L 4 SO 47/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 225/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 47/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zu den Voraussetzungen eines Nothelferanspruchs des Krankenhauses im Falle der Behandlung eines Unionsbürgers.
2. Ist eine Person der aufenthaltsrechtlichen Verpflichtung des § 4 FreizügigG/EU unterworfen, so schließt § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus (Anschluss an BSG, Urteil vom 18. November 2014 B 8 SO 9/13 R – juris, Rn. 21); die hierfür erforderliche Inzidentprüfung der bestimmten Qualität des Aufenthaltsrechts folgt allein aufenthaltsrechtlichen Maßstäben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. November 2017 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben und hinsichtlich des Ausspruchs in der Sache für die Behandlungszeiträume 20. August 2016 bis 21. August 2016 und 22. April 2016 bis 24. April 2016 wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird wegen des stationären Aufenthalts des Patienten C. C. im Zeitraum vom 20. August 2016 bis 25. August 2016 verurteilt, Aufwendungen für dessen Behandlung für den Zeitraum vom 20. August 2016 bis 21. August 2016 in Höhe von 2.449,10 EUR zu erstatten;
Der Bescheid vom 1. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2017 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 29. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2016 aufzuheben und der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum vom 22. April 2016 bis 24. April 2016 in Höhe von 1.175,27 EUR zu erstatten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin 84 Prozent ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Behandlungskosten für mehrere Behandlungen des 1976 geborenen Herrn C. C. (im Weiteren: Patienten) im Zeitraum zwischen April und August 2016, den die Klägerin in ihrem Krankenhaus in A-Stadt jeweils behandelte.

Der Patient ist polnischer Staatsangehöriger und reiste nach seinen Angaben im Jahre 2006 zwecks Arbeitssuche nach Deutschland ein. Eine gesetzliche Krankenversicherung in Polen bestand nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten und einem Formular E 104 des polnischen Trägers bis 31. Mai 2007 (Dokument 27 der elektronischen Verwaltungsakte der Beklagten). Der Patient gab an, seit 2012 von seiner Ehefrau getrennt zu sein. Zum Zeitpunkt der Behandlungen war der Patient obdachlos. Er war bereits vorher mehrfach stationär von unterschiedlichen Krankenhäusern behandelt worden; dabei wurden auch bereits Anträge auf Übernahme der Behandlungskosten nach § 25 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) gestellt. Auch die Rechtsvorgängerin der Klägerin stellte bei der Beklagten bereits im Jahre 2012 ein Antrag auf Übernahme von stationären Behandlungskosten. Auf Grund dieser vorherigen, nicht streitgegenständlichen Anträge stellte die Beklagte Ermittlungen an. Zeitweilig hielt sich der Patient in D-Stadt auf, später in A-Stadt. Bis August 2012 war der Patient in A-Stadt nicht gemeldet gewesen. Dem Jobcenter MainArbeit A-Stadt war der Patient nach einem Schreiben der Beklagten vom 28. August 2012 nicht bekannt. Nach einer Aufnahmeanzeige der Klägerin vom 15. Oktober 2012 war der Patient zu diesem Zeitpunkt ohne festen Wohnsitz. Ausweislich eines an die Beklage gerichteten Kostenerstattungsformulars der Hospital zum Heiligen Geist GmbH vom 19. Februar 2015 habe der Patient zuletzt als selbständiger Fliesenleger mit Gewerbeanmeldung in Polen gearbeitet. Vor der Aufnahme habe er von Betteln und Flaschenpfand gelebt. Zeitgleich zeigte das Krankenhaus im Auftrag des Patienten eine Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) bei der AOK Hessen an. Am 25. Februar 2015 teilte die Deutsche Rentenversicherung telefonisch mit, dass der Patient bundesweit nicht bekannt sei. Ausweislich diverser Angaben in Aufnahmeformularen ging der Patient bis etwa 2014 einer möglicherweise unangemeldeten, selbständigen oder scheinselbständigen Tätigkeit im Baugewerbe von unbekannter Dauer nach. Das Diakonische Werk AX. – Sozialdienst A-Stadt – teilte der Klägerin mit Schreiben vom 9. August 2016 mit, dass der Patient lediglich eine Postadresse bei ihnen zum Zwecke der postalischen Erreichbarkeit eingerichtet habe. Dafür müsse er regelmäßig bei der Diakonie vorsprechen, mindestens einmal pro Woche. Mehrmals habe der Patient den Kontakt abgebrochen, sodass er abgemeldet worden sei. Der letzte Kontakt habe am 18. Juli 2016 stattgefunden. Die Sozialarbeiterin wisse nicht, wie der Patient seinen Lebensunterhalt bestreite. Er scheine jedoch über kein geregeltes Einkommen zu verfügen. Bei der Diakonie gebe es die Möglichkeit, gespendete Backwaren zu erhalten und zu verzehren. Zudem könnten sich Bedürftige duschen und Wäsche waschen sowie sich über den angegliederten Kleiderladen mit Kleidung versorgen. Diese Möglichkeiten habe der Patient sicherlich genutzt. Dieses Schreiben wurde an die Beklagte weitergeleitet (Elektronisches Dokument 66 der Verwaltungsakte). Die Beklagte schrieb den Patienten unter der von ihm angegebenen Adresse mit Schreiben vom 12. August 2016 zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an und erinnerte ihn mit Schreiben vom 14. September 2016. Eine Reaktion des Patienten erfolgte nicht. Der zuständige Träger des Jobcenters teilte mit E-Mail vom 4. Oktober 2016 mit, dass über den Patienten kein Datensatz hinterlegt sei.

Dem Rechtsstreit liegen folgende fünf Behandlungsfälle zu Grunde, welche von dem Sozialgericht mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind (Aktenzeichen des Sozialgerichts: S 17 SO 225/16 – führend –, S 17 SO 226/17, S 17 SO 227/16, S 17 SO 228/16 und S 17 SO 40/17).

1. Die Klägerin zeigte mit Faxschreiben vom 25. April 2016 die stationäre Aufnahme des Patienten am Freitag, den 22. April 2016 um 23:20 Uhr, bei der Beklagten an. Die Aufnahme erfolgte auf Grund einer Vergiftung bzw. toxischer Wirkungen von Drogen, Medikamenten und anderen Substanzen. Nach dem von dem Patienten ausgefüllten Antrag auf Gewährung von Krankenhilfe verfügte er über keinen Krankenversicherungsschutz. Er verfüge über keinerlei Einkommen. Er sei seit zwei Jahren nicht mehr erwerbstätig gewesen. Vorher sei er im Baugewerbe selbstständig tätig gewesen. Seine von ihm getrennt lebende Ehegattin habe seit 10 Jahren nicht gearbeitet. Gemeldet sei er bei der Diakonie A-Stadt. Der Klägerin entstanden durch die stationäre Behandlung des Patienten Behandlungskosten i. H. v. 1.958,78 EUR.

