S 14 KR 297/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KR 297/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 3/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten zuletzt die Erstattung von Kosten für ambulant durchgeführte Liposuktionen an Ober – und Unterschenkeln i.H.v. 11.990 EUR.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten freiwillig gesetzlich krankenversichert.

Erstmals im Jahr 2016 wurde bei der Klägerin ein Lipödem diagnostiziert. Im Frühjahr 2017 unterzog sich die Klägerin nach einer Gewichtsabnahme von 110 kg nach bariatrischen Operationen in den Jahren 2013 und 2015 einer Bodylift-Operation am Bauch und den Extremitäten. Im weiteren Verlauf kam es an den Beinen zu einer Vermehrung des Fettgewebes. Bei der Klägerin besteht nunmehr ein schmerzhaftes Lipödem an den Armen im Stadium II und an den Beinen im Stadium II oder III.

Am 24.09.2018 beantragte sie bei der Beklagten eine Lipo-Dekompression der Arme und Beine, wie diese von der Lipoclinik I beschrieben werde. Damit nahm sie Bezug auf ein beigefügtes "Fachärztliches Gutachten" vom 13.06.2018 "zur Vorlage beim Medizinischen Dienst" des Facharztes für Plastische Chirurgie und Ästhetische Chirurgie, Chirurgie Dr. X aus der Lipoclinik. - die bzw. deren Behandler nicht zur Leistungserbringung für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zugelassen sind. Mit der ärztlichen Stellungnahme wurde die Kostenübernahme für medizinisch als notwendig erachtete ambulante Liposuktionen beantragt. Bis zur erneuten Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Jahr 2022 über die Aufnahme der operativen Behandlung des Lipödems in den Leistungskatalog der GKV fehle eine entsprechende Abrechnungsziffer im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM). Die Rechnungsstellung müsse sich daher an der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ) orientieren. Bei der Diagnose eines Lipödems beider Beine und Arme im Stadium II und Darstellung der Krankheitsvorgeschichte sowie des klinischen Befundes wurde die Schlussfolgerung gezogen, bei der Klägerin sei eine (erneute) Therapie durch Lipo-Dekompressionen im Bereich der Beine und gegebenenfalls der Arme indiziert. Der Befund mache zunächst 3-4 Operationen an Unter- und Oberschenkeln erforderlich. Ob die Arme mittelfristig einen operationsbedürftigen Befund entwickelten sei derzeit nicht absehbar. Entsprechend den Leitlinien der Fachgesellschaft für plastische Chirurgie werde die Klägerin nach der ambulanten Operation mehr als 10 Stunden in einer anästhesiologischen Tagesklinik überwacht. Es werde um Kostenübernahme für die genannte Anzahl medizinisch notwendiger Operationen gebeten. Dem ärztlichen Antrag beigefügt waren Kostenvoranschläge und eine Bescheinigung der Ärztin für Dermatologie/Phlebologie T. (4/2018), die ein Lipödem Stadium III der Beine erkannte. Eine Liposuktion sei dringend anzuraten.

Mit Bescheid vom 04.10.2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Der G-BA habe die beantragte Behandlung bisher nicht als ambulante Leistung anerkannt.

Hiergegen legte die Klägerin am 24.10.2018 Widerspruch ein. Die Liposuktion sei für sie die letzte Chance einer Heilung. Ihr sei bekannt, dass die Leistung nicht zum Leistungskatalog der Krankenversicherung gehöre, bitte jedoch, die wirtschaftlichen Vorteile für die Beklagte zu bedenken.

Am 12.12.2018 und 24.04.2019 ließ die Klägerin die Liposuktion an den Ober- und Unterschenkeln beidseits in Lipoclinik für insgesamt 11.990 EUR durchführen wie von Dr. X dargestellt.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK Bayern vom 10.01.2019 ein. Auch in fortgeschrittenen Stadien mit bereits eingetretener Ödembildung könne mithilfe einer komplexen physikalischen Entstauungstherapie bei den meisten Patienten eine Besserung der Beschwerden bis hin zur Beschwerdefreiheit erzielt werden. Es sei nicht anzunehmen, dass nach Durchführung von Liposuktionen keinerlei weitere Behandlungen dieser Art mehr nötig sein würden. Die sozialmedizinische Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) habe in einem Gutachten vom 06.10.2011 (aktualisiert am 15.01.2015) nach ausführlicher Literaturrecherche und –bewertung Stellung genommen. Hiernach ließen sich keine Hinweise auf Belege eines Nutzens im Sinne der §§ 2 und 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) oder ein Systemversagen ableiten. Das vom G-BA mit Beschluss vom 22.05.2014 eingeleitete Bewertungsverfahren zur Methodenbewertung der Liposuktion bei Lipödem sei bis zum 30.09.2022 ausgesetzt, da der Nutzen für die Methode Liposuktion bei Lipödem nicht hinreichend belegt sei. Bei der Evidenzrecherche hätten sich nur wenige Studien der zweitniedrigsten Evidenzstufe IV gefunden. Die Ergebnisse der Erprobungsstudie, die derzeit geplant werde, bleibe abzuwarten. Höchstrichterlich sei entschieden worden, dass Liposuktionen zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder im ambulanten noch im stationären Bereich zulasten der GKV erfolgen könnten. Eine sozialmedizinische Positivdarstellung der beantragten Methode sei daher nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die von der Klägerin ausgewählten Ärzte der Lipoclinik nähmen nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Allein aus diesem Grund heraus sei eine Kostentragung bzw. Kostenbeteiligung an der begehrten Maßnahme nicht möglich. Die Lipo-Dekompression gehöre nicht zu den von der GKV zu erbringenden Leistungen. Neue Untersuchungs– und Behandlungsmethoden – wie die Liposuktion bei Lipödem - seien nur von der Leistungspflicht der GKV umfasst, wenn der G-BA eine positive Empfehlung abgegeben habe. Ohne diese könne eine Leistungspflicht der Krankenkassen ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen sei, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden sei (Systemversagen). Es gebe jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass das derzeit laufende Bewertungsverfahren nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werde.

Hiergegen hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 15.07.2019 Klage erhoben. Zunächst ist die Klage auch auf eine Versorgung des Lipödems der Arme mit Liposuktionsoperationen gerichtet worden. Insoweit die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden.

Hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruches ist zunächst ausgeführt worden, dieser richte sich nach § 137c Abs. 3 SGB V. Die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zur Ablehnung einer Leistungspflicht der GKV für stationäre Liposuktionen missachte die gesetzliche Bestimmung.

Zuletzt wird eingeräumt, dass die Liposuktion an den Beinen ambulant erfolgt ist und es grundsätzlich einer positiven Empfehlung des G-BA bedürfe, die bis dato nicht vorliege. Ein Anspruch ergebe sich aber aus einem Systemversagen. Die Frist des § 187c Absatz 1 S. 6 SGB V sei bei dem Bewertungsverfahren des G-BA nicht eingehalten. Es sei nicht ersichtlich, dass das Verfahren bis zum Zeitpunkt des Fristablaufes im Mai 2017 nennenswert gefördert worden wäre oder Erkenntnisse erbracht hätte. Außerdem zeigten die jüngsten Beschlüsse des G-BA vom 19.09.2019, nach denen ab 2020 das Lipödem im Stadium III zulasten der GKV mit Liposuktion versorgt werden dürfe, und deren Begründung, dass bereits zu den Zeitpunkten der operativen Versorgung der Klägerin der G-BA verpflichtet gewesen wäre, eine positive Empfehlung abzugeben.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2019 zu verurteilen, der Klägerin Kosten für durchgeführte Liposuktionen an Ober- und Unterschenkeln in Höhe von insgesamt 11.990,00 EUR zu erstatten.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich wesentlich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Klagegegenstand ist zuletzt allein das Begehren der Erstattung der Kosten für bereits durchgeführte Lipo-Dekompressionen (Liposuktionen) in einer privatärztlichen Klinik/Praxis an den unteren Extremitäten der Klägerin.

B.

Der Klageantrag ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juli 2018 – L 16 KR 660/17 –, Rn. 25, juris) und zulässig aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 04.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGG).

I. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V SGB V aufgrund einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V scheidet aus. Voraussetzung wäre, dass die Beklagte über den Antrag der Klägerin nicht spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragstellung entschieden hätte (§ 13 Abs. 3a Satz 1 Alt.1 SGB V). Den Antrag der Klägerin vom 24.09.2018 hat die Beklagte indes bereits mit Bescheid vom 04.10.2018 abgelehnt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid der Klägerin nicht bis zum 15.10.2018 (Ablauf der Dreiwochenfrist) zugegangen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, BSGE 123, 293-302, SozR 4-2500 § 13 Nr 36, Rn. 29) wäre.

II. Der auf Kostenerstattung gerichtete Anspruch ergibt sich nicht auch nicht aus der hiernach allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V (zum offenkundigen Ausscheiden des § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB V: SG Aachen, Urteil vom 21. November 2017 – S 13 KR 257/17 –, Rn. 16, juris). Danach sind Versicherten für eine selbstbeschaffte Leistung entstandene Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kostenerstattungsanspruch reicht allerdings insofern nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch als er voraussetzt, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 30/16 R –, BSGE 124, 1-9, SozR 4-2500 § 27 Nr 29, Rn. 8 m.w.N.). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist – wenn, wie vorliegend eine abgeschlossene Behandlung vorliegt - jener der Selbstbeschaffung der Leistung (BSG, Urteil vom 08. März 1995 – 1 RK 8/94 –, SozR 3-2500 § 31 Nr 3, SozR 3-2500 § 13 Nr 6; Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 07/19, § 13 SGB V, Rn. 24).

Die Klägerin hatte jedoch keinen Anspruch auf die bei der Beklagten beantragte Liposuktion an den Beinen, als sie sich die Leistung selbst beschaffte.

1. Zutreffend führt die Beklagte im Widerspruchsbescheid zunächst aus, ein Leistungsanspruch scheide schon deshalb aus, weil die von der Klägerin ausgewählten Ärzte Lipoclinik I nicht an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 SGB V) teilnähmen.

Zwar ist auf der Rechtsfolgenseite des § 13 Abs. 3 SGB V die Kostenerstattung auch für eine privatärztliche Inanspruchnahme eines Leistungserbringers ohne kassenärztliche Zulassung/ Zulassung i. S. d. § 108 SGB V möglich (BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R –, BSGE 111, 289-301, SozR 4-2500 § 27 Nr 23, Rn. 33 m.w.N.). Die begehrte Leistung darf aber nicht von vornherein auf eine privatärztliche Leistungserbringung gerichtet sein, da ein entsprechender Sachleistungsanspruch – als Voraussetzung der Tatbestandsseite des § 13 Abs. 3 SGB V - nicht besteht (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 07/19, § 13 SGB V, Rn. 44 m.w.N.; unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung: BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R –, BSGE 111, 289-301, SozR 4-2500 § 27 Nr 23, Rn. 35; BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 5/05 R –, BSGE 96, 161-169, SozR 4-2500 § 13 Nr 8, Rn. 24; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Mai 2014 – L 8 KR 7/11 –, Rn. 38, juris). Grundsätzlich werden die beanspruchbaren Sachleistungen durch Ärzte und Psychotherapeuten bzw. Krankenhäuser, die zur vertragsärztlichen Versorgung in der GKV zugelassen sind, erbracht (§§ 95, 108 SGB V). Andere Behandler dürfen nur in Notfällen – ein solcher ist im Falle eines elektiven Eingriffes wie den vorliegenden nicht gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 20/14 R –, BSGE 119, 141-150, SozR 4-2500 § 108 Nr 4, Rn. 13 m.w.N.) - in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Die LipoClinik I nimmt indes nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil und ist kein Plankrankenhaus i. S. d. § 108 SGB V (SG Aachen, Urteil vom 21. November 2017 – S 13 KR 257/17 –, Rn. 17, juris; SG Aachen, Urteil vom 25. Juni 2019 – S 13 KR 257/17, nicht veröffentlicht, unter Vertretung der Klägerseite durch den hiesigen Klägerbevollmächtigten). Bereits der Antrag der Klägerin vom 24.09.2018 war nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 154 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) aber gerade auf die Erbringung der Leistung durch die privatärztliche LipoClinik I erichtet, nicht auf eine (ambulante) Sachleistung im Leistungssystem der GKV schlechthin - gestützt durch das dem Antrag beigefügte "Gutachten" aus der LioClinik. Dafür spricht, dass die Klägerin in ihrem Antragsschreiben ausdrücklich Bezug auf den beigefügten Behandlungsplan der LipoClinik nimmt. Dr. X beantragt in dem "fachärztlichen Gutachten zur Vorlage beim Medizinischen Dienst" eine Kostenübernahme als Einzelfallentscheidung für die medizinisch notwendigen, ambulanten Operationen. Deren im Weiteren beschriebene Planung ist auf eine Behandlung in der LipoClinik I gerichtet. Entsprechend schließt das Schreiben nochmals mit der Bitte um Kostenübernahme für die genannte Anzahl der Operationen unter Beifügung eines Kostenvoranschlages der LipoClinik.

