L 5 KA 4454/00

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 3505/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 4454/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Prüfung sind Tagesprofile ein geeignetes Mittel, um eine unrichtige Abrechnung nachweisen zu können. Dies kann zu einer Unrichtigkeit der Abrechnungs-Sammelerklärung und zu einer Honorarkürzung auf den Durchschnitt der Fachgruppe führen.
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Februar 1999 aufgehoben. Die Klage gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 17. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1997 wird abgewiesen.

Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszügezu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung des Honorars der Klägerin für das Quartal 1/96 auf den durchschnittlichen Fallwert ihrer Fachgruppe streitig.

Die Klägerin ist als Ärztin für Frauenheilkunde in M. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal 1/96 behandelte sie 1393 Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (Fachgruppe 1050). Für die Prüfung der Plausibilität ihrer Abrechnung erstellte die Abrechnungsstelle F. der Beklagten sogenannte Tagesprofile und ermittelte für das Quartal 1/96 tägliche Gesamtarbeitszeiten von bis zu 15 1/2 Stunden (am 4. März 1996). Mit Honorarbescheid vom 17. Juli 1996 setzte daraufhin die Abrechnungsstelle F. der Beklagten für das Quartal 1/96 das Honorar der Klägerin auf DM 64.917,30 fest. Im - mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Schreiben vom 17. Juli 1996 teilte sie der Klägerin als Erläuterung zum Honorarbescheid mit, die Höhe der von der Klägerin abgerechneten Leistungen sei an mehreren Tagen nicht plausibel, obwohl sie mit der Sammelerklärung die Richtigkeit ihrer Abrechnung bestätigt habe. Dies ergebe sich daraus, dass für zeitgebundene Leistungen für jeden einzelnen Arbeitstag der Zeitaufwand für Gesprächsleistungen ermittelt worden sei. Darüber hinaus seien die Patientenkontakte sowie die an diesem Tag darüber hinaus erbrachten Leistungen berücksichtigt worden. Anstelle der eigentlich gebotenen Nichtauszahlung werde zur Vermeidung sozialer Härten ein geschätztes Honorar festgesetzt, das dem durchschnittlichen Fallwert der ordnungsgemäß abrechnenden Ärzte ihrer Fachgruppe entspräche. Diesem Schreiben beigefügt waren die Listen der Tagesprofile.

Dagegen legte die Klägerin am 19. August 1996 Widerspruch mit der Begründung ein, ihre Sprechstunde beginne um 7.00 Uhr und sei besetzt bis 21.00 Uhr. Sie mache nach Möglichkeit 1 bis 2 Stunden Mittagspause. Die Honorarkürzung sei nicht begründet worden, so dass der Bescheid bereits formell rechtswidrig sei. Darüber hinaus sei das Zeitkonto nicht allein für die EBM-zeitgebundenen Leistungen erstellt, sondern auch für die übrigen Gebührennummern, für die die KV Südbaden selbst erdachte Zeitvorgaben vornehme. Auch sei der Einsatz von Tagesprofilen für die sachlich-rechnerische Prüfung ungeeignet, da die Zeitvorgaben allenfalls geeignet wären, eine gewisse Orientierung zu geben. Ein Arzt könne durchaus mehr als 10 Stunden täglich arbeiten, während den Tagesprofilen häufig vollkommen praxisferne Zeitvorgaben zugrunde lägen. Auch werde nicht berücksichtigt, dass viele Tätigkeiten auch von Angestellten der Praxis ganz oder jedenfalls überwiegend erledigt werden könnten. Eine geschickte Praxisorganisation ermögliche, verschiedene Leistungen parallel zu erledigen, sodass die jeweils aufgewendeten Zeiten nicht voll addiert werden müssten. Am 8. Januar 1996 sei der erste Praxistag nach den Weihnachtsferien gewesen, so dass sie allein deswegen stark frequentiert worden wäre. Praxisgerechte Zeitvorgaben für die GNR 118, 167, 1105 EBM, insbesondere aber die GNR 157 und 378 EBM würden allein an diesem Tag zu einer Reduzierung von rund 3 Stunden führen. Am darauf folgenden Tag sei die Praxis aufgrund der zu Ende gegangenen Weihnachtsferien besonders stark besucht worden. Hinzu käme, dass sie an diesem Tag nachmittags regelmäßig Schwangerschaftssprechstunde habe. Aber auch hier sei sie sicher auf eine Gesamtarbeitszeit von nicht unter 13 Stunden gekommen. Die Apparaturen für die Erbringung der GNR 117 und 118 EBM würden allein von den insoweit ausgebildeten Helferinnen bedient werden, wobei die Beurteilung der Untersuchungsergebnisse höchstens 30 Sekunden andauere. Dies gelte auch für die GNR 175 EBM, da die Blutentnahmen von den Helferinnen selbst durchgeführt würden. Ultraschalluntersuchungen wie auch Krebsvorsorge und Abstrich würden bei einer geschulten Gynäkologin sehr kurz andauern, zumal die Eingriffe teilweise für die Patientinnen schmerzhaft und unangenehm wären.

