur Kostenerstattung nach Ablauf der in § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V genannten Frist verpflichtet, allerdings nur in den Fällen, in denen sich der Leistungsberechtigte die erforderliche Leistung nach Ablauf dieser Frist be-schafft. Die Frist gemäß § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V beginnt mit Antragseingang bei der Krankenkasse zu laufen und beträgt drei Wochen bzw. in Fällen, in denen eine gutachterli-che Stellungnahme eingeholt wird, fünf Wochen. Hierbei ist vom Versicherten der Beschaf-fungsweg einzuhalten. Voraussetzung ist daher zusätzlich, dass die Selbstbeschaffung der begehrten Leistung zeitlich erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist erfolgt (vgl. Bundessozi-algericht (BSG), Urteil vom 11.05.2017, Az.: B 3 KR 30/15 R; BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R). Hat sich der Versicherte die Leistung vor Ablauf der Frist beschafft, scheitert der Kostenerstattungsanspruch, auch wenn die Genehmigungsfikti-on nachträglich eingetreten sein kann (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 06.02.2018, Az.: L 11 KR 2991/17).
Übertragen auf den vorliegenden Fall mit einem Antragseingang frühestens am 22.05.2017 wäre die Frist wegen Einschaltung des MDK fünf Wochen später am 26.06.2017 abgelau-fen. Der Kläger hat sich die in seinen Augen erforderliche PET-CT allerdings bereits davor am 24.05.2019 selbst beschafft. Der notwendige Kausalzusammenhang zwischen dem fruchtlosen Fristablauf und den bei dem Kläger entstandenen Kosten besteht folglich nicht.
2. Als Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch kommt somit noch allein § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V in Betracht, denn der Kläger hatte das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V nicht gewählt. Gleichwohl scheidet auch eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V aus.
a) Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Variante 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten ent-standen sind (Variante 2). Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V setzt in beiden Rege-lungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27.03.2007, Az.: B 1 KR 17/06 R).
b) Die streitgegenständliche PET-CT gehört nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversi-cherung zu erbringenden Leistungen.
aa) Nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhaus-behandlung (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließ-lich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszu-stand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stete Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004, Az.: B 1 KR 3/03 R; Urteil vom 28.09.2010, Az.: B 1 KR 5/10 R; Urteil vom 11.09.2012, Az.: B 1 KR 9/12 R). Krank-heitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krank-heit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (stete Rechtsprechung, vgl. BSG, Ur-teil vom 28.02.2008, Az.: B 1 KR 19/07 R und Urteil vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 17/11 R).
Bei dem Kläger bestand eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V. Er leidet an einem Prostatakarzinom. Dies ergibt sich übereinstimmen aus sämtlichen vorliegenden ärztlichen Unterlagen. Eine Krankenbehandlung ist insofern zur Aufklärung bei Verdacht neuer Meta-stasen im Bereich der Prostata notwendig.
bb) Bei der Behandlungsmaßnahme "PET-CT bei Prostatakarzinom zum Staging" handelt es sich um eine "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode" im Sinne des § 135 SGB V.
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung sind nach § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V nur von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversi-cherung umfasst, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur gere-gelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Kranken-kasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Um-fang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung ver-bindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 1 KR 24/06 R).
Der G-BA hat für die PET zwar bereits eine Empfehlung abgegeben. Die PET darf nach Nr. 14 § 1 Anlage I – Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden – zur Richt-linie Methoden vertragsärztliche Versorgung bei Vorliegen der folgenden Indikationen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden:
1. Bestimmung des Tumorstadiums von primären nicht kleinzelligen Lungenkarzi-nomen einschließlich der Detektion von Fernmetastasen. 2. Nachweis von Rezidiven (bei begründetem Verdacht) bei primären nicht kleinzelli-gen Lungenkarzinomen. 3. Charakterisierung von Lungenrundherden, insbesondere Beurteilung der Dignität peripherer Lungenrundherde bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich ist. 4. Bestimmung des Tumorstadiums von kleinzelligen Lungenkarzinomen einschließ-lich der Detektion von Fernmetastasen, es sei denn, dass vor der PET-Diagnostik ein kurativer Therapieansatz nicht mehr möglich erscheint. 5. Nachweis eines Rezidivs (bei begründetem Verdacht) bei kleinzelligen Lungenkar-zinomen, wenn die Patienten primär kurativ behandelt wurden und wenn durch an-dere bildgebende Verfahren ein lokales oder systemisches Rezidiv nicht gesichert o-der nicht ausgeschlossen werden konnte. 6. Entscheidung über die Bestrahlung von mittels CT dargestellten Resttumoren ei-nes Hodgkin-Lymphoms mit einem Durchmesser von ) 2,5 cm nach bereits erfolgter Chemotherapie. 7. Entscheidung über die Durchführung einer Neck Dissection bei Patienten mit fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren oder mit unbekannten Primär-tumorsyndromen des Kopf-Hals-Bereichs. 8. Entscheidung über die Durchführung einer laryngoskopischen Biopsie beim La-rynxkarzinom, wenn nach Abschluss einer kurativ intendierten Therapie der begrün-dete Verdacht auf eine persistierende Erkrankung oder ein Rezidiv besteht. 9. Entscheidung über die notwendige Anzahl von Chemotherapiezyklen bei Ho-dgkinLymphomen im fortgeschrittenen Stadium nach zwei Zyklen leitliniengerechter Chemotherapie. 10. Maligne Lymphome bei Kindern und Jugendlichen. 11. Initiales Staging bei Hodgkin-Lymphomen.