2. Darüber hinaus scheitert ein Anspruch auf Kostenerstattung für die im Dezember 2018 und April 2019 durchgeführten Liposuktionsbehandlungen daran, dass der G-BA die neue Methode der Liposuktion – zum Zeitpunkt der Leistungserbringung - nicht positiv empfohlen hat (a) und kein Ausnahmefall vorliegt, in welchem dies entbehrlich gewesen wäre (b).

(a) (1) Die an der Klägerin durchgeführten Lipo-Dekompressionen an den Unter- und Oberschenkeln stellten eine ambulante, keine stationäre Behandlung dar. Die Operationen wurden durchgeführt wie in der Stellungnahme des Dr. X geplant. Darin wird explizit die medizinische Notwendigkeit ambulanter Operationen in Form von Lipo-Dekompressionen, d. h "wasserstrahlassistierten Liposuktionen" (vgl. Witte/Heck, Kongress, 4/2018, S. 2) erläutert, (für die es an einer Abrechnungsziffer im EBM fehle). Soweit die mehr als 10-stündige Überwachung in einer anästhesiologischen Tagesklinik erfolgt ist, ist damit insofern – wie seitens des Klägerbevollmächtigten zunächst angenommen - keine stationäre Krankenhausbehandlung i. S. d. § 39 Abs. 1 S. 1 Var. 1-4 SGB V angesprochen. Die mehrstündige, selbst intensive postoperative Überwachung in einer Tagesklinik begründet keine stationäre-, insbesondere keine voll- oder teilstationäre Behandlung, sie entspricht auch in dem vorliegend für erforderlich erachteten zeitlichen Rahmen vielmehr dem typischen Erscheinungsbild einer ambulanten Operation. Soweit die tagesklinische- eine teilstationäre Behandlung darstellen kann, ist in Abgrenzung zur ambulanten Behandlung die Erstreckung auf einen längeren Zeitraum, also in jedem Fall über einen Tag hinaus, wesensimmanent (vgl. grundlegend: BSG, Urteil vom 04. März 2004 – B 3 KR 4/03 R –, BSGE 92, 223-232, SozR 4-2500 § 39 Nr 1, Rn. 23 – 28; ferner: BSG, Urteil vom 19. September 2013 – B 3 KR 34/12 R –, SozR 4-2500 § 39 Nr 20, Rn. 11-15; BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R –, SozR 4-2500 § 39 Nr 8, Rn. 16- 21; Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 39 SGB V, Rn. 34 m.w.N.; Becker, in: Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 39, Rn. 17, 19 f.).

(2) Der Anspruch eines Versicherten auf ambulante (vertrags)ärztliche Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte u.s.w.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (st. Rspr, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, BSGE 117, 10-21, SozR 4-2500 § 13 Nr 32, Rn. 13; BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 1 KR 24/06 R –, BSGE 97, 190-203, SozR 4-2500 § 27 Nr 12, Rn. 12; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 10 m.w.N.; Flint, in: Hauck/Noftz, SGB V Stand 11/2012, § 135, Rn. 5, 10). Ärztliche "Behandlungsmethoden" sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. BSG, Urteil vom 07. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, BSGE 113, 241-250, SozR 4-2500 § 13 Nr 29, Rn. 15; BSG, Urteil vom 17. Februar 2010 – B 1 KR 10/09 R –, SozR 4-2500 § 27 Nr 18, Rn. 21; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 21 m.w.N.). Darum geht es bei der von der Klägerin in Anspruch genommen Liposuktion zweifelsfrei (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 19, Rn. 14; BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 37, Rn. 20; vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 25f.; BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 10/17 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 137c Nr 10, Rn. 19; BSG, Beschluss vom 15. Juli 2015 – B 1 KR 23/15 B –, Rn. 5, juris). "Neu" ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (st. Rspr., z. B. BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R –, Rn. 17, juris; BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 –, BSGE 81, 54-73, SozR 3-2500 § 135 Nr 4, Rn. 21).

Die Lipsouktion war zum Zeitpunkt der Operationen und ist auch bislang nicht im EBM-Ä abgebildet. Die insofern erforderliche positive Stellungnahme des G-BA hatte dieser im Zeitpunkt der bei der Klägerin durchgeführten Operationen nicht abgegeben. Da er bei der Prüfung nach §§ 135, 137 Buchst. c SGB V (Einleitung des Verfahrens mit Beschluss vom 22. Mai 2014; https://www.g-ba.de/downloads/39-261-1993/2014-05-22 135-137c-SN Antragsannahme Liposuktion-bei-Lip%C3%B6dem.pdf, abgerufen am 11.11.2019; BAnzAT 01.04.2015), zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Liposuktion zwar das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber nicht hinreichend belegt ist (https://www.g-ba.de/institution/presse/pressemitteilungen/698/, abgerufen am 22.01.2019), hatte er auf Grundlage des § 137 Buchst. e SGB V am 18.01.2018 lediglich eine Richtlinie zur Erprobung der Liposuktion beim Lipödem (Erp-RL Lipödem) beschlossen (https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3202/2018-01-18 Erp-RL Liposuktion BAnz.pdf, abgerufen am 22.01.2019; Veröffentlichung im Bundesanzeiger gem. § 94 Abs. 2 SGB V nach Prüfung gem. Abs. 1 SGB V: BAnz AT 09.04.2018 B1). Demnach sollen die notwendigen Erkenntnisse zur abschließenden Bewertung durch eine Studie einer unabhängigen wissenschaftlichen Institution nach Maßgabe der Richtlinie gewonnen werden (§ 1 S. 2 der Richtlinie, § 137e Abs. 5 S. 1 SGB V). Die nähere Ausgestaltung des Studiendesigns ist im Rahmen der Richtlinie der wissenschaftlichen Institution aufgegeben (§ 1 S. 3 SGB V der Richtlinie), die nach Abschluss des europaweiten Vergabeverfahrens (https://www.g-ba.de/institution/sys/suche/?suchbegriff=liposuktion+vergabeverfahren&kategorie=pressemitteilungen&sortierung=datum, abgerufen am 11.11.2019) beauftragt wird (hierzu: BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 31, 34 ff.).

