Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 38/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 25/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. April 2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. September 2000 Leistungen nach Pflegestufe II zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Klageverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen aus der privaten Pflegepflichtversicherung des Klägers streitig.
Der 1995 geborene Kläger beantragte am 23.02.1995 Leistungen aus der Pflegeversicherung und legte ein Attest des Allgemeinarztes Dr.S. vor, wonach bei ihm ein Zustand nach kompletter Querschnittslähmung T a 12 mit Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung nach BWK-12-Fraktur am 03.07.1994 vorliegt, neben einer endogenen Psychose, einem Zustand nach subkapitaler Humerusfraktur links und Rippenserienfraktur rechts sowie Lungenkontusion mit Dauerschmerzen. Nach Einholung eines Gutachtens des Dr.U. sagte die Beklagte mit Schreiben vom 26.09.1996 Leistungen nach Pflegestufe I zu.
Im Auftrag der Beklagten erstellte die Ärztin Dr.H. nach Untersuchung des Klägers ein Gutachten vom 18.09.2000, in dem sie einen Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche und beim Duschen von jeweils 20 Minuten, bei der Darm- und Blasenentleerung von 45, beim An- und Auskleiden von 20 Minuten sowie beim Verlassen/ Wiederaufsuchen der Wohnung anlässlich der Arztbesuche von drei Minuten, in der Grundpflege somit von 108 Minuten annahm.
Mit Schreiben vom 25.09.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es bleibe bei Leistungen der Pflegestufe I, die Leistungszusage vom 26.09.1996 behalte weiterhin Gültigkeit.
Der Kläger machte mit Schreiben vom 02.10.2000 einen Anspruch auf Leistungen der Pflegestufe III geltend. Für die Beklagte erstellte sodann Dr.K. ein "Obergutachten" vom 27.02.2001 nach Untersuchung am 23.02.2001. Der Grundpflegebedarf betrage 115 Minuten, der Bedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung 45 Minuten. Mit Schreiben vom 07.03.2000 lehnte die Beklagte weiterhin die Bewilligung höherer Leistungen ab.
Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Diese hat das SG nach Einholung von Befundberichten mit Urteil vom 15.04.2002 abgewiesen. Die Anwendbarkeit des § 64 des Versicherungsvertragesetzes (VVG) führe bei Streitigkeiten über die Leistungspflicht in der privaten Pflegeversicherung im Ergebnis zu einer Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle. Sowohl der Versicherer als auch der Versicherungsnehmer könnten im Prozess eine Überprüfung des Gutachtensergebnisses auf der Grundlage des § 64 VVG verlangen. Von Seiten des Klägers sei nicht vorgetragen worden, das Gutachten des Dr.K. vom 23.02.2001 sei nicht verbindlich, weil es von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche. Aufgrund der vorgelegten ärztlichen Äußerungen, der Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Nürnberg und der Beklagtenakte lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Gutachten des Dr.K. von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche.
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, entgegen der Auffassung des SG weiche das Gutachten des Dr.K. von der wirklichen Sachlage erheblich ab. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei dem ca. 4-mal täglichen Kleiderwechsel wegen Verunreinigungen 20 Minuten, also pro Kleiderwechsel nur 5 Minuten, angesetzt würden. Er sei im Bereich der unteren Extremitäten komplett querschnittgelähmt und wiege über 80 kg. Da er keinerlei Beitrag zur hauswirtschaftlichen Versorgung leisten könne, könne der hierfür erforderliche Bedarf nicht mit weniger als 60 Minuten bewertet werden.
Im Auftrag des Senats hat die Sachverständige Dr.B. den Kläger am 05.06.2003 zu Hause aufgesucht. In der Grundpflege betrage der Hilfebedarf im Tagesdurchschnitt 133 und in der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten.