Für andere Indikationen als die oben genannten wurde die PET in die Anlage II zur Richtli-nie Methoden vertragsärztliche Versorgung unter Nr. 39 aufgenommen: als eine Methode, die nach Beschluss des G-BA nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen.
Bei dem Kläger liegt eine entsprechende Indikation nicht vor, die eine Durchführung der PET-CT als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu-lässt. Stattdessen war die PET-CT zur Bestimmung des Tumorstadiums eines primären nicht kleinzelligen Prostatakarzinoms einschließlich der Detektion von Fernmetastasen indi-ziert.
c) Auf die Einhaltung des Beschaffungsweges und ob die Leistung unaufschiebbar war, kommt es insoweit nicht mehr an.
3. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob in dem Telefongespräch vom 22.05.2017 ein Be-ratungsfehler aufzufinden ist. Denn die Regelungen des § 13 Abs. 3 SGB V sind abschlie-ßend. Ein allgemeiner, auf Kostenerstattung gerichteter sozialrechtlicher Herstellungsan-spruch ist daher nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.1993, Az.: 4 RK 5/92; BSG, Urteil vom 02.11.2007, Az.: B 1 KR 14/07 R).
Ferner konnte seitens des Klägers kein Vertrauen wegen vorheriger stationär durchgeführter PET-CT entstehen. Zum einen ist die Beklagte diesbezüglich mit dem Kläger nicht in Kon-takt getreten. Zum anderen ist es unerheblich, ob der Erlaubnisvorbehalt vertragsärztlicher Versorgung (§ 135 SGB V) nicht im stationären Bereich gilt. Denn § 137c Abs. 3 SGB V setzt zumindest nicht die Geltung des Qualitätsvorbehaltes des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V außer Kraft (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2017, Az.: B 1 KR 17/17 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2018, Az.: L 11 KR 2695/16). Eine Absenkung der Qualitätsanforderun-gen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potential einer Behand-lungsalternative ergibt sich nicht aus § 137c Abs. 3 SGB V. Allein Hinweise in den Geset-zesmaterialien genügen nicht, um das Ergebnis aller anderen Auslegungsmethoden zu über-spielen (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 10/17 R m.w.N.).
4. Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich ebenso wenig unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann entsprechend § 13 Abs. 3 SGB V eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Vorausset-zungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsbe-rechtigten Stellen oder dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ord-nungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 12/05 R). Der G-BA hat allerdings bereits Mai 2018 abschließend über die Erstattungsfähigkeit des PET entschieden.
5. Der Kläger kann sich letztlich aber auf § 2 Abs. 1a SGB V berufen.
Laut § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regel-mäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Er-krankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V abweichende Leis-tung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
a) Der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen G-BA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich ver-laufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 12/04 R; Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 1 KR 11/08 R). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwie-genden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten "Off-Label-Use" formuliert ist. Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzli-chen Regelungen unter anderem nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraus-sichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrschein-lichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Einen solchen Schweregrad erreicht die Erkrankung des Klägers zwar nicht. Bei einem Pros-tatakarzinom im Frühstadium handelt es sich weder um eine lebensbedrohliche oder regel-mäßig tödliche noch um eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 4.4.2006, Az.: B 1 KR 12/05 R; Säch-sisches LSG, Urteil vom 13.03.2018, Az.: L 9 KR 253/13). Laut Gutachten der Dr. P. be-fand sich der Kläger zum Zeitpunkt der PET-CT-Untersuchung am 24.05.2017 in einem altersentsprechend klinisch guten Zustand. Akuter Handlungsbedarf zur Lebenserhaltung oder zum Erhalt eines Sinnesorgans bzw. von Körperfunktionen bestand damals auf Basis der erhobenen Befunde nicht. Ein Zeitraum, innerhalb dessen der lokale Rezidivtumor eine mögliche wachstumsindizierte Symptomatik oder möglicherweise eine symptomatische Streuung in Lymphknoten oder andere Organe hervorrufen könnte, lässt sich – so Dr. P. – nicht definieren.