Soweit der G-BA mit Beschlüssen vom 19.09.2019 einer bis Ende 2024 befristeten Leistungserbringung der Liposuktion sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich, beschränkt auf das Lipödem im Stadium III, zu Lasten der GKV den Weg bereitet hat, kann die Klägerin hieraus – ungeachtet der Frage, ob das Lipödem an den unteren Extremitäten präoperativ das Stadium III erreichte (anders der Bericht der LipoClinik I: Stadium II) - keinen Kostenerstattungsanspruch ableiten. Die entsprechende Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung: Liposuktion bei Lipödem im Stadium III" (https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3960/2019-09-19 MVV-RL Liposuktion-Lipoedem-III.pdf; abgerufen am 11.11.2019) war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht vorhanden, bislang steht ihr Wirksamwerden nach § 94 SGB V noch aus.

b) Ausnahmefälle, in denen es keiner Empfehlung des G-BA bedurft hätte, liegen nicht vor.

(1) Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin folgt eine Ausnahme vom in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nicht aus einem Systemversagen.

(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen") (BSG, Urteil vom 07. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, BSGE 113, 241-250, SozR 4-2500 § 13 Nr 29, Rn. 18 m.w.N.; BSG, Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 36/00 R –, SozR 3-2500 § 138 Nr 2, SozR 3-2500 § 27 Nr 16, Rn. 33; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 30). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden ( vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 –, BSGE 81, 54-73, SozR 3-2500 § 135 Nr 4). Ein derartiger Systemmangel liegt vor, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Denn grundsätztlich zählen, wie die ausdrückliche Erwähnung des medizinischen Fortschritts in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V belegt, auch neue medizinische Verfahren zum Leistungsumfang der Krankenversicherung. Soweit sie sich als zweckmäßig und wirtschaftlich erweisen, dürfen sie den Versicherten nicht vorenthalten werden. Dem muss das Verfahren vor dem G-BA gerecht werden. Es muss gewährleisten, dass bei Vorlage der für die Beurteilung der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit benötigten Unterlagen in vertretbarer Zeit eine Entscheidung über die Anerkennung der neuen Methode erreicht werden kann (BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 –, BSGE 81, 54-73, SozR 3-2500 § 135 Nr 4, Rn. 35).

Selbst wenn aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen das Bewertungsverfahren nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden ist, begründet dies allein noch nicht eine Leistungspflicht der GKV, da die zum Systemversagen entwickelten Grundsätze keine Sanktion darstellen, sondern lediglich den dem Versicherten bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise zustehenden Anspruch durchsetzen sollen. Es bedarf daher darüber hinaus der Feststellung, dass tatsächlich eine Versorgungslücke besteht, also der G-BA (unter Übernahme seines Beurteilungsspielraumes - vgl. dazu BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 – B 6 A 1/08 R –, BSGE 103, 106-134, SozR 4-2500 § 94 Nr 2, Rn. 69) verpflichtet gewesen wäre, eine positive Empfehlung für die in Rede stehende Behandlungs- oder Untersuchungsmethode abzugeben (Engelhard, SGb 2006, S. 132 ff.; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 30). Der Versicherte hat einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen seine Krankenkasse, wenn dessen Nützlichkeit, d. h. Wirksamkeit (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 04/19, § 2 SGB V, Rn. 57) und Qualität (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 04/19, § 2 SGB V, Rn. 54) (vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) (Flint in: Hauck/Noftz, SGB, 11/12, § 135 SGB V, Rn. 66, 68) und Wirtschaftlichkeit der Maßnahme dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, der sich in zuverlässigen wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen niedergeschlagen hat (BSG, Urteil vom 03. April 2001 – B 1 KR 40/00 R –, BSGE 88, 62-75, SozR 3-2500 § 27a Nr 3, SozR 3-2500 § 135 Nr 18, Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 –, BSGE 81, 54-73, SozR 3-2500 § 135 Nr 4, Rn. 38; BSG, Urteil vom 05. Juli 1995 – 1 RK 6/95 –, BSGE 76, 194-203, SozR 3-2500 § 27 Nr 5, Rn. 25). Die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode muss grundsätzlich in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt werden (BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 11/98 R –, BSGE 86, 54-66, SozR 3-2500 § 135 Nr 14, Rn. 22). Nur ausnahmsweise, wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf darauf abgestellt werden, ob sich die Methode in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat (BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 11/98 R –, BSGE 86, 54-66, SozR 3-2500 § 135 Nr 14, Rn. 23 m.w.N.; Roters, in: KassKomm/Roters, 105. EL August 2019, SGB V § 12 Rn. 37m.w.N.).

bb) Mit dem Vorbringen zum Vorliegen eines Systemversagens kann die Klägerin - nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 10/17 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 137c Nr 10, Rn. 10; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juli 2018 – L 16 KR 660/17 –, Rn. 27, juris, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. April 2018 – L 11 KR 2695/16 –, Rn. 41, juris), der sich die Kammer anschließt, daher nicht durchdringen, soweit sie mit ihrem Bevollmächtigten der Auffassung ist, unter Berücksichtigung der Frist in § 137c Abs. 1 S. 6 SGB V, der eine Dauer von drei Jahren für die Durchführung des gesamten Bewertungsverfahrens bis zum Abschluss vorsehe, könne die Behandlung der Angelegenheit durch den G-BA nur als verzögernd angesehen werden. Nicht der Zeitpunkt des Beginns des Bewertungsverfahrens im Mai 2014, sondern dessen Handhabung in der Folgezeit rechtfertige die Annahme eines Systemversagens. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, warum erst mit Beschluss vom 20.07.2017 das Beratungsverfahren zur Richtlinie zur Erprobung gemäß § 137c SGB V eingeleitet worden sei. Dies habe schon Jahre zuvor geschehen können (vgl. zu Wechselwirkungen zwischen den Verfahren nach § 137 c und § 135 SGB V: BSG, Urteil vom 07. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, BSGE 113, 241-250, SozR 4-2500 § 13 Nr 29, Rn. 25)