Für die Beklagte hat Dr.W. dem Gutachten insoweit widersprochen, als 16 Minuten für Aufstehen/Zubettgehen und 3 Minuten für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung angesetzt worden sind; allein diese Punkte bewirkten eine Diskrepanz von 18 Minuten in der Grundpflege. Hierzu hat Dr.B. in der ergänzenden Stellungnahme vom 23.09.2003 ausgeführt, sie habe das Bereitstellen der Mahlzeiten mit 3 Minuten bewertet. Beim Transfer in und aus dem Rollstuhl werde vom Kläger vollständige Hilfe benötigt. Während Dr.K. von fünf Transferleistungen täglich ausgegangen sei, seien bei genauer Durchsicht der Unterlagen 12 Transfers erforderlich.
In dem Termin am 18.11.2003 ist die Pflegeperson S. als Zeugin vernommen worden; bezüglich ihrer Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Hierzu hat der Kläger vorgetragen, die Feststellungen im Gutachten der Dr.B. seien durch die Zeugenaussage nicht widerlegt worden. Wenn die Beklagte darauf hinweise, dass die in den Gutachten ausgewiesenen Transferzeiten nicht in der angesetzten Höhe berücksichtigungsfähig seien, so sei zu bedenken, dass der Gesamtansatz für die erforderliche Pflege 133 Minuten am Tag betrage. Im Übrigen habe die Zeugin auch bestätigt, dass außer ihr noch Nachbarn und Mitarbeiter der Diakoniestation Pflegeleistungen erbrächten. Selbst wenn vier Minuten für Transfers, die der Kläger allein bewirken könne, abgezogen würden, betrügen die Pflegeleistungen noch 129 Minuten.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach der Pflegestufe III ab 01.01.1996, hilfweise ab September 2002 und hilfsweise nach der Pflegestufe II zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Aussage der Zeugin bestätige, dass der Kläger Transfers - zumindestens ganz überwiegend - alleine verrichten könne, so z.B. nach dem Duschen alleine zurück in das Bett gelangen könne.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtzüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als teilweise begründet. Der Kläger hat für die Zeit ab 01.09.2000 Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe II. Die Voraussetzungen für höhere Leistungen liegen allerdings nicht vor.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 1 Abs.8 Buchstabe b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung - Bedingungsteil - (MB/PPV 1996), da er für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung im Tagesdurchschnitt Hilfe im Umfang von mindestens drei Stunden benötigt, wobei auf die Grundpflege wenigstens zwei Stunden entfallen. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich aus dem Gutachten der Dr.B. , dass der zeitliche Umfang der Grundpflege zumindest 120 Minuten und der hauswirtschaftlichen Versorgung wenigstens 60 Minuten beträgt.
Aus diesem Gutachten ergibt sich gleichzeitig, dass das Gutachten des Dr.K. , auf das sich die Beklagte stützt, im Sinne des § 64 Abs.1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Auch wenn die von Dr.B. angegebenen Pflegezeiten, soweit sie anzuerkennen sind, in nur relativ geringem Maße höher sind als die von Dr.K. angenommenen, so besteht die "Erheblichkeit" der Abweichung darin, dass bereits die Annahme von zusätzlichen Grundpflegezeiten von 5 Minuten den Anspruch auf die höheren Leistungen nach Stufe II begründet. Wesentlich ist, dass die Notwendigkeit zusätzlicher Pflegezeiten von wenigstens 5 Minuten hinreichend nachgewiesen ist.
Dem SG ist nicht zu folgen, wenn es aus der Anwendung des § 64 VVG eine Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle ableitet. Dies würde zum einen den nach § 103 SGG geltenden Grundsatz der Amtsermittlungspflicht verletzen und zum anderen dem sich aus § 23 Abs.1 Satz 2 SGB XI ergebenden Grundsatz der Gleichwertigkeit der Ansprüche der Privatpflegeversicherten und der gesetzlich Versicherten widersprechen. Ob ein von einem privaten Pflegeversicherer eingeholtes Gutachten von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht, kann das Gericht in aller Regel nicht selbst beurteilen, da es zum einen die Pflegesitutation des Versicherten in seiner häuslichen Umgebung nicht selbst untersucht hat, und zum anderen grundsätzlich nicht über den Sachverstand verfügt, um die erforderlichen Pflegezeiten zutreffend zu bewerten. Deshalb wird es in aller Regel die Hilfe eines entsprechenden Sachverständigen in Anspruch zu nehmen haben, um feststellen zu können, ob das Gutachten des Versicherers von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht.
