B 13 RJ 2/03 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 2/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. November 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außer- gerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Gewährung einer höheren Altersrente.

Der am 6. Oktober 1926 geborene Kläger ist gemeinsam mit seiner am 17. Dezember 1930 geborenen Ehefrau am 13. Juni 1996 aus Rußland in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Beide sind als Spätaussiedler anerkannt.

Auf seinen Antrag vom 24. Juni 1996 (- formlos -; vom Versicherungsamt der Stadt Mönchengladbach förmlich am 23. Juli 1996 bearbeitet und weitergeleitet; Eingang bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) am 5. August 1996; nach Weiterleitung Eingang bei der Beklagten am 24. September 1996) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1998 Regelaltersrente (RAR) ab 13. Juni 1996. Die Ehefrau des Klägers erhält von der BfA Altersrente für Frauen.

Bei der Berechnung der RAR des Klägers ermittelte die Beklagte die Summe der Entgeltpunkte (EP) aufgrund der in seinem Heimatland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten. Die sich danach ergebenden EP vervielfältigte die Beklagte mit dem Faktor 0,6 gemäß § 22 Abs 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I 1461), dh die Rente wurde um 40 % gekürzt. Die sich daraus ergebenden persönlichen EP von 35,4420 verminderte die Beklagte zunächst auf 25 EP. Weiter begrenzte sie die Summe der EP des Klägers wegen der gleichzeitig seiner Ehefrau gewährten Altersrente für Frauen auf 20 EP, weil bei Ehegatten aus FRG-Zeiten insgesamt höchstens 40 EP zugrunde zu legen und diese entsprechend aufzuteilen seien.

Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 8. April 1999 unter Abänderung des Bescheides vom 11. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1998 verurteilt, dem Kläger RAR ohne Kürzung gemäß § 22b Abs 3 FRG zu bewilligen.

Im Berufungsverfahren hat sich die Beklagte bereit erklärt, nach Abschluss des Streitverfahrens zur Frage der Anwendung des § 22 Abs 4 FRG gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch einen neuen Bescheid zu erteilen; der Kläger hat sich hiermit einverstanden erklärt.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat sodann mit Urteil vom 29. November 2002 die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat sein Urteil im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Die Vorschrift des § 22b Abs 3 FRG idF des WFG sei am 7. Mai 1996 in Kraft getreten und gemäß Art 6 § 4b des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) auf den Kläger anwendbar; sie verletze ihn nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten. Der Kläger und seine Ehefrau hätten ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland iS des Art 6 § 4b FANG erst mit der Einreise am 13. Juni 1996 begründet und seien daher nicht von der Anwendung dieser Vorschriften ausgenommen.

Der Wortlaut von Art 6 §§ 4b und 4c FANG sei eindeutig. Beide Vorschriften machten unzweifelhaft deutlich, dass es für die Anwendung des § 22b FRG allein darauf ankomme, ob der Berechtigte vor dem 7. Mai 1996 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen habe. Es hätten weder im Gesetzgebungsverfahren noch in den bisher ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) Zweifel bestanden, dass die neuen, am 7. Mai 1996 noch nicht verkündeten Fremdrentenrechtsregelungen und der mit ihm verbundene Systemwechsel nur für die Berechtigten nicht zur Anwendung kommen sollten, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen hätten.

Die Anwendung des § 22b FRG sei nicht verfassungswidrig. Das BSG habe bereits in seiner Entscheidung vom 30. August 2001 (BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1) ausgeführt, dass § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nicht gegen die Verfassung verstoße. Für die Regelung des § 22b Abs 3 FRG könne nichts anderes gelten. Den - an der Eingliederungshilfe orientierten - Fürsorgerenten für die ab dem 7. Mai 1996 zugereisten Spätaussiedler entspreche es, dass für Ehegatten und Personen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebten, nicht das 2-fache des Grenzwertes (2 x 25 EP = 50 EP), sondern nur das 1,6-fache (1,6 x 25 EP = 40 EP) maßgebend sei, weil bei zusammenlebenden Personen die fixen Kosten der Haushaltsführung entsprechend geringer seien. Auch die Aufteilung der insgesamt 40 EP für beide - nach dem FRG berechtigten - Ehegatten sei systemgerecht und verfassungsrechtlich unbedenklich.

Der Rentenberechnung des Klägers liege keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung zugrunde. Zwar stelle § 22b FRG iVm Art 6 § 4b FANG insoweit eine echte Rückwirkung bzw eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen dar, weil darin die Anordnung an die Rentenversicherungsträger enthalten sei, sich so zu verhalten, als habe das neue Recht bereits ab dem 7. Mai 1996 gegolten, obgleich das WFG erst am 27. September 1996 im Bundesgesetzblatt (BGBl) verkündet worden sei. Eine echte Rückwirkung von Gesetzen sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zwar grundsätzlich unzulässig; dieser Grundsatz dürfe allein aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls und wegen eines nicht - oder nicht mehr - vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen durchbrochen werden.

Das BVerfG habe aber bereits entschieden, dass auch ein früherer Anknüpfungspunkt als der endgültige Gesetzesbeschluss - etwa der Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses - zur Vermeidung eines "Ankündigungseffektes" zulässig sein könne. Die bereits im ursprünglichen Gesetzesbeschluss enthaltene und unverändert gebliebene Stichtagsregelung sei nicht zu beanstanden; denn der Kläger habe bereits bei seiner Einreise nicht mehr darauf vertrauen können, dass er die dem früheren Eingliederungsprinzip entsprechenden Leistungen beziehen werde. Der gewählte Stichtag sei auch erforderlich und geeignet, um einen Ankündigungseffekt zu vermeiden und das gesetzgeberische Ziel eines rasch greifenden Systemwechsels zu realisieren.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts, insbesondere einen Verstoß des Art 6 § 4b FANG iVm § 22b Abs 3 FRG gegen das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot und die Eigentumsgarantie des Art 14 des Grundgesetzes (GG). Hierzu führt er aus: Keine der vom BVerfG herausgearbeiteten Fallgruppen zu der Frage, wann eine echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig sei, liege vor. Weder sei bis zum Inkrafttreten der Neuregelung die Rechtslage unklar oder verworren noch sei die Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung zweifelhaft gewesen. Durch die Neuregelung sei ihm zudem - weil seine Rente um 20 % gekürzt worden sei - ein nicht unerheblicher Schaden entstanden, dem ein kaum nennenswerter Gesamtspareffekt der Rentenversicherung gegenüberstehe. Auch könne nicht auf das Argument des "Ankündigungseffektes" abgestellt werden, weil es wegen der Komplexität und Dauer des im Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz (BVFG)) geregelten Aufnahmeverfahrens von einer Vielzahl nicht vom Antragsteller zu beeinflussender Faktoren abhänge, wann die Voraussetzungen für die Einreise vorlägen. Der Vertrauensschutz in den Fortbestand der bisherigen Regelung sei daher erst mit dem endgültigen Gesetzesbeschluss entfallen. Obwohl die Rentenanwartschaften im vorliegenden Fall nicht auf Eigenleistung des Klägers in der deutschen Rentenversicherung beruhten, unterfielen sie der Eigentumsgarantie des Art 14 GG, weil in Art 116 GG die Gleichstellung des dort genannten Personenkreises mit dem darin enthaltenen Integrationsversprechen angeordnet sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. November 2002 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 8. April 1999 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer RAR. Der Rentenbescheid vom 11. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1998 ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat bei der Berechnung der ab 13. Juni 1996 beginnenden Altersrente des Klägers die zugrunde gelegten EP zutreffend ermittelt und auf 20 EP begrenzt, weil durch Art 12 Abs 2 WFG iVm Art 6 § 4b FANG (vgl Art 4 Nr 4 WFG) der mit dem WFG eingeführte § 22b FRG bereits auf alle Berechtigten anzuwenden ist, die nach dem 6. Mai 1996 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind.

Nach § 22b Abs 3 FRG idF des WFG werden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Renten nach den Absätzen 1 und 2 festgestellt worden sind, höchstens 40 EP zugrunde gelegt; diese werden auf die Renten in dem Verhältnis aufgeteilt, in dem die sich nach Anwendung der Absätze 1 und 2 jeweils ergebenden EP zueinander stehen, höchstens jedoch 25 EP für einen Berechtigten. Nach Art 6 § 4b FANG - eingefügt durch Art 4 Nr 3 WFG - ist § 22b FRG nicht für Berechtigte anzuwenden, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben. Im Umkehrschluss ist § 22b FRG idF des WFG ausnahmslos auf alle Berechtigten anzuwenden, die nach dem 6. Mai 1996 in das Bundesgebiet zugezogen sind. Nach Art 12 Abs 2 WFG sind sowohl § 22b FRG als auch Art 6 § 4b FANG mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft getreten und damit auf den ab 13. Juni 1996 bestehenden Anspruch des Klägers auf RAR anzuwenden.

