L 13 AL 3212/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2882/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3212/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 25/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Arbeitnehmer im und für den Insolvenzgeldzeitraum eine Erhöhung der Arbeitnehmervergütung vereinbart, handelt der vorläufige Insolvenzverwalter, wenn das Insolvenzgericht lediglich einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt im Sinn des § 21 Abs.2 Nr.2 2. Regelung InsO ohne Übertragung von Arbeitgeberfunktionen angeordnet hatte, als vollmachtloser Vertreter, sodass die Vereinbarung bis zur Genehmigung des Arbeitgebers oder Insolvenzverwalters schwebend unwirksam ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt Anspruch auf weiteres Insolvenzgeld. Der 1960 geborene Kläger war seit 1. Oktober 1980 bei seinem Vater B. S. (S.), der neben einer Metzgerei und Pension seit 1974 eine in das Handelsregister eingetragene Einzelfirma (Amtsgericht O.,) mit dem hauptsächlichen Geschäftsgegenstand Entsorgung von Altpapier betrieb, als kaufmännischer Angestellter beschäftigt; er hatte dort eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Der Aufgabenbereich des Klägers umfasste die Tagesplanung im Rohstoffhandel, die Einteilung der Kraftfahrer und deren Routen sowie die Abrechnung und Rechnungsstellung der erzielten und verarbeiteten Rohstoffmengen. Handlungsvollmachten bestanden nur in den vorgenannten Bereichen und nur nach vorheriger Absprache mit dem Firmeninhaber S. Dieser unterzog sich am 18. Januar 2000 einer Herzoperation, in deren Verlauf er in ein mehrere Wochen dauerndes Koma fiel; später bestand noch ein reversibles hirnorganisches Psychosyndrom. Deswegen arbeitete der Kläger ab Januar 2000 im Bereich der Geschäftsleitung mit. Mit Beschluss des Amtsgerichts G. vom 4. Februar 2000 (Aktenzeichen ) wurde der Kläger als Betreuer seines Vaters bestellt; der Aufgabenkreis umfasste alle Vermögensangelegenheiten und die Gesundheitsfürsorge. Eine Ausnahme vom Verbot des Selbstkontrahierens war nicht eingeräumt. Die Betreuerbestellung endete durch gerichtlichen Beschluss vom 17. August 2000. In dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des S., Papiergroßhandlung, Metzgerei und Pension, Z. a.H., wurde mit Beschluss des Amtsgerichts O. vom 28. Februar 2000 (Aktenzeichen: ) Rechtsanwalt H. (H.), R., zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In diesem Beschluss wurde bestimmt, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände seines Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung - InsO). Vorausgegangen war, dass seit Dezember 1999 ein Großteil der Löhne und Gehälter nicht mehr gezahlt wurden; gegen Abtretung der Arbeitsentgeltansprüche zahlte die Volksbank D. im Wege der Vorfinanzierung das Arbeitsentgelt bis einschließlich März 2000 aus. Mit Beschluss des Amtsgerichts O. vom 27. April 2000 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit am 1. Mai 2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des S. eröffnet und H. zum Insolvenzverwalter ernannt. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des März 2000 vereinbarten H. und der Kläger mündlich und rückwirkend ab 1. Februar 2000 eine Lohnerhöhung von 4.752,00 DM auf monatlich 6.552,00 DM, deswegen war der Kläger an H. herangetreten. Hintergrund hierfür war ein behaupteter zeitlicher Mehraufwand von rund 20 Wochenstunden wegen der Wahrnehmung von Geschäftsleitungsaufgaben des erkrankten S. Für die Monate Mai und Juni 2000 zahlte H. das höhere Gehalt an den Kläger. Das Unternehmen ist mit Wirkung ab 1. Juli 2000 veräußert worden. Am 22. Mai 2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum Februar bis April 2000. In der Insolvenzgeldbescheinigung, die H. mit Schreiben vom 9. Mai 2000 beim Arbeitsamt O. (ArbA) vorlegte, bescheinigte er für den Monat Februar einen Nettolohnausfall in Höhe von 3.263,65 DM, für den Monat März 2000 in Höhe von 3.277,69 DM und für den Monat April 2000 in Höhe von 5.525,41 DM. Die Bescheinigung wurde am 25. Mai 2000 durch Vorlage einer berichtigten Bescheinigung ergänzt. Zur Erläuterung der höheren Vergütung teilte H. mit, diese beinhalte Gehaltsnachzahlungen für die Monate Februar und März 2000, da rückwirkend das Gehalt von 4.700,00 DM auf 6.500,00 DM angehoben worden sei. Mit Schreiben vom 2. Juni 2000 forderte das ArbA die Allgemeine Ortskrankenkasse Or. (AOK) zur Überprüfung der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers auf. Die AOK teilte mit Schreiben vom 8. Juni 2000 mit, dieser sei auch