2. Der Patient wurde bei der Klägerin am 22. Juli 2016 um 20:55 Uhr als vollstationärer Notfall wegen einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreas) aufgenommen. Eine Behandlung des Patienten erfolgte bis zum 5. August 2016, 11:27 Uhr, wegen einer ethyltoxischen Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxischer Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlausbefall. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 25. Juli 2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden Kosten i. H. v. 2.808,56 EUR.

3. Der Patient wurde bei der Klägerin am 6. August 2016 um 15:18 Uhr als vollstationärer Notfall aufgenommen. Eine Behandlung des Patienten erfolgte bis zum 7. August 2016, 03:00 Uhr, wegen einer ethyltoxischen Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxischer Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlausbefall (Alkoholintoxikation). Die Klägerin maß am 6. August 2016 den Blutalkohol. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 8. August 2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden Kosten i. H. v. 870,92 EUR.

4. Der Patient wurde bei der Klägerin am 8. August 2016 um 19:41 Uhr als vollstationärer Notfall aufgenommen. Eine Behandlung des Patienten erfolgte bis zum 11. August 2016, 16:02 Uhr, wegen einer ethyltoxischen Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxischer Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlausbefall. Die Klägerin maß am 8. August 2016 und 9. August 2016 den Blutalkohol. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 9. August 2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden Kosten i. H. v. 2.808,56 EUR.

5. Der Patient wurde bei der Klägerin am 20. August 2016 um 14:09 Uhr als vollstationärer Notfall aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte wegen einer Alkoholintoxikation von 3,1 Promille. Der Patient konnte deswegen nicht mehr alleine aufstehen. Zudem hatte er Schmerzen am linken Knie, an beiden Sprunggelenken und Füßen; die beiden letzteren waren zudem geschwollen. Er wurde am 25. August 2016 um 16:02 Uhr entlassen. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 22. August 2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden ausweislich der Rechnung vom 29. August 2016 Kosten i. H. v. 7.347,31 EUR.

Die Beklagte lehnte die Anträge der Klägerin mit Bescheid vom 29. April 2016 (Leistungszeitraum zu 1.) sowie mit vier Bescheiden vom 4. Oktober 2016 ab (Zeiträume zu 2.-5.). Jeweils mit Bescheiden vom gleichen Tag erfolgte auch eine Ablehnung der Gewährung von Krankenhilfe nach § 48 SGB XII gegenüber dem Patienten; diese Bescheide erwuchsen in Bestandskraft.

Die Beklagte begründete die Ablehnung der Anträge jeweils damit, dass die Bedürftigkeit des Patienten nicht nachgewiesen sei. Die bloße Angabe "kein Einkommen, Caritas und Diakonie" seien für die Begründung der Bedürftigkeit nicht ausreichend. Zudem verfüge der Patient über eine gesetzliche Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V, sodass er nach § 39 SGB V Ansprüche gegen eine Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung habe. Dieser Anspruch sei gegenüber dem Anspruch nach § 48 SGB XII vorrangig. Die Versicherungspflicht trete unabhängig von einem Antrag ein, es bedürfe lediglich einer rückwirkenden Anzeige durch den Patienten. Die Versicherungspflicht entstehe kraft Gesetzes. Der Patient verfüge über ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU, da er sich seit dem Jahre 2006 in Deutschland aufhalte und das Aufenthaltsrecht zu keinem Zeitpunkt durch eine Ausländerbehörde aberkannt worden sei. Die Ablehnung gegenüber dem Patienten erfolgte aus den gleichen Gründen.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 jeweils Widerspruch gegen die Ablehnungsbescheide vom 4. Oktober 2016 ein. Sie übersandte das Schreiben der Diakonie vom 9. August 2016 und begründete damit die nach ihrer Ansicht bestehende Bedürftigkeit des Klägers.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit vier Widerspruchsbescheiden vom 16. November 2016 zurück. Sie vertrat weiterhin die Auffassung, dass seitens des Patienten eine vorrangige Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehe. Zudem sei die Bedürftigkeit des Patienten nicht nachgewiesen. Die Nichterweislichkeit gehe zu Lasten desjenigen, der den Anspruch geltend mache. Zudem seien die Angaben im Aufnahmebogen nicht ausreichend zur abschließenden Prüfung der Bedürftigkeit. Soweit sämtliche Fragen zum Einkommen verneint worden seien, vermöge dies dennoch keinen Anspruch nach § 25 SGB XII begründen. Es sei davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestritten werde.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 9. Juni 2016 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 29. April 2016 ein. Nach ihren Informationen sei der Patient bereits geschieden. Der Ausschluss von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht greife nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2016 als verfristet zurück. Die Klägerin beantragte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2016 die Überprüfung des Bescheides vom 29. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2016. Der Patient verfüge über kein geregeltes Einkommen und sei wohnungslos. Er habe seine Lebensmittel von der Diakonie bezogen. Er sei für den Zeitraum der stationären Behandlung hilfebedürftig gewesen.

Die Beklagte lehnte die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 29. April 2016 mit Bescheid vom 1. November 2016 ab. Sie lehnte den erneuten Eintritt in die Sachprüfung mangels Vorliegen von neuen Tatsachen ab. Das Vorbringen hinsichtlich der Bedürftigkeit des Patienten sei durch die Beklagte bereits im Ablehnungsbescheid gewürdigt worden.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. Dezember 2016 Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid ein. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2017 zurück. Sie nimmt darin auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid Bezug und wiederholt diese.

Die Klägerin hat mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22. Dezember 2016 Klage gegen die vier Bescheide vom 4. Oktober 2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. November 2016 erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen. Eine Pflichtversicherung greife auf Grund des Ausschlusstatbestands nach § 5 Abs. 11 SGB V nicht.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10. März 2017 Klage gegen die Ablehnung der Überprüfung mit Bescheid vom 1. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2017 erhoben. Die Aufnahme des Patienten sei als medizinischer Notfall erfolgt. Der Patient sei auch bedürftig. Zudem sei ein vorrangiger Leistungsanspruch nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen.

Das Sozialgericht hat Auskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung sowie der Bundesagentur für Arbeit eingeholt; diese konnten zu dem Patienten keine Vorgänge feststellen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Patienten als Zeugen.