Entsprechend dieser Gesetzeslage hat die Beklagte mit dem Rentenbescheid vom 11. September 1997 zutreffend der Rente des Klägers ab 13. Juni 1996 nur 20 EP zugrunde gelegt. Nach den nicht angegriffenen und somit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) sind der Kläger und seine Ehefrau am 13. Juni 1996 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist und haben hier ihren ständigen Aufenthalt genommen. Beide sind als Spätaussiedler anerkannt, so dass bei der Rentenberechnung die in der früheren Sowjetunion bzw Rußland zurückgelegten Versicherungszeiten als Fremdrentenzeiten in der deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind. Hieraus ergaben sich nach den unstreitigen Feststellungen für den Kläger 35,4420 persönliche EP, wobei es sich bereits um den in Anwendung des § 22 Abs 4 FRG idF des WFG um den Faktor 0,6 verminderten Wert handelt. Diese persönlichen EP des Klägers wurden zunächst entsprechend § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des WFG auf 25 EP vermindert. Die in gleicher Weise ermittelten EP der Ehefrau des Klägers wurden bei deren Rente ebenfalls zunächst auf 25 EP begrenzt. Da ab dem 13. Juni 1996 auch die Ehefrau des Klägers einen Rentenanspruch hat, hat die Beklagte gemäß § 22b Abs 3 FRG idF des WFG für beide Renten zusammen nur 40 EP zugrunde gelegt und diese im Verhältnis von jeweils 20 EP für jeden Ehegatten aufgeteilt. Hinsichtlich dieser Vorgehensweise sind Rechtsanwendungsfehler durch die Beklagte nicht zu erkennen.

Die Beklagte war nach dem einfachgesetzlichen Recht auch gehalten, § 22b FRG idF des WFG für die Feststellung der Rente anzuwenden, weil Art 6 § 4b FANG idF des WFG ausdrücklich von der Anwendung des § 22b FRG nur die Berechtigten ausnimmt, die bereits vor dem 7. Mai 1996 in der Bundesrepublik Deutschland ihren ständigen Aufenthalt genommen haben. Bei einem Zuzug des Klägers (und seiner Ehefrau) nach diesem Zeitpunkt kommt ihnen somit diese besitzstandswahrende Vorschrift nicht zugute. Zwar waren zum Zeitpunkt der Übersiedlung des Klägers und seiner Ehefrau aus der ehemaligen Sowjetunion bzw Rußland in die Bundesrepublik Deutschland § 22b FRG und Art 6 § 4b FANG noch nicht in Kraft, weil das diese Vorschriften einführende WFG erst am 25. September 1996 verabschiedet und am 27. September 1996 im BGBl verkündet wurde. Gleichwohl waren § 22b FRG und Art 6 § 4b FANG von der Beklagten anzuwenden; denn Art 12 Abs 2 WFG ordnet das Inkrafttreten dieser Vorschriften mit Wirkung vom 7. Mai 1996 an. Bei einem Zuzug am 13. Juni 1996 fällt somit der Kläger - wie auch seine Ehefrau - unter die durch das WFG eingeführte Neuregelung.

Gegen die Anwendung des § 22b FRG kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) berufen. Bedenken könnten bestehen, ob § 300 Abs 1 und 2 SGB VI überhaupt bei Änderungen des FRG anwendbar sind, wenn man der Auffassung ist, dass das FRG nicht förmlicher Teil des SGB VI und damit "dieses Gesetzbuches" iS des § 300 Abs 1 SGB VI sei. Solche Bedenken greifen nach Ansicht des erkennenden Senats jedoch nicht durch. Die Anwendbarkeit des § 300 SGB VI ergibt sich bereits aus § 14 FRG, wonach sich die Rechte und Pflichten der nach dem III. Abschnitt des FRG Berechtigten nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften richten, soweit sich aus einem Abschnitt des FRG nichts anderes ergibt. Zu diesen allgemeinen Vorschriften sind alle Bestimmungen des SGB VI zu rechnen - und damit auch § 300 SGB VI; denn ohne deren Anwendung könnten Renten für die nach dem FRG Berechtigten nicht festgestellt werden. Letztlich kommt es auf diese Frage jedoch nicht an, weil der Kläger sich ohnehin nicht auf § 300 Abs 1 und 2 SGB VI berufen kann.

Gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind Vorschriften dieses Gesetzbuchs von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder einen Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Auf diese Vorschrift kann der Kläger seinen Anspruch auf Nichtanwendung der mit dem WFG eingeführten Vorschriften offenkundig nicht stützen, weil § 300 Abs 1 SGB VI ausdrücklich vorschreibt, dass das neue Recht auf Ansprüche selbst dann anzuwenden ist, wenn diese Ansprüche vor Inkrafttreten des neuen Rechts bestanden haben. Im Falle des Klägers ist der Rentenanspruch jedoch erst nach Inkrafttreten der Neuregelung des FRG durch das WFG entstanden.

Die Anwendung des früheren Rechts wäre nur möglich, wenn aufgrund einer Ausnahmebestimmung die Anwendung des neuen Rechts ausgeschlossen wäre. Als eine solche Ausnahmebestimmung kommt vorliegend nur § 300 Abs 2 SGB VI in Betracht. Über § 300 Abs 2 SGB VI kann die Anwendung des neuen, am 7. Mai 1996 in Kraft getretenen Rechts jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Nach § 300 Abs 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Somit ist - entgegen der Grundregel des § 300 Abs 1 SGB VI - das alte Recht unter folgenden Voraussetzungen weiterhin anzuwenden: Der Anspruch ist während der Geltung des alten Rechts entstanden und hat bis zu dessen Aufhebung bestanden und er wurde nach der Aufhebung des alten Rechts bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten geltend gemacht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist das alte Recht nicht nur auf vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts liegende Zeiträume, sondern auch für die anschließende Zeit anzuwenden (BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 10; Niesel in Kasseler Komm, § 300 SGB VI RdNr 9).

Vorliegend hat der Kläger seinen Anspruch auf RAR zwar mit seinem Rentenantrag vom 24. Juni 1996 innerhalb der Drei-Monats-Frist nach Inkrafttreten des § 22b FRG iVm Art 6 § 4b FANG geltend gemacht, gleichwohl kommt ihm die Ausnahmevorschrift des § 300 Abs 2 SGB VI nicht zugute. Sein Rentenanspruch war noch nicht während der Geltung des früheren Rechtszustands entstanden. Das frühere Recht, das eine dem § 22b FRG vergleichbare Regelung nicht enthielt, wurde mit Wirkung vom 7. Mai 1996 geändert, so dass ab diesem Zeitpunkt gemäß § 300 Abs 2 SGB VI grundsätzlich das neue Recht anzuwenden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger jedoch noch keinen Anspruch auf RAR gegen die Beklagte. Dies ergibt sich bereits aus § 30 FRG, wonach für den Beginn der Rente § 99 Abs 1 SGB VI mit der Maßgabe gilt, dass die Rente vom Tag des Zuzugs an geleistet wird; dabei ist die dreimonatige Antragsfrist zu beachten; sie beginnt mit dem Tag des Zuzugs. Die Vorschrift des § 30 FRG modifiziert nur insoweit § 99 SGB VI, als damit ein anderer Zeitpunkt des Rentenbeginns festgesetzt wird und die Drei-Monats-Frist erst ab dem Zeitpunkt des Zuzugs läuft (Niesel, aaO, § 99 SGB VI RdNr 8). Andererseits macht der Verweis auf § 99 SGB VI deutlich, dass im Übrigen dessen Rechtswirkungen zu beachten sind. Der Rentenbeginn ist damit auch für die nach dem FRG zu gewährende Rente nicht nur von der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen, sondern auch vom Zeitpunkt des Rentenantrags abhängig. Ein bestehender Anspruch iS von § 300 Abs 2 SGB VI liegt nur dann vor, wenn ein fälliger, durchsetzbarer Anspruch auf die konkrete Leistung aus dem Leistungsverhältnis entstanden ist, das Entstehen des Anspruchs dem Grunde nach allein reicht nicht aus (BSG SozR 3-2600 § 301 Nr 1; SozR 3-2600 § 300 Nr 14 mwN); es muss ein Zahlungsanspruch bestanden haben, wobei es allerdings unerheblich ist, ob dieser Zahlungsanspruch bereits bescheidmäßig festgestellt wurde (Niesel, aaO, § 300 SGB VI RdNr 11; vgl auch Diel in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 300 RdNr 25). Vorliegend konnte entsprechend § 30 FRG der Anspruch auf Rentenzahlung frühestens ab dem 13. Juni 1996 entstanden sein, weil der Kläger an diesem Tage zugezogen ist.