nach der Bestellung zum Betreuer seines Vaters einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Trotzdem lehnte das ArbA mit Bescheid vom 13. Juni 2000 den Antrag des Klägers auf Insolvenzgeld mit der Begründung ab, dieser habe seit Januar 2000 die Geschäftsleitung der Firma übernommen und sei deswegen kein Arbeitnehmer gewesen. Hiergegen erhob der Kläger am 19. Juni 2000 Widerspruch. Zur Begründung gab er an, vor der Aufnahme seines Vaters in das Krankenhaus wegen der Herzoperation - geplant gewesen sei ein vierzehn-tägiger Krankenhausaufenthalt - habe ihm sein Vater Weisungen für die Leitung der Firma erteilt. Nachdem der Vater jedoch ins Koma gefallen und dessen Dauer nicht absehbar gewesen sei, habe er sich auf Anraten seines Steuerberaters zum Betreuer bestellen lassen. Auf Befragung des ArbA gab der Kläger mit Schreiben vom 24. Juli 2000 an, seine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter der Firma habe in der Arbeitsvorbereitung, in der Auftragsannahme und der Personalplanung bestanden. Den Geschäftsablauf innerhalb des Papierhandels habe sein Vater bestimmt; er habe dessen Anweisungen ausgeführt. Den Urlaub der vergangenen Jahre habe er sich genehmigen lassen müssen. Im Krankheitsfall sei ihm Lohnfortzahlung gewährt worden. Eine selbstschuldnerische Bürgschaft für die Firma in Höhe von 100.000,00 DM habe er auf Drängen seines Vaters nur deshalb übernommen, um einen kurzzeitigen finanziellen Engpass zu überbrücken. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2000 wies das ArbA den Widerspruch zurück. Deswegen hat der Kläger am 21. September 2000 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, auch während seiner Bestellung zum Betreuer seines Vaters habe die Weisungsgebundenheit fortgedauert. Mit Bestellung von H. zum vorläufigen Insolvenzverwalter habe dessen Weisungsrecht ihm gegenüber bestanden. Aufgrund der anfallenden Mehrarbeit wegen Ausfalls seines Vaters als Geschäftsführer der Firma sei ihm rückwirkend ab Februar 2000 von H. eine Lohnerhöhung von 4.752,00 DM auf 6.552,00 DM gewährt worden. Die Höhe des ihm zustehenden Insolvenzgeldes ergebe sich aus einem Bruttogehalt von je 4.752,00 DM für Februar und März 2000 sowie einem im April auszuzahlenden Bruttogehalt von 10.152,00 DM (Bruttolohn 6.552,00 DM zuzüglich 1.800,00 DM Nachzahlung für Februar 2000 sowie 1.800,00 DM Nachzahlung für März 2000). Die rückwirkende Gehaltserhöhung sei mündlich vereinbart worden. Den nach Vernehmung von S. als Zeuge im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme geschlossenen gerichtlichen Vergleich vom 30. November 2000, wonach die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Monate Februar bis April 2000 entsprechend dem Gehalt zahlen sollte, welches ihm ohne die mit dem Insolvenzverwalter abgesprochene Gehaltserhöhung in diesen Monaten zugestanden habe, hat der Kläger mit Schreiben vom 4. Januar 2001 widerrufen, da er Insolvenzgeld auch in der Höhe der mit dem Insolvenzverwalter vereinbarten Gehaltserhöhung beanspruchen könne. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Teilanerkenntnis vom 24. Januar 2001 hat die Beklagte den Bescheid vom 13. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2000 aufgehoben und sich bereit erklärt, dem Kläger betreffend die Monate Februar bis April 2000 Insolvenzgeld entsprechend dem Gehalt, welches ohne die mit dem Insolvenzverwalter abgesprochene Gehaltserhöhung zugestanden hätte, zu gewähren. In Ausführung dieses die Übernahme der außergerichtlichen Kosten zu fünf Sechstel beinhaltenden Teilanerkenntnisses hat die Beklagte mit Bescheid vom 8. Februar 2001 dem Kläger für den Zeitraum 1. Februar bis 30. April 2000 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 10.043,91 DM gewährt, wovon 6.541,34 DM an die vorfinanzierende Bank gezahlt wurden. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Mit Schreiben vom 8. Februar 2001 - vom Kläger vorgelegt am 20. Februar 2001 - hat H. mitgeteilt, während des vorläufigen Insolvenzverfahrens habe die Arbeitskraft des Firmeninhabers wegen plötzlicher Erkrankung ersetzt werden müssen. Dieser sei im Bereich der Akquisition und der kaufmännischen Leitung tätig gewesen; nur er habe den Kontakt zu den Großkunden gehalten. Diese Aufgaben seien notgedrungen teilweise vom Kläger übernommen worden. Dadurch sei es zu einer erheblichen Mehrbelastung gekommen, welcher mit der Erhöhung des Gehalts Rechnung getragen worden sei. Auf Befragung durch das SG hat H. mit Schreiben vom 3. April 2001 Einzelheiten zu den Umständen der Gehaltserhöhungsvereinbarung geschildert.