Allerdings ist ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung aus § 13 Abs. 3 S. 1 Var. 1 SGB V wegen Unaufschiebbarkeit einer Leistung aufgrund grundrechtsorientierter Leis-tungsauslegung nach § 2 Abs. 1a SGB V nicht schon deswegen ausgeschlossen ist, weil der Kläger Kostenerstattung für eine Untersuchungsleistung begehrt. § 2 Abs. 1a SGB V kann in diesem Zusammenhang einen Anspruch auf PET-CT begründen, wenn einerseits bei un-terstelltem operablem Primärkarzinom ein Zuwarten einen (schnelleren) tödlichen Krank-heitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrschein-lichkeit bedeuten würde, andererseits bei unterstelltem nicht operablem Karzinom der Ein-griff selbst unmittelbar lebensgefährlich ist oder seine Folgen einen schnelleren tödlichen Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahr-scheinlichkeit bedeuten würden, und es kein anderes geeignetes diagnostisches Verfahren mehr gibt (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 29/17 R).
Der behandelnde Urologe des Klägers Dr. H. empfahl die Durchführung der PET-CT, nach-dem trotz vorangegangener Therapiemaßnahmen weiterhin ein erhöhter Wert des Prostata spezifischen Antigens (PSA) vorlag, welcher das Vorhandensein eines lokalen Rezidivtu-mors bzw. möglicher weiterer Lymphknoten- oder sogar Fernmetastasen vermuten lasse. Liegt eine positive Metastasierung in Lymphknoten oder anderen Organe jedoch erst einmal vor, ist der Krebs in der Regel nicht mehr heilbar (vgl. Artikel des Deutschen Krebsfor-schungszentrums vom 30.01.2018, https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/dkfz-pm-18-06-Metastasen-die-toedlichen-Toechter.php; zuletzt aufgerufen am 16.10.2019). Der jeweilige Krebskranke ist dann auf eine palliative Behandlung zu verweisen. Dr. P. geht in ihrem nachvollziehbaren Gutachten somit zu Recht davon aus, dass prinzipiell jede Krebserkrankung lebensbedroh-lich sein und tödlich verlaufen kann. Wäre die streitgegenständliche PET-CT-Untersuchung beim Kläger unterblieben, dann wäre weiter ungewiss, ob das Prostatakarzinom ungesehen nur lokale Metastasen gebildet hat oder vielmehr schon in andere Körperregionen und Or-gane gestreut hat. Eine nicht alsbaldige Durchführung des PET-CT bei einem an einem Pros-tatakarzinom erkrankten Versicherten – wie dem Kläger – trotz angestiegenem PSA-Wert würde letztendlich zu einem irreparablen Schaden führen der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Tod endet. Ein Prostatakarzinom in jedem anderen Stadium als dem Frühstadium kann damit grundsätzlich eine lebensbedrohliche Erkrankung sein. Dies genügt im Bereich nicht vertraglich anerkannter Untersuchungsmethoden, die zum Staging der je-weiligen Krebserkrankung eingesetzt werden. Eine Vermutung, dass bei unbekanntem Krebsstadium stets von einem grundsätzlich nicht lebensbedrohlichen Frühstadium ausge-gangen werden muss, ist dem Regelungssystem des SGB V fremd und lässt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V entnehmen.
bb) Des Weiteren hat die PET-CT im Fall des Klägers nach den glaubhaften Ausführungen der Dr. P. erfolgsversprechende Wirkung.
Das Erfordernis des § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V einer spürbar positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist im Bereich der Untersuchungsmethoden dahingehend zu verstehen, dass die aus der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse von entscheidender Bedeutung für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen sein müssen. Die PET-CT-Untersuchung liefert nach Dr. P. insbesondere in der Diagnostik von Lymphknoten-Metastasen wertvolle Informationen häufig bevor sich morphologische Veränderungen, wie eine Größenzunahme von Lymphknoten, zeigen.
cc) Zuletzt existierten keine vertraglichen gleich effektiven Methoden zur Diagnostik des beim Kläger bestehenden Prostatakarzinoms. Sowohl CT, MRT als auch Knochenszintigra-phie sind nicht geeignet, gezielt nach Lymphknoten- oder Fernmetastasen zu suchen. Das MRT ist aufgrund seiner laut Dr. P. nur lokalen Anwendbarkeit nicht geeignet, den gesam-ten Körper nach eben diesen zu durchsuchen. Die zu suchenden morphologischen Verände-rungen können zwar in der reinen CT-Komponente sichtbar sein, deren artdiagnostische Einordnung gelingt aber grundsätzlich nur durch die zusätzliche PET Information der erhöh-ten PSMA-Expression. Möglich ist nach Dr. P. allerdings auch, dass die Herde CT-morphologisch nicht zu erkennen sind (z.B. kleine Knochenmarkmetastasen, welche noch keine Veränderung der Knochenhartsubstanz hervorrufen). Die Knochenszintigraphie wird in der S3-Leitlinie zur Behandlung des Prostatakarzinoms im Staging erst bei einem Tu-mormarker PSA-Wert von ) 10 ng/dl. In dem strittigen Fall lag der Wert zum Zeitpunkt der Diagnostik mit 0,81 µg/l deutlich darunter, eine Knochenszintigraphie wäre insofern nicht indiziert gewesen. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht nicht nachvollziehen, warum der MDK auf CT, MRT und Knochenszintigraphie als Alternativen zum Tumorstaging ver-weist, da sie allesamt im Fall des Klägers nicht zielführend wären.