Im Übrigen konnte der Zahlungsanspruch ungeachtet der Regelung des § 30 FRG auch nicht zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sein, weil der Kläger vor dem 13. Juni 1996 noch nicht in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung einbezogen war. Frühestens mit seinem Zuzug hat er den Status eines Spätaussiedlers erreicht und damit überhaupt die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nach deutschem Recht erfüllt (so auch BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1). § 30 FRG hat daher keine rechtsbeschränkende Funktion, weil ein Rentenanspruch und -beginn vor dem Zuzug nach den allgemeinen Vorschriften des FRG und des SGB VI nicht möglich ist. Mit § 30 FRG wird in Abweichung von § 99 Abs 1 SGB VI zu Gunsten der Berechtigten für den Leistungsbeginn lediglich auf den Tag des Zuzugs und nicht auf den folgenden Monatsbeginn abgestellt. Am 13. Juni 1996 war das neue, mit dem WFG eingeführte Recht bereits in Kraft getreten (Art 12 Abs 2 WFG), so dass sich der Anspruch des Klägers nicht mehr nach dem alten Recht richtet.

Für den Zeitpunkt der Aufhebung der früheren Vorschriften iS von § 300 Abs 2 SGB VI kann nicht auf einen späteren Zeitpunkt, etwa auf den Tag des Gesetzesbeschlusses oder der Verkündung des Gesetzes im BGBl am 27. September 1996 iS eines tatsächlichen Geschehens abgestellt werden. Aufhebung iS von § 300 Abs 2 SGB VI kann nur den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Vorschriften und Außerkrafttreten der alten Vorschrift meinen. Zu welchem Zeitpunkt geänderte oder neue Vorschriften in Kraft treten, bestimmt sich allein nach Art 82 Abs 2 GG, der vom Gesetzgeber zu beachten ist. Danach sollen jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung den Tag des Inkrafttretens bestimmen (Satz 1). Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem 14. Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das BGBl ausgegeben worden ist (Satz 2). Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass über den Zeitpunkt der Normverbindlichkeit Klarheit herrscht; sie dienen den rechtsstaatlichen Geboten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit über die zeitliche Geltung des Rechts (BVerfGE 42, 263, 285 mwN). Ein verkündetes, aber noch nicht in Kraft getretenes Gesetz ist zwar rechtlich existent, übt jedoch keine Wirkungen aus (Seifert/Hömig ua, GG, 2. Aufl, Art 82 RdNr 8). Erst das Inkrafttreten verhilft der Geltungsanordnung zur Wirksamkeit und bestimmt den zeitlichen Geltungsbereich der Vorschriften, dh von welchem Zeitpunkt an die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind (BVerfGE 42, 263 unter Hinweis auf BVerfGE 34, 9, 23). Damit ist es gleichzeitig von Verfassungswegen ausgeschlossen, für den Beginn der Anwendung neuer Gesetze auf andere als die in Art 82 Abs 2 GG genannten möglichen Zeitpunkte abzustellen. Angesichts des klaren Wortlauts und der Regelungsintention des Art 82 Abs 2 GG verbietet sich jede erweiternde Auslegung dahingehend, dass es für die Frage der Rechtsanwendung auf einen anderen Zeitpunkt als den des grundgesetzlich geregelten Zeitpunkts des Inkrafttretens ankommen könnte.

Entsprechend der Soll-Vorschrift des Art 82 Abs 2 Satz 1 GG bestimmt Art 12 Abs 2 WFG das Inkrafttreten von § 22b FRG und von Art 6 § 4b FANG zum 7. Mai 1996; damit sind diese Bestimmungen ab diesem Zeitpunkt anzuwenden. Andererseits kann sich niemand darauf berufen, bereits in Kraft getretenes Recht sei nicht anzuwenden, soweit und solange dieses Recht Teil der positiven Rechtsordnung ist und entweder nicht vom Gesetzgeber selbst wieder aufgehoben bzw abgeändert oder aber vom BVerfG für ungültig erklärt worden ist.

Andere gesetzliche Vorschriften, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind nicht ersichtlich. Somit verbleibt es bei dem Anspruch des Klägers auf eine RAR ab 13. Juni 1996 unter Zugrundelegung von 20 EP.

Hätte der Gesetzgeber § 22b FRG und Art 6 § 4b FANG nicht rückwirkend zum 7. Mai 1996 in Kraft gesetzt, stünde dem Kläger eine Rente nach dem bis zum 6. Mai 1996 geltenden Recht zu. Ungeachtet des Umstands, dass ihm aufgrund des WFG durch den ebenfalls mit Wirkung vom 7. Mai 1996 geänderten § 22 Abs 4 FRG (s hierzu unten) ohnehin nur noch 35,4420 persönliche EP zugeschrieben worden sind, führt die Anwendung des § 22b FRG zu einer deutlichen Rentenminderung, weil hiernach nur noch 20 EP für die Rentenberechnung zugrunde zu legen sind. Damit erleidet der Kläger eine erhebliche Einbuße in seinem Recht auf RAR. Ab 1. Juli 1996 betrug der aktuelle Rentenwert (aRW) 46,67 DM. Hieraus hätte sich für den Kläger ohne die Anwendung des § 22b FRG eine Rente in Höhe von 1.654,08 DM (35,4420 EP x 46,67 aRW x 1,0 Zugangsfaktor (ZF) = 1.654,08 DM) ergeben, während die - ihm ab 13. Juni 1996 - zugebilligte Rente ab 1. Juli 1996 lediglich 933,40 DM (20 EP x 46,67 aRW x 1,0 ZF = 933,40 DM) beträgt, was im Ergebnis eine um rund 44 % geringere Rente für den Kläger bedeutet - wobei die sonstigen sich aus der Anwendung des WFG ergebenden Änderungen noch nicht berücksichtigt sind.

Auch wenn mit der Einfügung des § 22b FRG für die von ihm betroffenen Berechtigten im Vergleich zu dem früheren Rechtszustand eine zum Teil erhebliche Reduzierung der Rentenansprüche erfolgt, so ist der erkennende Senat von der Verfassungswidrigkeit des § 22b Abs 1 und 3 FRG selbst nicht überzeugt.

Der 4. Senat des BSG hat bereits mit Urteil vom 30. August 2001 (BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1) die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 FRG als mit dem GG vereinbar angesehen und ausgeführt, es handele sich bei § 22b FRG um eine vom Gesetzgeber eingeführte besondere Sozialrente für Spätaussiedler, die als Fürsorgeleistung nur dem äußeren Anschein nach noch dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zugeordnet sei (ebenso BSG im Urteil vom 30. August 2001 in BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2). An dem grundlegenden Systemwechsel in der bundesrechtlichen sozialen Sicherung der neu zuziehenden Spätaussiedler aus den früheren Vertreibungsgebieten sei der Gesetzgeber durch die Verfassung nicht gehindert. Dem hat sich auch der 5. Senat in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2002 (BSG in SozR 3-5050 § 22b Nr 3) ausdrücklich angeschlossen. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung dieser vom 4. und 5. Senat vertretenen Auffassung an. Darüber hinaus hält er - wie der 5. Senat in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2002 (BSG in SozR 3-5050 § 22b Nr 3) - auch die Festsetzung des gemeinsamen Höchstwerts für Ehegatten in § 22b Abs 3 FRG für mit dem GG vereinbar.

Aus Art 116 GG folgt kein sozialrechtlicher Anspruch, in der gesetzlichen Rentenversicherung FRG-Zeiten wie im Bundesgebiet zurückgelegte Beitragszeiten anzurechnen. Das so genannte Eingliederungsprinzip, welches das Fremdrentenrecht lange Zeit prägte, hat keinen Verfassungsrang. Aus Art 116 Abs 1 GG ergibt sich lediglich, unter welchen Voraussetzungen Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit oder deren Ehegatten oder Abkömmlinge den Status eines Deutschen haben. Soweit der Gesetzgeber diesen Personen gegenüber zu besonderer sozialpolitischer Aktivität verpflichtet ist, trägt das Eingliederungsprinzip dieser Verpflichtung zwar in besonders hohem Maße Rechnung, ist aber verfassungsrechtlich nicht unbedingt geboten (vgl BVerfGE 43, 213, 226 = SozR 5050 § 22 Nr 5 S 10 f; BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 6 und BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1). Ein Verstoß gegen Art 116 GG kann daher nicht darin liegen, dass der Gesetzgeber des WFG das Eingliederungsprinzip bei jetzt zuziehenden Spätaussiedlern nahezu endgültig aufgegeben hat (BSGE 85, 161 = SozR 3-5050 § 22 Nr 7; vgl auch Senatsurteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), solange dem Sozialstaatsgebot hinreichend Rechnung getragen ist. Letzteres ist jedoch der Fall.