Durch Urteil vom 28. Juni 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Grundsätze über "Verträge zu Lasten Dritter" anzuwenden seien, welche - jedenfalls im Verhältnis zur Insolvenzgeldversicherung - die rückwirkend ab Februar 2000 vereinbarte Gehaltserhöhung unzulässig machten. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten gemäß Empfangsbekenntnis am 4. Juli 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am (Montag) 6. August 2001 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Grundsätze über "Verträge zu Lasten Dritter" stünden seinem Anspruch auf höheres Insolvenzgeld nicht entgegen. Er habe durch den Ausfall von S. einen erheblichen Arbeitsmehraufwand, der auch Samstags- und Sonntagsarbeit mit sich gebracht habe, gehabt. Seine konkrete zeitliche Inanspruchnahme durch den Ausfall seines Vaters ergebe sich aus dem Fax vom 11. April 2002 an die Beklagte. Wenn er nicht diese Tätigkeiten erledigt hätte, hätte hierfür ein neuer Mitarbeiter eingestellt werden müssen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 8. Februar 2001 zu verurteilen, ihm weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 2.309,71 DM (= 1.180,94 EUR) zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie entgegnet im Wesentlichen, als Vertrag zu Lasten Dritter sei die rückwirkend vereinbarte Gehaltserhöhung unwirksam. Es habe auch nicht in der Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters gestanden, eine Gehaltserhöhung mit dem Kläger zu vereinbaren, da hierfür ein dringendes Erfordernis vor Insolvenzverfahrenseröffnung nicht vorgelegen habe. Auch mit sich selbst habe der Kläger als Arbeitnehmer einerseits und als Arbeitgeber andererseits im Rahmen seiner Stellung als Betreuer des Firmeninhabers keine Gehaltserhöhung vereinbaren können. Am 27. März 2002 hat der Berichterstatter mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Zur weiteren Darstellung wird auf die Ersatz-Verwaltungsakte des ArbA - die Originalverwaltungsakte ist nicht auffindbar -, die Klageakte des SG (S 7 AL 2882/00) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 3212/01) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 1.000,00 DM betrifft. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der streitbefangene Bescheid vom 8. Februar 2001, welcher den Bescheid vom 13. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2000 in Ausführung des Teilanerkenntnisses der Beklagten ersetzt und die Zahlung des vom Kläger noch begehrten weiteren Insolvenzgeldes abgelehnt hat, ist nicht zu beanstanden.

Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III). Insolvenzgeld wird in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das Arbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird (§ 185 Abs. 1 SGB III).