Unerheblich ist hierbei, dass alternativ zu dem PET-CT eine operative Entfernung der Pros-tata möglich ist. Dass der Kläger diese so weit wie möglich hinauszögern möchte, um eine laut den behandelnden Ärzten sicher eintretende Inkontinenz zu vermeiden, führt nicht zu einem Entfallen des Anspruchs auf Kostenerstattung für die Untersuchungsmaßnahme. Denn bei der Beurteilung, ob alternative Untersuchungsmethoden bestehen, darf nur der Kreis aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden betrachtet werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 29/17 R). Möglicherweise daneben alternativ beste-hende Behandlungsmethoden haben außer Betracht zu bleiben. So kann der jeweilige Versi-cherte im Fall einer vertraglich nicht anerkannten Untersuchungsmethode zumutbar nur auf alternative Untersuchungsmethoden verwiesen werden. Ungeachtet dessen, dass ein jeweils unterschiedlicher Vergleichsmaßstab zugrunde zu legen ist, würde es eine unangemessene Benachteiligung des Versicherten darstellen, ihm entsprechend einer in der Regel eingriffsin-tensiveren Behandlungsmethode auszusetzen. Dazu kommt, dass es nicht mit den Grundsät-zen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V) zu vereinbaren ist, eine Behandlungsmethode in einem solchen Fall heranzuziehen, in dem bereits die bloße Un-tersuchung ausreichend ist. Alles andere würde das Maß des Notwendigen überschreiten. Besonders deutlich wird dies im Fall des Karzinomstagings, bei dem das jeweilige Scree-ningverfahren zwei Ergebnisse liefern kann. Für den Fall eines positiven Herdbefundes sind entsprechende Therapiemaßnahmen einzuleiten, für den Fall eines negativen Untersu-chungsbefundes dagegen solche zu unterlassen. Die Behandlungsmethode der operativen Entfernung des kanzerogenen Gewebes ist also nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit notwendig und medizinisch indiziert.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Positronen-Emissions-Tomographie in Kombination mit einer Computertomographie (PET-CT) in Höhe von 1.269,16 EUR.
Der 1946 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten gesetzlich gegen Krankheit ver-sichert. Er befand sich wegen eines erstmals 2013 diagnostizierten Prostatakarzinoms bis 2015 in chemotherapeutischer Behandlung. Im Rahmen der stationären Nachsorge ließ der Kläger jeweils Oktober 2015 und August 2016 ein PET-CT durchführen.
Die behandelnden Ärzte des Klägers empfahlen ihm Anfang 2017 erneut eine PET-CT zur Aufklärung bei Verdacht neuer Metastasen im Bereich der Prostata durchführen zu lassen. Eine Terminbestätigung für den 24.05.2017 erhielt er am 26.04.2017. Vor diesem Hinter-grund erkundigte sich der Kläger telefonisch am 22.05.2017 bei der Beklagten, ob die Kos-ten für diese PET-CT erstattet werden würden. Ein Mitarbeiter der Beklagten teilte ihm mit, er solle die Untersuchung zunächst durchführen lassen; die Beklagte werde die Kosten der Maßnahme im Wege der Einzelentscheidung erstatten.
Der Kläger führte sodann unter dem 24.05.2017 die Untersuchung mittels PET-CT durch. Mit Schreiben vom 25.07.2017 (bei der Beklagten eingegangen am 27.07.2017) forderte der Kläger die Beklagte unter Attestvorlage zur Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 1.269,19 EUR auf.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 11.09.2017 (zugegangen am 13.09.2017) unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Kranken-versicherung (MDK) vom 04.09.2017. Die PET-CT sei beim klägerischen Krankheitsbild als "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode" zu klassifizieren und damit nicht erstat-tungsfähig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht gegeben.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sich die Beklagte weiterhin auf die fehlende medizinische Indikation der PET-CT. Sie wies zuletzt darauf hin, dass der Klä-ger den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe.
Dagegen hat der Kläger am 06.03.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er ist der Ansicht, im stünde die Kostenerstattung bereits deswegen zu, weil eine Genehmigungs-fiktion eingetreten sei. Zumindest habe er einen Anspruch auf Kostenerstattung wegen Sys-temversagen, da der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über die wissenschaftlich gesi-cherte PET-CT-Diagnostik seit langem eine positive Empfehlung hätte aussprechen müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.09.2017 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheids vom 07.02.2018 zu verurteilen, ihm die Kosten für das am 26.05.2017 durchgeführte PET-CT in Höhe von 1.269,16 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide weiterhin als rechtmäßig und verweist im Wesent-lichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 07.02.2018.