Zwar mag bei der Beurteilung der Verfahrensdauer die durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG; BGBl 2015 Teil I Nr. 30, S 1211) eingeführte Regelfrist für ein Methodenbewertungsverfahren von drei Jahren (§ 137 c Abs. 1 S. 6 Hbs. 1 SGB V i. d. ab dem 01.05.2019 gültigen Fassung bzw. § 135 Abs. 1 S. 5 SGB V) zu berücksichtigen sein (Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 30). Es ist aber nicht zu verkennen, dass der Gesetzgeber des GKV-VSG (ungeachtet der Frage der Rückwirkung für laufende Bewertungsverfahren) an eine Versäumung dieser Frist gerade nicht die Rechtsfolge einer Leistungserbringung zulasten der GKV knüpft, anders als es der Gesetzgeber des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) zuvor hinsichtlich einer Beschlussfassung nach Vorliegen der für die Entscheidung erforderlichen Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse getan hat (§ 135 Abs. 1 S. 6-7 SGB V i. d. ab dem 01.05.2019 gültigen Fassung).

Ein möglicher Systemmangel liegt eben nicht (allein) in der Verfahrensdauer, sondern – wie dargelegt - in der willkürlichen oder sachfremden Verzögerung der Entscheidung. Die gesetzlich vorgesehene Abweichung (Hbs. 2 "es sei denn", dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfalls eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist") bei einer im Einzelfall auch bei Straffung des Verfahrens erforderlichen längeren Verfahrensdauer kommt dabei insbesondere in Betracht, wenn die Bewertung der Methode besondere Schwierigkeiten aufweist oder – wie im Falle der Bewertung der Liposuktion bei Lipödem - eine umfangreiche Erprobung der neuen Methode nach § 137e SGB V erforderlich ist (vgl. BT-Drs. 18/1095, S. 121, zu Nr. 62 und Nr. 64; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 137c SGB V, Rn. 20; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 30).

Wann von einer nicht zeitgerechten Entscheidung, also von einer unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist, hängt hiernach – trotz des gesetzgeberischen Anliegens der Beschleunigung - im Ergebnis entscheidend weiterhin allgemein von den Begleitumständen ab, insbesondere etwa der Komplexität der Materie (vgl. BT-Drs. 18/1095, S. 121; BSG, Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 36/00 R –, SozR 3-2500 § 138 Nr 2, SozR 3-2500 § 27 Nr 16, Rn. 33; BSG, Urteil vom 03. April 2001 – B 1 KR 22/00 R –, BSGE 88, 51-62, SozR 3-2500 § 27a Nr 2, SozR 3-2500 § 135 Nr 17, Rn. 25). Dem G-BA wird dabei ein weiter Beurteilungsspielraum zugestanden (BSG, Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 36/00 R –, SozR 3-2500 § 138 Nr 2, SozR 3-2500 § 27 Nr 16, Rn. 33).

Unter Beachtung dessen liegen weder Anhaltspunkte dafür vor, dass die antragsberechtigten Stellen aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen nicht früher einen Antrag im Hinblick auf die Behandlung von Lipödem mittels Liposuktion gestellt haben (so auch BSG, Beschluss vom 10. Mai 2012, Az. B 1 KR 78/11 B -, Rn. 6, juris), noch für eine willkürlich oder durch sachfremde Erwägungen begründete verzögerte Bewertungsverfahrensführung durch den G-BA.

Auf Antrag der Patientenvertreter vom 20.03.2014 hat der G-BA am 22.05.2014 beschlossen, ein Bewertungsverfahren nach §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V zur Liposuktion bei Lipödem einzuleiten und den Unterausschuss "Methodenbewertung" mit der Durchführung der Bewertung beauftragt. Mit rechtlich einwandfreien (ausführlich: BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 28 ff.) Beschlüssen vom 20.07.2017 (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Liposuktion bei Lipödem; Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung: Liposuktion bei Lipödem) (abrufbar unter www.g-ba.de) hat der G-BA auf Grundlage des § 137e SGB V die Aussetzung des Bewertungsverfahrens beschlossen, um eine Erprobungsstudie durchzuführen. Die entsprechende sektorübergreifende Erprobungsrichtlinie hat der G-BA am 18.01.2018 in nicht zu beanstandender Weise (ausführlich: BSG, a.a.O.) beschlossen. Mit zum Wirksamwerden noch durch das Bundesministerium für Gesundheit zu prüfenden und im Bundesanzeiger zu veröffentlichenden (§ 94 SGB V) Beschlüssen vom 19.09.2019 hat der G-BA zuletzt Richtlinien zur befristeten Erforderlichkeit der Liposuktion für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung, zur Anerkennung der Liposuktion als Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung und über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Ab. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III beschlossen (sämtlich unter www.g-ba abrufbar)

Die zusammenfassenden Dokumentationen in den Tragenden Gründen der Beschlüsse zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs. 1, 137 c SGB V, wie sie gem. § 94 Abs. 2 S. 1 SGB V auf der Seite des G-BA im Internet veröffentlicht sind, deuten dabei in keiner Weise daraufhin, dass der Ablauf des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen verzögert worden wäre. Vielmehr ist zu erkennen, dass der G-BA die Studienlage sowie die Ergebnisse der Expertenbefragung und des Stellungnahme- und Anhörungsverfahrens und die Position der Patientenvertretung ausführlich ausgewertet und daraus die vertretbaren Schlussfolgerungen sowohl hinsichtlich des Potentials als auch der Planbarkeit einer Erprobungsstudie und ihrer Ausgestaltung gezogen hat (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 46). Dabei wird eine erhöhte Komplexität der vorzunehmenden Methodenbewertung deutlich, die in der Feststellung der Notwendigkeit sowie der Planung und Durchführung einer Erprobung nach § 137e SGB V Ausdruck findet, die auch durch die Beschlüsse vom 19.09.2019 nicht tangiert wird (vgl. etwa die Tragenden Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Lipödem im Stadium III).