Ausgehend vom Insolvenzereignis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2000 ist maßgebender Insolvenzgeldzeitraum die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2000. In diesem Zeitraum hatte der Kläger, auf dessen Lohnsteuerkarte die Steuerklasse II mit einem Kinderfreibetrag eingetragen und für den kein Kirchensteuerabzug vorzunehmen war, im Monat Februar 3.329,77 DM, im Monat März 3.343,81 DM und im April 3.370,33 DM (brutto jeweils 5.083,24 DM, 5.097,28 DM und 5.123,80 DM, darin eingeschlossen der Arbeitgeberanteil für vermögenswirksame Leistungen mit monatlich 52 DM sowie Erstattung der Fahrkosten mit monatlich 331,24 DM, 345,28 DM und 371,80 DM), insgesamt also 10.143,91 DM netto zu beanspruchen. Mit dem Bescheid vom 8. Februar 2001 hat die Beklagte Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts von 10.143,91 DM bewilligt, jedoch hiervon 6.853,34 DM wegen der für die Monate Februar und März erfolgten und die streitige Gehaltserhöhung nicht betreffenden Vorfinanzierung des Arbeitsentgelts gegen Abtretung des Arbeitsentgeltsanspruches an die Volkbank D. ausbezahlt (vgl. § 188 Abs. 1 SGB III). Dagegen wendet sich der Kläger nicht. Vielmehr macht er allein geltend, ihm müsse wegen einer für den Insolvenzgeldzeitraum vereinbarten monatlichen Gehaltserhöhung von 1.800 brutto noch weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 2.309,71 DM gezahlt werden. Mit diesem Begehren vermag der Kläger jedoch nicht durchzudringen. Denn er hatte keinen Anspruch auf ein um 1.800 DM höheres monatliches Gehalt.

Der weit auszulegende Begriff des Arbeitsentgelts umfasst alle Arten von Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis, die als Gegenleistung für die geleistete Arbeit oder das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft angesehen werden können (vgl. BSGE 45, 191, 192; 55, 62, 63; 69, 228, 231). Grundsätzlich (vgl. insoweit BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 22) bestimmen nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer, was als Gegenwert für die Arbeitsleistung gezahlt werden soll. Vor Missbrauch sind die Insolvenzgeldmittel dadurch bewahrt, dass Vereinbarungen über Arbeitsentgelte, die nur zum Schein abgeschlossen worden sind oder wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten nichtig sind, keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt begründen. Nichtig kann auch die in Kenntnis bevorstehender Zahlungsunfähigkeit getroffene Vereinbarung sein, wenn diese nur dazu dient, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld zu verschaffen oder wenn als Arbeitsentgelt bezeichnet wird, was nicht Gegenwert für die geleistete Arbeit sein soll. Im Übrigen wehrt § 184 SGB III durch den Ausschluss von Ansprüchen aus Arbeitsentgelt, die auf Rechtshandlungen beruhen, die nach den Vorschriften der InsO angefochten sind oder angefochten werden können, die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Insolvenzgeld ab. Ob einer dieser Fälle deswegen vorliegt, weil bei Vereinbarung der Gehaltserhöhung klar war, dass das erhöhte Gehalt nur über das Insolvenzgeld oder dessen Vorfinanzierung zu zahlen sein wird, kann offen bleiben. Denn vorliegend ist eine Gehaltserhöhung für die Zeit ab 1. Februar 2000 nicht wirksam zwischen dem Kläger als Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber vereinbart worden, so dass auch nicht erörtert zu werden braucht, ob der Kläger die damit wegen der Krankheit seines Vaters und des eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahrens abgegoltene Mehrarbeit als Arbeitnehmer, als Betreuer oder gar ohne rechtliche Verpflichtung aus verwandtschaftlicher Rücksichtnahme geleistet hat.

Vorliegend haben zwar der Kläger und H. in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Anfang oder Mitte März 2000 eine Gehaltserhöhung von monatlich 1.800 DM vereinbart; diese Gehaltserhöhung sollte, auch wenn insoweit der als Zeuge schriftlich gehörte H. keine hinreichend sichere Bekundung machen konnte, rückwirkend für die Zeit ab 1. Februar 2000 gelten. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere dem eigenen Vorbringen des Klägers, welches durch die Beweisaufnahme nicht in Frage gestellt wurde, steht fest, dass der Kläger diese Gehaltserhöhung nur mit H. als vorläufigem Insolvenzverwalter vertraglich begründen wollte. Der Senat erachtet danach auch für nachgewiesen, dass der Kläger nicht das Erklärungsbewusstsein hatte, einen Vertrag mit sich in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer und als Betreuer des erkrankten Vaters zu schließen; für eine solche Annahme fehlt in tatsächlicher Hinsicht jeder Anhalt. Mangels schriftlicher Fixierung der Unterredung ist unklar, welches Erklärungsbewusstein H. als vorläufiger Insolvenzverwalter bei der Unterredung hatte. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere den schriftlichen Aussagen von H., kommt am ehesten in Betracht, dass H. sich für befugt gehalten hat, anstelle des Arbeitgebers mit dem Kläger die Gehaltserhöhung zu vereinbaren, und er deshalb einen hierauf gerichteten Rechtsfolgewillen hatte. So hat offensichtlich auch der Kläger die Erklärungen von H. verstanden, denn dieser ist stets davon ausgegangen, dass der Vertrag über die Gehaltserhöhung zwischen ihm und H. geschlossen wurde. Andererseits kann auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass H. gemeint hat, die Gehaltserhöhung sei durch ein zwischen dem Kläger als Arbeitnehmer und Betreuer zustande gekommenes "Insich-Geschäft" begründet worden, für das aber seine Zustimmung benötigt werde, und er sinngemäß lediglich diese Zustimmung erteilen wollte und erteilt hat. In letzterem Fall ging die Zustimmung ins Leere, denn ein nach § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ohnehin nicht gestattetes Insich-Geschäft über die Gehaltserhöhung ist - wie ausgeführt - nicht zustande gekommen (zu den strengen hier nicht vorliegenden Anforderungen an ein Insich-Geschäft bei der Ein-Mann-GmbH vgl. Bundesgerichtshof [BGH] in BGHZ 75, 358, 363 f.; ebenso zum Nachweis Bundesfinanzhof [BFH] vom 31. Januar 1985 - IV R 58/82 - in BFH/NV 1986, 16, 17, mwN).