Eine solche erhebliche Abweichung ist, wie bereits dargelegt, von Dr.B. überzeugend aufgezeigt worden. Dies gilt nicht für den Bereich der Körperpflege, in dem Dr.B. den Pflegebedarf gegenüber dem Gutachten des Dr.K. nur mit 70 statt 75 Minuten bewertet hat. Ebenfalls gilt dies nicht für den Bereich der Ernährung, da insoweit Dr.B. zu Unrecht für die Zubereitung der Nahrung drei Minuten angesetzt hat; insoweit ist der Beklagten zu folgen, dass die Bereitstellung der Nahrung der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen ist, der Kläger im Übrigen bei der Einnahme der Nahrung selbst keiner Hilfe bedarf.
Die wesentliche Abweichung besteht in der Bewertung des Pflegebedarfes im Bereich der Mobilität. Angesichts der kompletten Lähmung der Beine und des Umstandes, dass der Kläger ein Körpergewicht von 80 kg aufweist, sind für das Umlagern, wie von Dr.B. angenommen, wenigstens 8 Minuten und nicht lediglich 5 Minuten anzusetzen. Ebenso wird der Zeitansatz von Dr.K. für das An- und Auskleiden von 20 Minuten dem tatsächlichen Hilfebedarf nicht gerecht. Auch hierbei ist das Körpergewicht des Klägers als erschwerender Faktor zu berücksichtigen. Deshalb sind insgesamt sowohl für die Vorgänge das Ankleiden wie das Entkleiden jeweils wenigstens 15 Minuten anzusetzen. Zu bedenken ist, dass es, wie die Zeugin S. ausgesagt hat, immer wieder zu Verschmutzungen kommt, weshalb zusätzliche Kleiderwechsel erforderlich werden. Rechnet man den beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung im Zusammenhang mit der Fahrt zur Krankengymnastik erforderlichen Hilfebedarf von 2 Minuten - Dr.K. hat Hilfe von 5 Minuten angesetzt - hinzu, so ergeben sich einschließlich der von Dr.K. angesetzten 10 Minuten für Transferleistungen 120 Minuten für die Grundpflege mit der Folge, dass der Anspruch auf Pflegeleistungen nach Stufe II erfüllt ist.
Somit kann letztlich dahinstehen, ob, wie von Dr.B. angenommen, täglich 12 Transferleistungen mit jeweils 2 Minuten anfallen. Jedenfalls kann aus der Aussage der Zeugin S. nicht geschlossen werden, dass der Kläger grundsätzlich sämtliche Transferleistungen, also auch vom Bett in den Rollstuhl und zurück, selbständig durchführen kann. Wenn ihm dies ausnahmsweise in Notfällen gelingt, wenn eine Pflegefachkraft nicht greifbar ist, so bedeutet dies nicht, dass ein Pflegebedarf in diesem Sinne nicht besteht; die Zeugin S. hat klargestellt, dass ihm dies, wenn überhaupt, nur unter Inkaufnahme von Schmerzen wegen der Arthrose in den Armgelenken möglich ist, und auch nur gelegentlich, jedenfalls nicht mehrmals am Tag. Hieraus ergibt sich, dass jedenfalls bei den Transfers aus dem Bett in den Rollstuhl und zurück objektiv ein Hilfebedarf besteht, da es dem Kläger letztlich nicht zumutbar ist, zu versuchen, solche Transfers alleine zu bewältigen. Soweit die Beklagte auf die Zeugenaussage verweist, dass der Kläger auch in der Lage ist, nach dem Duschen alleine das Bett aufzusuchen, so handelt es sich auch dabei nur um eine "Notmaßnahme", die nur unter der Voraussetzung gelingt, dass der Kläger beim Duschen die Strümpfe anbehält. Auf diese Weise ist aber eine ordnungsgemäße Reinigung naturgemäß nicht möglich, weshalb er für eine ordnungsgemäße Pflege im Ergebnis auch insoweit einer Hilfe bei dem Transfer bedarf.