Hinsichtlich des Umfangs der Leistungen aus der Rentenversicherung ist dabei zu berücksichtigen, dass die Leistungen auf der Grundlage des FRG auch für Neuzuzügler einerseits unabhängig von der konkreten finanziellen Situation der Berechtigten gewährt werden und andererseits die Berechtigten - wie andere Personen mit einer Rentenberechtigung auch - durch das Bundessozialhilfegesetz bzw ab 1. Januar 2003 durch das Grundsicherungsgesetz (GSiG) geschützt sind. Soweit sie über kein weiteres Einkommen oder Vermögen verfügen, erhalten sie Sozialhilfe bzw ergänzende Leistungen nach dem GSiG, wenn ihr Renteneinkommen nicht ausreicht, den Lebensbedarf zu decken (vgl § 2 GSiG; vgl auch BSG SozR 3-5050 § 1 Nr 4; BSGE 85, 161 = SozR 3-5050 § 22 Nr 7; BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1; BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2). Ein Anspruch auf weiter gehende Leistungen, insbesondere eine dem konkreten Bedarf angemessene Leistung aus der Rentenversicherung, ergibt sich aus dem Sozialstaatsgebot nicht. Das Sozialstaatsgebot zwingt den Staat lediglich, dass er Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft. Im Übrigen obliegt es der Entscheidung des Gesetzgebers, auf welche Weise und in welchem Umfang er unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben soziale Hilfe gewährt (vgl BVerfGE 82, 60, 80 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 5).

Eine Verletzung der von Art 14 GG geschützten Rechtsgüter ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es erscheint schon fraglich, ob das Eingliederungsprinzip bei Statusdeutschen iS des Art 116 Abs 1 GG die im Ausland durch eine dort versicherungspflichtige Beschäftigung erworbenen Rechtspositionen in eine durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG geschützte rentenversicherungsrechtliche Rechtsposition transformiert hat (BSGE 85, 161 = SozR 3-5050 § 22 Nr 7). Sozialversicherungsrechtliche Positionen fallen nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann unter den Eigentumsschutz des Art 14 GG, wenn sie nach Art des Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und der Sicherung seiner Existenz dienen (BVerfGE 69, 272, 301 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 127).

Bei den - ausschließlich - nach dem FRG zu gewährenden Leistungen handelt es sich aber nicht um solche, die auf nicht unerheblichen Eigenleistungen zu einem deutschen Sozialversicherungsträger beruhen. Vielmehr werden - für die Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen und der Anspruchshöhe der Rentenleistungen - die bei einem nichtdeutschen Träger entrichteten Beiträge den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt (§ 15 Abs 1 FRG). Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Beiträge zu einem nichtdeutschen Träger als eigene Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung aufgrund des in Art 116 GG enthaltenen Integrationsversprechens fingiert würden (vgl BSGE 85, 161 = SozR 3-5050 § 22 Nr 7; aA Podlech/Azzola/Dieners, RV 1998, 177, 199). Zwar hat das BVerfG hervorgehoben, dass als Eigenleistungen auch solche Leistungen zu berücksichtigen sind, die vom Versicherten selbst oder von Dritten zu dessen Gunsten dem Träger der Sozialversicherung zugeflossen sind (BVerfGE 69, 272, 302 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 128). Hinsichtlich der besonderen Bedingungen des Alterssicherungs- und Entlohnungssystems der DDR hat es den Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG auch dann zum Tragen kommen lassen, wenn die Rentenansprüche und -anwartschaften nicht in erster Linie durch Beitragszahlungen, sondern maßgeblich durch Arbeitsleistung erworben wurden (BVerfGE 100, 1, 35 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 49). Damit sollte jedoch nur ausgedrückt werden, dass auch die in den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften vom Typus her die konstitutiven Merkmale des Eigentums iS von Art 14 GG aufweisen, weil der erforderliche Zusammenhang zwischen Zusatzversorgung und Arbeitsleistung im Entlohnungssystem der DDR in vielfältiger Weise hergestellt wurde. Dennoch genossen die in der DDR erworbenen Rentenansprüche nicht per se den Schutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG; erst mit dem Beitritt der DDR und der Anerkennung durch den Einigungsvertrag gelangten sie wie andere vermögenswerte Rechtspositionen in den Schutzbereich des GG (BVerfGE 91, 294, 308; BVerfGE 100, 1, 33 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 48). Mangels eines solchen Transformationsakts scheidet der nachträgliche Erwerb einer eigentumsgeschützten Rechtsposition bei einem Statusdeutschen wie dem Kläger aus. Soweit seine Rechtsposition auf FRG-Zeiten beruht, leitet sie sich allein aus dem durch das FRG begründeten, vermögenswerten Rechtsanspruch ab (vgl BVerfGE 29, 22, 34; 43, 213, 226; 53, 164, 176; BSGE 85, 161 = SozR 3-5050 § 22 Nr 7) und unterfällt deshalb als öffentlich-rechtliche Leistung sozialen Charakters (Fürsorgeleistung) nicht dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 GG.

Wie ebenfalls bereits vom 4. Senat (BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1) und vom 5. Senat (BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3) des BSG ausführlich begründet worden ist, verstößt die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 FRG nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 GG. Zwar werden Personen, auf welche die durch das WFG geänderten Fremdrentenvorschriften anzuwenden sind, anders behandelt als die vor dem 7. Mai 1996 zugezogenen Berechtigten; hierin liegt jedoch keine sachwidrige Differenzierung. Den diesbezüglichen Darlegungen in den Urteilen des 4. Senats und des 5. Senats des BSG schließt sich der erkennende Senat nach eigener Überprüfung ausdrücklich an.

Diese verfassungsrechtliche Beurteilung des § 22b Abs 1 FRG gilt im Wesentlichen auch für § 22b Abs 3 FRG. Sowohl hinsichtlich der Prüfung am Maßstab des Art 116 GG als auch des Art 14 GG ergeben sich für § 22b Abs 3 FRG keine neuen Gesichtspunkte (vgl hierzu ausführlich BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3 mwN).

Darüber hinaus stellt § 22b Abs 3 FRG für sich allein auch keinen unzulässigen Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Bereich der Ehe (Art 6 GG) dar. Art 6 Abs 1 GG verstärkt die Entfaltungsfreiheit des Art 2 Abs 1 GG im privaten Lebensbereich und erfasst Ehe und Familie als einen geschlossenen, gegen den Staat abgeschirmten und die Vielfalt rechtsstaatlicher Freiheit stützenden Autonomie- und Lebensbereich (BVerwGE 31, 130, 134). Der besondere Schutz der Ehe umschließt die Aufgabe des Staates, die Ehe durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfGE 80, 81, 92 f mwN9. Dazu gehört der materiell-wirtschaftliche Bereich, was auch und gerade für das Gebiet des Sozialversicherungsrechts gilt. Insbesondere dürfen Eheleute nicht deswegen, weil sie verheiratet sind, benachteiligt werden, etwa dadurch, dass sie geringere staatliche Leistungen erhalten als Ledige (BVerfGE 75, 382, 393). Unabhängig davon kann allerdings die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein, sofern damit keine Diskriminierung der Ehe verbunden ist (BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3 mwN zur Rspr des BVerfG).

In seinen Entscheidungen, die Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe betrafen, hat das BVerfG jedenfalls dann keine Diskriminierung der ehelichen Lebensgemeinschaft festgestellt, wenn der Gesetzgeber die Konsequenz aus der Erfahrung des täglichen Lebens zieht, dass in der ehelichen Haushaltsgemeinschaft umfassend "aus einem Topf" gewirtschaftet wird mit der Folge, dass zusammenlebende Ehegatten einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt (BVerfGE 75, 382, 394 = SozR 4100 § 138 Nr 16 S 79; BVerfGE 87, 234, 256 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 30). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe vermag der Senat in § 22b Abs 3 FRG keine die eheliche Lebensgemeinschaft diskriminierende Regelung zu erkennen; denn die Vorschrift knüpft erkennbar an die - aus einem Topf wirtschaftende - Haushaltsgemeinschaft an, soweit "bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten" die Entgeltpunkte begrenzt werden (so bereits BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3). Mit der Gleichstellung der - durch Art 6 Abs 1 GG geschützten - ehelichen und der - nur durch Art 2 Abs 1 GG geschützten - eheähnlichen Lebensgemeinschaft sollen alle diejenigen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften erfasst werden, bei denen in aller Regel und unabhängig vom Bestehen familienrechtlicher Unterhaltsansprüche ein gemeinsamer Haushalt geführt und der hierfür erforderliche Lebensunterhalt gemeinsam bestritten wird. Da mit den in "eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Berechtigten" auch unverheiratete Paare in den Anwendungsbereich des § 22b Abs 3 FRG einbezogen werden, liegt eine spezifische Diskriminierung der Ehe nicht vor.