Durch Urteil vom 23. November 2017 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 4. Oktober 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. November 2016 wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. für den Zeitraum 20. August 2016 bis 21. August 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 20. August 2016 bis 21. August 2016 in Höhe von 2.938,92 EUR zu erstatten. Es hat den Bescheid und Widerspruchsbescheid wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. am 8. August 2016 teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. am 8. August 2016 in Höhe von 702,14 EUR zu erstatten. Es hat den Bescheid und Widerspruchsbescheid wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. vom 22. Juli 2016 bis 24. Juli 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. in Höhe von 561,71 EUR zu erstatten. Weiterhin hat es den Bescheid und Widerspruchsbescheid wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. für den Zeitraum 6. August 2016 bis 7. August 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum vom 6. August 2016 bis 7. August 2016 in Höhe von 670,93 EUR zu erstatten. Schließlich hat es den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 1. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2017 verpflichtet, unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2016 über den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Behandlungskosten für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 22. April 2016 bis 24. April 2016 in Höhe von 1.175,27 EUR zu entscheiden. Die Klagen seien größtenteils begründet. Der Klägerin stünden Ansprüche gegen die Beklagte auf Übernahme der Behandlungskosten für die streitgegenständlichen Zeiträume im Juli und August 2016 für den Patienten aus § 25 SGB XII zu. Die Beklagte hätte zudem auf den entsprechenden Überprüfungsantrag der Klägerin eine Überprüfung des Bescheides vom 29. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2016 nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) vornehmen müssen, da sie teilweise das Recht falsch angewendet habe und aus diesem Grund keine Sozialleistungen erbracht habe. Der Klägerin habe insofern anteilig ebenfalls ein Anspruch nach § 25 SGB XII zugestanden.

Bei dem Patienten hätten für einen eng begrenzten Zeitraum sowohl ein bedarfsbezogenes als auch ein sozialhilferechtliches Moment vorgelegen (dazu unter I. und II.). Unstreitig habe auch eine örtliche Zuständigkeit der Beklagten vorgelegen. Der Beklagte wäre auch gegenüber dem Patienten im Rahmen einer hypothetischen Leistungsverpflichtung zur Gewährung von Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII verpflichtet gewesen (dazu unter III.). Es bestehe zudem keine vorrangige Auffang-Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, da diese nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V ausgeschlossen sei. Dieser Ausschluss werde zudem nicht wieder durch das Vorliegen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU ausgeschlossen, da sich der Patient zwar seit mehr als fünf Jahren in Deutschland aufhalte, es sich jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs nicht um einen rechtmäßigen Aufenthalt handele. Der Anspruch sei zudem nicht nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 2. Dezember 2006 (im Weiteren § 23 SGB XII a. F.) ausgeschlossen. Vielmehr bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F.; das diesbezügliche Ermessen sei dabei auf Null reduziert (dazu unter IV.). Es habe auch keine Leistungstragungspflicht der Nothelferin bestanden; diese habe den Antrag innerhalb angemessener Frist gestellt (dazu unter V.). Die Beklagte habe insofern für den Zeitraum des Eilfalls die der Klägerin entstandenen Behandlungskosten zu übernehmen; zur Übernahme darüber hinausgehender Behandlungskosten sei sie demgegenüber nicht verpflichtet (dazu unter VI.).

Zu I. hat das Sozialgericht ausgeführt, ein bedarfsbezogenes Moment liege vor, sofern ein bei dem Patienten bestehender Bedarf nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Sozialgesetzbuches XII unabwendbar sei und unmittelbar durch den Nothelfer gedeckt werden müsse. Es erfordere die Notwendigkeit eines sofortigen Eingreifens durch den Nothelfer und dauere fort, solange der Einsatz des Nothelfers erforderlich und alternativlos sei. Dies sei für jeden stationären Aufenthalt des Patienten gesondert festzustellen. Die Klägerin habe den Patienten am 22. April 2016, am 22. Juli 2016, am 20. August 2016 und 21. August 2016 nach gerichtlicher Überzeugung jeweils als medizinischen Eilfall aufgenommen (wird ausgeführt).

Es sei auch jeweils das sozialhilferechtliche Moment gegeben gewesen (II.). Das sozialhilferechtliche Moment liege nur solange vor, solange der Sozialhilfeträger nach § 18 SGB XII keine Kenntnis von der Notlage gehabt habe. Anders formuliert werde der Anspruch des Nothelfers ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers durch den Anspruch des Patienten ausgeschlossen. Beide Ansprüche stünden insoweit in einem Exklusivitätsverhältnis. Die Aufnahme des Patienten sei am Freitag, den 22. April 2016, um 23.20 Uhr erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Patient bei dem Beklagten auf Grund dessen fehlender Dienstbereitschaft keine rechtzeitigen Leistungen der Sozialhilfe in Form von Hilfe bei Krankheit erlangen können. Dies gelte entsprechend für die Klägerin als Nothelferin. Auch für den darauf folgenden Samstag und Sonntag habe keine Dienstbereitschaft der Beklagten bestanden. Der Patient sei wiederum am Freitag, den 22. Juli 2016, um 20.55 Uhr stationär bei der Klägerin aufgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Dienstbereitschaft der Beklagten bestanden. Die Klägerin habe den Patienten sodann am Samstag, den 6. August 2016, um 15:18 Uhr aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt habe ebenfalls keine Dienstbereitschaft der Beklagten bestanden, sodass sie keine rechtzeitigen Leistungen an den Patienten hätte erbringen können, dies gelte auch für den darauffolgenden Sonntag. Auch die stationäre Aufnahme des Klägers am 8. August 2016, einem Montag, um 19:41 Uhr sei außerhalb der Dienstzeiten der Beklagten erfolgt. Die stationäre Aufnahme des Patienten sei schließlich am Samstag, den 20. August 2016, um 14:09 Uhr erfolgt. Weder an diesem Tag noch am folgenden Sonntag sei die Beklagte für Anträge auf Leistungen von Sozialhilfe bei Krankheit erreichbar gewesen.