Der G-BA hatte als Grundlage seiner Entscheidung die Studienlage zunächst vollständig zu ermitteln und zu berücksichtigen. Der Unterausschuss Methodenbewertung hat nach Aufnahme des Auftrages mit der Durchführung der Nutzenbewertung durch den G-BA im März 2015 insoweit das Bewertungsverfahren angekündigt und erste Einschätzungen eingeholt sowie die Abteilung Fachberatung Medizin des G-BA mit der Durchführung der systematischen Literaturrecherche und Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse beauftragt (siehe B-3 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs. 1, 137c SGB V). Er hat sich auf die relevanten und verfügbaren Fachveröffentlichungen und zwei (im Wesentlichen deckungsgleiche) Leitlinien, insbesondere die S1-Leitlinie 037/012: Lipödem der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/037-012l S1 Lipoedem 2016-01.pdf, abgerufen am 11.11.2019), gestützt (A-1.2.2.1, A-2.2.2.1 und B-3 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs. 1, 137c SGB V). Den abschließenden Bericht hat die Abteilung Fachberatung Medizin am 08.07.2015 vorgelegt. Daraufhin hat der G-BA ein Expertengespräch durchgeführt (B-5 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs. 1, 137c SGB V). Der Bericht der Abteilung Fachberatung Medizin ist daraufhin im selben Monat (November 2015) finalisiert worden. Anschließend sind das umfangreiche Stellungnahmeverfahren gemäß §§ 91 Abs. 5, 5 a; 91 Abs. 5 a, 92 Abs. 7 d S. 1 SGB V durchgeführt und die eingegangenen schriftlichen und im Rahmen der durchgeführten Anhörungen abgegebenen mündlichen Stellungnahmen berücksichtigt worden (vgl. hierzu die Zusammenfassende Dokumentation Beratungsverfahren nach § 135 Abs. 1, 137 c SGB V vom 27.11.2017, Teil D) (Juni bis Oktober 2016). Nach Auswertung der Stellungnahmen ist ab April 2017 das weitere Vorgehen beraten worden. Dies mündete in den Beschlüssen aus dem Juli 2017 mit der Einleitung des Beratungsverfahrens zur Erprobungs–Richtlinie gemäß § 137e SGB V (vgl. die Tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA über eine Richtlinie zu Erprobung der Liposuktion bei Lipödem B-6). Im Juli 2017 wurde eine themenbezogene Arbeitsgruppe eingerichtet und beauftragt. Bis zum Beschluss der Erprobungs-Richtlinie im Januar 2018 mussten eine weitere Anhörung gemäß des Ersten Kapitels § 10 der Verfahrensordnung des G-BA durchgeführt und die schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen vor einer Beschlussempfehlung an das Plenum durch den Unterausschuss Methoden-Bewertung gewürdigt werden. Insofern geht die Annahme des Kläger – Bevollmächtigten ersichtlich fehl, es sei nicht zu erkennen, dass das Bewertungsverfahren zwischen Mai 2014 und Juli 2017 betrieben worden wäre. Die Erprobungsstudie befindet sich aktuell in der Vorbereitungsphase und soll die ersten Patientinnen noch im vierten Quartal 2019 einschließen. Unabhängig davon hatte G-BA im Februar 2019 beschlossen, das Verfahren gemäß §§ 135 Abs. 1, 137c SGB V zur Bewertung der Methode Liposuktion beim Lipödem für Patientinnen im Stadium III vor Ablauf der Aussetzungsfrist wiederaufzunehmen, um letztlich die bereits angesprochenen Beschlüsse vom 19.09.2019 zu fassen (vgl. die Tragenden Gründe zum Beschuss des gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Liposuktion bei Lipödem Stadium III).

cc) Dessen ungeachtet scheitert ein Leistungsanspruch aufgrund eines Systemmangels daran, dass Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode Liposuktion bei Lipödem nach den Darlegungen des G-BA in den Tragenden Gründen zu den Beschlüssen über eine Änderung der Richtlinie "Methoden Krankenhausbehandlung: Liposuktion bei Lipödem" und Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung: Liposuktion bei Lipödem" vom 20.07.2017 bislang nicht in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt werden kann und ein Ausnahmefall der dargelegten Art, der es ausnahmsweise ausreichen ließe, dass sich die Methode in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat, nicht gegeben ist (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juli 2018 – L 16 KR 660/17 –, Rn. 27, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Juli 2018 – L 16 KR 680/17 –, Rn. 31, juris, Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Januar 2015 – L 8 KR 339/11 –, Rn. 48, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Januar 2019 – L 11 KR 605/17 –, Rn. 29, juris). Daran ändern – entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin - auch die Beschlüsse des G-BA vom 19.09.2019 bzw. deren Begründung nichts.