Darüber hinaus liegt auch keine Diskriminierung dahingehend vor, dass die eheliche Lebensgemeinschaft gegenüber den Alleinwirtschaftenden benachteiligt wird. Den Alleinwirtschaftenden werden durch § 22b Abs 1 FRG die anzurechnenden EP aus FRG-Zeiten auf 25 begrenzt; hingegen werden bei Ehepaaren und eheähnlichen Lebensgemeinschaften, in denen beide Partner EP aus FRG-Zeiten angerechnet bekommen, zusammen maximal 40 EP für FRG-Zeiten angerechnet. Die Begrenzung der EP orientiert sich an der Eingliederungshilfe des § 62a des Arbeitsförderungsgesetzes bzw § 418, § 421 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, so dass die Berechtigten nur eine am Bedürftigkeitsprinzip bzw dem Grundsatz der Existenzsicherung orientierte Leistung erhalten (vgl BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1). Die in § 22b Abs 3 FRG genannten Personen erhalten zusammen mehr als ein Alleinwirtschaftender (40 EP statt 25 EP), jedoch zusammen maximal 80 % des Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden (50 EP). Mit diesem um 20 % reduzierten Gesamtbedarf trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass sich nach allgemeiner Lebenserfahrung bei zusammenlebenden Partnern der Mindestbedarf zwar gegenüber Alleinstehenden erhöht, jedoch nicht um das Doppelte. Diese pauschalierte Regelung trägt dem aus Art 6 Abs 1 GG abgeleiteten Gebot, die Ehe durch geeignete, materiell-wirtschaftliche Maßnahmen auch auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts zu fördern und deren Existenzminimum zu sichern, hinreichend Rechnung. Mit der Einbeziehung eheähnlicher Lebensgemeinschaften in den Anwendungsbereich des § 22b Abs 3 FRG wird zudem verhindert, dass Berechtigte, die - ohne miteinander verheiratet zu sein - zusammenleben, als Alleinwirtschaftende behandelt und gegenüber Ehepaaren bevorzugt werden.

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die mit Art 12 Abs 2 WFG angeordnete rückwirkende Anwendung des § 22b FRG iVm Art 6 § 4b FANG idF des WFG bereits ab 7. Mai 1996 unzulässig in eine vom Kläger zum Zeitpunkt seiner Übersiedlung vorgefundene Rechtsposition eingegriffen hat.

Der Kläger hatte allerdings bereits mit dem Datum des Zuzugs am 13. Juni 1996, spätestens jedoch mit der Stellung seines Rentenantrags am 24. Juni 1996 einen Rentenanspruch erworben, der deutlich höher war, als ihm mit Bescheid der Beklagten vom 11. September 1997 schließlich bewilligt wurde. Zum Zeitpunkt des Rentenantrags hatte der Kläger alle Voraussetzungen für den Bezug der RAR erfüllt. Er hatte das 65. Lebens-jahr vollendet, die Wartezeit erfüllt und den Rentenantrag rechtzeitig iS von § 30 FRG iVm § 99 SGB VI gestellt. Bei einer sofortigen Bewilligung der Rente hätte die Beklagte die ab 13. Juni 1996 bewilligte RAR entsprechend den damals noch geltenden Vorschriften feststellen müssen. Ungeachtet des Datums der Bescheiderteilung sind nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 300 Abs 1 SGB VI) diejenigen Vorschriften anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Erfüllung des Leistungsanspruchs gelten.

Insbesondere war die Entstehung des Anspruchs des Klägers auf RAR nicht abhängig vom Zeitpunkt der Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG; denn diese Bescheinigung begründet den Spätaussiedlerstatus nicht, sondern stellt ihn nur deklaratorisch fest (vgl von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Komm zum BVFG, § 15 RdNr 1). Solange die Spätaussiedlerbescheinigung nicht erteilt war, war zwar der Rentenversicherungsträger gehindert, über den geltend gemachten (Renten-)Anspruch zu entscheiden (zur Bedeutung der Anerkennung als Spätaussiedler durch die zuständige Verwaltungsbehörde s BSG SozR 3-5050 § 1 Nr 4; s auch VerbKomm § 1 FRG RdNr 3.2), doch hat die Erteilung der Bescheinigung keine konstitutive Bedeutung für den Beginn des Rentenanspruchs des Spätaussiedlers. Der Rentenanspruch entsteht nicht erst mit der Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung, denn mit der Anerkennung als Spätaussiedler steht fest, dass die Spätaussiedlereigenschaft seit Zuzug gegeben ist. Würde auf den Zeitpunkt der Erteilung des Anerkennungsbescheids abgestellt, wäre der Beginn des Rentenanspruchs letztlich abhängig von der Dauer des Anerkennungsverfahrens. Dass dies nicht gewollt ist, ergibt sich auch aus § 30 FRG, der für den Rentenbeginn bei rechtzeitiger Antragstellung auf den Zeitpunkt des Zuzugs abstellt, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Anerkennungsverfahren nicht abgeschlossen sein kann. Dies ist auch im vorliegenden Fall von der Beklagten so gesehen worden, indem sie gemäß § 30 FRG als Rentenbeginn das Datum des Zuzugs (13. Juni 1996) festgesetzt und sich nicht auf das Datum der später ausgestellten Bescheinigung berufen hat. Es ist daher für die Entstehung des Rentenanspruchs nicht von Bedeutung, wann die Bescheinigung ausgestellt worden ist, so dass es hierzu auch keiner näheren Feststellungen bedarf.

In diese vom Kläger beim Zuzug in das Bundesgebiet und bei Stellung des Rentenantrags als letzter zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzung vorgefundene Rechtsposition hat das WFG insoweit rückwirkend eingegriffen, als es § 22b FRG bereits mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft gesetzt hat. Auch die Übergangsvorschrift des Art 6 § 4b FANG idF des WFG nimmt von der Anwendung des § 22b FRG (nur) die Berechtigten aus, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, wobei auch diese Vorschrift nach Art 12 Abs 2 WFG rückwirkend mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft gesetzt worden ist. Die Übergangsvorschrift des Art 6 § 4b FANG idF des WFG gewährt damit nur den Versicherten einen Besitzstandsschutz, die vor dem 7. Mai 1996 in das Bundesgebiet zugezogen sind. Für alle anderen Berechtigten - wie vorliegend den Kläger - schreibt Art 6 § 4b FANG dagegen zwingend vor, dass bei der Rentenberechnung § 22b FRG idF des WFG anzuwenden ist, auch wenn der Rentenanspruch bereits vor Verkündung und damit vor Wirksamwerden des WFG am 27. September 1996 entstanden sein sollte. Insoweit sehen die mit dem WFG eingeführten Vorschriften keine Ausnahmeregelung vor.

Die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens ab dem 7. Mai 1996 bis zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes ohne jegliche besitzschutzwahrende, den Eingriff in bereits entstandene Rechtspositionen zumindest abmildernde Vorschriften erscheint im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht unbedenklich, im Ergebnis aber ausnahmsweise zulässig.

Zur Überprüfung rückwirkender Gesetze anhand der verfassungsrechtlichen Maßstäbe wird herkömmlich unterschieden zwischen der so genannten unechten Rückwirkung und der so genannten echten Rückwirkung. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 95, 64, 86 - stRspr). Von unechter Rückwirkung oder auch tatbestandlicher Rückanknüpfung (zur Terminologie s Maurer, Staatsrecht I, 2. Aufl 2001, § 17 RdNr 105 ff; Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl, Art 20 RdNr 69) wird auch gesprochen, wenn eine Norm künftige Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht (BVerfGE 72, 200, 242; 79, 29, 45 ff). Bei einer unechten Rückwirkung bzw bei einer tatbestandlichen Rückanknüpfung wird somit ein Tatbestand geregelt, der zwar vor Gesetzesverkündung begonnen, aber noch nicht vollständig abgeschlossen oder - mit anderen Worten - bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden ist (BVerfGE 97, 67, 79).