Die örtliche Zuständigkeit (III.1.) des beklagten Sozialhilfeträgers ergebe sich aus § 98 SGB XII, da § 25 SGB XII keine eigene Zuständigkeit normiert. Insofern richte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Patienten nach § 98 Abs. 1, 2 Satz 3 SGB XII. Der Patient habe sich bei der Aufnahme in das Krankenhaus der Klägerin tatsächlich in der Stadt A-Stadt und somit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten aufgehalten, sodass diese für die Gewährung von Leistungen örtlich zuständig gewesen sei. Der Patient sei zudem hilfebedürftig gewesen (III.2.). Dies ergebe sich einerseits aus den von ihm gegenüber der Klägerin und der Beklagten getätigten Ausführungen in den jeweiligen Anträgen. Danach habe der Patient kein Einkommen gehabt, er sei keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe von gespendeten Backwaren seitens des Diakonischen Werkes gelebt. Bereits diese Ausführungen stellten nach Ansicht des Gerichts ein erhebliches Indiz für die Annahme von Bedürftigkeit dar. Die Beklagte habe auch im Wege einer Beweislastumkehr nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie trotzdem davon ausgehe, dass der Patient über genügend Einkommen oder Vermögen verfüge, welches zur Begleichung seiner Behandlungskosten habe ausreichen können. Zudem habe der Patient als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2017 glaubhaft ausgesagt, dass er im Jahre 2016 seinen Lebensunterhalt lediglich über das Sammeln von Pfandflaschen und die Spendenbereitschaft von Menschen habe sichern können. Diese Indizien seien zudem durch die schriftliche Stellungnahme des Diakonischen Werkes vom 9. August 2016 bestätigt worden, wonach der Patient über kein geregeltes Einkommen verfügt habe und auch nicht bekannt sei, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite. Auch davon habe der Patient seine Behandlungskosten nicht tragen können; dies habe er durch seine eigene Aussage bestätigt. Indizien für eine nicht bestehende Bedürftigkeit könne das Gericht aus diesen Gründen nicht erkennen.

Es habe auch keine vorrangige Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestanden (IV.). Diese sei nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V ausgeschlossen gewesen. Danach würden Angehörige eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 FreizügG/EU sei. Nach dieser Vorschrift hätten nicht erwerbstätige Unionsbürger das Einreise- und Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, sofern sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügten. Der Patient sei diesem Ausschluss von der Versicherungspflicht unterfallen. Das Gericht sei angesichts der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen und der Zeugenvernehmung des Patienten überzeugt davon, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt habe. Ebenfalls habe kein ausreichender Krankenversicherungsschutz für ihn bestanden. Der Patient habe im Jahre 2016 auch kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU besessen. Nach seiner eigenen Aussage, gegen deren Glaubhaftigkeit keine Bedenken bestünden, sei er zwar im Jahre 2006 nach Deutschland eingereist und habe für zwei Jahre und drei Monate als "Selbstständiger" gearbeitet. Das Gericht sei in diesem Zusammenhang allerdings davon überzeugt, dass es sich bei der "selbstständigen" Tätigkeit des Patienten in den Jahren 2006 bis 2008 um eine abhängige Beschäftigung und nicht um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt habe, die jedoch nicht gegenüber den zuständigen Sozialversicherungsträgern angezeigt worden sei. Dafür spreche einerseits die Erklärung in der mündlichen Verhandlung, dass er nur einen Auftraggeber gehabt habe. Nach der Zeugenaussage des Patienten habe er nur theoretisch einen Auftrag ablehnen können, er sei nach seiner Aussage weisungsabhängig gewesen. Nach dieser "selbstständigen" Tätigkeit habe der Zeuge angegeben, dass er kaum noch gearbeitet habe und nur noch kleinere Arbeiten ausgeführt habe. Diese Tätigkeiten erfüllten nach Überzeugung des Gerichts keine fünf Jahre. Der Patient habe sich somit nicht insgesamt fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland aufgehalten. Der rechtmäßige Aufenthalt sei jedoch Voraussetzung für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011 – C-424/10 und C-425/10 – sei Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehöriger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, so auszulegen, dass ein Unionsbürger, der im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates eine Aufenthaltszeit von über fünf Jahren nur auf Grund des nationalen Rechts dieses Staates zurückgelegt habe, nicht so betrachtet werden könne, als habe er das Recht auf Daueraufenthalt nach dieser Bestimmung erworben, wenn er während dieser Aufenthaltszeit die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht erfüllt habe. Nach diesem Urteil sei die Wendung "sich rechtmäßig aufzuhalten" in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 so auszulegen, als darunter ein im Einklang mit den in dieser Richtlinie vorgesehenen, insbesondere mit den in deren Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38 aufgeführten Voraussetzungen stehender Aufenthalt zu verstehen sei. Dieser Rechtsprechung habe sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich in seinem Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 – angeschlossen. Das erkennende Gericht könne vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung auch nicht erkennen, warum die entsprechende nationale Norm in einer verwaltungsrechtlichen Streitigkeit anders ausgelegt werden solle als in einer sozialrechtlichen Streitigkeit.

Für das Gericht sei zudem nicht ersichtlich, dass der Patient lediglich zur Erlangung von Sozialhilfe nach Deutschland eingereist sei. Dagegen spreche insbesondere, dass der Zeuge sich in Deutschland nach seiner Einreise eine Tätigkeit gesucht habe, sodass das Gericht einen finalen Zusammenhang zwischen Einreise und Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht erkennen könne. Er habe zudem nach Kenntnis des Gerichts bislang weder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II noch nach dem Sozialgesetzbuch XII zur Existenzsicherung in Anspruch genommen. Allerdings seien die Einreise und der Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitssuche erfolgt, sodass Leistungen der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 2. Dezember 2006, gültig ab 7. Dezember 2006 (im Weiteren § 23 SGB XII a. F.), grundsätzlich ausgeschlossen seien. Ausweislich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei dadurch jedoch nur der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, jedoch könnten in einem solchen Fall Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in Betracht kommen, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris – Rn. 51). Das dem Sozialhilfeträger damit grundsätzlich zustehende Ermessen sei dabei allerdings jeweils auf Grund der unaufschiebbaren und gebotenen Behandlung des Patienten vor dem Hintergrund von Art. 1, 2 Grundgesetz (GG) auf Null reduziert.

Die Klägerin treffe auch keine erkennbare rechtliche oder sittliche Pflicht, die Kosten selbst zu tragen (V.). Die jeweiligen Anträge seien zudem immer innerhalb eines Monats nach der Behandlung und somit innerhalb angemessener Frist gestellt worden.