Nach der insoweit nachvollziehbaren Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 42 - 43) steht die Gesamtbewertung des Nutzens im Versorgungskontext durch den G-BA bei seinen Beschlüssen vom 20.07.2018 (und des Beschlusses vom 18.01.2019) in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Einfachgesetzlicher Maßstab ist dabei, ob die neue Methode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich ist (§ 137c Abs. 1 S. 1 SGB V, §§ 135 Abs.1 Nr. 1 SGB V, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V). Dem G-BA ist dabei in § 91 Abs. 4 Nr. 1 SGB V die Schaffung einer einheitlichen Verfahrensordnung u.a. zur Definition der Anforderungen an eine "wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse" aufgetragen (BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 – B 6 A 1/08 R –, BSGE 103, 106-134, SozR 4-2500 § 94 Nr 2, Rn. 58). Danach ist der Nutzen einer Methode durch qualitativ angemessene Unterlagen zu belegen. Dies sollen, soweit möglich, Unterlagen der Evidenzstufe I mit patientenbezogenen Endpunkten (z.B. Mortalität, Morbidität, Lebensqualität) sein. Soweit qualitativ angemessene Unterlagen dieser Aussagekraft nicht vorliegen, erfolgt die Nutzen-Schaden-Abwägung einer Methode aufgrund qualitativ angemessener Unterlagen niedrigerer Evidenzstufen. Die Anerkennung des medizinischen Nutzens einer Methode auf Grundlage von Unterlagen einer niedrigeren Evidenzstufe bedarf jedoch - auch unter Berücksichtigung der jeweiligen medizinischen Notwendigkeit - zum Schutz der Patientinnen und Patienten umso mehr einer Begründung, je weiter von der Evidenzstufe I abgewichen wird. Dafür ist der potentielle Nutzen einer Methode, insbesondere gegen die Risiken der Anwendung bei Patientinnen oder Patienten abzuwägen, die mit einem Wirksamkeitsnachweis geringerer Aussagekraft einhergehen (vgl. VerfO G-BA 2. Kap § 13 Abs. 2; zur Klassifizierung und Bewertung von Unterlagen vgl. VerfO G-BA 2. Kap § 11 Abs 3, 5 bis 7). Die Auswertung der Unterlagen besteht aus einer Evidenzklassifizierung und einer Qualitätsbewertung (vgl. VerfO G-BA 2. Kap § 11 Abs. 1). Das BSG hat erklärt, dies entspreche den durch es in aus den einfachrechtlichen Vorschriften aufgestellten Anforderungen (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 11, 42; vgl. Roters, in: KassKomm/Roters, 105. EL August 2019, SGB V § 135 Rn. 9 m.w.N.), wie sie das BSG an die allgemeinen Grundsätze in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V an Wirksamkeit und Qualität der Leistungserbringung stellt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 70/12 R –, BSGE 115, 95-105, SozR 4-2500 § 2 Nr 4, Rn. 14 zitiert von BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 42; Plagemann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 2 SGB V, Rn. 49), mit denen die §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V im systematischen Zusammenhang stehen (Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 8; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 137c SGB V, Rn. 6). Insofern entspricht das Verfahren des G-BA auch der Rechtsprechung des BSG im Rahmen der Begründung eines Kostenerstattungsanspruches trotz fehlender positiver Bewertung bzw. hat dem zu entsprechen (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 70/12 R –, BSGE 115, 95-105, SozR 4-2500 § 2 Nr 4, Rn. 21).

Nach diesen Maßstäben sieht der G-BA nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 43) gesetzeskonform die Voraussetzungen eines hinreichenden Nutzenbelegs für die Liposuktion bei Lipödem als nicht erfüllt an. Die wenigen gefundenen Studien entsprechen nach vertretbarer Einschätzung des G-BA der Evidenzklasse IV. Der G-BA bewertet vertretbar die darin beschriebenen Ergebnisse in ihrer Ergebnissicherheit als nicht ausreichend, um daraus bereits einen Nutzen ableiten zu können. Er sieht für die Bewertung des Nutzens vielmehr Ergebnisse aus einer randomisierten kontrollierten Studie als erforderlich und die Durchführung einer solchen Studie als möglich an (Tragende Gründe zur Erp-RL Liposuktion S 3) (Zu einem entsprechenden Ergebnis kommt die Sozialmedizinische Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes, "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" mit Stand vom 6.10.2011 (aktualisiert am 15.01.2015) nach ausführlicher Literaturrecherche und –bewertung (abrufbar unter www.mds-ev.de)).

Soweit der G-BA mit seinem Beschluss vom 19.09.2019 über eine Änderung der Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung: Liposuktion bei Lipödem Stadium III" nun eine befristete positive Empfehlung i. S. d. § 135 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V für die (ambulante) Liposuktion bei Lipödem Stadium III abgibt, vermag dies der Klägerin – auch im Rahmen der Erörterung eines Systemmangels – schon unter zeitlichen Auspizien - nicht zur Seite zu stehen. Erweist sich die Bewertung der Sicherung des in seinen Anforderungen dargelegten Qualitätsgebotes eine neue Behandlungsmethode betreffend aufgrund späterer Erkenntnisse und Erfahrungen doch als positiv, so ist dem allein für zukünftige Behandlungsfälle durch eine entsprechende Empfehlung Rechnung zu tragen; für bereits abgeschlossene Behandlungen kann sie eine – zu dieser Zeit rechtskonform erfolgte – Bewertung nicht ersetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 08. Februar 2000 – B 1 KR 18/99 B –, SozR 3-2500 § 135 Nr 12, SozR 3-2500 § 13 Nr 20).