Unter dem 31. Januar 1997 erstellte die Beklagte ein erneutes Tagesprofil für das Quartal 1/96, wobei sie bei einzelnen Leistungen geringere Zeitvorgaben ansetzte. Dies ergab für das Quartal 1/96 tägliche Gesamtarbeitszeiten von bis zu 15 Stunden und 20 Minuten.

Den Widerspruch wies der Vorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 1997 mit der Begründung zurück, die KV sei aufgrund der Regelungen zur sachlich-rechnerischen Berichtigung auch berechtigt, die Abrechnung einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Hieraus ergebe sich, dass die Ermittlung des Zeitaufwandes für Gesprächsleistungen für jeden einzelnen Arbeitstag zulässig sei. Neben diesen habe die Klägerin auch noch eine Vielzahl an anderen im EBM festgelegten ärztlichen Leistungen erbracht, die ebenfalls in die Plausibilitätsprüfung einzubeziehen wären. Die Heranziehung von sogenannten "Tagesprofilen" sei in der Rechtsprechung anerkannt. In dem Quartal 1/96 habe sie am 4. März 1996 72 Patienten insgesamt 15,31 Stunden (davon 8:55 Stunden zeitgebundene Leistungen), am 8. Januar 1996 68 Patienten insgesamt 15,20 Stunden (davon 11:15 Stunden zeitgebundene Leistungen), am 7. März 1996 59 Patienten mit 14,53 Stunden (davon 9:20 Stunden zeitgebundene Leistungen) und am 9. Januar 1996 64 Patienten mit 15,25 Stunden (davon 11:30 Stunden zeitgebundene Leistungen) lang behandelt. Die von der Klägerin angeführten Praxiszeiten könnten den Umfang der angeforderten Leistungen in zeitlicher Hinsicht nicht erklären. Dies gelte insbesondere, da die Klägerin an vielen Tagen über 8, maximal sogar bis 11,5 Stunden ihres Arbeitstages Leistungen erbringe, die durch den EBM mit Zeitvorgaben versehen seien. Hierbei handele es sich um reine Gesprächsleistungen, die nicht neben anderen Leistungen erbracht werden könnten. Bei den GNR 17, 18 und 851 EBM handle es sich nämlich um Leistungen, die zeitlich geschlossen therapeutisch erbracht würden. Hieraus ergebe sich, dass die Addition von Zeitziffern und zeitbewerteten Ziffern ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe außerdem die GNR 1 EMB in Quartal 1/96 bei konstanter Patientenzahl 1329 mal erbracht, die nicht delegationsfähig sei. Angesichts der hohen Gesamtarbeitszeiten und der großen Zahl an Patientenkontakten spreche viel dafür, dass die zeitgebundenen Leistungen in einem Umfang abgerechnet worden seien, in dem diese Leistungen nicht in einer dem EBM gemäßen Weise erbracht worden sein können.