In der Rechtsfolge (VI.) bemesse sich der zu gewährende Aufwendungsersatz nach den auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch zu erstattenden Kosten. Dort würden die für die Behandlung vereinbarten Fallpauschalen erstattet. Es sei dabei allerdings zu berücksichtigen, dass alle in Anspruch genommenen Behandlungskosten zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst würden, ohne dass es auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankomme. Im Rahmen des Anspruches nach § 25 SGB XII sei zu beachten, dass nur ein Teil der Behandlungskosten als Nothilfeleistung erstattungsfähig sei, sodass eine Abrechnung der erstattungsfähigen Kosten in Abhängigkeit von der tatsächlich für die Fallpauschale in Anspruch genommenen Zahl der Krankenhaustage vorzunehmen sei. Lediglich eine solche Abrechnungsweise gewährleiste, dass der gesetzliche Zweck, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, erreicht werde, ohne dass andererseits eine unerwünschte Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems der Sozialhilfe gefördert werde (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 8 SO 9/13 R – juris Rn. 31). Von der Gesamtzahl an Tagen, für die die Beklagte in Kenntnis der Sozialhilfebedürftigkeit Hilfe zur Krankheit zu erbringen gehabt hätte, stehe dem Nothelfer deshalb eine Kostenerstattung nur für die Anzahl von Tagen zu, an denen ein Eilfall i. S. des § 25 SGB XII vorgelegen habe. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass der Tag der Kenntnis des Sozialhilfeträgers bzw. der Obliegenheitsverletzung durch den Nothelfer nicht dem Zeitraum des § 25 SGB XII zuzurechnen sei, sondern dem Zeitraum des Entstehens eines möglichen Anspruches des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (Hinweis auf Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2017 – L 9 SO 137/15). Insofern sei im Hinblick auf die unterschiedlichen Zeiträume sowie vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen zu differenzieren.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 hat der Kammervorsitzende die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach seiner Ansicht dem Sozialgericht zwei Fehler bei der Tenorierung unterlaufen seien. Einerseits hätte hinsichtlich des Zeitraums ab 22. April 2016 kein Bescheidungsurteil, sondern ein Leistungsurteil ergehen müssen. Andererseits hätte hinsichtlich des Behandlungszeitraums ab 20. August 2016 lediglich ein Betrag i.H.v. 2.409,10 EUR ausgeurteilt werden dürfen.

Gegen das der Beklagten am 27. Februar 2018 zugestellte Urteil hat sie am 7. März 2018 Berufung eingelegt.

Die Beklagte tritt der Rechtsauffassung des Sozialgerichts entgegen, dass der Patient im streitigen Zeitraum kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU gehabt habe, so dass er – so das Sozialgericht – von der Krankenversicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aufgrund § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V ausgeschlossen gewesen sei. Die vom Sozialgericht aufgeworfenen Fragestellungen ergäben sich nur in ausländerrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Im sozialgerichtlichen Verfahren seien ausländerrechtliche Vorfragen nicht zu prüfen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts verfüge. Im Übrigen gelte die Vermutung, dass die Freizügigkeitsvoraussetzungen vorlägen. Dies folge auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R -. Der rechtliche Dissens zwischen den Beteiligten reduziere sich auf die Frage, ob für das Krankenversicherung- und Sozialhilferecht von einem rechtswidrigen Aufenthalt ausgegangen werden könne, obwohl hierzu die Ausländerbehörde keine Verfügung getroffen habe, oder ob in einem solchen Fall aufgrund Zeitablaufs bereits ein Daueraufenthaltsrecht entstanden sei.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. November 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, der Patient habe nicht die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht erfüllt. Zwar sei davon auszugehen, dass er sich seit 2006 ständig in Deutschland aufgehalten habe. Es habe hingegen nicht ein ständig rechtmäßiger Aufenthalt vorgelegen. Die Rechtmäßigkeit bemesse sich insbesondere nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Eine Addition einzelner Zeitabschnitte eines rechtmäßigen Aufenthalts, der in der Summe 5 Jahre erreiche, führe nicht zum Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts, was bereits aus dem klaren Wortlaut der Norm folge. Der Patient habe drei Monate bei einer jugoslawischen Firma gearbeitet. Im Anschluss habe er sich selbständig gemacht. Entsprechend habe die Deutsche Rentenversicherung mitgeteilt, dass Versicherungszeiten in dem Versicherungsverlauf des Patienten nicht ausgewiesen seien. Anhaltspunkte für eine Arbeitssuche mit begründeter Aussicht auf Erfolg lägen ebenfalls nicht vor.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin erklärt, dass hinsichtlich der Höhe der Berechnung der Erstattungsleistungen im Einzelnen auf der Basis des gegenwärtigen Streitstandes keine rechtlichen Einwände erhoben werden.

Hinsichtlich des Ergebnisses des Erörterungstermins vom 3. April 2019 wird auf das Protokoll verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der in elektronischer Form übersandten Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist nur in dem Umfang begründet, in dem das Sozialgericht bereits auf eine fehlerhafte Berechnung hingewiesen hat.

Die streitgegenständlichen Bescheide vom 4. Oktober 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. November 2016 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten, da sie dem Grunde (I.) und der Höhe nach (II.) einen im Wege der Anfechtungs- und unechten Leistungsklage statthaft einklagbaren Anspruch auf teilweise Vergütung der Krankenhausbehandlung als Nothelferin nach § 25 SGB XII hat. Begründet ist auch das auf Überprüfung des Bescheides vom 29. April 2016 gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren (III.). Die Kostenentscheidung ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts am Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auszurichten und wegen der teilweisen Begründetheit der Berufung neu zu berechnen (IV.). Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht vor (V.).

I. Nach § 25 Satz 1 SGB XII sind demjenigen die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, der in einem Eilfall einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Nach § 25 Satz 2 SGB XII gilt dies nur, wenn die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beantragt wird.

1. Die Beklagte ist insoweit örtlich und sachlich zuständiger Sozialhilfeträger, da der Senat aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen davon überzeugt ist, dass sich der Patient in den streitgegenständlichen Zeiträumen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten tatsächlich aufgehalten hat (§ 97 Abs. 1, § 98 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 SGB XII i.V.m § 3 Abs. 2 SGB XII, § 1 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch).

2. Es lagen jeweils auch Eilfälle vor; auch insoweit macht sich der Senat nach eigener Prüfung die Tatsachenfeststellungen und rechtliche Würdigung des Sozialgerichts zu Eigen.

3. Eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers war in den vom Sozialgericht festgestellten Zeiträumen nicht zu erlangen. Auch hier wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen. Die Anknüpfungstatsachen sind insoweit zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

4. Die Leistungen wären dem Patienten auch bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe zu erbringen gewesen.

a) Der Anwendungsbereich des SGB XII ist eröffnet. Eine etwaige Leistungsberechtigung dem Grunde nach im Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) schließt Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII nicht aus, wie aus § 5 SGB II und § 21 SGB XII hervorgeht.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert ihre Leistungspflicht nicht am Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Insbesondere bestand für den Patienten kein Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung richtet sich für den streitgegenständlichen Zeitraum gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – VO (EG) 883/2004 – nach deutschem Recht. Der Versicherungsschutz in der Republik Polen für Gesundheitsleistungen in einem System der sozialen Sicherheit endete nach dem vom polnischen Träger übersandten Formular E 104 nach dem 31. Mai 2007. Der Patient gab auch keinen Anknüpfungstatbestand für eine danach bestehende Zuständigkeit eines polnischen Trägers an. Da im streitgegenständlichen Zeitraum eine Anknüpfung an eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht erkennbar ist, ist einzige Anknüpfung die des Wohnortes. Der Wohnortstaat ist nach Art. 1 lit. j) VO (EG) 883/2004 und Art. 11 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person. Aufgrund der Aufenthaltsdauer, der letzten Tätigkeit in Deutschland und fehlender Wegzugsabsichten bestand trotz Obdachlosigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland. Auf eine etwaige materielle Rechtswidrigkeit des Aufenthalts kommt es beim kollisionsrechtlichen Begriff des Wohnorts nicht an (Kahil-Wolff, in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 7. Aufl. 2018, Art. 1 Rn. 20; Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zum anwendbaren Recht, Stand: Dezember 2013, S. 49; im Ergebnis auch EuGH, Urteil vom 14. Juni 2016 – C-308/14 – Kommission/Vereinigtes Königreich – juris Rn. 62 ff., der strikt zwischen der Kollisionsnorm des Art. 11 Abs. 3 lit. e) VO (EG) 883/2004 und der nationalen, materiell-rechtlichen Regelung des rechtmäßigen Aufenthalts als Leistungsvoraussetzung unterscheidet und bei einem solchen Erfordernis im zuständigen Staat eine mittelbare Diskriminierung prüft).

Der Anwendungsbereich des einzig in Betracht kommenden Tatbestandes für einen Versicherungsschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V nicht eröffnet. Versicherungspflichtig sind hiernach Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V werden Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz von der Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des FreizüG/EU ist. Gemeint ist damit, dass die Versicherungspflicht entfällt, wenn die betroffene Person aufenthaltsrechtlich nach § 4 FreizügG/EU über einen Krankenversicherungsschutz verfügen muss (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 8 SO 9/13 R – juris, Rn. 21; Felix, in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016 [Stand: 22. Juli 2019], § 5 Rn. 98). Die in Bezug genommene Regelung des § 4 Satz 1 FreizügG/EU bestimmt nämlich, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt nur dann haben, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Für den Personenkreis der Unionsbürger, der nur unter der Voraussetzung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ein Recht auf Einreise und Aufenthalt hat, besteht also keine Auffangversicherung in der GKV. Allein die entsprechende Verpflichtung nach § 4 FreizügG/EU schließt dabei die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 8 SO 9/13 R – juris, Rn. 21). Es fällt mithin in die Zuständigkeit der Sozialgerichte zu prüfen, ob die betroffene Person einer solchen aufenthaltsrechtlichen Voraussetzung unterliegt. Damit ist zwingend verbunden, dass die Sozialgerichte prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für ein bestimmtes Aufenthaltsrecht, das nicht den Anforderungen des § 4 FreizügG/EU unterliegt, vorliegen, um den Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V verneinen zu können.

Wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend und entgegen der Auffassung der Beklagten festgestellt hat, hatte der Patient im streitgegenständlichen Zeitraum kein Aufenthaltsrecht, das unabhängig von der Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 FreizügG/EU war.

Der Patient war nicht daueraufenthaltsberechtigt. Das Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU bzw. Art. 21 AEUV i.V.m. Art. 16 Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürger-RL), setzt voraus, dass sich der Unionsbürger fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Der rechtmäßige Aufenthalt im Aufenthaltszeitraum setzt wiederum nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts einen Aufenthalt voraus, der auf Freizügigkeit beruht, also materiell rechtmäßig ist (EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011, Rs. C-325/09 – Dias – juris, Rn. 54 ff., 67; Urteil vom 21. Dezember 2011 – Rs. C-424/10 und C-425/10 – Ziolkowski und Szeja – juris, Rn. 60&8201;ff.; BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14 –, juris Rn. 17 m.w.N. aus der älteren Rechtsprechung; vgl. auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 4a FreizügG/EU Rn. 9). Ein Unionsbürger, der im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eine Aufenthaltszeit von über fünf Jahren nur aufgrund des nationalen Rechts dieses Staates zurückgelegt hat, kann nicht so betrachtet werden, als habe er das Recht auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Unionsbürger-RL erworben, wenn er während dieser Aufenthaltszeit die Voraussetzungen eines Freizügigkeitstatbestandes nach Art. 7 Abs. 1 Unionsbürger-RL nicht erfüllt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – Rs. C-424/10 u. C-425/10 – Ziolkowski u. Szeja – juris, Rn. 60&8201;ff.). Höchstrichterlich ist damit auch geklärt, dass Zeiten der bloßen Freizügigkeitsvermutung ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung bei der Berechnung irrelevant sind. Dies entspricht im Übrigen der ständigen Verwaltungspraxis der Jobcenter und Sozialhilfeträger in Hessen, offenbar mit Ausnahme der Beklagten.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senates fest, dass sich der Patient maximal zwei Jahre und drei Monate auf eine ständig andauernde Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FreizügG/EU berufen konnte. Nur für diesen Zeitraum geht aus der glaubhaften Aussage des Zeugen eine durchgängige Freizügigkeitsberechtigung hervor. Weitere Anhaltspunkte für die Erfüllung von daran anschließenden Zeiträumen der Freizügigkeitsberechtigung sind nicht erkennbar und werden von den Beteiligten auch nicht vorgetragen.

Der Patient konnte sich insbesondere nicht auf einen fortwirkenden Status als Selbständiger oder Arbeitnehmer infolge unverschuldeter Arbeitslosigkeit mit der Folge eines Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU berufen, der theoretisch bis in den streitgegenständlichen Zeitraum hätte fortwirken können und das als solches auch unabhängig vom Daueraufenthaltsrecht ein hinreichendes Aufenthaltsrecht für die Versicherungspflicht hätte darstellen können. Dieser setzt allerdings eine Bestätigung der Arbeitslosigkeit durch die Bundesagentur für Arbeit voraus. Eine solche liegt nicht vor, weitere Ermittlungen waren entbehrlich, da die Bundesagentur für Arbeit mitgeteilt hat, sie habe zu dem Patienten keine Informationen vorliegen.

Der Patient hatte auch kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Ebenfalls nicht unter den Ausschluss des § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V fallen Personen, die sich aufgrund eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, denn diese Vorschrift verweist nicht auf § 4 FreizügG/EU (Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V [Stand: 02/19], § 5 Rn. 477a; Farahat, ZESAR 2014, 269, 277). Dieses Aufenthaltsrecht setzt voraus, dass objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck kommt, dass die betreffende Person ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 2 FreizügG/EU Rn. 60; vgl. vor Inkrafttreten der Unionsbürger-RL bereits EuGH, Urteil vom 23. März 2004 – Rs. C-138/02 – Collins, juris Rn. 37 m.w.N.). Bereits die erwähnte Anfrage des Sozialgerichts bei der Bundesagentur für Arbeit hat ergeben, dass dort keine Daten über den Patienten vorliegen. Dies spricht gegen eine tatsächliche Arbeitsuche des Patienten, die Voraussetzung für das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ist. Zudem hat der Patient in der Zeugenvernehmung keine Bemühungen um Arbeit geschildert, sondern nur angegeben, in der Vergangenheit "gelegentlich" gearbeitet zu haben. Schließlich spricht der dokumentierte Gesundheitszustand gegen eine begründete Erfolgsaussicht der Arbeitssuche.

c) Dem Patienten war auch nicht zuzumuten, die Mittel zur Behandlung aus dem Einkommen und Vermögen aufzubringen (§ 19 Abs. 3 SGB XII), da entsprechendes Einkommen und Vermögen nicht vorhanden war. Hiervon ist der Senat aufgrund der im Verwaltungsverfahren vorgelegten schriftlich dokumentierten Angaben des Patienten, dem Schreiben des Diakonischen Werkes AX. – Sozialdienst A-Stadt – vom 9. August 2016 sowie der glaubhaften Bekundungen des Zeugen C., an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, überzeugt. Danach hat der Patient im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen gehabt, er ist keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und hat insbesondere von gespendeten Backwaren seitens des Diakonischen Werkes gelebt. Die Beklagte hat hierzu weder substantiierte Zweifel dargelegt noch Wege zu weiteren Ermittlungen aufgezeigt. Der Patient hat als Zeuge in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 23. November 2017 glaubhaft ausgesagt, dass er im Jahre 2016 seinen Lebensunterhalt lediglich über das Sammeln von Pfandflaschen und die Spendenbereitschaft von Menschen habe sichern können. Diese Indizien sind durch die schriftliche Stellungnahme des Diakonischen Werkes vom 9. August 2016 bestätigt worden, wonach der Patient über kein geregeltes Einkommen verfügt habe und auch nicht bekannt sei, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite. Aufgrund der von ihm angegebenen Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 2012 kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass insoweit Einkommen zu berücksichtigen ist, § 27 Abs. 2 SGB XII. Indizien für vorhandenes Einkommen oder Vermögen kann der Senat nach alledem ebenso wenig wie das Sozialgericht erkennen.

d) Das Sozialgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Patient keinem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 SGB XII a.F. unterlag.

aa) Ein Anspruch war für ihn als Ausländer nicht nach § 23 Abs. 3 Satz 1 1. Var. SGB XII (hier in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 – BGBl. I, 2670) ausgeschlossen. Danach haben Ausländer keinen Anspruch auf Sozialhilfe, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen. Der Patient war nach seinen Angaben aber eingereist, um Arbeit zu suchen, die er bei einer in der D-Straße in D-Stadt ansässigen Firma zunächst auch gefunden habe. Auch danach sei er noch in Deutschland erwerbstätig gewesen. Zwar konnten die Ermittlungen des Senats die Existenz einer derartigen Firma nicht bestätigen; möglicherweise handelte es sich auch um ein Missverständnis dahingehend, dass der Patient bei einer Firma in der D-Straße mit Rigips gearbeitet hat. Weitere Sachverhaltsaufklärung ist aber nicht geboten, da hinreichend gegen eine Einreiseabsicht, um Sozialhilfe zu erlangen, spricht, dass der Patient nach der Einreise über viele Jahre hinweg weder Sozialhilfeleistungen beantragte noch bezog. Für eine Aus- und Wiedereinreise in der Nähe zum streitgegenständlichen Zeitraum gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

bb) Aus dem letztgenannten Grund steht für den Senat auch fest, dass der Patient auch nicht zum Zweck einer Behandlung oder Linderung einer Krankheit eingereist ist (§ 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII).

cc) Wie bereits oben unter I.4.b) ausgeführt, ergab sich im streitgegenständlichen Zeitraum das Aufenthaltsrecht auch nicht aus dem Zweck der Arbeitsuche.

dd) Es bestehen nach wie vor gewichtige Bedenken dagegen, dass der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 1 Satz 1. 2. Var. SGB XII in der bis 23. Dezember 2016 geltenden Fassung im Wege eines "erst recht"-Schlusses auf Unionsbürger ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung ausgedehnt werden kann (ausdrücklich offenlassend BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 8 SO 9/13 R – juris, Rn. 26; allgemein gegen Leistungsausschlüsse im Wege der Analogie oder Rechtsfortbildung BSG Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R = BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 21 - juris, Rn. 40; ausf. Hessisches LSG, Beschluss vom 7. April 2015 – L 6 AS 62/15 B ER -, juris Rn. 45 ff.; für den "erst recht"-Schluss bei § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a.F. hingegen BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 43, zitiert nach juris, Rn. 48 ff.).

Diese Bedenken können jedoch dahinstehen, da selbst im Falle eines solchen Leistungsausschlusses dem Patienten wegen einer Ermessensreduzierung auf Null Leistungen zu gewähren gewesen wären. Auch dem Ausländer, der dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII unterfällt, kann der Träger der Sozialhilfe in Ausübung von Ermessen Sozialhilfe gewähren, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (zum Folgenden BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 8 SO 9/13 R – juris Rn. 28; vgl. bereits BVerwGE 78, 314, 317). Insbesondere wenn wegen der Notwendigkeit von unaufschiebbaren Krankenbehandlungsmaßnahmen das Recht auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) berührt ist, muss die Erbringung von entsprechenden Leistungen bei Mittellosigkeit gewährleistet sein; das Ermessen ist dann auf Null reduziert.

Der Senat ist davon überzeugt, dass in allen Fällen eine sofortige ärztliche Behandlung mit stationären Mitteln erforderlich gewesen ist; dies folgt nicht zuletzt aus den der stationären Aufnahme zugrundeliegenden, im Tatbestand aufgeführten Diagnosen (insbesondere schwere Alkoholintoxikation bzw. sonstige Intoxikation bei ethyltoxischer Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis), die auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen werden; es bestand mithin eine konkrete Gefahr für die von Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgüter, was mangels entgegenstehender gleichwertiger öffentlicher Interessen zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt.

II. Der Anspruch der Klägerin als Nothelferin ist allerdings der Höhe nach auf die Erstattung von Aufwendungen "in gebotenem Umfang" begrenzt (zum Folgenden ausf. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 8 SO 9/13 R – juris, Rn. 29 bis 31). Maßstab für die gebotene Höhe der Aufwendungen sind (im Grundsatz) die Kosten, die die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis ihrerseits hätte aufwenden müssen; soweit bei Hilfebedürftigkeit und in Kenntnis der Notlage von der Beklagten Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII hätte gewährt werden müssen, gelten für die Erbringung dieser Leistungen die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) entsprechend (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Der Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses nach dem SGB V bestimmt sich nach einer Fallpauschale, die alle dabei in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammenfasst, ohne dass es grundsätzlich auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt. Als "Aufwendungen in gebotenem Umfang" hat die Beklagte ausgehend von der maßgeblichen Fallpauschale eine tagesbezogene anteilige Vergütung ("pro rata temporis") zu erstatten. Eine solche Abrechnung gewährleistet einerseits den Zweck der Nothilfe, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, ohne dass andererseits eine vom Gesetzgeber unerwünschte Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems für die Gewährung der Sozialhilfe gefördert würde.

Der Höhe nach stehen der Klägerin mithin folgende Vergütungsansprüche zu: Tatsächlicher Behandlungszeitraum Summe Vergütung in EUR Geltend gemachter Behandlungszeitraum Klageantrag in EUR Pro rata temporis anzuerkennender Behandlungszeitraum Anspruch in EUR
22.4.-26.4.2016 (dazu unten III.) 1.958,78 22.4.-24.4.2016 1.469,08 1.175,27
22.7.-5.8.2016 2.808,56 22.7.-24.7.2016 601,83 22.7.-24.7.2016 561,71
6.8.-7.8.2016 670,93 6.8.-7.8.2016 670,93 670,93
8.8.-11.8.2016 2.808,56 8.8.2016 936,19 8.8.2016 702,14
20.8.-25.8.2016 7.347,31 20.8.-21.8.2016 2.938,92 20.8.-21.8.2016 2.449,10
Summe einschließlich III. 6.616,95 5.559,15

Hinsichtlich der für den Zeitraum vom 22. Juli 2016 bis 24. Juli 2016 geltend gemachten Behandlungskosten waren lediglich die Kosten für den Zeitraum 22. Juli 2016 bis 24. Juli 2016 anzuerkennen. Bei nachgewiesenen Kosten i.H.v. 2.808,56 EUR ergibt dies bei 15 Behandlungstagen pro rata temporis unter Zugrundelegung der Tage der Gesamtaufenthaltsdauer einschließlich des Aufnahmetages (vgl. das der zitierten Entscheidung des BSG vom 18. November 2014 zugrunde liegende Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 2013 – L 20 SO 554/11 –, juris) einen Anspruch der Klägerin i.H.v. 561,71 EUR. Im Hinblick auf die geltend gemachten Behandlungskosten für den Zeitraum vom 6. August 2016 bis 7. August 2016 waren die Behandlungskosten in voller Höhe und somit i.H.v. 670,93 EUR erstattungsfähig. Hinsichtlich der für den Zeitraum vom 8. August 2016 bis 11. August 2016 geltend gemachten Behandlungskosten waren lediglich die Kosten für den 8. August 2016 erstattungsfähig. Bei nachgewiesenen Kosten i.H.v. 2.808,56 EUR ergibt dies bei vier Behandlungstagen einen Anspruch der Klägerin i.H.v. 702,14 EUR. Zutreffend hat bereits der Kammervorsitzende des Sozialgerichts auf einen Fehler bei der Berechnung der erstattungsfähigen Kosten für den Zeitraum vom 20. August 2016 bis 21. August 2016 hingewiesen. Da der Behandlungszeitraum sechs (und nicht: fünf) Tage umfasst, sind hier nur zwei von sechs Tagen zu vergüten. Der Klägerin entstanden insgesamt Behandlungskosten i.H.v. 7.347,31 EUR. Zwei Sechstel hiervon ergeben einen Betrag i.H.v. 2.449,10 EUR.

III. Soweit das Sozialgericht ausweislich der Entscheidungsgründe in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass hinsichtlich der Ablehnung des Überprüfungsantrages eine Kombination aus Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage statthaft ist (BSG, Urteil vom 10. November 2011 B 8 SO 12/10 R –, SozR 4-3500 § 30 Nr. 4, Rn. 12), ist dies in der Tenorierung nicht hinreichend klar zum Ausdruck gekommen, worauf auch der Kammervorsitzende in der Verfügung vom 22. Januar 2018 nach Absetzung des Urteils hingewiesen hat (Bl. 83 d.A.). Da wegen der eindeutigen Begründung auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Urteil unvollständig ist, sieht sich der Senat insoweit zur sprachlichen Anpassung berechtigt, obwohl die Klägerin und Berufungsbeklagte keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat. Die jetzige Tenorierung geht nicht über die hinreichend eindeutigen Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils hinaus. Im Hinblick auf die geltend gemachten Behandlungskosten für diesen Zeitraum (22. April 2016 bis 26. April 2016) waren lediglich die Kosten für den Zeitraum 22. April 2016 bis 24. April 2016 anzuerkennen. Bei nachgewiesenen Kosten i.H.v. 1.958,78 EUR ergibt dies pro rata temporis unter Zugrundelegung der Tage der Gesamtaufenthaltsdauer einschließlich des Aufnahmetages (drei von fünf Tagen) einen Anspruch der Klägerin i.H.v. 1.175,27 EUR.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 183 SGG, da die Klägerin als Leistungsempfängerin geklagt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Juni 2008 – B 8 SO 45/07 B –, SozR 4-1500 § 183 Nr. 7). Das Sozialgericht hat zu Unrecht von einer einheitlichen Kostenentscheidung abgesehen. Die fünf selbständigen Klagen sind vom Sozialgericht mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Dadurch wurden die fünf Rechtsstreitigkeiten zu einem Verfahren; da die Verfahren auch zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, hat eine einheitliche Kostenentscheidung zu ergehen (statt vieler: Guttenberger, in: jurisPK-SGG [Stand: 15. Juli 2017], § 113 Rn. 27 f.). Die Quote folgt dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen auf der Basis des Streitgegenstands erster Instanz (siehe obige Tabelle). Aus Gründen der Vereinfachung übt der Senat sein Ermessen hinsichtlich der Quotelung in der Berufungsinstanz dahingehend aus, dass diese Quote angesichts der über den Rechenfehler hinaus vorgenommenen Korrekturen zugunsten der Beklagten auch für die Berufungsinstanz angemessen erscheint.

V. Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich. Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass die aufenthaltsrechtliche Verpflichtung nach § 4 FreizügG/EU die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausschließt (siehe oben unter I.4.b). Die Inzidentprüfung der bestimmten Qualität des Aufenthaltsrechts – ob die Freizügigkeit im konkreten Fall von den Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU abhängt – ist damit zwingend eine Aufgabe der Sozialgerichtsbarkeit. Damit geht einher, dass die Anforderungen an das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts in der Sozialgerichtsbarkeit nicht anders gesehen werden können als in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Gerichtshof der Europäischen Union und das Bundesverwaltungsgericht haben die hier relevanten Rechtsfragen zu den Voraussetzungen für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts bereits geklärt (siehe oben unter I.4.b).
Rechtskraft
Aus
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