Weiterhin ergibt sich aus dem Gutachten der Dr.B. hinreichend deutlich, dass der Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung zumindest 60 Minuten beträgt. Es ist nachvollziehbar, das der Kläger im Grunde zur hauswirtschaftlichen Versorgung keinen Beitrag leisten kann.
Wie Dr.B. darlegt, besteht der Hilfebedarf im Umfang der Stufe II seit September 2000. Dies ergibt sich bei Berücksichtigung der in dem Gutachten von Frau H. vom 18.09.2000 getroffenen Feststellungen, die lediglich bezüglich der zeitlichen Bewertung nicht zutreffend sind. Ein Hilfebedarf im Umfang der Stufe II vor dem September 2000 lässt sich hingegen nicht begründen. Hierfür fehlen die erforderlichen Anhaltspunkte.
Weiterhin ergibt sich aus den obigen Darlegungen, dass ein Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe III nicht besteht, da die hierfür erforderlichen Pflegezeiten von täglich mindestens 5 Stunden, in der Grundpflege mindestens 4 Stunden eindeutig nicht anfallen.
Gemäß § 6 Abs.2 Satz 1 und 2 MB-PPV 1996 hat die Beklagte somit dem Kläger ab 01.09.2000 Leistungen nach Pflegestufe II zu zahlen. Der darüber hinausgehende Berufungsanstrag war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung bezüglich des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 Abs.4 in der ab 02.01.2002 gültigen Fassung des Gesetzes vom 17.08.2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 2144). Bezüglich des Klageverfahrens waren die Kosten gemäß § 193 Abs.4 SGG in der vor dem 02.01.2002 gültigen Fassung gegeneinander aufzuheben.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Klageverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen aus der privaten Pflegepflichtversicherung des Klägers streitig.
Der 1995 geborene Kläger beantragte am 23.02.1995 Leistungen aus der Pflegeversicherung und legte ein Attest des Allgemeinarztes Dr.S. vor, wonach bei ihm ein Zustand nach kompletter Querschnittslähmung T a 12 mit Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung nach BWK-12-Fraktur am 03.07.1994 vorliegt, neben einer endogenen Psychose, einem Zustand nach subkapitaler Humerusfraktur links und Rippenserienfraktur rechts sowie Lungenkontusion mit Dauerschmerzen. Nach Einholung eines Gutachtens des Dr.U. sagte die Beklagte mit Schreiben vom 26.09.1996 Leistungen nach Pflegestufe I zu.
Im Auftrag der Beklagten erstellte die Ärztin Dr.H. nach Untersuchung des Klägers ein Gutachten vom 18.09.2000, in dem sie einen Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche und beim Duschen von jeweils 20 Minuten, bei der Darm- und Blasenentleerung von 45, beim An- und Auskleiden von 20 Minuten sowie beim Verlassen/ Wiederaufsuchen der Wohnung anlässlich der Arztbesuche von drei Minuten, in der Grundpflege somit von 108 Minuten annahm.
Mit Schreiben vom 25.09.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es bleibe bei Leistungen der Pflegestufe I, die Leistungszusage vom 26.09.1996 behalte weiterhin Gültigkeit.
Der Kläger machte mit Schreiben vom 02.10.2000 einen Anspruch auf Leistungen der Pflegestufe III geltend. Für die Beklagte erstellte sodann Dr.K. ein "Obergutachten" vom 27.02.2001 nach Untersuchung am 23.02.2001. Der Grundpflegebedarf betrage 115 Minuten, der Bedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung 45 Minuten. Mit Schreiben vom 07.03.2000 lehnte die Beklagte weiterhin die Bewilligung höherer Leistungen ab.
Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Diese hat das SG nach Einholung von Befundberichten mit Urteil vom 15.04.2002 abgewiesen. Die Anwendbarkeit des § 64 des Versicherungsvertragesetzes (VVG) führe bei Streitigkeiten über die Leistungspflicht in der privaten Pflegeversicherung im Ergebnis zu einer Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle. Sowohl der Versicherer als auch der Versicherungsnehmer könnten im Prozess eine Überprüfung des Gutachtensergebnisses auf der Grundlage des § 64 VVG verlangen. Von Seiten des Klägers sei nicht vorgetragen worden, das Gutachten des Dr.K. vom 23.02.2001 sei nicht verbindlich, weil es von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche. Aufgrund der vorgelegten ärztlichen Äußerungen, der Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Nürnberg und der Beklagtenakte lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Gutachten des Dr.K. von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche.
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, entgegen der Auffassung des SG weiche das Gutachten des Dr.K. von der wirklichen Sachlage erheblich ab. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei dem ca. 4-mal täglichen Kleiderwechsel wegen Verunreinigungen 20 Minuten, also pro Kleiderwechsel nur 5 Minuten, angesetzt würden. Er sei im Bereich der unteren Extremitäten komplett querschnittgelähmt und wiege über 80 kg. Da er keinerlei Beitrag zur hauswirtschaftlichen Versorgung leisten könne, könne der hierfür erforderliche Bedarf nicht mit weniger als 60 Minuten bewertet werden.
Im Auftrag des Senats hat die Sachverständige Dr.B. den Kläger am 05.06.2003 zu Hause aufgesucht. In der Grundpflege betrage der Hilfebedarf im Tagesdurchschnitt 133 und in der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten.
Für die Beklagte hat Dr.W. dem Gutachten insoweit widersprochen, als 16 Minuten für Aufstehen/Zubettgehen und 3 Minuten für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung angesetzt worden sind; allein diese Punkte bewirkten eine Diskrepanz von 18 Minuten in der Grundpflege. Hierzu hat Dr.B. in der ergänzenden Stellungnahme vom 23.09.2003 ausgeführt, sie habe das Bereitstellen der Mahlzeiten mit 3 Minuten bewertet. Beim Transfer in und aus dem Rollstuhl werde vom Kläger vollständige Hilfe benötigt. Während Dr.K. von fünf Transferleistungen täglich ausgegangen sei, seien bei genauer Durchsicht der Unterlagen 12 Transfers erforderlich.
In dem Termin am 18.11.2003 ist die Pflegeperson S. als Zeugin vernommen worden; bezüglich ihrer Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Hierzu hat der Kläger vorgetragen, die Feststellungen im Gutachten der Dr.B. seien durch die Zeugenaussage nicht widerlegt worden. Wenn die Beklagte darauf hinweise, dass die in den Gutachten ausgewiesenen Transferzeiten nicht in der angesetzten Höhe berücksichtigungsfähig seien, so sei zu bedenken, dass der Gesamtansatz für die erforderliche Pflege 133 Minuten am Tag betrage. Im Übrigen habe die Zeugin auch bestätigt, dass außer ihr noch Nachbarn und Mitarbeiter der Diakoniestation Pflegeleistungen erbrächten. Selbst wenn vier Minuten für Transfers, die der Kläger allein bewirken könne, abgezogen würden, betrügen die Pflegeleistungen noch 129 Minuten.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach der Pflegestufe III ab 01.01.1996, hilfweise ab September 2002 und hilfsweise nach der Pflegestufe II zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Aussage der Zeugin bestätige, dass der Kläger Transfers - zumindestens ganz überwiegend - alleine verrichten könne, so z.B. nach dem Duschen alleine zurück in das Bett gelangen könne.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtzüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als teilweise begründet. Der Kläger hat für die Zeit ab 01.09.2000 Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe II. Die Voraussetzungen für höhere Leistungen liegen allerdings nicht vor.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 1 Abs.8 Buchstabe b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung - Bedingungsteil - (MB/PPV 1996), da er für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung im Tagesdurchschnitt Hilfe im Umfang von mindestens drei Stunden benötigt, wobei auf die Grundpflege wenigstens zwei Stunden entfallen. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich aus dem Gutachten der Dr.B. , dass der zeitliche Umfang der Grundpflege zumindest 120 Minuten und der hauswirtschaftlichen Versorgung wenigstens 60 Minuten beträgt.