Wollte man dies mit der Klägerseite anders sehen, bliebe die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse vom 19.09.2019, u. a. des Beschlusses über eine Änderung der Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung: Liposuktion bei Lipödem im Stadium III", zu hinterfragen, die Beachtung der einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 135 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V (vgl. entsprechend § 137c Abs. 1 S. 1 SGB V - BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 – B 6 A 1/08 R –, BSGE 103, 106-134, SozR 4-2500 § 94 Nr 2, Rn. 46, 56; BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 35) bzw. der § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V. Die Kammer kann hingegen offen lassen, ob sich die jüngsten Beschlüsse am Maßstab der Erforderlichkeit der Behandlungsmethode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse orientieren, d. h. die Voraussetzungen des Wirksamkeits- und Qualitätsgebot i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V beachten. Bedenken entstehen initial immerhin, als in den Tragenden Gründen der Entscheidung keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen als Begründung für die in der befristeten Zulassung zum Ausdruck kommende Änderung der Bewertung der neuen Methode angeführt werden, sondern primär in der Entscheidung des BSG vom 24.04.2018 (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1; ferner BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 10/17 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 137c Nr 10 - zusammenfassend zum Prüfungsmaßstab) eine "substantielle Änderung der Rahmenbedingungen gegenüber der Beschlussfassung vom 20.07.2017" erkannt wird. Mit der zitierten Entscheidung hatte das BSG die Auffassung vertreten, dass – trotz Einführung des § 137c Abs. 3 SGB V zum 23.07.2015 mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 – Liposuktionen auch stationär (wie ambulant) bislang nicht zulasten der GKV erbracht werden dürften, weil sie nicht dem Qualitätsgebot genügten. Eine Behandlungsmethode gehöre grundsätzlich erst dann zum Leistungsumfang der GKV, wenn die Erprobung abgeschlossen sei und über Qualität und Wirkungsweise der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 17). Unabhängig vom o. a. Urteil des BSG ist allerdings schon lange geklärt, dass die Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung nicht dadurch begründet werden kann, dass eine Behandlung ambulant nicht zulasten der GKV erbracht werden darf, sondern sich allein nach individuellen medizinischen Gründen richtet (grundlegend: BSG, Beschluss des Großen Senates des BSG vom 25. September 2007 – GS 1/06 –, BSGE 99, 111-122, SozR 4-2500 § 39 Nr 10, Rn. 15 ff.; vgl. jüngst im Zusammenhang mit Liposuktionen und offenbar sogar als Anspruchserfordernis für die Teilnahme an Studie aufgrund der Erp-RL Liposuktion: BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 30; zuvor: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 19, Rn. 17 f. Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 39 SGB V, Rn. 50 f. Brandts in: KassKomm, SGB V, Stand 09/2018, § 39 Rn. 47 f.). Insofern "entfiel" ersichtlich nicht erst generell mit dem zitierten Urteil des BSG vom 24.04.2018 die Behandlungsoption der Liposuktion für Patientinnen mit Lipödem Statdium III. Der G-BA verweist zudem in den Tragenden Gründen vom 19.09.2019 bezüglich der Bewertung des medizinischen Nutzens auf die Begründung seiner Beschlüsse vom 20.07.2017 (Ziffer 2.2 der Tragenden Gründe vom 19.09.2019). Auf dieser Grundlage sehe er auch weiterhin die Erforderlichkeit der Schaffung weiterer Erkenntnisse für eine abschließende Bewertung der Methode. Er halte insofern an der von ihm beschlossenen Erprobung nach § 137e SGB V fest, dessen Voraussetzung eben ist, dass sich der Nutzen, die Wirksamkeit einer Methode i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V mangels aussagekräftiger wissenschaftlicher Unterlagen noch nicht belegen (oder ablehnen) lässt (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 43, 44). Die unzureichende Nutzenevidenz sucht der G-BA sodann durch eine Betonung der medizinischen Notwendigkeit (wohl infolge der zuvor angesprochenen BSG- Rechtsprechung) zu überwinden (s. Ziffer 2.2. letzter Absatz, Ziffer 2.3 der Tragenden Gründe vom 19.09.2019) (siehe zur Relation Roters NZS 2007, 176 (178)), der indes Nutzen bzw. Wirksamkeit und Qualität grds. vorausliegen. Eine Methode grds. (von Seltenheitsfällen angesehen, vgl. auch Roters, a.a.O.) nur dann entsprechend dem für § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V wie für § 137c SGB V maßgeblichen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse erforderlich, wenn ihr Nutzen hinreichend belegt ist (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 17/17 R –, BSGE 125, 76-91, SozR 4-5562 § 6 Nr 1, Rn. 15; BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 – B 6 A 1/08 R –, BSGE 103, 106-134, SozR 4-2500 § 94 Nr 2, Rn. 70; Flint in: Hauck/Noftz, SGB, 11/12, § 135 SGB V, Rn. 74). Der Widerspruch in der Beschlusslage des G-BA, inwieweit eine Methode zugleich die dargelegten Anforderungen an Wirksamkeit und Qualität (befristet) erfüllen können soll, gleichzeitig aber auch für die begünstigte Indikation (Lipödem Stadium III) weiterhin in ihrem entsprechenden Nutzen der Erprobung bedürftig sein kann ist möglicherweise nicht rechtlich, sondern allein politisch auflösbar.

(2) Soweit der G-BA das Liödem im Stadium III als möglichen Seltenheitsfall von den anderen Stadien differenziert (vgl. Ziffer 2.3 der Tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Liposuktion bei Lipödem im Stadium III vom 19.09.2019) ist anzumerken, dass ein solcher eine Ausnahme vom Erfordernis der positiven Empfehlung (bei einheitlichem Maßstab des Wirksamkeits- und Qualitätsgebotes muss entsprechendes für eine Empfehlung selbst gelten) nur dann möglich ist, wenn sich eine Krankheit und ihre Behandlung einer systematischen Erforschung entziehen (vgl. bereits aa) a. E.; vgl. dazu ferner BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R –, BSGE 93, 236-252, SozR 4-2500 § 27 Nr 1, Rn. 30; BSG, Urteil vom 27. März 2007 – B 1 KR 17/06 R –, Rn. 17, juris). Ein solcher Seltenheitsfall liegt aber ersichtlich nicht vor. Das Lipödem insgesamt ist keine seltene Erkrankung. Ihre Behandlung wird – das Stadium III eingeschlossen (vgl. § 3 Abs. 1 der Richtlinie des G-BA zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems (Erp-RL Liposuktion) - insbesondere im Rahmen der durch den G-BA aufgrund der in Auftrag zu gebenden Studie systematisch erforscht (vgl. §§ 4, 6 der Erp-RL Liposuktion). Hieran hält der G-BA in der der Begründung seiner jüngsten Beschlüsse ausdrücklich fest.

(3) Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich eine verfassungskonforme Auslegung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) der §§ 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. 135 Abs. 1 S. 1 SGB V aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgericht vom 6.12.2005 (BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 –, BVerfGE 115, 25-51- sog. "Nikolausbeschluss"). Die verfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 7/05 R –, BSGE 96, 170-182, SozR 4-2500 § 31 Nr 4, Rn. 30; BSG, Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R –, BSGE 97, 112-125, SozR 4-2500 § 31 Nr 5, Rn. 26; Hauck, NJW 2007, S. 1320 ff.; Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 135 SGB V, Rn. 32). Daran fehlt es. Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog Off-Label-Use (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R –, BSGE 97, 112-125, SozR 4-2500 § 31 Nr 5, Rn. 17) formuliert ist (zur auch in diesem Rahmen beachtlichen Anforderungen an die Wirksamkeitsnachweise i. S. d. Qualitätsgebotes BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 15/07 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 16, Rn. 21). Einen solchen Schweregrad erreichte nach dem gesamten Vorbringen ersichtlich das - wenn auch schmerzhafte – Lipödem der Klägerin nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 19, Rn. 15).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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