Gegen den am 9. Mai 1997 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 26. Mai 1997 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), die mit Beschluss vom 27. November 1997 zum Ruhen gebracht (Az.: S 1 KA 1545/97) und nach Wiederanrufung des Verfahrens unter dem Aktenzeichen S 1 KA 3505/98 weitergeführt wurde. Zur Begründung der Klage verwies die Klägerin auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren sowie die Entscheidungen der Kammer in gleichgelagerten Fällen.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 1999 hob das SG den Honorarbescheid vom 17. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1997 auf und verpflichtete die Beklagte, die Quartalsabrechnung ohne Pauschaleinbehalt aufgrund von Plausibilitätsprüfungen und ohne Teilbudgetierung vorzunehmen. Zur Begründung führte es aus, die vorgenommene Honorarkürzung könne nicht auf eine vertraglich vereinbarte Plausibilitätskontrolle gestützt werden, da eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Krankenkassenverbänden nicht bestehe. Die Honorarkürzung könne die Beklagte auch nicht damit rechtfertigen, dass die in dem Quartal eingereichte Abrechnungs-Sammelerklärung der Klägerin unrichtig sei. Um einem Arzt ein unkorrektes Abrechnungsverhalten nachweisen zu können, sei zwar die Erstellung von Tagesprofilen als Beweismittel anerkannt. Der Nachweis, dass die Klägerin in dem streitigen Quartal an einem Tag in vorwerfbarer Weise eine unrichtige Abrechnung vorgelegt habe, sei jedoch nicht geführt. Die Beklagte habe zwar 4 Tage aufgeführt, an denen die ermittelten Gesamtarbeitszeiten zwischen 15 Stunden 31 Minuten und 14 Stunden 53 Minuten betragen haben sollen. Bei Überprüfung dieser Arbeitszeiten sei der Beklagten darin Recht zu geben, dass die Klägerin eine auffällig hohe Zahl von zeitgebundenen Leistungen mit einem zeitlichen Mindestaufwand abrechne. Andererseits könne jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass es sich bei 3 der von der Beklagten herausgegriffenen Tagen um Montage bzw. Donnerstage handle, an denen nach dem Wochenende bzw. dem freien Mittwochnachmittag in der Regel mehr Patienten in der Praxis erschienen. Entscheidend sei jedoch, dass die Beklagte für einzelne Leistungen einen viel zu hohen Zeitaufwand festgesetzt habe. Aus den vorliegenden Zeitrastern der Kassenärztlichen Vereinigungen in Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen und Westfalen-Lippe sowie der Bayern-Liste 3 ergäbe sich, dass die Beklagte überwiegend die höchsten Zeitwerte ansetze, während bei Grundlage der Berliner Tabelle sich für den 4. März 1996 nur noch eine Gesamtarbeitszeit von rund 11 Stunden 15 Minuten statt der von der Beklagten errechneten höchsten Arbeitszeit von 15 Stunden 31 Minuten ergäbe. Rechne man dazu noch Pausen von 1 Stunde hinzu, so ergebe sich eine Gesamtzeit von rund 12 Stunden 15 Minuten, die von einer engagierten Ärztin mit einer großen Praxis im Einzelfall durchaus erbracht werden könne.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 8. März 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31. März 1999 Berufung beim SG eingelegt.

Mit Ausführungsbescheid vom 11. Mai 1999 hat die Beklagte der Klägerin das Honorar für das Quartal 1/96 vorläufig nachgezahlt, das ihr ohne die Beschränkung auf den Fallwert der Fachgruppe zustehen würde.

Mit Beschluss vom 16. Juni 1999 wurde das Verfahren (L 5 KA 1559/99) zum Ruhen gebracht und nach Wiederanrufung vom 06. November 2000 unter dem Aktenzeichen L 5 KA 4454/00 weitergeführt. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, dass die Klägerin an mehreren Tagen im Zeitkonto K 4 (Konto der im EBM zeitbewerteten Leistungen) teilweise enorme Werte aufweise, so am 8. Januar 1996 11 Stunden und 15 Minuten, am 9. Januar 1996 11 und 30 Minuten. Die Zeitraster anderer Kassenärztlicher Vereinigungen seien bei der Durchführung der Prüfung nicht bekannt gewesen. Auf diese käme es auch nicht an. Entscheidend sei vielmehr, ob die Bewertungen nach medizinischem Standard unvertretbar hoch seien. Dies gelte auch für die Frage, inwieweit Leistungen delegierbar wären bzw. im Zusammenhang mit anderen Leistungen erbracht werden könnten, so dass eine schlichte Addition der Einzelzeiten ausscheide. Selbst bei Zugrundelegung der bundesweit kürzesten Zeiten blieben an den herausgezogenen Tagen Zeiten, die nicht plausibel seien (8.1. mit 13,44 Stunden, 9.1. mit 13,08 Stunden, 4.3. mit 13,33 Stunden und 7.3. mit 13 Stunden). Bei der Gesamtwürdigung sei ebenfalls zu berücksichtigen, dass die in den Bescheiden angegebenen Zeiten nur Extremzeiten seien, aber auch an vielen anderen Tagen erhebliche Arbeitszeiten anfielen. Das SG habe außer Acht gelassen, dass sie der Klägerin das von ihr berechnete Honorar nicht schlechthin verweigere. Bei Schätzung auf den neuen Fachgruppendurchschnitt, also unter Berücksichtigung des Wegfalls der rückwirkenden Teilbudgetierung, ergäbe sich ein Betrag von DM 18.327,62, der nicht vergütet würde.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend und ist der Auffassung, dass im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz die Kriterien anderer Kassenärztlicher Vereinigungen zu beachten seien. Auszugehen sei richtigerweise von dem routinierten, flinken und lang geübten Arzt. Dass das Prüfungssystem implausibel sei, werde dadurch belegt, dass die Beklagte im Verlaufe des Verfahrens korrigierte Tagesprofile habe vorlegen müssen, die gravierend voneinander abwichen. Festgehalten werden müsse, dass es sich bei den von der Beklagten herausgesuchten Tagen um Arbeitstage mit besonderen Belastungen gehandelt habe, während kein anderer Tag des Quartals im Zeitkonto 4 einen Wert von mehr als 10 oder gar 11 Stunden aufweise.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Da der Klägerin das Honorar nach Auffassung der Beklagten für das Quartal 1/96 auch nach Aufhebung der rückwirkenden Teilbudgetierung um DM 18.327,62 zu kürzen ist, liegt ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG nicht vor. Der Beschwerdewert von DM 1.000,- ist überschritten.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Honorarbescheid vom 17. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1997 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die abgegebene Sammelerklärung für das Quartal 1/1996 zu Recht als teilweise unrichtig angesehen und das Honorar der Klägerin pro Patient auf den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe geschätzt.