Aus diesem Gutachten ergibt sich gleichzeitig, dass das Gutachten des Dr.K. , auf das sich die Beklagte stützt, im Sinne des § 64 Abs.1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Auch wenn die von Dr.B. angegebenen Pflegezeiten, soweit sie anzuerkennen sind, in nur relativ geringem Maße höher sind als die von Dr.K. angenommenen, so besteht die "Erheblichkeit" der Abweichung darin, dass bereits die Annahme von zusätzlichen Grundpflegezeiten von 5 Minuten den Anspruch auf die höheren Leistungen nach Stufe II begründet. Wesentlich ist, dass die Notwendigkeit zusätzlicher Pflegezeiten von wenigstens 5 Minuten hinreichend nachgewiesen ist.
Dem SG ist nicht zu folgen, wenn es aus der Anwendung des § 64 VVG eine Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle ableitet. Dies würde zum einen den nach § 103 SGG geltenden Grundsatz der Amtsermittlungspflicht verletzen und zum anderen dem sich aus § 23 Abs.1 Satz 2 SGB XI ergebenden Grundsatz der Gleichwertigkeit der Ansprüche der Privatpflegeversicherten und der gesetzlich Versicherten widersprechen. Ob ein von einem privaten Pflegeversicherer eingeholtes Gutachten von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht, kann das Gericht in aller Regel nicht selbst beurteilen, da es zum einen die Pflegesitutation des Versicherten in seiner häuslichen Umgebung nicht selbst untersucht hat, und zum anderen grundsätzlich nicht über den Sachverstand verfügt, um die erforderlichen Pflegezeiten zutreffend zu bewerten. Deshalb wird es in aller Regel die Hilfe eines entsprechenden Sachverständigen in Anspruch zu nehmen haben, um feststellen zu können, ob das Gutachten des Versicherers von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht.
Eine solche erhebliche Abweichung ist, wie bereits dargelegt, von Dr.B. überzeugend aufgezeigt worden. Dies gilt nicht für den Bereich der Körperpflege, in dem Dr.B. den Pflegebedarf gegenüber dem Gutachten des Dr.K. nur mit 70 statt 75 Minuten bewertet hat. Ebenfalls gilt dies nicht für den Bereich der Ernährung, da insoweit Dr.B. zu Unrecht für die Zubereitung der Nahrung drei Minuten angesetzt hat; insoweit ist der Beklagten zu folgen, dass die Bereitstellung der Nahrung der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen ist, der Kläger im Übrigen bei der Einnahme der Nahrung selbst keiner Hilfe bedarf.
Die wesentliche Abweichung besteht in der Bewertung des Pflegebedarfes im Bereich der Mobilität. Angesichts der kompletten Lähmung der Beine und des Umstandes, dass der Kläger ein Körpergewicht von 80 kg aufweist, sind für das Umlagern, wie von Dr.B. angenommen, wenigstens 8 Minuten und nicht lediglich 5 Minuten anzusetzen. Ebenso wird der Zeitansatz von Dr.K. für das An- und Auskleiden von 20 Minuten dem tatsächlichen Hilfebedarf nicht gerecht. Auch hierbei ist das Körpergewicht des Klägers als erschwerender Faktor zu berücksichtigen. Deshalb sind insgesamt sowohl für die Vorgänge das Ankleiden wie das Entkleiden jeweils wenigstens 15 Minuten anzusetzen. Zu bedenken ist, dass es, wie die Zeugin S. ausgesagt hat, immer wieder zu Verschmutzungen kommt, weshalb zusätzliche Kleiderwechsel erforderlich werden. Rechnet man den beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung im Zusammenhang mit der Fahrt zur Krankengymnastik erforderlichen Hilfebedarf von 2 Minuten - Dr.K. hat Hilfe von 5 Minuten angesetzt - hinzu, so ergeben sich einschließlich der von Dr.K. angesetzten 10 Minuten für Transferleistungen 120 Minuten für die Grundpflege mit der Folge, dass der Anspruch auf Pflegeleistungen nach Stufe II erfüllt ist.