Das Gericht hat sodann den behandelnden Urologen des Klägers Dr. H. als sachverständi-gen Zeugen schriftlich befragt. Dieser hat dem Gericht unter anderem mitgeteilt, dass der Kläger vor Durchführung des PET-CT darauf hingewiesen worden sie, dass es sich um eine Leistung außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Das PET-CT habe er im Rahmen einer ambulanten Behandlung verordnet. Dieses sei zur diagnostischen Abklärung sinnvoll.
Das Gericht hat ferner ein Gutachten bei der Nuklearmedizinerin Dr. P in Auftrag gegeben. Diese ist zu dem Ergebnis gekommen, dass alternative Diagnostikmethoden mittels CT, MRT und Knochszintigraphie zwar nicht unzumutbar seien, aber für die Beurteilung eines Lokalbefundes bei Rezidivverdacht nach Prostatakarzinom weniger effektiv seien als die PET-CT-Diagnostik. Das Prostatakarzinom sei prinzipiell wie jede andere Krebserkrankung auch lebensbedrohlich und könne tödlich verlaufen. Zum Zeitpunkt der PET-CT-Untersuchung habe sich der Kläger aber in einem altersentsprechenden klinisch guten Zu-stand befunden; akuter Handlungsbedarf zur Lebenserhaltung oder zum Erhalt von Körper-funktionen habe nicht bestanden. Die PET-CT sei daher nicht unaufschiebbar gewesen. Die Rechnungsstellung für die Untersuchung am 24.05.2017 sei an den Patienten nach einfa-chem GOÄ-Satz erfolgt. Ein stationärer Einweisungsschein habe ihr nicht vorgelegen. Der Kläger sei auf die Problematik der Kostenübernahme hingewiesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowohl zulässig als auch begründet. Der Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 4 SGG). Dieser hat einen An-spruch auf Kostenerstattung für das am 26.05.2017 durchgeführte PET-CT in Höhe von 1.269,16 EUR.
1. Ein Kostenerstattungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion scheidet vorliegend aus. Nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V ist die Krankenkasse zwar zur Kostenerstattung nach Ablauf der in § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V genannten Frist verpflichtet, allerdings nur in den Fällen, in denen sich der Leistungsberechtigte die erforderliche Leistung nach Ablauf dieser Frist be-schafft. Die Frist gemäß § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V beginnt mit Antragseingang bei der Krankenkasse zu laufen und beträgt drei Wochen bzw. in Fällen, in denen eine gutachterli-che Stellungnahme eingeholt wird, fünf Wochen. Hierbei ist vom Versicherten der Beschaf-fungsweg einzuhalten. Voraussetzung ist daher zusätzlich, dass die Selbstbeschaffung der begehrten Leistung zeitlich erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist erfolgt (vgl. Bundessozi-algericht (BSG), Urteil vom 11.05.2017, Az.: B 3 KR 30/15 R; BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R). Hat sich der Versicherte die Leistung vor Ablauf der Frist beschafft, scheitert der Kostenerstattungsanspruch, auch wenn die Genehmigungsfikti-on nachträglich eingetreten sein kann (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 06.02.2018, Az.: L 11 KR 2991/17).
Übertragen auf den vorliegenden Fall mit einem Antragseingang frühestens am 22.05.2017 wäre die Frist wegen Einschaltung des MDK fünf Wochen später am 26.06.2017 abgelau-fen. Der Kläger hat sich die in seinen Augen erforderliche PET-CT allerdings bereits davor am 24.05.2019 selbst beschafft. Der notwendige Kausalzusammenhang zwischen dem fruchtlosen Fristablauf und den bei dem Kläger entstandenen Kosten besteht folglich nicht.
2. Als Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch kommt somit noch allein § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V in Betracht, denn der Kläger hatte das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V nicht gewählt. Gleichwohl scheidet auch eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V aus.
a) Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Variante 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten ent-standen sind (Variante 2). Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V setzt in beiden Rege-lungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27.03.2007, Az.: B 1 KR 17/06 R).
b) Die streitgegenständliche PET-CT gehört nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversi-cherung zu erbringenden Leistungen.
aa) Nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhaus-behandlung (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließ-lich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszu-stand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stete Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004, Az.: B 1 KR 3/03 R; Urteil vom 28.09.2010, Az.: B 1 KR 5/10 R; Urteil vom 11.09.2012, Az.: B 1 KR 9/12 R). Krank-heitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krank-heit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (stete Rechtsprechung, vgl. BSG, Ur-teil vom 28.02.2008, Az.: B 1 KR 19/07 R und Urteil vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 17/11 R).
Bei dem Kläger bestand eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V. Er leidet an einem Prostatakarzinom. Dies ergibt sich übereinstimmen aus sämtlichen vorliegenden ärztlichen Unterlagen. Eine Krankenbehandlung ist insofern zur Aufklärung bei Verdacht neuer Meta-stasen im Bereich der Prostata notwendig.
bb) Bei der Behandlungsmaßnahme "PET-CT bei Prostatakarzinom zum Staging" handelt es sich um eine "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode" im Sinne des § 135 SGB V.
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung sind nach § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V nur von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversi-cherung umfasst, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur gere-gelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Kranken-kasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Um-fang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung ver-bindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 1 KR 24/06 R).
Der G-BA hat für die PET zwar bereits eine Empfehlung abgegeben. Die PET darf nach Nr. 14 § 1 Anlage I – Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden – zur Richt-linie Methoden vertragsärztliche Versorgung bei Vorliegen der folgenden Indikationen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden:
1. Bestimmung des Tumorstadiums von primären nicht kleinzelligen Lungenkarzi-nomen einschließlich der Detektion von Fernmetastasen. 2. Nachweis von Rezidiven (bei begründetem Verdacht) bei primären nicht kleinzelli-gen Lungenkarzinomen. 3. Charakterisierung von Lungenrundherden, insbesondere Beurteilung der Dignität peripherer Lungenrundherde bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich ist. 4. Bestimmung des Tumorstadiums von kleinzelligen Lungenkarzinomen einschließ-lich der Detektion von Fernmetastasen, es sei denn, dass vor der PET-Diagnostik ein kurativer Therapieansatz nicht mehr möglich erscheint. 5. Nachweis eines Rezidivs (bei begründetem Verdacht) bei kleinzelligen Lungenkar-zinomen, wenn die Patienten primär kurativ behandelt wurden und wenn durch an-dere bildgebende Verfahren ein lokales oder systemisches Rezidiv nicht gesichert o-der nicht ausgeschlossen werden konnte. 6. Entscheidung über die Bestrahlung von mittels CT dargestellten Resttumoren ei-nes Hodgkin-Lymphoms mit einem Durchmesser von ) 2,5 cm nach bereits erfolgter Chemotherapie. 7. Entscheidung über die Durchführung einer Neck Dissection bei Patienten mit fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren oder mit unbekannten Primär-tumorsyndromen des Kopf-Hals-Bereichs. 8. Entscheidung über die Durchführung einer laryngoskopischen Biopsie beim La-rynxkarzinom, wenn nach Abschluss einer kurativ intendierten Therapie der begrün-dete Verdacht auf eine persistierende Erkrankung oder ein Rezidiv besteht. 9. Entscheidung über die notwendige Anzahl von Chemotherapiezyklen bei Ho-dgkinLymphomen im fortgeschrittenen Stadium nach zwei Zyklen leitliniengerechter Chemotherapie. 10. Maligne Lymphome bei Kindern und Jugendlichen. 11. Initiales Staging bei Hodgkin-Lymphomen.
Für andere Indikationen als die oben genannten wurde die PET in die Anlage II zur Richtli-nie Methoden vertragsärztliche Versorgung unter Nr. 39 aufgenommen: als eine Methode, die nach Beschluss des G-BA nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen.
Bei dem Kläger liegt eine entsprechende Indikation nicht vor, die eine Durchführung der PET-CT als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu-lässt. Stattdessen war die PET-CT zur Bestimmung des Tumorstadiums eines primären nicht kleinzelligen Prostatakarzinoms einschließlich der Detektion von Fernmetastasen indi-ziert.
c) Auf die Einhaltung des Beschaffungsweges und ob die Leistung unaufschiebbar war, kommt es insoweit nicht mehr an.
3. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob in dem Telefongespräch vom 22.05.2017 ein Be-ratungsfehler aufzufinden ist. Denn die Regelungen des § 13 Abs. 3 SGB V sind abschlie-ßend. Ein allgemeiner, auf Kostenerstattung gerichteter sozialrechtlicher Herstellungsan-spruch ist daher nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.1993, Az.: 4 RK 5/92; BSG, Urteil vom 02.11.2007, Az.: B 1 KR 14/07 R).
Ferner konnte seitens des Klägers kein Vertrauen wegen vorheriger stationär durchgeführter PET-CT entstehen. Zum einen ist die Beklagte diesbezüglich mit dem Kläger nicht in Kon-takt getreten. Zum anderen ist es unerheblich, ob der Erlaubnisvorbehalt vertragsärztlicher Versorgung (§ 135 SGB V) nicht im stationären Bereich gilt. Denn § 137c Abs. 3 SGB V setzt zumindest nicht die Geltung des Qualitätsvorbehaltes des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V außer Kraft (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2017, Az.: B 1 KR 17/17 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2018, Az.: L 11 KR 2695/16). Eine Absenkung der Qualitätsanforderun-gen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potential einer Behand-lungsalternative ergibt sich nicht aus § 137c Abs. 3 SGB V. Allein Hinweise in den Geset-zesmaterialien genügen nicht, um das Ergebnis aller anderen Auslegungsmethoden zu über-spielen (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 10/17 R m.w.N.).
4. Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich ebenso wenig unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann entsprechend § 13 Abs. 3 SGB V eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Vorausset-zungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsbe-rechtigten Stellen oder dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ord-nungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 12/05 R). Der G-BA hat allerdings bereits Mai 2018 abschließend über die Erstattungsfähigkeit des PET entschieden.
5. Der Kläger kann sich letztlich aber auf § 2 Abs. 1a SGB V berufen.
Laut § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regel-mäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Er-krankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V abweichende Leis-tung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
a) Der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen G-BA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich ver-laufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 12/04 R; Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 1 KR 11/08 R). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwie-genden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten "Off-Label-Use" formuliert ist. Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzli-chen Regelungen unter anderem nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraus-sichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrschein-lichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten.
Einen solchen Schweregrad erreicht die Erkrankung des Klägers zwar nicht. Bei einem Pros-tatakarzinom im Frühstadium handelt es sich weder um eine lebensbedrohliche oder regel-mäßig tödliche noch um eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 4.4.2006, Az.: B 1 KR 12/05 R; Säch-sisches LSG, Urteil vom 13.03.2018, Az.: L 9 KR 253/13). Laut Gutachten der Dr. P. be-fand sich der Kläger zum Zeitpunkt der PET-CT-Untersuchung am 24.05.2017 in einem altersentsprechend klinisch guten Zustand. Akuter Handlungsbedarf zur Lebenserhaltung oder zum Erhalt eines Sinnesorgans bzw. von Körperfunktionen bestand damals auf Basis der erhobenen Befunde nicht. Ein Zeitraum, innerhalb dessen der lokale Rezidivtumor eine mögliche wachstumsindizierte Symptomatik oder möglicherweise eine symptomatische Streuung in Lymphknoten oder andere Organe hervorrufen könnte, lässt sich – so Dr. P. – nicht definieren.
Allerdings ist ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung aus § 13 Abs. 3 S. 1 Var. 1 SGB V wegen Unaufschiebbarkeit einer Leistung aufgrund grundrechtsorientierter Leis-tungsauslegung nach § 2 Abs. 1a SGB V nicht schon deswegen ausgeschlossen ist, weil der Kläger Kostenerstattung für eine Untersuchungsleistung begehrt. § 2 Abs. 1a SGB V kann in diesem Zusammenhang einen Anspruch auf PET-CT begründen, wenn einerseits bei un-terstelltem operablem Primärkarzinom ein Zuwarten einen (schnelleren) tödlichen Krank-heitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrschein-lichkeit bedeuten würde, andererseits bei unterstelltem nicht operablem Karzinom der Ein-griff selbst unmittelbar lebensgefährlich ist oder seine Folgen einen schnelleren tödlichen Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahr-scheinlichkeit bedeuten würden, und es kein anderes geeignetes diagnostisches Verfahren mehr gibt (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 29/17 R).
Der behandelnde Urologe des Klägers Dr. H. empfahl die Durchführung der PET-CT, nach-dem trotz vorangegangener Therapiemaßnahmen weiterhin ein erhöhter Wert des Prostata spezifischen Antigens (PSA) vorlag, welcher das Vorhandensein eines lokalen Rezidivtu-mors bzw. möglicher weiterer Lymphknoten- oder sogar Fernmetastasen vermuten lasse. Liegt eine positive Metastasierung in Lymphknoten oder anderen Organe jedoch erst einmal vor, ist der Krebs in der Regel nicht mehr heilbar (vgl. Artikel des Deutschen Krebsfor-schungszentrums vom 30.01.2018, https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/dkfz-pm-18-06-Metastasen-die-toedlichen-Toechter.php; zuletzt aufgerufen am 16.10.2019). Der jeweilige Krebskranke ist dann auf eine palliative Behandlung zu verweisen. Dr. P. geht in ihrem nachvollziehbaren Gutachten somit zu Recht davon aus, dass prinzipiell jede Krebserkrankung lebensbedroh-lich sein und tödlich verlaufen kann. Wäre die streitgegenständliche PET-CT-Untersuchung beim Kläger unterblieben, dann wäre weiter ungewiss, ob das Prostatakarzinom ungesehen nur lokale Metastasen gebildet hat oder vielmehr schon in andere Körperregionen und Or-gane gestreut hat. Eine nicht alsbaldige Durchführung des PET-CT bei einem an einem Pros-tatakarzinom erkrankten Versicherten – wie dem Kläger – trotz angestiegenem PSA-Wert würde letztendlich zu einem irreparablen Schaden führen der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Tod endet. Ein Prostatakarzinom in jedem anderen Stadium als dem Frühstadium kann damit grundsätzlich eine lebensbedrohliche Erkrankung sein. Dies genügt im Bereich nicht vertraglich anerkannter Untersuchungsmethoden, die zum Staging der je-weiligen Krebserkrankung eingesetzt werden. Eine Vermutung, dass bei unbekanntem Krebsstadium stets von einem grundsätzlich nicht lebensbedrohlichen Frühstadium ausge-gangen werden muss, ist dem Regelungssystem des SGB V fremd und lässt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V entnehmen.