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Frage, ob diese Honorarminderung dem Grunde nach rechtmäßig ist. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist der Ausführungsbescheid vom 11. Mai 1999. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte keine eigene Regelung getroffen, sondern nur das Urteil des SG vorläufig ausgeführt. Zur Höhe der konkreten Honorarminderung brauchte der Senat keine Feststellungen zu treffen. Die Beklagte hält insoweit an der konkreten Höhe der zunächst ausgesprochenen Kürzung nicht mehr fest. Eine neue Regelung ist dazu bisher noch nicht getroffen worden. Die dem Senat vorgelegten Berechnungen dienten zur Abklärung allein des Beschwerdewerts. Aus der Bezugnahme auf den Fallwert der Fachgruppe in dem angefochtenen Bescheid folgt zugleich, dass im Falle einer nachträglichen Änderung des durchschnittlichen Fallwerts der Fachgruppe das Honorar der Klägerin entsprechend nach oben oder nach unten anzupassen ist. Unerheblich ist, weil der angefochtene Bescheid dazu keine Regelungen enthält, daher die Frage, wie sich die Rückgängigmachung der Teilbudgetierung für das Quartal 1/96 konkret auswirkt. Die Beklagte wird nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens der Klägerin zur Höhe der konkreten Honorarminderung einen Bescheid zu erteilen haben. Ob die Höhe der Honorarminderung dann korrekt berechnet worden ist, bleibt der Nachprüfung in den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren vorbehalten.

1.) Die Auszahlung eines geringeren Honorars kann die Beklagte nicht auf Rechtsgrundlagen über eine Plausibilitätsprüfung stützen. Entsprechende gesamtvertragliche Regelungen fehlen.

Nach § 83 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1998 - GRG - (BGBl. I, S. 2477) sind zwar in den Gesamtverträgen auch Verfahren zu vereinbaren, die die Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit durch Plausibilitätskontrollen der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere auf der Grundlage von Stichproben, ermöglichen. Dabei sind Anzahl und Häufigkeit der Prüfungen festzulegen. Nach § 46 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMVÄ), § 42 des Arzt-/Ersatzkassenvertrages (EKVÄ) obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung auch die Prüfung der ärztlichen Abrechnungen durch Plausibilitätskontrollen nach den in den Gesamtverträgen vereinbarten Verfahren (z.B. durch Stichproben). Darüber hinaus sollen gezielte Plausibilitätskontrollen insbesondere dann durchgeführt werden, wenn ein Prüfgremium, eine Krankenkasse oder eine Kassenärztliche Vereinigung begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung eines Vertragsarztes hat. In den Gesamtverträgen ist auch zu regeln, wie die Landesverbände über die Ergebnisse der Plausibilitätskontrolle informiert werden. Auf diesen gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen beruhende gesamtvertragliche Vereinbarungen zwischen der Beklagten und den Krankenkassenverbänden bestehen aber nicht. In Abschnitt 7 des Gesamtvertrages mit der AOK Baden-Württemberg hat die Beklagte zwar vereinbart, dass sie regelmäßig die eingereichten Abrechnungen im Hinblick auf deren Plausibilität prüft. In Abschnitt 7 des Gesamtvertrages sind aber Einzelheiten bezüglich des Verfahrens, wie es § 83 Abs. 2 SGB V vorsieht, nicht vereinbart (so auch BSGE 86, 30). Plausibilitätsprüfungen dienen der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher Leistungserbringung, sind aber kein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung wie sachlich-rechnerische Berichtigung oder Wirtschaftlichkeitsprüfung (so BSGE 86, 30). Die Plausibilitätskontrolle, die der Beklagten nach Abschnitt 7 des Gesamtvertrages zugestanden und als Abrechnungsprüfung zu verstehen ist, kann sich demnach nur auf die Überprüfung im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung (dazu sogleich unter 2.) beziehen (so auch Urteil des Senats vom 19. Januar 2000 - L 5 KA 138/99).

2.) Die Berechtigung der Beklagten, die Honorarabrechnungen der Vertragsärzte auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls die Honorarabrechnungen zu berichtigen, ergibt sich aus § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä), § 34 Abs. 4 des Bundesmantelvertrages Arzt-/Ersatzkassen (EKV-Ä), die auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vereinbart worden sind. Nach diesen Bestimmungen obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honoraranforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Die entsprechende Befugnis ergibt sich weiter aus § 6 Abs. 1 Satz1 des auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V ergangenen Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM) in der in dem Quartal 1/96 geltenden Fassung. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 HVM erstreckt sich die sachliche Richtigstellung auch auf die Plausibilität der abgerechneten Leistungen und die richtige Anwendung des Bewertungsmaßstabes.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können z.B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10, S. 42 f. m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, S. 13 f. und 15; SozR 3-1300 § 45 Nr. 21, S. 67). Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar. Die Festlegung der für eine ärztliche Leistung aufzuwendenden Durchschnittszeit beruht auf ärztlichem Erfahrungswissen. Sie ist deshalb ebenso und in dem Umfang gerichtlich überprüfbar, in dem auch im Übrigen auf ärztlichem Erfahrungswissen beruhende Festlegungen überprüft werden. Bei der Erstellung von Tagesprofilen ist zudem zu beachten, dass bestimmte Leistungen nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand in diesen Fällen also nicht für jede Leistung angesetzt werden darf. Tagesprofile müssen für einen durchgehenden längeren Zeitraum erstellt werden, wobei es angezeigt erscheint, wenigstens ein Abrechnungsquartal heranzuziehen (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 S. 14 f.). Sind Tagesprofile unter Beachtung dieser Kriterien erstellt worden, ist es rechtlich unbedenklich, aus ihnen bei entsprechenden Ergebnissen im Wege des Indizienbeweises auf die Abrechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen durch einen Arzt zu schließen. Ergibt sich in einem Tagesprofil eine tägliche Gesamtarbeitszeit, die der Arzt unmöglich geleistet haben kann, so ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, er könne nicht alle abgerechneten Leistungen vollständig erbracht haben. Da nicht bzw. nicht in vollem Umfang erbrachte Leistungen nicht berechnungsfähig sind (Allgemeine Bestimmungen A I S. 1 EBM), können sie im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung gestrichen werden.

Diese Schlussfolgerung ist ohne weiteres für Tage gerechtfertigt, in denen sich eine Arbeitszeit von über 24 Stunden oder eine nahe an 24 Stunden heranreichende Arbeitszeit aufgrund der abgerechneten Leistungen ergibt. Solche täglichen Arbeitszeiten hat die Beklagte aber bei der Klägerin nicht ermittelt. Die höchste Gesamtarbeitszeit hat nach dem Tagesprofil vom 31. Januar 1997 am 4. März 1996 bei 15 Stunden und 31 Minuten gelegen. Daneben weisen noch folgende Tage sehr hohe Arbeitzeiten aus:

8. Januar 1996 15 Stunden 20 Minuten 9. Januar 1996 14 Stunden 25 Minuten 15. Januar 199614 Stunden 32 Minuten 16. Januar 1996 14 Stunden 27 Minuten 18. Januar 199613 Stunden 12 Minuten 23. Januar 1996 13 Stunden 11 Minuten 5. März 1996 14 Stunden 14 Minuten 7. März 1996 14 Stunden 53 Minuten 19. März 1996 14 Stunden 41 Minuten 21. März 1996 13 Stunden 56 Minuten

An den übrigen Tagen haben die Arbeitszeiten 13 Stunden nicht überschritten. Sie lagen zwar sehr häufig über 11 Stunden, genauso oft betrugen sie aber nicht mehr als 8 Stunden. Arbeitstage mit besonderen Belastungen sind durchaus möglich. Sie rechtfertigen deshalb für sich alleine nicht den Schluss, dass Leistungen abgerechnet worden sind, die nicht bzw. nicht in vollem Umfang erbracht worden sind.

Bei der Klägerin ist allerdings auffällig, dass an den Spitzentagen über die Hälfte der von der Beklagten festgestellten Arbeitszeit auf Leistungen nach den Gebührennummern 17, 18 und 851 EMB entfallen, deren Leistungslegende in dem streitigen Quartal 1/96 wie folgt gelautet haben:

GNR. 17 EBM Intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung, ggfs. unter Einbezie- hung von Bezugspersonen und fremdanamnestischen Angaben, Dauer min- destens 15 Minuten.

GNR. 18 EBM Zuschlag zu den Leistungen nach Nrn. 10, 11 und 17 bei einer Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten.

GNR 851 EBM Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen unter syste- matischer Nutzung der Arzt-Patienten-Interaktion, je Sitzung (Dauer min- destens 15 Minuten).

Aufgrund der Tagesprofile ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Klägerin nicht alle dieser Leistungen ordnungsgemäß erbracht hat.

Mit den GNR 17 und 851 EBM werden besondere ärztliche Gespräche vergütet, für die eine Mindestdauer von 15 Minuten vorgesehen war. Diese Mindestzeitdauer hat die Beklagte bei der Erstellung der Tagesprofile zugrunde gelegt. Die Leistungen nach den GNR 17 und 851 EBM sind nicht delegierbar. Vielmehr muss der Arzt das Gespräch, das mit diesen Leistungen vergütet wird, selbst mit dem Patienten führen. Während der mit diesen GNR vergüteten Gesprächen können andere Leistungen nicht zeitgleich erbracht werden. Denn aus dem Leistungsinhalt ergibt sich, dass das mit diese GNR vergütete Gespräch zwischen dem Arzt und dem Patienten bzw. die ärztliche Beratung umfangreiche Kenntnisse über den jeweiligen Patienten voraussetzt.

Am 8. Januar 1996 hat die Klägerin 24 mal die GNR 17 EBM, 2 mal die GNR 18 EBM und 19 mal die GNR 851 EBM berechnet. Die Klägerin muss daher an diesem Tag insgesamt 43 ausführliche und intensive Gespräche mit 43 unterschiedlichen Patienten geführt haben, wobei sie insgesamt 68 Patienten behandelte, davon 2 Patienten jeweils eine halbe Stunde lang, wie sich aus der weiteren Abrechnung der GNR 18 EBM ergibt. Dies sind auch keine normale Beratungen eines Kranken, sondern vielmehr über das normale Maß hinausgehende Beratungen, die eine hohe Konzentration erfordern und nicht nur nebenbei oder gar mit größeren Unterbrechungen geführt werden können. Die GNR 851 EBM sieht eine eingehende verbale Kommunikation im Zusammenhang mit einer somatischen Erkrankung vor und die GNR 17 EBM verlangt das Vorliegen einer "nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung." Nebenbei hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits fraglich ist, ob die Abrechnung der GNR 17 EBM während Schwangerschaftssprechstunden überhaupt gerechtfertigt ist, da Schwangerschaft keine lebensverändernde Erkrankung darstellt.

Selbst wenn die Klägerin die Mindestzeiten von jeweils 15 Minuten strikt eingehalten hätte - was nach Ansicht des mit einem Gynäkologen und einem Hausarzt fachkundig besetzten Senats allerdings sehr unwahrscheinlich sein dürfte -, hat sie am 8. Januar 1996 allein 11 Stunden und 15 Minuten lang derartig schwierige Gespräche geführt. Angesichts der hohen Konzentration, die diese Gespräche erfordern, ist es nach Ansicht des fachkundig besetzten Senats nicht möglich, in diesem Umfang derartige Gespräche an einem Tag zu leisten. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass bei den 43 Patienten, bei denen die intensiven Gespräche geführt worden sind, bei dem einen oder anderen vor dem Gespräch noch diagnostische Tätigkeiten erfolgt sind. In diesem Fall erhöht sich der Zeitaufwand für den Patienten. Daneben hat die Klägerin noch 25 weitere Patienten behandelt, ihre Tätigkeit durch die Einnahme von Mahlzeiten unterbrochen und außerdem an dem selben Tag noch Patienten behandelt, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.

Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich, dass am 8.1.1996 jedenfalls ein Teil der Leistungen nach den GNR 17, 18 und 851 nicht ordnungsgemäß erbracht sein können.

Dieser Tag ist bezüglich dieser GNRn kein Ausreißer gewesen. Auch an anderen Tagen mit hohen Gesamtarbeitszeiten machen die Leistungen dieser GNRn den wesentlichen Teil der täglichen Behandlungszeit aus. So hat die Klägerin am 9. Januar 1996 25 mal die GNR 17 EBM und 21 mal die GNR 851 EBM, mithin 11 Stunden und 50 Minuten Gesprächsleistungen abgerechnet. Für den 7. März 1996 ist eine Abrechnung in Höhe von 17 mal der GNR 17 EBM und 19 mal der GNR 851 EBM, d.h. insgesamt 9 Stunden reine Gesprächsleistung erfolgt. Am 4. März 1996 wurde die GNR 17 EBM 20 mal und die GNR 851 EBM 15 mal abgerechnet, d.h. insgesamt 8,75 Stunden.

Insgesamt lassen die Tagesprofile deshalb den Schluss zu, dass die Klägerin jedenfalls die Leistungen nach der GNR 17, 18 und 851 EBM nicht ordnungsgemäß erbracht hat. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob die Zeitvorgaben für weitere Leistungen von der Beklagten zutreffend angesetzt worden sind.

Auch der eigene Vortrag der Klägerin gegenüber dem Senat lässt nur den Rückschluss darauf zu, dass sie die Leistungen der GNR 17 und 851 EBM nicht ordnungsgemäß erbracht hat. Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass sie diese zeitgebundenen Leistungen gleichzeitig mit anderen, ebenfalls zeiterfordernden Leistungen erbracht hat. Die Schnelligkeit, mit der sie stets die anderen von ihr abgerechneten Leistungen erbracht haben will, legt im Übrigen den Verdacht nahe, dass sie auch diese Leistungen nicht immer vollständig erbracht haben könnte. Dies kann im Ergebnis aber auf sich beruhen, weil allein schon wegen der zeitgebundenen Leistungen Implausibilität vorliegt.

Es ist nicht erforderlich, für jeden Tag jede Leistung - insbesondere Leistungen nach den GNR 17 und 18 sowie 851 EBM - zu überprüfen, ob sie in vollem Umfang erbracht worden ist. Denn die mit der jeweiligen Abrechnung von der Klägerin abgegebene Abrechnungs-Sammelerklärung ist aufgrund des zuvor Gesagten unrichtig.

Die an sich für jeden Behandlungsausweis gebotene Erklärung des Vertragsarztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der Leistungen wird aufgrund der für den Vertragsarzt bindenden Bestimmungen und des gesetzlichen Rechtes durch eine sogenannte Abrechnungs-Sammelerklärung ersetzt (vgl. §§ 35 Abs. 2 S. 3, 42 Abs. 3 BMV-Ä; §§ 43 Abs. 1, 35 Abs. 3 EKV-Ä). Nach diesen Regelungen, denen nach der Rechtsprechung des BSG normative Wirkung zukommt, ist die Abgabe einer - ordnungsgemäßen - Abrechnungs-Sammelerklärung eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruches eines Vertragsarztes auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen. Mit ihr garantiert der Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen (bzw. heute Datenträgern) zutreffen. Die ordnungsgemäß erstellte Abrechnungs-Sammelerklärung ist eine eigenständige Voraussetzung für das Entstehen des Honoraranspruches. Erweist sich die Erklärung wegen abgerechneter, aber nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen als falsch, erfüllt sie ihre Garantiewirkungen nicht mehr, es sei denn, es läge lediglich ein Fall schlichten Versehens vor. Wenn die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfällt und damit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches des Vertragsarztes fehlt, ist der auf der Honorarabrechnung des Vertragsarztes in Verbindung mit seiner Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Die Kassenärztliche Vereinigung ist zumindest berechtigt, wenn nicht verpflichtet, den entsprechenden Honorarbescheid aufzuheben und das Honorar neu festzusetzen. Die Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Damit entfällt für die Beklagte grundsätzlich die Verpflichtung, als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides dem Arzt mehr als eine unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Sie ist rechtlich nicht gehalten, in allen Behandlungsfällen, in denen sie unrichtige Abrechnungen vermutet, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen. Im Ergebnis liegt somit das Honorarrisiko auf Seiten des Vertragsarztes, der in seiner Honorarabrechnung unrichtige Angaben gemacht hat (vgl. zum Ganzen BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1, S. 3 ff.).

Die von der Klägerin mit den Abrechnungen für die Quartale 1/96 abgegebene Abrechnungs-Sammelerklärung ist unrichtig. Denn aufgrund der Tagesprofile steht fest, dass die Klägerin die Leistungen nach der GNR 17, 18 und 851 EBM jedenfalls in nicht unerheblichen Teilen nicht ordnungsgemäß erbracht haben kann.

Die Unrichtigkeit der von der Klägerin abgegebenen Abrechnungs-Sammelerklärung beruht zumindest auf grober Fahrlässigkeit. Insoweit ist an die Regeln des Sozialverwaltungsverfahrens über die Aufhebung von Verwaltungsakten gemäß §§ 45, 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) anzuknüpfen (vgl. BSG a.a.O.), nach denen ein Begünstigter u.a. dann nicht auf die Bestandskraft eines begünstigenden Verwaltungsaktes vertrauen kann, soweit der Verwaltungsakt auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig gemachten Angaben des Begünstigten beruht (vgl. §§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Die Leistungslegende der GNR 17, 18 und 851 EBM ist hinsichtlich des zeitlichen Mindestumfanges von 15 Minuten bzw. mehr als 30 Minuten eindeutig. Da die Gebührenordnungen schon seit Jahren bei verschiedenen GNR, insbesondere bei Gesprächsleistungen Mindestzeiten enthalten, muss jedem Vertragsarzt klar sein, dass die Leistungslegende nur dann erfüllt sein kann, wenn das Gespräch die vorgeschriebene Mindestzeit gedauert hat. Des Weiteren ergibt sich aus der Leistungslegende eindeutig, dass nicht jedes Gespräch mit einem Patienten, das mindestens 15 Minuten dauert, mit diesen GNR berechnet werden kann.

Ist die Abrechnungs-Sammelerklärung unrichtig, ist die Beklagte berechtigt, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Bei der Schätzung besteht kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. Sie gehört zu den Tatsachenfeststellungen. Das Gericht hat sie deshalb selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.). In Fällen von Abrechnungsmanipulationen hat es das BSG als rechtmäßig angesehen, wenn das Honorar in Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe festgesetzt wird (BSG a.a.O.).

Der mit Schriftsatz vom 22. Mai 2002 vorgelegten Berechnung entnimmt der Senat, dass der Kürzungsbetrag DM 18.327,62 beträgt. Insoweit steht jedenfalls fest, dass es sich bei der Honorierung unter Ansatz des Fachgruppendurchschnitts im angefochtenen Bescheid um einen die Klägerin belastenden Verwaltungsakt gehandelt hat. Die Schätzung des Honoraranspruchs der Klägerin auf den Durchschnitt der Fachgruppe hält der Senat in dem hier streitigen Quartal für sachgerecht. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin, auch wenn sie die abgerechneten Leistungen an einigen Tagen nachweislich nicht ordnungsgemäß erbracht hat, sie ohne Zweifel auch zahlreiche Leistungen ordnungsgemäß erbracht hat. Für die Zugrundelegung des Durchschnitts spricht, dass die Praxis der Klägerin durchschnittlichen Zuschnitt hat und es sich dabei um keine Spezialpraxis mit abweichendem Abrechnungsprofil gehandelt hat. Der Ansatz des Durchschnitts des Fallwerts der Fachgruppe erscheint zudem aus der Überlegung gerechtfertigt, dass die Vielzahl der ordnungsgemäß behandelnden und abrechnenden Ärzte bei durchaus vergleichbarem Patientengut die dem Fallwert zugrunde liegenden Leistungen tatsächlich erbracht haben. Anzunehmen ist, dass die Klägerin, hätte sie in gleicher Weise ordnungsgemäß abgerechnet, auch einen vergleichbaren Fallwert erreicht hätte. Umstände, die gegen diese Annahme sprechen, sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Die Aufwendungen der Beklagten sind erstattungsfähig. § 193 Abs. 4 S. 2 SGG ist zwar durch Art. 1 Nr. 66 Buchst. b des 6. Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I, S. 2144) mit Wirkung zum 2. Januar 2002 aufgehoben worden. Eine Übergangsvorschrift für vor dem 2. Januar 2002 anhängig gewordene Verfahren enthält das 6. SGGÄndG nicht. Allerdings hat sich durch das 6. SGGÄndG an der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beklagten nichts geändert. Sie ergibt sich nunmehr aus § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der allerdings auf vor dem 2. Januar 2002 anhängig gewordene Verfahren nicht anzuwenden ist (Art. 17 Abs. 1 S. 2 6. SGGÄndG). Bei dieser Sachlage kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber für die vor dem 2. Januar 2002 anhängig gewordenen Verfahren die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beklagten hat beseitigen wollen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat hält sich an die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze. Zudem hat das BSG die Nichtzulassungsbeschwerde in einem vergleichbaren Verfahren (vgl. Urteil des Senats vom 19.1.2000 - L 5 KA 138/99) verworfen (vgl Beschluss vom 31.08.2000 - B 6 KA 23/00). Da jenem Verfahren ein praktisch identischer Sachverhalt zu Grunde lag und der Senat die Rechtslage in gleicher Weise beurteilt, besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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