Eine echte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 57, 361, 391; 68, 287, 306; 72, 175, 196) bzw wenn die Rechtsfolgen für einen vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt auftreten sollen und nicht für einen nach oder mit der Verkündung beginnenden Zeitraum (BVerfGE 72, 200, 242; 63, 343, 353; BSGE 71, 202, 206 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3 - zur Unterscheidung zwischen echter Rückwirkung bzw der Rückbewirkung von Rechtsfolgen einerseits und unechter Rückwirkung bzw tatbestandlicher Rückanknüpfung andererseits s Schulze-Fielitz in Dreier, GG-Komm, Art 20 RdNr 144 ff, 152 ff; Jarass, aaO, Art 20 RdNr 68 ff; Fischer, JuS 2001, 861, 862 ff mwN zur stRspr des BVerfG).

Während die unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung regelmäßig zulässig ist (vgl Jarass, aaO, Art 20 RdNr 73), weil das vom Gesetzgeber verfolgte Gemeinwohlinteresse in der Regel das Vertrauen des Bürgers auf Fortbestand einer ihn begünstigenden Rechtslage überwiegt (Schulze-Fielitz, aaO, Art 20 RdNr 154), ist die echte Rückwirkung bzw Rückbewirkung von Rechtsfolgen durch das Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich verboten (BVerfGE 13, 261, 272; 45, 142, 173; 95, 64, 86) oder bedarf jedenfalls einer besonderen Rechtfertigung (BVerfGE 72, 200, 257).

Wegen der unterschiedlichen Anforderungen an die verfassungsrechtliche Zulässigkeit je nach Art der Rückwirkung kommt es somit vorrangig darauf an, ob vorliegend durch die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens des § 22b FRG iVm Art 6 § 4b FANG zum 7. Mai 1996 durch das am 27. September 1996 verkündete WFG ein Fall der echten oder unechten Rückwirkung gegeben ist.

Nach Auffassung des erkennenden Senats handelt es sich um einen Fall der echten Rückwirkung bzw der Rückbewirkung von Rechtsfolgen, weil der Gesetzgeber mit dieser Regelung in einen Sachverhalt eingegriffen hat, der vor der Gesetzesverkündung bereits abgeschlossen war und der die Voraussetzungen des bis zur Gesetzesverkündung geltenden Anspruchstatbestandes erfüllte. Wie oben bereits ausgeführt, hatte der Kläger spätestens mit der Stellung des Rentenantrags am 24. Juni 1996 alle Voraussetzungen für die Gewährung der RAR ab 13. Juni 1996 erfüllt. Der der Anspruchserfüllung zugrunde liegende Sachverhalt war abgeschlossen. Bis zur Verkündung des WFG hatten auch Spätaussiedler, die nach dem 7. Mai 1996 ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen haben, bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen einen Rentenanspruch nach dem bis dahin für sie günstigeren Rentenrecht erlangt. Insoweit ist die vorliegende Fallkonstellation durchaus vergleichbar mit dem in BVerfGE 30, 367 entschiedenen Fall, in dem die rückwirkende Beschränkung eines Anspruchstatbestands durch einen Stichtag als eine belastende, in abgeschlossene Tatbestände eingreifende Regelung angesehen worden ist. Insbesondere ist vom BVerfG in dieser Entscheidung hervorgehoben worden, dass bei Rechtssätzen, die Rechtsansprüche einräumen, "abgewickelter Tatbestand" nicht gleich bedeutend ist mit "zuerkannt durch Bescheid", weil es nur auf die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale und nicht auf die behördlichen Vollzugsakte ankommen kann (BVerfGE 30, 367, 386 ff; vgl hierzu Fischer, aaO, 862).

Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, es handele sich bei der vorliegenden Regelung um eine unechte Rückwirkung (Bertuleit, DRV 1999, 345, 358; vgl auch Rundschreiben des DRV vom 3. November 1998 S 15), so lassen diese Stellungnahmen schon nicht erkennen, ob dies auch für den hier vorliegenden Fall gelten soll oder nur für diejenigen Berechtigten, die nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss bzw nach Verkündung des WFG erstmalig einen Rentenanspruch erworben haben und nach dem 6. Mai 1996 zugezogen waren. Ob die Anwendung des § 22b FRG auf Berechtigte, die nach dem 6. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland genommen und erst nach dem 27. September 1996 einen Rentenanspruch erworben haben, ein Fall unechter Rückwirkung ist, braucht nicht näher erörtert zu werden, weil hier der Sachverhalt anders gelagert und diese Frage somit nicht entscheidungserheblich ist.

Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von den vom 4. Senat (BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1 und BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2) und 5. Senat (BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3) entschiedenen Fällen, in denen die Verfassungsmäßigkeit der Anwendung der durch das WFG geänderten fremdrentenrechtlichen Vorschriften auf Berechtigte zu prüfen war, die nach der Verkündung des WFG in das Bundesgebiet zugezogen waren oder aber erst nach dem 27. September 1996 einen Rentenanspruch erworben hatten, so dass sich die Frage der echten Rückwirkung bislang nicht stellte.

Auch wenn der Fall einer echten Rückwirkung gegeben ist, kann das grundsätzliche Verbot dieser Rückwirkung nach der Rechtsprechung des BVerfG durchbrochen werden, wenn besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen. Von der Rechtsprechung des BVerfG sind solche Rechtfertigungsgründe falltypisch entwickelt worden, ohne dass diese Falltypen erschöpfend sein sollen. Sie sind Ausprägungen des Grundgedankens, dass allein zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des staatlichen Rückwirkungsverbots zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen oder gar erfordern können (BVerfGE 72, 200, 258). Hierzu hat das BVerfG folgende Fallgruppen entwickelt (vgl auch die Übersichten bei Schulze-Fielitz, aaO, Art 20 RdNr 147 ff; Jarass, aaO, Art 20 RdNr 72; Fischer, aaO, 862 ff):

1. Es handelt sich um eine Bagatelle (BVerfGE 30, 367, 389; 72, 200, 258; 95, 64, 86).

2. Das geltende Recht war unklar und verworren, so dass eine baldige Klärung erwartet werden musste (BVerfGE 30, 367, 388; 45, 142, 173; 72, 200, 259).

3. Das geltende Recht ist in dem Maße systemwidrig und unbillig, dass ernsthafte Zweifel an dessen Verfassungsmäßigkeit bestehen (BVerfGE 13, 215, 224; 19, 187, 197; 30, 367, 388), oder eine Rechtsnorm erweist sich im Nachhinein als ungültig; sie kann durch eine rechtlich einwandfreie Norm ersetzt werden (BVerfGE 13, 261, 272).

4. Der Betroffene musste zu dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz bezogen wird, mit der Neuregelung rechnen (BVerfGE 37, 363, 397; 45, 142, 173; 88, 384, 404; 89, 48, 67).

5. Schließlich können - trotz eines Vertrauenstatbestands - zwingende Belange des Gemeinwohls eine echte Rückwirkung rechtfertigen (BVerfGE 13, 261, 272; 30, 367, 390; 72, 200, 260; 88, 384, 404).

Von diesen Fallgruppen können vorliegend nur die unter 4. und 5. genannten Rechtfertigungsgründe als Maßstab für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der durch Art 12 Abs 2 WFG angeordneten Rückwirkung herangezogen werden. Weder handelt es sich bei der Neuregelung für die Berechtigten, die nach dem 6. Mai 1996 zugezogen sind und vor dem Gesetzesbeschluss einen Rentenanspruch erworben haben, um eine Bagatelle, noch war die Rechtslage zuvor unklar und verworren oder stand die Gültigkeit der früheren Gesetzeslage ernsthaft im Zweifel.

Für die Prüfung der Rechtfertigungsgründe 4. und 5. kann es letztlich dahinstehen, ob deren Begründung Art 14 GG oder dem rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes zu entnehmen ist. Wie oben erwähnt, ist die Regelung des § 22b FRG insgesamt nicht am Maßstab des Art 14 GG zu messen, weil der Fremdrentenanspruch mangels eigener Beitragsleistung nicht denselben verfassungsmäßigen, auf Art 14 GG gestützten eigentumsähnlichen Schutz genießt wie die beitragsfinanzierte Rente. Dies spricht dafür, auf den verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutzgedanken als Rechtsgrundlage zurückzugreifen, ohne dass damit eine wesentliche inhaltliche Änderung des Prüfungsmaßstabs verbunden ist.

Hinsichtlich der Prüfung des Vertrauensschutzes der Betroffenen in die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage geht das BVerfG in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass in der Regel die Betroffenen mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einrichten müssen. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (BVerfGE 97, 67, 79 mwN). Zugleich hat das BVerfG aber auch hervorgehoben, dass das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über die Vorbereitung einer Neuregelung durch die gesetzgebenden Körperschaften die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige Rechtslage noch nicht entfallen lassen (BVerfGE 72, 200, 261; 30, 272, 287; s aber auch BVerfGE 30, 367, 388, wo offen gelassen worden ist, ob das Bekanntwerden der Änderungsabsicht des Gesetzgebers genügt, um den Vertrauensschutz aufzuheben).