Aber auch im anderen Fall konnten der Kläger und H. keine wirksame Gehaltserhöhung vereinbaren. Denn H. hatte als vorläufiger Insolvenzverwalter nicht die Rechtsmacht, mit dem Kläger die Gehaltserhöhung zu vereinbaren. H. ist durch Beschluss des Amtsgerichts O. vom 28. Februar 2000 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Eine solche Bestellung sieht § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO als Sicherungsmaßnahme im Insolvenzeröffnungsverfahren vor. Als weitere Sicherungsmaßnahme kann das Insolvenzgericht nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen (1. Regelung) oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (2. Regelung). Vorliegend hat das Insolvenzgericht im Beschluss vom 28. Februar 2000 kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt im Sinn des § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Regelung InsO angeordnet. Daran ist der Senat gebunden. Für die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters unterscheidet § 22 InsO zwischen der Bestellung mit und ohne Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbotes. Im ersteren Fall geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), worunter dann auch die Pflicht zur einstweiligen Unternehmensfortführung fällt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO). Im Fall des allgemeinen Verfügungsverbots rückt der vorläufige Insolvenzverwalter nach allgemeiner Meinung in die Stellung des Arbeitgebers ein (vgl. z.B. Landesarbeitsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2002 - 4 (14) Ia24/02 in ZiP 2002, 579,580, ebenfalls veröffentlicht in Juris; Hess/Weis/Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 22 Rdnr. 145; Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 22 Rdnr. 53; Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, Rdnr. 492). Ist die Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter - wie hier - nicht mit der Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbotes verbunden, bestimmt nach § 22 Abs. 2 Satz 1 InsO das Insolvenzgericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist in einem derartigen Fall nicht allgemeiner Vertreter des Schuldners, vielmehr verbleibt die Arbeitgeberfunktion regelmäßig beim Schuldner (allgemeine Meinung, statt aller LAG Nordrhein-Westfalen a.a.O. S. 581; Uhlenbruck, a.a.O., § 22 Rdnr. 56 m.w.N.). Wenn beim allgemeinen Zustimmungsvorbehalt dem vorläufigen Insolvenzverwalter gleichwohl Arbeitgeberfunktionen übertragen werden sollen, muss das Insolvenzgericht dies anordnen, denn entscheidend ist insoweit der Inhalt des Bestellungsbeschlusses; dabei sollen im Bestellungsbeschluss die Verfügungen, auf die sich der Zustimmungsvorbehalt beziehen soll, enumerativ aufgezählt werden (vgl. LAG Nordrhein-Westfalen a.a.O.) Eine Übertragung der Arbeitgeberfunktion an den vorläufigen Insolvenzverwalter ist hier jedenfalls weder ausdrücklich noch sinngemäß vorgenommen worden. Soweit sich im Bestellungsbeschluss im Anschluss an die generelle jedem vorläufigen Insolvenzverwalter obliegende Verpflichtung, durch Überwachung des Schuldners dessen Vermögen zu sichern sowie zu erhalten und damit in sachlichem Zusammenhang die Formulierung findet, dass der vorläufige Insolvenzverwalter ermächtigt wird, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, jedoch unbeschadet der Wirksamkeit der Handlung verpflichtet ist, diese Befugnis nur wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgabe schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist, ist auch damit dem Insolvenzverwalter nicht die Aufgabe und das Recht übertragen worden, anstelle des Arbeitgebers mit dem Kläger eine Lohnerhöhung zu vereinbaren. Abgesehen davon, dass weder der Schuldner noch ein Arbeitnehmer jederzeit mit der gebotenen