bb) Des Weiteren hat die PET-CT im Fall des Klägers nach den glaubhaften Ausführungen der Dr. P. erfolgsversprechende Wirkung.
Das Erfordernis des § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V einer spürbar positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ist im Bereich der Untersuchungsmethoden dahingehend zu verstehen, dass die aus der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse von entscheidender Bedeutung für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen sein müssen. Die PET-CT-Untersuchung liefert nach Dr. P. insbesondere in der Diagnostik von Lymphknoten-Metastasen wertvolle Informationen häufig bevor sich morphologische Veränderungen, wie eine Größenzunahme von Lymphknoten, zeigen.
cc) Zuletzt existierten keine vertraglichen gleich effektiven Methoden zur Diagnostik des beim Kläger bestehenden Prostatakarzinoms. Sowohl CT, MRT als auch Knochenszintigra-phie sind nicht geeignet, gezielt nach Lymphknoten- oder Fernmetastasen zu suchen. Das MRT ist aufgrund seiner laut Dr. P. nur lokalen Anwendbarkeit nicht geeignet, den gesam-ten Körper nach eben diesen zu durchsuchen. Die zu suchenden morphologischen Verände-rungen können zwar in der reinen CT-Komponente sichtbar sein, deren artdiagnostische Einordnung gelingt aber grundsätzlich nur durch die zusätzliche PET Information der erhöh-ten PSMA-Expression. Möglich ist nach Dr. P. allerdings auch, dass die Herde CT-morphologisch nicht zu erkennen sind (z.B. kleine Knochenmarkmetastasen, welche noch keine Veränderung der Knochenhartsubstanz hervorrufen). Die Knochenszintigraphie wird in der S3-Leitlinie zur Behandlung des Prostatakarzinoms im Staging erst bei einem Tu-mormarker PSA-Wert von ) 10 ng/dl. In dem strittigen Fall lag der Wert zum Zeitpunkt der Diagnostik mit 0,81 µg/l deutlich darunter, eine Knochenszintigraphie wäre insofern nicht indiziert gewesen. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht nicht nachvollziehen, warum der MDK auf CT, MRT und Knochenszintigraphie als Alternativen zum Tumorstaging ver-weist, da sie allesamt im Fall des Klägers nicht zielführend wären.
Unerheblich ist hierbei, dass alternativ zu dem PET-CT eine operative Entfernung der Pros-tata möglich ist. Dass der Kläger diese so weit wie möglich hinauszögern möchte, um eine laut den behandelnden Ärzten sicher eintretende Inkontinenz zu vermeiden, führt nicht zu einem Entfallen des Anspruchs auf Kostenerstattung für die Untersuchungsmaßnahme. Denn bei der Beurteilung, ob alternative Untersuchungsmethoden bestehen, darf nur der Kreis aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden betrachtet werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 29/17 R). Möglicherweise daneben alternativ beste-hende Behandlungsmethoden haben außer Betracht zu bleiben. So kann der jeweilige Versi-cherte im Fall einer vertraglich nicht anerkannten Untersuchungsmethode zumutbar nur auf alternative Untersuchungsmethoden verwiesen werden. Ungeachtet dessen, dass ein jeweils unterschiedlicher Vergleichsmaßstab zugrunde zu legen ist, würde es eine unangemessene Benachteiligung des Versicherten darstellen, ihm entsprechend einer in der Regel eingriffsin-tensiveren Behandlungsmethode auszusetzen. Dazu kommt, dass es nicht mit den Grundsät-zen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V) zu vereinbaren ist, eine Behandlungsmethode in einem solchen Fall heranzuziehen, in dem bereits die bloße Un-tersuchung ausreichend ist. Alles andere würde das Maß des Notwendigen überschreiten. Besonders deutlich wird dies im Fall des Karzinomstagings, bei dem das jeweilige Scree-ningverfahren zwei Ergebnisse liefern kann. Für den Fall eines positiven Herdbefundes sind entsprechende Therapiemaßnahmen einzuleiten, für den Fall eines negativen Untersu-chungsbefundes dagegen solche zu unterlassen. Die Behandlungsmethode der operativen Entfernung des kanzerogenen Gewebes ist also nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit notwendig und medizinisch indiziert.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
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