Im Hinblick auf die gegenläufige Interessenlage hat das BVerfG ausgeführt:

"Jede Festlegung eines für das Ende des schutzwürdigen Vertrauens in die bisherige Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkts stellt notwendig einen Ausgleich zwischen gegenläufigen Interessen dar. Bei diesen handelt es sich zum einen um das - rechtsstaatliche, aber auch aus dem Inbegriff der Grundrechte und letztlich aus dem Freiheitsverständnis entspringende - Interesse des Einzelnen, dass er sich eine Neuregelung erst entgegenhalten lassen muss, wenn sie endgültig verbindlich geworden ist und er sich über ihren vollständigen Inhalt genau unterrichten konnte. Bestmögliche Lösung aus dieser Sicht wäre das Fortbestehen des Vertrauensschutzes, bis die neue Regelung verkündet worden ist. Diesem Interesse steht gegenüber das staatliche Interesse, dass eine vom Gesetzgeber für geboten erachtete Neuregelung alsbald greift und so die zeitlichen Möglichkeiten weitgehend eingeschränkt werden, sie zu umgehen und damit den angestrebten politischen Erfolg zu mindern. Diesem Zweck diente es am Besten, den Vertrauensschutz spätestens mit der Einbringung des Gesetzentwurfs der Neuregelung entfallen zu lassen. In diesem Spannungsfeld ist der verhältnismäßig beste Ausgleich, auf den Zeitpunkt des - vorbehaltlich neuerlicher Beschlussfassung gemäß Art 77 Abs 2 bis 4 GG - endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestags abzustellen. Er setzt keines der beiden gegenläufigen Interessen über Gebühr hintan und läuft nicht ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Verankerungen zuwider." (BVerfGE 72, 200, 261, 262).

Denn mit dem Gesetzesbeschluss "ist der wesentliche - wenn auch nicht der einzige und nicht der letzte - Unsicherheitsfaktor beseitigt, was das ob und wie der Neuregelung angeht. Das rechtfertigt und gebietet es, auch in derartigen Fällen den Vertrauensschutz nicht vor dem Gesetzesbeschluss enden zu lassen. Zugleich liegt von diesem Zeitpunkt an das Zwischenergebnis des Gesetzgebungsverfahrens offen zu Tage und kann von jedem zur Kenntnis genommen werden. Steht damit - schon wegen der Mitwirkungsbefugnisse des Bundesrates - auch weder der Inhalt des künftigen Gesetzes fest, noch dass es überhaupt endgültig zustande kommen wird, so läuft es gleichwohl dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten nicht zuwider, wenn von diesem Einschnitt an der Einzelne auf das künftige Fortbestehen der bisherigen Rechtslage jedenfalls nicht mehr vertrauen darf." (BVerfGE 72, 200, 262).

Ausnahmsweise hat das BVerfG aber für die Frage, ab wann ein Betroffener mit einer Neuregelung hat rechnen müssen, bereits auf den Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses über die in Aussicht genommene und durchgeführte Gesetzesänderung abgestellt (vgl BVerfG NJW 1992, 2877, 2878; s auch BVerfGE 95, 64, 88; BVerfGE 97, 67, 82 - betreffend die Vermeidung von Ankündigungseffekten; vgl hierzu auch Fischer, aaO, 862; Jarass, aaO, Art 20 RdNr 72). Damit ist grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, auf verschiedene Zeiträume im Gesetzgebungsverfahren abzustellen.

Der Gang des Gesetzgebungsverfahrens bis zur Verkündung des WFG stellt sich wie folgt dar: Am 7. Mai 1996 fand die Kabinettsentscheidung über das WFG statt (vgl BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 7; BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3; zur Gesetzesentwicklung s auch Heller, DAngVers 1997, 1). Auf diesem Datum beruht die stichtagsbezogene Übergangsvorschrift des Art 6 § 4b FANG und der Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 22b FRG und des Art 6 § 4b FANG gemäß Art 12 Abs 2 WFG. Unter dem 10. Mai 1996 wurde ein Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vorgelegt (BT-Drucks 13/4610), der bereits die später Gesetz gewordenen neuen Vorschriften des § 22b FRG und Art 6 § 4b FANG enthielt (vgl Art 3 Nr 4 bzw Art 4 Nr 3 des Entwurfs). Ebenso war in Art 10 Abs 2 dieses Entwurfs bereits das Inkrafttreten dieser Vorschrift mit Wirkung vom 7. Mai 1996 vorgesehen. Ein weiterer Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. Juni 1996, der in Art 2 Nr 3, Art 3 Nr 3 und Art 5 Abs 2 dieselben Neuregelungen vorsah, wurde dem Bundesrat gemäß Art 76 Abs 2 GG zugeleitet und von diesem in seiner 698. Sitzung am 14. Juni 1996 in der vorliegenden Fassung abgelehnt (BT-Drucks 13/4987). Dieser Gesetzentwurf wurde in der Folgezeit für erledigt erklärt (Kurzprotokoll der 69. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 26. Juni 1996 - Az: 752-2401 und Beschluss des Bundestages vom 28. Juni 1996 - BT-Drucks 13/4814). Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP wurde am 23. Mai 1996 im Bundestag erstmals beraten und in die zuständigen Ausschüsse verwiesen. Nach einem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP fand die zweite Beratung am 28. Juni 1996 und die dritte Beratung am 9. Juli 1996 statt. Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses, der am 29. August 1996 den Gesetzesbeschluss bestätigte, wurde der vom Bundesrat eingelegte Einspruch am 13. September 1996 vom Bundestag mit der erforderlichen Mehrheit zurückgewiesen. Das WFG vom 25. September 1996 wurde schließlich am 27. September 1996 (BGBl I 1461) verkündet.

Im Hinblick auf diese Gesetzesentwicklung kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf den Fortbestand der alten Regelungen vertraut und mit der angeordneten Rückwirkung sei in dieses Vertrauen in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise eingegriffen worden. Soweit das BVerfG ausnahmsweise den Schutz des Vertrauens der Betroffenen mit der Veröffentlichung des Kabinettsbeschlusses über ein geplantes Gesetzesvorhaben hat enden lassen, liegt hier ein solcher Ausnahmefall vor.

Eine nähere Begründung für das rückwirkende Inkrafttreten des § 22b FRG und des Art 6 § 4b FANG ist dem Gesetzentwurf allerdings nicht zu entnehmen, so dass eine direkte Auseinandersetzung mit den Intentionen des Gesetzgebers nicht möglich ist. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass eine Durchbrechung des Vertrauensschutzes für die Berechtigten erforderlich war, die erst nach dem 6. Mai 1996, aber noch vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss in das Bundesgebiet übergesiedelt waren. Die verfassungsrechtlich zulässige Ausnahmekonstellation, dass durch eine Rückwirkung der Neuregelung auf eine Zeit vor dem Gesetzesbeschluss bis zurück zur ersten Befassung durch das Kabinett und die öffentliche Bekanntgabe des Gesetzesvorhabens Mitnahmeeffekte unterbunden werden müssten, um das Gesetzesvorhaben nicht zu unterlaufen, liegt hier nicht vor. Spätaussiedler, die von dem Kabinettsbeschluss in ihrem Herkunftsgebiet Kenntnis erhalten haben sollten, waren kaum in der Lage, eine noch nicht begonnene Übersiedlung sofort in die Wege zu leiten und innerhalb weniger Monate durchzuführen, um noch vor der endgültigen Beschlussfassung des Bundestags Rentenansprüche zu erwerben. Andere Spätaussiedler, deren Aussiedlungsverfahren bereits zum Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses eingeleitet waren, hatten ersichtlich diese Verfahren nicht eingeleitet, um der beabsichtigten Gesetzesänderung noch zuvor zu kommen und die mit der Neuregelung verbundenen Nachteile zu vermeiden. Dies gilt auch für Spätaussiedler, die - wie der Kläger und seine Ehefrau - nur kurze Zeit nach der erstmals veröffentlichten Absichtserklärung des Kabinetts in das Bundesgebiet übergesiedelt waren. Im Hinblick darauf, dass nach den vom Kläger gemachten Angaben zwischen Übersiedlungsentschluss, Durchführung der Übersiedlung und Ankunft im Bundesgebiet ein längerer Zeitraum lag, ist auch für den vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, der Kläger habe nach Veröffentlichung der Kabinettsentscheidung seine Übersiedlung betrieben, um noch rasch in den Genuss der früheren höheren Fremdrentenleistungen zu kommen. Die Feststellung von Bertuleit (DRV 1999, 345, 358), nach dem 6. Mai 1996 Zugezogene hätten ihre Disposition auf der Grundlage der Kabinettsentscheidung vom 7. Mai 1996 getroffen, ist jedenfalls für die kurze Zeit nach diesem Stichtag Zugezogenen in hohem Maße lebensfremd und entbehrt einer sachlichen Grundlage. Für Spätaussiedler, die bereits das Rentenalter erreicht hatten, gab es nach deren Ankunft im Bundesgebiet auch keine irgendwie geartete Dispositionsmöglichkeit im Hinblick auf die von ihnen zu erwartende Rente im Bundesgebiet.