Klarheit erkennen kann, ob und in welchem Umfang der vorläufige Insolvenzverwalter berechtigt ist, für den Schuldner als Arbeitgeber zu handeln, waren hier unter Beachtung der durch Beaufsichtigung wahrzunehmenden Sicherungs- und Erhaltungsfunktion auch die Voraussetzungen einer solchen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dringend erforderlichen unaufschiebbaren Eilmaßnahme nicht gegeben. Eine solche hätte u.a. vorausgesetzt, dass der Kläger sich ohne diese Lohnerhöhung geweigert hätte, die von ihm schon seit Januar 2000 in Folge krankheitsbedingter Abwesenheit des Vaters und seit 28. Februar 2000 in Folge des eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahrens entstandene zusätzliche zeitliche Mehrbelastung von 18 Stunden wöchentlich zu leisten. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger auch ohne Lohnerhöhung die bisher im Unternehmen von seinem Vater wahrgenommenen Aufgaben erfüllt hätte. Einen solchen Einsatz gebot bereits die Rücksichtnahme auf die ganz engen verwandtschaftlichen Beziehungen und Bindungen, zumal von vornherein absehbar war, dass die Mehrbelastung nur vorübergehender Natur sei würde. Der damals 39 Jahre alte Kläger befand sich zur fraglichen Zeit in einem Alter, in dem eine zeitliche Mehrbelastung von etwa 3 1/2 Sunden täglich und, sofern erforderlich, ein zusätzlicher Einsatz am Wochenende ohne weiteres bewältigt werden konnte. H. hat nach alledem bei dem mit dem Kläger geschlossenen Vertrag über die Lohnerhöhung vergleichbar einem Vertreter ohne Vertretungsmacht (vgl. insoweit Reichsgericht in RGZ 80, 416, 417 ff; Palm in Erman, Kommentar zum BGB, § 177 Rndr. 10) gehandelt, so dass entsprechend § 177 Abs. 1 BGB der schwebend unwirksame Vertrag nur durch Genehmigung wirksam geworden sein konnte. Eine solche Genehmigung ist nach Abschluss des Vertrages bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens indes weder von S. noch vom Kläger in seiner Eigenschaft als Betreuer des S. erklärt worden. Auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat H. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter eine solche Genehmigung weder ausdrücklich noch konkludent erklärt (zur konkludenten Genehmigung vgl. BGHZ 109, 171, 177; 128, 41, 49). Es mag sein, dass durch die Zahlung des erhöhten Gehaltes ab 1. Mai 2000 der Vertrag genehmigt worden ist; dies betrifft aber nur den Zeitraum ab Erfüllung, also ab 1. Mai 2000, nicht hingegen die vorhergehende Zeit von Februar bis April 2000. Für die streitige Zeit ist die Gehaltserhöhung gerade nicht durch Erfüllungshandlung konkludent genehmigt worden; denn mit dem auf Betreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters für die Monate Februar und März durch Bankkredit vorausfinanzierten Arbeitsentgelt ist die Gehaltserhöhung nicht nachgezahlt worden, obwohl dies nahegelegen hätte, nachdem Anfang bzw. Mitte März die Gehaltserhöhung vereinbart worden war. Auch sonst ist kein Verhalten von H. erkennbar, das als schlüssige Genehmigung einer Gehaltserhöhungsverbarung für die streitbefangene Zeit von Februar bis April 2000 aufgefasst werden konnte und welches der Kläger tatsächlich auch so verstanden hat. Dies gilt insbesondere für die von H. als Zeuge im Klageverfahren gemachten Bekundungen; diese sind gegenüber dem Gericht und nicht gegenüber dem Kläger gemacht worden, zumal der Kläger auch nicht geltend gemacht hat, er habe diese Erklärung als nachträgliche Genehmigung verstanden. Nach alledem bleibt es dabei, dass die Gehaltserhöhungsvereinbarung schwebend unwirksam ist und keinen Arbeitsentgeltanspruch des Klägers begründete; ob der Insolvenzverwalter jetzt noch die Genehmigung erteilen könnte, braucht nicht entschieden zu werden

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved