L 5 KR 214/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KR 14/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 214/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 12/01 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.05.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Gewährung einer höheren Vergütung für von ihr erbrachte krankengymnastische Leistungen.

Sie betreibt eine krankengymnastische Praxis in B ..., ist als Leistungserbringerin im Sinne des § 124 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zugelassen und erbringt fortlaufend Leistungen an Versicherte der Beklagten. In Ermangelung einer aus drücklichen vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Höhe der Vergütung bezahlt die Beklagte die von der Klägerin erbrachten Leistungen nach Maßgabe der Anlage 2 des Vertrages zwischen den Landesverbänden im Zentralverband der Krankengymnasten/Physiotherapeuten (ZVK) e.V., Köln, dem Bundesverband Selbständiger Physiotherapeutinnen (IFK) e.V., Bochum, der Vereinigung der Selbständigen Krankengymnasten (VSK) e.V., Berlin, und den Landesvertretungen des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V., Siegburg und des Arbeiterersatzkassenverbandes e.V., Siegburg (im Folgenden: ZVK/VDAK -Vertrag).

Entsprechend diesen (üblichen) Vergütungssätzen stellte die Klägerin der Beklagten für die krankengymnastische Behandlung des am 19.06.2000 verstorbenen Versicherten, dessen Rechtsnachfolgerin die Beigeladene ist, über den Abrechnungsdienst O ..., Abrechnungszentrum Dr. G ... GmbH, S ..., mit Sammelrechnung vom 20.07.1998 insgesamt 321,-- DM in Rechnung. Dieser Rechnungsbetrag war nicht um den gemäß § 32 Abs. 2 SGB V zu tragenden Eigenanteil des Versicherten, der nicht nach den §§ 61, 62 SGB V von der Zuzahlung zu Heilmitteln befreit war, in Höhe von 15 % gekürzt.

Die Beklagte verweigerte deshalb die Bezahlung der Rechnung insgesamt und berief sich zur Begründung darauf, dass auch eine teilweise Begleichung der Rechnung (in Höhe von 85 %) nicht möglich sei, weil der Abrechnungsdienst O ... regelmäßig auf einer Rückgabe der Originalunterlagen bestehe, sofern eine Rechnung auch nur teilweise nicht beglichen werde.

Die Klägerin hat am 15.01.1999 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben und während des laufenden Streitverfahrens erweitert: Die Beklagte habe auch die für die weitere krankengymnastische Behandlung des Versicherten über die Firma O ... eingereichten Rechnungen (Sammelrechnung vom 20.10.1998, 20.12.1998 und März 1999 in Höhe von jeweils 550,-- DM) aus den gleichen Gründen nicht beglichen; insgesamt ergebe sich damit ein Betrag in Höhe von 1.971,-- DM.

Die Klägerin hat zunächst die Ansicht vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, an sie die vollen Rechnungsbeträge (einschließlich des Eigenanteils des Versicherten) nebst einem Verwaltungskostenzuschlag in Höhe von 10 %, den Abrechnungsgebühren der Firma O ... in Höhe von 1 % sowie Portokosten und Zinsen in Höhe von 10 % ab dem 01.08.1998 zu zahlen.

Schließlich hat sie die Auffassung geäußert, dass die Beklagte die von ihr gegenüber dem Versicherten erbrachten Leistungen nach der von ihr, der Klägerin, festgesetzten Preisliste zu vergüten habe. Nach dieser Preisliste ergebe sich für die krankengymnastische Behandlung des Versicherten ein Vergütungsanspruch in Höhe von 3.144,50 DM. Es könne nicht rechtens sein, dass sie sich als Leistungserbringerin dem Preisdiktat der Beklagten unterwerfen müsse. Vielmehr müsse ihr das Recht eingeräumt werden, die Vergütung der Höhe nach zu bestimmen, da es seit Jahren am Verhalten der Beklagten bzw. ihres Verbandes scheitere, dass vertraglich die Höhe der Vergütungen festgelegt werde.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 3.144,50 DM zu verurteilen und den Betrag jeweils ab Einreichung der Rechnung mit 10 v.H. zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.05.2000 anerkannt, der Klägerin den ursprünglich geltend gemachten Rechnungsbetrag in Höhe von 1.971,-- DM abzüglich des Eigenanteils des Versicherten in Höhe von 15 % zu zahlen. Für den darüber hinausgehen den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer höheren Vergütung auf der Grundlage der von ihr selbst herausgegebenen Preisliste sei eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Der Selbstbehalt des Versicherten in Höhe von 15 % sei von den VdAK-Sätzen abzuziehen. Dies ergebe sich aus § 43 b SGB V.

Der beigeladene Versicherte hat keinen Antrag gestellt.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 15.05.2000 verurteilt, an die Klägerin 1.675,35 DM nebst Zinsen zu zahlen. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 13.10.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.11.2000 Berufung eingelegt.

Sie ist (weiter) der Ansicht, dass sie von der Beklagten die Vergütung der von ihr an den Versicherten erbrachten krankengymnastischen Leistungen nach Maßgabe ihrer eigenen Preisliste, der eine betriebswirtschaftliche Kalkulation zugrundeliege, verlangen könne; abzüglich des von der Beigeladenen gezahlten Eigenanteils in Höhe von 180,-- DM ergebe sich damit ein noch offenstehender Betrag in Höhe von 1.299,15 DM. Hilfsweise stützt sie den Zahlungsanspruch darauf, dass ihr Verwaltungskosten in Höhe von 10 % sowie eine Abrechnungspauschale in Höhe von 1 % (Firma O ...) sowie 5,-- DM Briefporto zu erstatten seien.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Änderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 15.05.2000 zu verurteilen, an sie einen Betrag von 1.299,15 DM zu zahlen und diesen Betrag ab jeweils ca. 4 Wochen nach Rechnungslistendatum mit 10 % zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Zulässigkeit des Sozialrechtswegs ergibt sich aus § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach dem SGB V aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen zuständig sind. Vorliegend handelt es sich um eine derartige Streitigkeit, denn die Klägerin verlangt die Zahlung einer höheren Vergütung für die von ihr erbrachten krankengymnastischen Leistungen. Diesen Anspruch leitet sie aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsverhältnis ab; gleiches gilt für den hilfsweise zur Begründung der Klageforderung geltend gemachten vertraglichen Schadensersatzanspruch.

Die auf Zahlung gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Mit der echten Leistungsklage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Voraussetzung ist mithin das Bestehen eines Gleichordnungsverhältnisses zwischen den Beteiligten. Eine gesetzliche Ermächtigung der Krankenkassen zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber den privaten Leistungserbringern besteht ebenso wie ein Über-Unterordnungsverhältnis nicht (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.1990, Az. 3 RK 11/88, SozR 3-2200 § 376 d Nr. 1). Hieran hat sich durch die Einführung des § 124 SGB V nichts geändert, weil diese Vorschrift nur die Frage der Zulassung, nicht aber die hier zu entscheidende Frage der Abrechnung der erbrachten Leistungen betrifft.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines (weiteren) Betrages in Höhe von 1.299,15 DM.

Die Klägerin kann von der beklagten Krankenkasse für die krankengymnastische Behandlung des Versicherten keine Vergütung nach Maßgabe ihrer privaten Preisliste verlangen; ein höherer Vergütungsanspruch als der vom Sozialgericht entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten zugesprochene Betrag von 1675,35,--DM besteht nicht.

Aufgrund der wirksamen Zulassung als Leistungserbringerin im Sinne des § 124 SGB V steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung der Leistungen zu, die von ihr zu Gunsten des Versicherten erbracht worden sind. Die Zulassung setzt nach § 124 Absatz 2 Nr.4 SGB V voraus, dass der Leistungserbringer die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt. Deshalb ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Leistungserbringer mit dem Zulassungsantrag stillschweigend die bestehenden Preisvereinbarungen anerkennt (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17.01.1996, SozR 3-2500 § 124 Nr.3). Ob hier eine derartige konkludente Anerkennung der Vergütungssätze des ZVK/VDAK-Vertrages durch den Zulassungsantrag der Klägerin eben falls erfolgt ist, oder ob hier etwas anderes deshalb zu gelten hat, weil die Klägerin ihren Zulassungsantrag möglicherweise vor in Krafttreten des ZVK/VDAK-Vertrages gestellt hat, kann offen bleiben. Die Klägerin hat nämlich die Vergütungssätze des ZVK/VDAK-Vertrages jedenfalls stillschweigend dadurch anerkannt, daß sie die Versicherten der Beklagten - auch den früheren Beigeladenen - fortlaufend behandelt und von der Beklagten (auch im Falle des Versicherten zunächst nur) diese übliche Vergütung (über den Abrechnungsdienst O ...) verlangt hat. Diesem in einer Vielzahl von Behandlungen von Versicherten der Beklagten geübten Verhalten der Klägerin kann nur der Erklärungswert beigemessen werden, dass die Klägerin die bestehenden Preisvereinbarungen anerkennt; der Klägerin ist bewußt, dass die Beklagte nicht bereit ist, für die Behandlung ihrer Versicherten durch die Klägerin eine höhere Vergütung zu zahlen.

Ein Anspruch der Klägerin auf höhere Vergütung würde sich aber auch dann nicht ergeben, wenn man nicht von einer konkludenten Anerkennung der Vergütungssätze des ZVK/VDAK-Vertrages durch die Klägerin ausginge, sondern vielmehr annähme, zwischen Klägerin und Beklagter habe lediglich Einvernehmen darüber bestanden, dass die Klägerin Leistungen an Versicherte der Beklagten habe erbringen dürfen - ohne die Höhe der Vergütung zu bestimmen. Gemäß der dann Anwendung findenden Vorschrift des § 612 Absatz 2 BGB bestimmt sich die Höhe der Vergütung in diesem Fall nach der "üblichen Vergütung", weil eine taxmäßige Vergütung nicht besteht. Als taxmäßige Vergütung kommen nur nach Bundes- oder Landesrecht zugelassene und festgelegte Vergütungssätze (z.B. Gebühren) in Betracht (vergl. Palandt-Putzo, BGB, Kommentar, 60.Aufl., § 612 Rdnr.7). Hierunter fallen die Vergütungssätze des ZVK/VDAK-Vertrages nicht. Diese sind jedoch als übliche Vergütung im Sinne des § 612 Absatz 2 BGB anzusehen (vergl. BSG Urteil vom 17.01.1996 aaO). Die Beklagte vergütet nach diesen vertraglichen Sätzen die Behandlung ihrer Versicherten durch die übrigen in Nordrhein-Westfalen ansässigen Leistungserbringer. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass für privat Krankenversicherte, aber auch Versicherte von Krankenkassen, die nicht dem VDAK angehören, andere Vergütungssätze gelten. Die Üblichkeit einer Vergütung lässt sich nur unter Berücksichtigung und Würdigung sachlicher Unterschiede im Zusammenhang mit der Erbringung der betreffenden Leistung bestimmen. Für die Vergütung krankengymnastischer Leistung ist von je her entscheidend gewesen, wie bzw. wo der jeweilige Leistungsempfänger krankenversichert ist. Diesen Unterschieden trägt auch die Klägerin bei der Gestaltung ihrer Preisliste (z.B. Stand 01.01.2000) Rechnung, differenziert sie hier doch nach "RVO-Kassen", "Ersatzkassen", "Berufsgenossenschaften"und ihren Privatsätzen. Deshalb kann bei der Bestimmung der üblichen Vergütung in diesem Fall nur auf die Versicherten der Angestelltenkrankenkassen abgestellt werden.

Ein einseitiges, der Klägerin zustehendes Recht zur Bestimmung der Höhe der Vergütung gemäß § 316 BGB besteht nicht. Diese Vorschrift, die eine Auslegungsregel darstellt, setzt voraus, dass dieses einseitige Bestimmungsrecht dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der Vertragspartner bei Vertragsschluß entsprochen hat (vergl. BSG Urteil vom 24.01.1990, SozR 3220 § 376d Nr.1). Gerade dies ist hier nicht anzunehmen. Die Beteiligten sind zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass der Klägerin ein derartiges einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Höhe der Vergütung zustehen sollte (vgl. BSG a.a.O.).

Der sich danach - ausgehend von den Vergütungssätzen des ZVK/VDAK-Vertrages - ergebende Zahlungsanspruch ist um den gemäߧ 32 Absatz 2 Satz 1 SGB V von dem Versicherten zu tragenden Eigenanteil in Höhe von 15 v.H. zu kürzen, so dass von der Beklagten - wie das Sozialgericht Köln zu Recht festgestellt hat - ein Betrag von 1675,35-- DM (1971,00-- DM aufgrund der Vergütungssätze des ZVK/VDAK-Vertrages abzüglich des Eigenanteils des Versicherten in Höhe von 15 v.H.) zu zahlen ist. Die Kürzung um den Eigenanteil des Versicherten mußte erfolgen, weil der Gesetzgeber den Leistungserbringern, also auch der Klägerin, gemäß § 43b Satz 1 SGB V die Verpflichtung auferlegt hat, ihn vom Versicherten einzuziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch zu verrechnen. Die Voraussetzungen von § 43 b Satz 2 SGB V sind nicht erfüllt; die Klägerin hat dem Versicherten eine gesonderte schriftliche Aufforderung nicht erteilt. Diese war auch nicht etwa wegen des Gesundheitzustands des Versicherten entbehrlich. Für eine derartige Ansicht bieten weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift irgendeinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil: Im Regelfall dürften Angehörige bzw. - wie hier - die Betreuer anstelle des Versicherten auf die Zahlungsauforderung der Leistungserbringer hin tätig werden, so dass die Zahlungsaufforderung im Sinne des § 3b Satz 2 SGB V auch im Falle von schwerkranken und pflegebedürftigen Versicherten durchaus Sinn macht.

Auch der hilfsweise gestellte Schadensersatzanspruch, den die Klägerin offenbar aus einer positiven Vertragsverletzung der Beklagten ableiten will, ist nicht gegeben. Voraussetzung wäre in jedem Fall eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten, die bei der Klägerin zu einem entsprechenden Schaden geführt hätte. Eine der artige Pflichtverletzung der Beklagten ist hier jedoch nicht erkennbar. Vielmehr ist die Klägerin ihrer gesetzlichen Verpflichtung (§ 43 b SGB V) nicht nachgekommen, den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil vom Rechnungsbetrag abzusetzen und diesen beim Versicherten selbst einzuziehen. Allenfalls dieses Versäumnis war ursächlich für die der Klägerin entstandenen Mehraufwendungen.

Da ein (weiterer) Zahlungsanspruch der Klägerin nicht besteht, entfällt auch der geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
Aus
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