Somit kann letztlich dahinstehen, ob, wie von Dr.B. angenommen, täglich 12 Transferleistungen mit jeweils 2 Minuten anfallen. Jedenfalls kann aus der Aussage der Zeugin S. nicht geschlossen werden, dass der Kläger grundsätzlich sämtliche Transferleistungen, also auch vom Bett in den Rollstuhl und zurück, selbständig durchführen kann. Wenn ihm dies ausnahmsweise in Notfällen gelingt, wenn eine Pflegefachkraft nicht greifbar ist, so bedeutet dies nicht, dass ein Pflegebedarf in diesem Sinne nicht besteht; die Zeugin S. hat klargestellt, dass ihm dies, wenn überhaupt, nur unter Inkaufnahme von Schmerzen wegen der Arthrose in den Armgelenken möglich ist, und auch nur gelegentlich, jedenfalls nicht mehrmals am Tag. Hieraus ergibt sich, dass jedenfalls bei den Transfers aus dem Bett in den Rollstuhl und zurück objektiv ein Hilfebedarf besteht, da es dem Kläger letztlich nicht zumutbar ist, zu versuchen, solche Transfers alleine zu bewältigen. Soweit die Beklagte auf die Zeugenaussage verweist, dass der Kläger auch in der Lage ist, nach dem Duschen alleine das Bett aufzusuchen, so handelt es sich auch dabei nur um eine "Notmaßnahme", die nur unter der Voraussetzung gelingt, dass der Kläger beim Duschen die Strümpfe anbehält. Auf diese Weise ist aber eine ordnungsgemäße Reinigung naturgemäß nicht möglich, weshalb er für eine ordnungsgemäße Pflege im Ergebnis auch insoweit einer Hilfe bei dem Transfer bedarf.
Weiterhin ergibt sich aus dem Gutachten der Dr.B. hinreichend deutlich, dass der Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung zumindest 60 Minuten beträgt. Es ist nachvollziehbar, das der Kläger im Grunde zur hauswirtschaftlichen Versorgung keinen Beitrag leisten kann.
Wie Dr.B. darlegt, besteht der Hilfebedarf im Umfang der Stufe II seit September 2000. Dies ergibt sich bei Berücksichtigung der in dem Gutachten von Frau H. vom 18.09.2000 getroffenen Feststellungen, die lediglich bezüglich der zeitlichen Bewertung nicht zutreffend sind. Ein Hilfebedarf im Umfang der Stufe II vor dem September 2000 lässt sich hingegen nicht begründen. Hierfür fehlen die erforderlichen Anhaltspunkte.
Weiterhin ergibt sich aus den obigen Darlegungen, dass ein Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe III nicht besteht, da die hierfür erforderlichen Pflegezeiten von täglich mindestens 5 Stunden, in der Grundpflege mindestens 4 Stunden eindeutig nicht anfallen.
Gemäß § 6 Abs.2 Satz 1 und 2 MB-PPV 1996 hat die Beklagte somit dem Kläger ab 01.09.2000 Leistungen nach Pflegestufe II zu zahlen. Der darüber hinausgehende Berufungsanstrag war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung bezüglich des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 Abs.4 in der ab 02.01.2002 gültigen Fassung des Gesetzes vom 17.08.2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 2144). Bezüglich des Klageverfahrens waren die Kosten gemäß § 193 Abs.4 SGG in der vor dem 02.01.2002 gültigen Fassung gegeneinander aufzuheben.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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