Zwar war laut der Gesetzesbegründung zum WFG ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf in der Rentenversicherung aufgrund der aktuellen Finanzlage gesehen worden. Dies allein würde den Eingriff in die Rechtsposition jedoch nicht rechtfertigen können, auch wenn die Änderungen im FRG ebenfalls dem Ziel dienten, finanzielle Mittel einzusparen (so auch Becker, LVA Baden 1997, 151, 152; Fabritius, RV 1998, 21, 23). Nach den im Regierungsentwurf des WFG vorgenommenen Einschätzungen führten die finanziellen Auswirkungen durch die Neuordnung des Fremdrentenrechts für das Jahr 1996 jedoch noch zu keiner Entlastung; erst für die Folgejahre waren ansteigend finanzielle Entlastungen zu erwarten (vgl auch Bericht des Haushaltsausschusses vom 26. Juni 1996 in BT-Drucks 13/5094). Speziell für den Personenkreis, der von der rückwirkenden Anwendung des § 22b FRG betroffen worden ist, sind die hierdurch erzielten Einsparungen somit fast zu vernachlässigen. Dass das Einsparpotential nicht all zu hoch sein konnte, ergibt sich auch aus der Äußerung des damals zuständigen Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Blüm, der im Jahre 1996 feststellte, dass die Spätaussiedler nur zu einem geringen Teil so alt seien, dass sie sofort Rente bezögen (Blüm, BArbl 1996, Heft 6 S 5, 6). Wenn jedoch nur relativ wenig Aussiedler eine erfüllte Versicherungsbiographie mitbrachten, konnten mithin nur geringe Spareffekte durch die in § 22b FRG vorgesehenen Kürzungen erzielt werden (so auch schon Polster, DRV 1997, 63, 69). Auch nach Fabritius (RV 1998, 21, 23) scheint die Kürzung der FRG-Anwartschaften angesichts ihres geringen Anteils an den Ausgaben im Gesamtkonzept des Rentensystems mehr symbolischen Charakter zu haben.

Diese Aussage wird im Ergebnis durch die vom erkennenden Senat im Verfahren B 13 RJ 46/03 R eingeholte und auch im vorliegenden Fall zum Gegenstand des Verfahrens gemachte Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 13. Januar 2004 bestätigt. Danach wurden die Ersparnisse aufgrund der Neuordnung des Fremdrentenrechts durch § 22b FRG auf der Basis des Rentenzugangs 1994 auf rund 53 Mio ¤ für jedes Rentenzugangsjahr geschätzt. Für die Monate Mai bis September errechneten sich die Einsparungen in Werten des Jahres 2003 auf jährlich rund 24 Mio ¤ (ohne Differenzierung nach § 22b Abs 1 FRG bzw § 22b Abs 3 FRG).

Diese vergleichsweise geringen Einsparungen durch die rückwirkende Einführung des § 22b FRG stellen noch keine zwingenden Gründe des Gemeinwohls dar, die geeignet wären, den Eingriff in den Vertrauensschutz auf Fortbestand der früheren Regelungen bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss zu rechtfertigen. Gemessen an der Einbuße in seinem Rentenanspruch von ca 44 %, die der Kläger vorliegend hinzunehmen hat, muss das Interesse des Gemeinwohls, möglichst schnell zu Einsparungen zu kommen, zurücktreten, weil diese Einspareffekte so nennenswert nicht waren und auch nicht sein konnten, als dass der Eingriff in die Rente des Klägers hierdurch gerechtfertigt wäre.

Gleichwohl lässt sich vorliegend die Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Verbots der echten Rückwirkung damit rechtfertigen, dass der Kläger schon bei seiner Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr darauf vertrauen durfte, ihm würden die früheren, im Nachhinein als relativ großzügig anzusehenden Leistungen nach dem FRG noch zugute kommen. Im Hinblick auf die mit den Änderungen des FRG durch das WFG verbundene Zielsetzung und die Tatsache, dass bereits mit dem Kabinettsbeschluss die umgehende Umsetzung dieser Zielsetzung verlautbart worden war, musste der Kläger damit rechnen, unter die Neuregelung zu fallen.

Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der Verhältnismäßigkeit des rückwirkenden Eingriffs zu Gunsten des Gemeinwohls ist zu berücksichtigen, dass die Diskussion über die Höhe der Fremdrenten schon einige Jahre angedauert und auch vor dem Erlass des WFG schon zu ersten Einschnitten geführt hatte (vgl Becker, LVA Baden 1997, 151; zur Rechtsentwicklung vgl ausführlich BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 3). So wurden die vorgesehenen Änderungen im Fremdrentenrecht auch vorrangig damit begründet, dass das "mit der Fremdrentengesetzgebung verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler, die infolge der Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs ihre soziale Sicherung in den Herkunftsgebieten verloren haben, in das Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern", weitgehend erreicht sei. Über 50 Jahre nach Kriegsende und wegen der Überwindung der deutschen und europäischen Teilung sei eine unveränderte Beibehaltung der für einen Übergangszeitraum konzipierten, ein hohes Renteniveau sichernden Regelungen sachlich nicht mehr zu rechtfertigen. Einschränkende Regelungen seien auch zur Erhaltung der Akzeptanz der Leistungen nach dem FRG erforderlich (BT-Drucks 13/4610 S 19).

Bereits mit dem Kabinettsbeschluss war dieses gesetzgeberische Ziel konkret formuliert und die rückwirkende Anwendung der Vorschriften auch auf alle Personen vorgesehen worden, die - wie der Kläger - erst nach dem Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses übersiedelten. Dieser Kabinettsbeschluss war umgehend veröffentlicht und in verschiedenen Pressepublikationen zum Teil ausführlich und ins Einzelne gehend verbreitet worden. Dies bezieht sich auch auf die von vornherein vorhandene Absicht der Gesetzesinitiative, die hier in Rede stehenden Vorschriften rückwirkend ab der Fassung des Kabinettsbeschlusses in Kraft zu setzen, um einen möglichst großen Teil der neu zugezogenen Spätaussiedler unter diese Neuregelung fallen lassen zu können. Weder an dieser Absicht noch an der konkreten Gesetzesformulierung hat sich im anschließenden Gesetzgebungsverfahren etwas geändert. Da dieses Gesetzgebungsverfahren allgemein bekannt gemacht worden war, musste der Kläger damit rechnen, dass die Beklagte in Kenntnis dieses Vorhabens nicht mehr vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens über seinen Anspruch entscheiden, sondern abwarten werde, ob diese vorgesehene Neuregelung entsprechend umgesetzt würde.

Durfte der Kläger auf den Fortbestand der alten Regelungen des FRG schon nicht mehr vertrauen, so ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass er jedenfalls zum Zeitpunkt der Übersiedlung keine auf eigenen Versicherungsbeiträgen gegründete Anwartschaft auf die Rente hatte, sondern - solange er noch im Ausland weilte - nur eine Erwartung auf Zahlung einer Rente nach den zuvor geltenden Rechtsvorschriften. Eine feste rentenrechtliche Rechtsposition hätte ihm in dieser von ihm vorgefundenen Situation nur durch die Erteilung eines Rentenbescheids nach der alten Rechtslage gesichert werden können. Gerade daran fehlt es, weil ein solcher Bescheid noch nicht erteilt war und der Kläger im Hinblick auf das in Gang gesetzte Gesetzgebungsverfahren auch nicht damit rechnen durfte, vor Inkrafttreten der beabsichtigten, auf den Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses bezogenen Neuregelung des FRG einen solchen Bescheid zu erhalten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger vor dem Inkrafttreten des WFG Vermögensdispositionen im Hinblick auf die zu erwartende Rente getroffen hätte, die durch die rückwirkend in Kraft gesetzte Regelung des § 22b FRG nicht mehr zu korrigieren gewesen wären. Abgesehen davon, dass entsprechende Hinweise nicht vorliegen und vom Kläger hierzu nichts vorgetragen worden ist, konnte dem Kläger der konkrete Zahlbetrag der zu erwartenden Rente vor Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland ohnehin noch nicht bekannt sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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